SUMO #38

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Journalismus: Ein Beruf, viele Legenden Ein bekanntes Zitat sagt, man solle fĂŒr sich selbst einen Beruf wĂ€hlen, den man liebt. Denn dann brauche man keinen Tag in seinem Leben mehr zu arbeiten. Wer im Journalismus tĂ€tig ist, fĂŒr den scheint der Beruf ohnehin mehr zu sein, als „nur“ eine Arbeit – so ist jedenfalls der Eindruck nach mehreren Interviews mit Journalist:innen. Einige haben ihre Branche besonders geprĂ€gt, oder tuen es heute noch. SUMO hat sich auf die Suche nach Journalist:innen-Legen-den gemacht – und große Persönlichkeiten gefunden. Wenn sich Heinz Nussbaumer an sein erstes Zusammentreffen mit Hugo Portisch erinnert, dann ist es eine Erinnerung an den „unendlich Großen“. „Aus dem Versuch ihn nachzuahmen, haben wir uns angezogen wie er, mit denselben hellblauen Hemden und einem Trenchcoat. Wir wollten alle Portisch sein“, sagt er. Nussbaumer ist selbst Journalist, der im April 2021 verstorbene Hugo Portisch war sein Wegbegleiter. Dass der Name Portisch nicht fehlen darf, wenn es um Journalist:innen-Legenden geht, scheint außer Frage zu stehen. FĂŒr Heinz Nuss-baumer war Hugo Portisch schon zu Lebzeiten eine Legende: „Als ich noch Student war, ha-ben Freunde von mir meine BeitrĂ€ge aus einer Salzburger Zeitung immer wieder an Hugo Portisch geschickt“, erzĂ€hlt Nussbaumer. Eines Tages folgte die Einladung, schließlich kam er als 23-JĂ€hriger zur Außenpolitik bei der Tageszeitung Kurier. Portisch wurde sein Vorge-setzter – und Lehrer: „Er hat mich in die Welt hinausgeschickt.“

Die drei RatschlÀge des Hugo Portisch

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Journalist zu sein, sei Portischs Lebens- und Berufswunsch gewesen, habe ihm eine Freiheit wie kein anderer Beruf gegeben, sagt Nussbaumer. Welches VerstĂ€ndnis des Berufes Portisch hatte, verdeutlicht ein Zitat von ihm: „Ein Privileg, als Chronist mitzuerleben, wenn der erste Rohentwurf der Zeitgeschichte geschrieben wurde.“ Dazu komme Ernsthaftigkeit, ein hoher ethischer Anspruch, positive Neugierde und Unbestechlichkeit, erinnert sich Heinz Nussbaumer: „Er war frei von Besserwisserei und Vorurteilen, war enorm tolerant.“ Was Por-tischs Arbeit geprĂ€gt habe, sei auch die Ansicht gewesen, dass man die Zukunft nur bewĂ€lti-gen könne, wenn man die Vergangenheit verstehe: „Das war der Kern seiner ORF-Dokumen-tationsserien.“ Dazu kamen freilich die persönlichen Erfahrungen aus dem Aufwachsen wĂ€h-rend des Zweiten Weltkrieges, in der Nachkriegszeit und das Miterleben des Wiederaufbaus Österreichs. Aber:

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„Er war eine stille AutoritĂ€t hinter den Kulissen. Ich glaube, bis heute könnte niemand sagen, welcher ParteigĂ€nger er war.“ Hugo Portisch habe seinen Kolleg:innen gerne drei RatschlĂ€ge mit auf den Weg gegeben. „Sage nie jemandem ungefragt, welchen Beruf du hast – so angesehen ist er nicht. Wer immer dich hofiert, merke dir: Er meint nie dich, er meint immer nur das Medium. Vergiss nie, Journalismus ist immer nur geborgte Macht“, sagt Nuss-baumer. Dass sich das Berufsbild von Journalist:innen – und damit auch die Aufgaben – verĂ€ndert haben, sei allerdings auch Hugo Portisch bewusst geworden: „Er hat zu mir gesagt: ‚Ich kann nicht ĂŒber etwas reden, das fĂŒr junge Journalisten irrelevant geworden ist.‘ Zeitungen werden anders gemacht, das ist nun einmal so.“

Wenn der Beruf zur Lebensgefahr wird Zugegeben: Die Suche nach Journalist:innen-Legenden ist keine einfache. Wer gehört unbe-dingt dazu? Welchen Namen darf man keinesfalls vergessen? Wie definiert man „Legenden“ ĂŒberhaupt? Alleine im deutschsprachigen Raum wĂ€re die Liste lang. Mit Blick auf Europa, die USA oder gar global noch um einiges lĂ€nger. Darunter auch Journalist:innen, die fĂŒr ihren Beruf das Leben lassen mussten. Der Slowake JĂĄn Kuciak ist einer von ihnen. Er war Redak-teur der Nachrichtenplattform aktuality.sk und beschĂ€ftigte sich im Zuge dessen hauptsĂ€chlich mit Korruption in der slowakischen Politik und Wirtschaft. Nachdem Kuciak bereits mehrmals Drohungen erhalten hatte, wurde er gemeinsam mit seiner Verlobten Martina KuĆĄnĂ­rovĂĄ im Februar 2018 tatsĂ€chlich ermordet aufgefunden. Erst danach wurden weitere Recherchen Ku-ciaks veröffentlicht, in denen es um Verbindungen zwischen slowakischen Politikern zu orga-nisierter KriminalitĂ€t ging. Diese Berichte sorgten fĂŒr große BestĂŒrzung in der Bevölkerung – mit dem Ergebnis, dass Politiker bis hin zum damaligen MinisterprĂ€sidenten Robert Fico zu-rĂŒckgetreten sind. Fast drei Jahre spĂ€ter wurde Miroslav Marcek fĂŒr den Mord an den beiden zu

25 Jahren Haft verurteilt. Seit dem Bekanntwerden des Todes von JĂĄn Kuciak stand die Vermutung eines Auftragsmordes im Raum. Im Film „Die Unbestechlichen“ aus dem Jahr 1976 geht es um zwei Journalisten, die ebenfalls einen Legendenstatus erreicht haben: Carl Bernstein und Bob Woodward. Ihre Recherchen fĂŒhrten zur Aufdeckung der „Watergate-AffĂ€re“ und in der Folge zum RĂŒcktritt von Richard Nixon, damals PrĂ€sident der USA. Bernstein wurde 1944 geboren und wuchs in Washington D. C. auf. Seine journalistische Laufbahn hat im Alter von 16 Jahren begonnen, mit 19 war er bereits Reporter. Woodward stammt aus Illinois und wurde 1943 geboren. In den 1960er Jah-ren hat er Geschichte und englische Literatur an der Yale University studiert. Nach einigen Jahren bei der US-Navy kam er Anfang der 1970er Jahre zur Washington Post. Bernstein und Woodward berichteten ab 1972 ĂŒber den US-Wahlkampf – und ĂŒber missbrĂ€uchliche Vor-gĂ€nge in der Amtszeit von Richard Nixon. Im Sommer 1974 erklĂ€rte er seinen RĂŒcktritt. FĂŒr ihre investigativen Recherchen wurden Carl Bernstein und Bob Woodward gemeinsam mit der Washington Post mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Anneliese Rohrer: Eine Legende als Vorbild ZurĂŒck nach Österreich. Weiter auf der Suche nach Journalist:innen-Legenden. Anneliese Rohrer – auch sie darf nicht fehlen. „Ich bin zu zwei Überzeugungen gelangt. FĂŒr den Beruf des Journalisten brauchen Sie unglaubliche Leidenschaft, sonst zahlt es sich nicht aus. Und Sie brauchen ein Motiv, warum Sie es machen. Das kann alles Mögliche sein: Bekanntheit, Ruhm, Leute kennenzulernen, Schreiben. Mein Motiv war immer zu verhindern, dass die Leute von der Politik hinters Licht gefĂŒhrt werden“, sagt sie. Das helfe auch, mit Kritik umzugehen. Oder mit Anfeindungen, die im Internet geĂ€ußert werden. „Am besten fĂŒr die eigene psychi-sche Hygiene ist, man liest das gar nicht erst.


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