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FRUCHTIG, SÜSS – GEHT IMMER

JESSE „THE DEVIL“ HUGHES MIXT ALS BOOTS ELECTRIC EINEN BUNTEN COCKTAIL AUS TAUSEND EINFLÜSSEN von Bernd Skischally

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om Garagen-Spaß-Projekt zur allseits respektierten, da überdreht authentischen Hollywood-Poser-Band – so lässt sich der Werdegang der Eagles Of Death Metal kurz zusammen fassen. Weil 2011 ja so ziemlich alles geht, fordert Jesse Hughes, der die EODM zusammen mit seinem Highschool-Kumpel Josh Homme formte und damit über Nacht als Thirtysomething zum Rockstar avancierte, die Hörgewohnheiten seiner Fans nun mit einem quirlig poppigen Nebenprojekt heraus. Als Boots Electric veröffentlicht der 39-jährige Schnauzbartfetischist „Honkey Kong“. Die Platte startet mit dem hippeligen „Complexity“, der zweiten Single, die aber gleich etwas Nervfaktor offenbart. Ein Dance-Pop-Sprechgesangs-Etwas, definitiv kein Arschtritt-Rock’n’Roll. Wahrscheinlich wollte Jesse „The Devil“ alias Boots Electric nur gleich mal klar machen, dass es hier und jetzt ums Grenzensprengen geht – und vor allem wohl um den Spaß, den er selbst allein im Studio hatte. Nachdem wir das gecheckt haben, kommt „Love You All The Thyme“ überraschend smooth daher. Neben „Dreams Tonight“ eine recht gefällige Roadmovie-Ballade mit Wohlfühl- und Cabrio-Faktor sowie Hawaii-Soundeffekten. Die an dritter Stelle aufgeführte Vorab-Single „Boots Electric Theme“ wirkt, betrachtet man sie im Kontext des Albums, leider etwas konstruiert. Gastsängerin Broody Dalle (The Distillers, Spinnerette) klingt auch nicht sonderlich markant, ein Spaß-Track, den man sich, bevor man ihn tothört, lieber

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SEPTEMBER 2011

für die ein oder andere Pool-Party aufheben sollte. Angenehm nachdenklich und versehen mit Klavierversatzstücken unterstreicht „No Fun“ dann, was man schon lange ahnt: Auch ein L.A.-Partyanimal kennt schattige Tage. Gleich darauf widmet sich Jesse wieder seinem Lieblingsthema: „Oh Girl“. Mit hohem Gesang und düsterem Drive schallt da der vielleicht beste Song der Platte aus den Boxen. Programmatisch zappelig und crazy erwacht anschließend der „Speed Demon“, dem eben nicht nur Electrokids verfallen, bevor mit dem getragenen, sphärischen „You’ll Be Sorry“ und dessen „Shallallallala“-Refrain wieder zwei Gänge zurück geschaltet wird. Erst als beim vorletzten Song „Trippy Blob“ lustiges Piepen zu einem dumpfen Beat ertönt, erinnert man sich wieder, dass eigentlich mal von Jesses „Electro-Projekt“ die Rede war. Ein klassischer Dancekracher ist „Honkey Kong“ allerdings wirklich nicht. Die Südstaaten-Country-Ballade „Swallowed By The Night“, die auf einem White-Stripes-Album genau so gut aufgehoben wäre, betont das nochmal letztinstanzlich. Vielmehr dürfte sich Jesse am alten Crossover-Meister Beck orientiert haben, der auch schon immer alle möglichen Einflüsse zu schmackhaften und teils recht verrückten Cocktails mixte. Ob nun das quietschbunte „Honkey Kong“ schmeckt? Dem puristischen Desert-RockFan sicher nicht. Auch ein extraordinär herausragender Edel-Drink ist nicht geschaffen worden. Wer Jesses Livestyle jedoch schätzt und ihm Experimente gönnt, der hält einen fruchtig, süßen Tequila Sunrise in der Hand. Der geht immer.


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