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Dem Volk aufs Maul geschaut...” - 500 Jahre Lutherbibel

„Dem Volk aufs Maul geschaut“ 1

500 Jahre Lutherbibel

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Es war die Sensation der Leipziger Buchmesse 1522 – ja, schon damals gab es sie! –: das Neue Testament in deutscher Sprache in der Übersetzung von Dr. Martin Luther. Nur elf Wochen hatte er gebraucht, um die vier Evangelien, die apostolischen Briefe und die Offenbarung des Johannes aus der griechischen Urfassung ins Deutsche zu übersetzen, unterstützt von Philipp Melanchthon. Luther lebte zu der Zeit versteckt auf der Wartburg. Hier hatte er die lateinische Fassung der Vulgata, deren Text ihm weitgehend auch auswendig präsent war. Außerdem stand ihm eine Ausgabe des griechischen Textes zur Verfügung sowie das Neue Testament des Erasmus von 1519, das in zwei Spalten den griechischen Text mit Anmerkungen und daneben eine neue lateinische Übersetzung bot – Luther war im Griechischen nicht so sicher, dass er mit dem Urtext ohne Hilfe eines Philologen hätte arbeiten können. Luther ging Textsinn vor Wörtlichkeit. Durch freieres Übersetzen und den neuen Sprachrhythmus war seine Version besonders eingängig und gut zum Vorlesen geeignet. Man müsse „dem Volk aufs Maul schauen", sagte er selbst zu seiner Art des "Dolmetschens". Ab 1534 lag eine deutsche Vollbibel vor, an der Luther zeitlebens weiter Verbesserungen vornahm. Luthers Übersetzung war nicht die erste Bibel auf Deutsch. Was sie jedoch zum Erfolgsmodell machte, waren seine Orientierung an der gesprochenen Volkssprache und seine starken Bilder. Damit trug er übrigens wesentlich zur Bildung einer einheitlichen deutschen Sprache bei. Thomas Mann meinte, Luther habe „durch seine gewaltige Bibelübersetzung die deutsche Sprache erst recht geschaffen“. Luther hat nicht nur eine einheitliche Sprache jenseits der Dialekte begründet, sondern auch einen Schub für die Alphabetisierung gebracht – schließlich sollte jeder Christ selber das Wort Gottes lesen und verstehen, auch Frauen, Handwerker und Bauern. Die katholische Tradition wehrte sich lange dagegen: Die Bibel sei den einfachen Gläubigen nur durch Vermittlung und Erklärung der Priester zugänglich, hieß es. Das wurde möglich durch Johannes Gutenbergs Buchdruck mit beweglichen Lettern. Denn dadurch wurden Bücher zu einem erschwinglichen Gut für Jedermann: Die 3.000 Exemplare von Luthers so genanntem Septembertestament waren im Nu vergriffen. Dieses Zusammenspiel von kultureller und technischer Entwicklung brachte der Kommunikation der Menschen dieser Zeit einen ähnlich starken Schub, wie ihn die Digitalisierung in unserer Zeit bewirkte.

(SBr)

Quellen 1. https://www.katholisch.de/artikel/41092vor-500-jahren-luthers-bibeluebersetzungsorgt-fuer-eine-sensation 2. https://de.wikipedia.org/wiki/Lutherbibel Bild Martin Luther, Das Newe Testament Deutzsch (Septembertestament), Blatt 143 – Beginn des Johannesevangeliums, 1522, Wittenberg, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, (Wikicommons, gemeinfrei)

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