Foyer 88

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thEatER in nORDEn Opernpremieren

Tosca

Stadttheater Bremerhaven „Tosca“ Der herrschsüchtige Gewaltmensch Scarpia hat einen grausamen Polizeistaat eingerichtet. Überall lauern seine Spitzel, drohen seine Schergen, schlagen sofort zu wie etwa der stets mit dem Baseballschläger hantierende Spoletta. Und wenn dann beim Tedeum am Schluss des ersten Aktes der Blick auf die Folterkeller fällt, drängt sich der Gedanke an die unselige Verklammerung von Kirche und Staat auf. Trotzdem gerät dieser erste Akt am schwächsten in der „Tosca“-Inszenierung von Gregor Horres am Stadttheater Bremerhaven. Denn die Liebes- und Eifersuchtshändel Tosca/Cavaradossi vollziehen sich, mit einem offensichtlich unausrottbaren Hang zur Rampe, auf dem Platz vor der Kirche, deren Wand mit einem mäßig verhüllten Fresko der Heiligen Magdalena geschmückt ist. Erst dann, wenn Ausstatter Jan Bammes die bühnenhohen Gitter im Hochsicherheitstrakt des Staatsgefängnisses aufgerichtet hat, gewinnt die Inszenierung an fesselnder Wirkungskraft, weil Sexbegehren und entschiedene Abwehr,

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Foto: Jörg Landsberg

also eine Art Sex and Crime, prickelnde, ja explosive Spannung erzeugen.

Gestaltung nutzte. Etwas Samt wird ihren Kantilenen sicher noch zuwachsen.

Diese Spannung ließe sich noch verdichten, wenn Matthias Kleins Scarpia neben den scharfen, situationsbedingt auch bellend bösen Tönen seinen Bariton auch mal in verführerischen Balsam hüllen könnte. Aber sein Spiel hat stets schurkische Intensität. Schwächer dann wieder das ganz auf Stimmungsmalerei verzichtende, vielmehr knallharte Finale, eingeleitet mit dem kleinen Hirtenlied, das – allerdings völlig abstrus – die vorher die Todeslisten führende Sekretärin (Katharina Laura Steinwachs) singen darf.

Von den wuchtigen Akkordblöcken des Vorspiels an nutzte Stephan Tetzlaff das willfährige Orchester zur ganzen Farbpalette des Schauerdramas, prägte das sinnlich Leidenschaftliche ebenso prägnant wie das brutal Auftrumpfende. Nächste Aufführungen: 22., 30. Januar; 2., 6., 10., 27. Februar

Auch sonst muss man sich von traditionellen Sehgewohnheiten verabschieden. Cavaradossi ist hier kein jugendlicher, mit Freiheitskämpfern sympathisierender Mann, sondern ein gesetzter, graumelierter Herr; aber Heiko Börner singt ihn bis hin zu den furchtlosen „Vittoria“- Rufen mit kraftvollem Tenor und stets kernigem Höhenstrahl. Die Aufführung beherrscht jedoch Miriam Gordon-Stewart, die bei ihrem Rollendebüt als extravagante, kapriziöse und dramatische Tosca überzeugte, zumal sie ihren Sopran konsequent zu psychologischer

Staatsoper Hannover „Die Liebe zu den drei Orangen“ Hereinspaziert ins Land der Phantasie! Hier wird gezaubert und verhext, scharwenzelt und streng befohlen, intrigiert und verstoßen. Gestalten fahren aus der Erde und wieder zurück, Schlangen türmen sich zu Ungeheuern auf, und nicht nur die drei Orangen schreiten mühelos durch die glitzernden (Folien-)Wände. Der Prinz ist ausgezogen, sie zu erobern, denn in einer soll seine Prinzessin schlummern. Nicht ganz freiwillig machte er sich auf den Weg, denn er ist ein humorloser Hypochonder, der erst


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