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Trafikant*innen: Die analogen Influencer*innen unserer Zeit
from SUMO #38
Trafiken finden sich im Zwiespalt einer traditionalistischen Historie und digitalen Moderne wieder. Im zeitlichen Verlauf zeigen sich Probleme und Potenziale, die auf einem ursächlichen Freiheitsgedanken beruhen. Daraus resultierende Auswirkungen auf die einhergehende Distributionsfunktion von Printmedien diskutiert SUMO mit Hannes Hofer, Geschäftsführer der Monopolverwaltung GmbH, Josef Prirschl, WKO-Bundesobmann der Trafikant*innen, und anonym mit einem Wiener Trafikanten.
Seit jeher stellen Trafiken eine wichtige Institution im österreichischen Handelswesen dar. Die historische Bedeutung verdeutlicht sich unter anderem durch das von Kaiser Josef II. bereits im Jahr 1784 eingeführte Tabakmonopol. „Ich glaube, es gibt niemanden in Österreich, der/die nicht weiß, wo die nächste Trafik ist.“ Durch die kollektive Bekanntheit der Marke „Trafik“, die als Alleinstellungsmerkmal zu betrachten sei, beschreibt Hannes Hofer den ungebrochenen sozialen Stellenwert. In ökonomischer Hinsicht zeigen sich jedoch umfangreiche Herausforderungen und es stellt sich – im medialen Kontext – die Frage, inwieweit Trafiken im Zeitalter der Digitalisierung noch als Distributionskanal von Printmedien dienlich sein können.
Veränderte Rahmenbedingungen
„Die größte Branchenveränderung der vergangenen 30 Jahre ist mit dem EU-Beitritt auf uns zugekommen“, wie Josef Prirschl die damals maßgebende Herausforderung einer EU-konformen Abbildung des Tabakmonopols erklärt. Dabei sei Tabak in weiterer Folge stets der Hauptgeschäftszweig geblieben, denn bei durchschnittlich 50% Umsatzanteil und 70% Anteil am Deckungsbeitrag bestehe ohne Tabak keine Grundlage. Glücksspiel habe sich darüber hinaus als zweite Säule etabliert, während Zeitungen eine gegenteilige Entwicklung aufweisen.
Der Wiener Trafikant sieht jene Entwicklung differenzierter und beschreibt die Trafik früher wie heute als „CentGeschäft“, das sich durch den EU-Beitritt merklich manifestierte. Aufgrund von konkurrierenden Markteintritten – über den Zweck des reinen Tabakvertriebs selbst hinausgehend – durch Handelsketten, Supermärkte oder Tankstellen und den generell strenger werdenden Tabak-Gesetzen hadert er mit der „guten Zeit der Trafik“ vor 1995. Für Prirschl, der selbst eine Trafik in Pöchlarn (NÖ) betreibt, zeigt sich grundlegend ein großes Spannungsfeld zwischen Gesundheits- und Finanzpolitik. In diesem Sinne bestrebt die Monopolverwaltung GmbH (MVG) auch einen Konsens zwischen gesundheitspolitischen, sozial-, fiskal- und regionalpolitischen Zielsetzungen beizutragen.
Stellenwert von Zeitungen: Einst und heute
Vor diesem Hintergrund haben sich auch Printmedien, betrachtet als Teil der Produktpalette von Trafiken, gewandelt. In jenem Kontext schlugen sich diverse Markt- und Geschäftsmodellveränderungen im Verlagswesen merklich auf den Handel nieder. „Wir haben früher ‚Kronen Zeitungen‘ stapelweise verkauft“, denkt Prirschl an vergangene Tage in seiner Trafik zurück. Aufgrund von „Digital First“-Paradigmen und dem damit einhergehenden Aktualitätsvorteil von Schnellinformationen über digitale Kommunikationsmittel haben Tageszeitungen für Trafiken sehr stark an Bedeutung verloren. Demzufolge hätten sich laut Prirschl auch die Hauptbesuchszeiten der Trafiken von der Früh und dem Vormittag weg verlagert. Innerhalb der Printlandschaft habe es hingegen eine markante Veränderung in Richtung Spezialtitel gegeben, weshalb sich die Produktpalette vor allem bei Fachzeitschriften stark verbreitert habe. Aus der im Jahr 2019 gemeinsam von MVG und WKO beauftragen Studie „Die Trafik der Zukunft“ geht hervor, dass sich Kund*innen in einer Trafik nach Tabak am ehesten Zeitungen sowie Zeitschriften erwarten. Dieser hoch eingeschätzte Stellenwert der Nachfrage nach Printprodukten geht jedoch mit niedriger Zahlungsbereitschaft einher, wodurch Trafikant*innen an (Tages-) Zeitungen nur marginal verdienen. Die rückläufigen Umsätze dieser Produktsparte werden von Prirschl wie folgt konkretisiert: „Der Umsatz bei Zeitungen hat sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert.“ Grundsätzlich erkennt er für die prekäre Profitsituation, wie sie sich für Trafikant*innen aktuell im Zeitungsvertrieb darstellt, eine Ursachenabfolge in drei Schritten: (1) Beim Zeitungsverkauf habe man ursächlich bereits vor rund 20 bis 30 Jahren im starken Trend zum Abonnement eine große Entwicklung erlebt. Während es früher nur sehr geringe Abo-Anteile gab, seien laut ihm mittlerweile Abo-Anteile von 90 bis 95% im Tageszeitungsgeschäft vorherrschend. (2) In weiterer Folge habe sich die Distribution per Hauszustellung etablieren können, „das hat für enorme Einbußen von Trafiken am Tageszeitungsmarkt gesorgt.“ (3) Als sich der Tageszeitungsmarkt schließlich bereits unter massivem Druck befand und für Trafiken gewissermaßen zum Erliegen kam, hätten neue Titel an Gratistageszeitungen wie „Heute“ und Co. den Markteintritt gewagt. Jene Gesamtentwicklung zeichnete sich laut dem Wiener Trafikanten bis 2005/2006 ab, ehe sie durch digitale Distributionswege (inkl. E-Papers und Digital-Abos) zusätzlich befeuert wurde. Hofer erkennt hierbei für Trafiken größere Herausforderungen bedingt durch digitale Geschäftsmodelle der Verlage denn im Angebot von Gratiszeitungen. Letztlich konnte auch der sich anbahnende Aufschwung von Magazinprodukten den markanten Rücklauf der gedruckten (Tages-)Zeitungen nicht ausgleichen. „Unter dem Strich haben wir schon deutlich verloren“, resümiert Prirschl die vergangenen 20 Jahre im Vertrieb von Printprodukten.
Zeitungen spielen aber heute, trotz der angeführten Schwierigkeiten, eine nach wie vor wichtige Rolle für das Trafikwesen; nämlich in teils neu ausgerichteter, zwischen Trafiken und Zeitungsverlagen wechselseitig zu verstehender Art und Weise. Die Trafik als Distributionskanal für Zeitungen weist zwar heute geringe Reichweitenstärken bzw. geringere Breitenwirksamkeit auf, wenngleich sie in dieser Funktion aber einen qualitativ hochwertigen Touchpoint innerhalb der Customer Journey und
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In diesem Zusammenhang versteht Hofer die Trafiken zusehends als „Schaufenster einer Zeitung“, indem die jeweilige Markenpräsenz hierdurch gefördert werden könne: „Auch der Trafikant ist für die Zeitung eine Werbefläche.“ Überdies betrachtet Prirschl das angebotene Zeitungs- und Zeitschriftensortiment in seiner Tätigkeit als Trafikant, neben den standardisierten Angeboten von Tabakwaren, als wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Mitbewerber*innen. Dahingehend sei das Zeitungs- respektive Zeitschriftenangebot in Trafiken eine gewisse Wettbewerbsschiene innerhalb des Monopolmarkts. Prirschl sieht in diesem Kontext die Pressefreiheit und die diesbezüglich freie Zugänglichkeit zu Zeitungen und Zeitschriften als originäres Motiv der Systemrelevanz von Trafiken.
Rollenbild der Trafikant*innen: Positionierung als eigenes Medium
„Da Trafikant dazöht de Schlagzeiln, ea woa auf sein Fenstaplotz mit dabei.“ So reflektierte der Schriftsteller Günter Brödl bereits 1989 den Lokalkolorit der Wiener Trafikant*innen. Aus heutiger Sicht sind sich die beiden interviewten Interessenvertreter einig, dass sich das Rollenbild des/der Trafikant*in im Kern nicht gewandelt habe. Dieses fundiere seit jeher auf persönlicher Information, persönlichen Kontakten und Bindungen zwischen Trafikant*innen und Kund*innen.
Prirschl spricht, in Anbetracht der lokalen Handelsstrukturen mit flächendeckendem Trafiken- Netzwerk, sogar von einer wichtiger werdenden sozialen Rolle: „Der Trafikant ist als Ansprechpartner ein starkes Kommunikationszentrum; vielleicht noch stärker als früher.“ Denn es lasse sich langsam wieder ein Trend zurück in Richtung kleinstrukturierte Geschäfte absehen, den die Trafiken eigentlich nie verlassen haben. Und vor allem hätten die beiden vergangenen Jahre gezeigt, wie sehr Kund*innen persönliche Ansprache und Direktkontakte benötigen würden. „Dieser Faktor kommt wieder viel stärker“, hofft Prirschl auf eine Renaissance der persönlichen Beratungsfunktion von Trafikant*innen.
Hofer erkennt in Folge dieser gewandelten Beratungsfunktion sehr innovative Chancen im Rollenbild der heimischen Trafikant*innen: „Der Trafikant ist aus meiner Sicht der größte analoge Influencer, den wir in Österreich haben.“ Da Trafikant*innen lokale Meinungen und Geschichten aus erster Hand wahrnehmen, etabliere sich der/die Trafikant*in zusehends in der Rolle als Content-Anbieter*in. Der Geschäftsführer der MVG sieht darauf aufbauendes Potenzial, dass sich Trafikant*innen hinkünftig als interessante Sparring-Partner*innen von Journalist*innen erweisen könnten. Grundlegend gewinne die besondere, durch persönliche Beratungs- und Sparring-Partnerfunktion avancierte Positionierung im digitalen Zeitalter an Wert. Dieses Alleinstellungsmerkmal gelte es in weiterer Folge zu monetarisieren, um neue Geschäftsmodelle sowie Geschäftsmodellansätze zukunftsfit konstituieren zu können. von Paul Frühwirt
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Trends und Potenziale einer modernen Trafik
Während der Wiener Trafikant sentimental auf den früheren Printhandel, ohne Gegebenheiten digitaler Substitutionsgüter, zurückblickt, ergeben sich durch die Digitalisierung ebenso Potenziale. So beschreibt Prirschl etwa einen hinkünftigen Trend im „Zurück zum Haptischen“. Als Gegenspiel zu digitalen Arbeitsweisen werde das Haptische vermehrt gesucht; dabei sei die große Zukunftshoffnung der Branche, dass das Haptische auch bei jüngeren Generationen an Bedeutung gewinnt. Tageszeitungen seien zwar eine ungebrochene Herausforderung, aber für sämtliche andere Printprodukte bestehe aufgrund der beiden Faktoren des Haptischen und der Entspannung, die implizit mit dem von Trafiken dargebotenen Genusscharakter einhergeht, großes Potenzial.
Außerdem stellen Trafiken einen Gegenpol zur digitalen Informationsflut dar, wie Prirschl seine Erfahrungen schildert: „Ich muss sagen, es kaufen auch viele Kund*innen Printprodukte zur Information, weil sie in der weiten Welt des Internet viel zu viele Antworten erhalten und die Orientierung fehlt.“ Dies sei mitunter ein Mitgrund für eine leichte, durch Corona bedingte Trendwende, indem die Zeitungsumsätze von Trafiken ein einstelliges Plus verzeichnen konnten. Weiteres Potenzial bestehe laut ihm in der Großzahl an innovativen Produkten, die am österreichischen Zeitschriften- bzw. Magazinmarkt vorzufinden sind. Die Zukunft der Trafik beruhe aber klar in einer „Schnittstellenfunktion der analogen und digitalen Welt“. Marktchancen würden hierin – konkret für den Zeitungsvertrieb – in Form eines integrierten Angebots verschiedener Abonnementvarianten bestehen. Wie Hofer beschreibt, dürfe in diesem Wandlungsprozess der einhergehende Freiheitsgedanke als Symbiose von Genussmitteln einerseits und Zeitungen sowie Zeitschriften andererseits nicht vernachlässigt werden, um Trafiken als österreichisches Kulturgut hinkünftig bewahren zu können.
Josef Prirschl
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