Bert Neumann, seine Frau Lenore Blievernicht und Sohn Leonard sind „Last Second Design“ (LSD), Deutschlands bekannteste unbekannte Grafikagentur aus Berlin. Zuletzt verhalfen sie den Münchner Kammerspielen zu neuem Glanz, mit einem Corporate Design ganz im Stil salooniger Typo. Ergänzt werden die verschiedenen Schriften durch Schmuckelemente im Western-Stil.
Bert Neuman, his wife Lenore Blievernicht and son Leonard form LSD, “Last Second Design”, the bestknown, unknown graphic art agency in the cultural realm. Recently LSD created a new corporate design for Münchner Kammerspiele using a conglomeration of different old fonts in black and white, and some decorative westernstyle panels.
sehen und unfreiwillig Trends ausgelöst. Zusammen mit seiner Frau, der Fotografin Lenore Blievernicht, betreibt er LSD – „Last Second Design“ –, die wohl bekannteste unbekannte Grafikagentur im Kulturbereich. Die Werbung in der Theaterlandschaft sei gemeinhin „sehr jugendlich, szenig, ein bisschen politisch“, findet er. Mit dem kritischen, linksintellektuellen Konsens in der Schauspielbranche hat er weniger ein Problem als mit der daraus resultierenden Stagnation in der Grafik: Alles wurzele irgendwie noch in den 1990ern. „Da hat man aber nichts gewagt.“ Wer von der Agentur nie gehört hat, ist entweder nicht vom Fach oder einfach nur ihrer konsequenten Verweigerungsstrategie aufgesessen. Seit der Gründung zur Wendezeit verfolgen die Gestalter eine vehemente Antihaltung in Sachen Selbstvermarktung. Absagen an lukrative Aufträge aus der Wirtschaft und Vorenthaltung jeglicher Informationen im eigenen Online-Auftritt inklusive. Ihre Arbeit hingegen ist einschlägig bekannt. Wild plakatierend erschufen sie nach dem Fall der Mauer das neue Gesicht der Berliner Volksbühne – das Wagenrad auf zwei Beinen – und erfanden wie nebenbei die erste Imagekampagne eines Theaters – Slogans, Zeichen und die berüchtigte Streichholzschachtel aus grobem Karton. Keine einzige Studenten-WG blieb damals ohne sie.
SPIELHALLE Nach dem Roman von
JOSEPH ROTH JOHAN SIMONS Regie
Hotel © LSD
SAVOY Raum
Bert Neumann Mit Stephan Bissmeier, Pierre Bokma, Katja Herbers, Brigitte Hobmeier, Nico Holonics, André Jung, Stefan Merki, Wolfgang Pregler, Steven Scharf
URAUFFÜHRUNG AM 7. OKTOBER NUR BIS DEZEMBER 2010
Das Theater der Stadt
Info, Karten und Abo jetzt unter www.muenchner-kammerspiele.de oder Tel. 089 / 233 966 00
„Manchmal beschleicht einen das Gefühl, man hätte die Büchse der Pandora geöffnet, was die Theaterwerbung betrifft“, resümiert Neumann, der heute vielfach prämiert und Leitender Bühnenbildner der Volksbühne ist. Irgendwie sei das alles ein Missverständnis. Mit Marketing und Image-Werbung hatte man nie etwas am Hut. Im Gegenteil. Als Ostberliner Wendeprodukt habe man die Werbung zu Anfang erst einmal als eine „komische Intervention aus dem Westen“ wahrgenommen, die plötzlich alle Lücken restlos auffüllte: „Jeder konnte plötzlich Poster machen und sie aufhängen“, schwärmt der Grafiker. „Doch gleichzeitig war da auch der Impuls, etwas Eigenständiges zu schaffen.“ Das war die Volksbühnenidee. Das betonte Understatement hat sich ausgezahlt, denn bis heute gehörten Berliner Institutionen wie das Palais Podewil, der Hamburger Bahnhof, das Berliner Ensemble und die KunstWerke in der Auguststraße, internationale Adressen wie das Festival „Theater der Welt“, das Theater Basel und das Stadttheater Gent sowie Galerien und Plattenlabels zu seinen Auftraggebern. Auch für Filmproduktionen wie „Sonnen allee“ und „Halbe Treppe“ hat man Entwürfe geliefert. „Schnell hieß es, wir hätten aus der Volksbühne eine Marke gemacht“, erinnert sich Neumann. Dabei habe man darüber nie nachgedacht. „Was heißt schon Marke?“ Letztlich sei das doch immer eine Behauptung.
form 238 / 2011
LSD 89