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Ein Grauen überlief uns” - Ein Stolperstein für Sr. Gabriele Murr

„Ein Grauen überlief uns“

Ein Stolperstein für Schwester Gabriele Murr

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Im März 2022 wurden in Straubing noch einmal 23 Stolpersteine verlegt, zur Erinnerung an Menschen, die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen sind. Ein Stolperstein liegt künftig vor der Pforte des Ursulinenklosters in der Burggasse.

„Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Tochter Katharina Murr am 14. November unerwartet infolge einer Wundrose mit nachfolgender Sepsis verstorben ist.“ So beginnt das Schreiben vom November 1940 an den Vater Josef Murr, mit dem ihm die „Landesanstalt Hartheim“ den Tod seiner Tochter mitteilte. Schloss Hartheim nahe Linz in Oberösterreich war eine der sechs Tötungsanstalten im Zuge der von den Nationalsozialisten im September 1939 beschlossenen „Euthanasie“-Maßnahmen: Behinderte und psychisch kranke Menschen sollten als „unnützer Ballast“ der Gesellschaft „ausgemerzt“ werden. In der von Adolf Hitler angeordneten „Aktion T4“ wurde die Ermordung der Behinderten planmäßig organisiert. Kommissionen erfassten die Patienten aller Heil- und Pflegeanstalten und erstellten „Transportlisten“ mit den Todeskandidaten. Nach Hartheim deportierte man vor allem Patienten aus den staatlichen Heil- und Krankenanstalten in Bayern und Österreich. Noch am Tage ihrer Ankunft wurden sie vergast, die Leichen verbrannt und die Asche wurde in die Donau geschüttet, später jedoch, als die Bevölkerung aufmerksam wurde, auf dem Schlossgelände vergraben. Den Brief mit der Todesnachricht leitete die Familie Murr an das Ursulinenkloster in Straubing weiter, wo Katharina Murr Ordensschwester gewesen war. Bauerskind, Ordensfrau und Lehrerin Katharina wurde am 18. September 1893 in Hüttenkofen (Landkreis Dingolfing) als Kind der Bauersleute Josef und Anna Murr geboren. Wie ihre älteren Schwestern Maria, Anna, Theresia und Karolina wurde sie Schülerin bei den Ursulinen. Sie trat in die Gemeinschaft ein, wurde am 30.11.1913 eingekleidet und legte am 08.12.1918 die Ewige Profess ab. Sie erhielt den Ordensnamen Schwester Gabriele - im Bild sitzend von links: Sr. Gabriele Murr und Sr. Dolorosa Murr (1925 Klosterarchiv). Zwei Schwestern traten in das Dominikanerinnenkloster St. Maria in Niederviehbach ein. Die älteste Schwester heiratete. Von den zwei Brüdern fiel einer im Ersten Weltkrieg, der andere übernahm den Hof. Die Eltern sorgten für eine gute Schulbildung ihrer klugen Töchter. Sie wurden Lehrerinnen. Sr. Gabriele war an der Mädchenvolksschule St. Jakob tätig. Seit 1925 bemerkte man im Kloster Veränderungen an Sr. Gabriele. Obwohl sie „eine gute Lehrerin“ war, wurde sie immer nervöser und reagierte zunehmend misstrauisch. Anfang 1927 wurde eine geistige Störung diagnostiziert, „die sich in Wahnvorstellungen, Sinnestäuschungen wie Stimmenhören, Gesichtsbildern usw. zeigt“. Dies machte ab 1930 ihre dauerhafte Unterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt Mainkofen notwendig. Im Februar 1938 wurde sie von dort in die Heil- und Pflegeanstalt Regensburg-Karthaus verlegt. Sie war zunehmend desorientiert, arbeitsunfähig und „unzugänglich und abweisend“, wie die letzte ärztliche Beurteilung vom 19. September 1940 lautete. Damit war sie prädestiniert für die „schwarze Liste“. Ihre Krankenakte endet mit dem Eintrag: „Auf Anordnung dem Krankentransport Berlin G.m.b.H. übergeben“, jener Organisation, die für die Fahrten nach Hartheim verantwortlich war. Schwarzes Gefäß mit Ascheresten Der Brief aus Hartheim schließt: „Falls Sie die Urne auf einem bestimmten Friedhof beisetzen lassen wollen, – die Überführung erfolgt kostenlos – bitten wir Sie (…) um Nachricht. (…) Heil Hitler“. Die Ursulinen ließen sich die Urne ihrer Mitschwester schicken. Der Klosterchronik ist zu entnehmen, dass den Schwestern erst durch die Todesnachricht aus Hartheim die Bedeutung der Verlegung von Sr. Gabriele „in eine andere Anstalt“ klar wurde: „Ein Grauen überlief uns, als wir das schwarze Gefäß im Zimmer der Würdigen Mutter sahen.“ Umso mehr bemühten sie sich nun, eine zweite Mitschwester zu retten, die in einer privaten Heilanstalt in der Oberpfalz verweilte. Als deren Überstellung zur „Todesstation“ anstand, holten zwei Ursulinen sie in einem „schwierigen und gewagten Unter-

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