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Die Beziehungskultur zwischen PR und Journalismus

© Arndt Ötting

Nadine Braun

„Ich kenne da jemanden“ …oder wie sieht es tatsächlich in der PR-Praxis aus? Stefan Szakusits von Unique Relations über persönliche Kontakte und ihren Stellenwert für Agenturen.

Nadine Braun: Auf der einen Seite stehen PR-Agenturen, die täglich Unmengen an Pressemitteilungen versenden, auf der anderen Seite die Redaktionen mit geringen Zeit- und Personalressourcen. Wie sehen Sie diese Situation und sind Sie pointiert gesagt der Glücklichere?

Stefan Szakusits: Sowohl die PR als auch der Journalismus haben das Ziel, die Aufmerksamkeit der Konsument*innen auf eine Geschichte zu lenken. Deshalb gibt es auch eine Vielzahl an Presseaussendungen jeden Tag, die im Wettbewerb miteinander stehen. Sie alle wollen Platzierungen in den Medien. Insofern kann hier glaube ich nicht von „den glücklichen PR-Berater*innen“ gesprochen werden. Der Wettbewerb hat hier wie da stark zugenommen.

Braun: Was tun Sie, um die Pressemitteilungen Ihrer Agentur an die Journalist*innen zu bringen? Welche Rolle spielen dabei persönliche Kontakte?

Szakusits: Einer meiner Uni-Professoren, Peter Köppl, wurde nicht müde uns folgenden Satz einzubläuen: „Es kommt nicht auf das „Know-Who“, sondern auf das "Know-How" an.“ Mit dem Blick aus der Praxis kann ich das heute zu 100% bestätigen. Zum Beispiel ist der Aufbau einer Geschichte und eine gute Headline oft ausschlaggebend, ob sie übernommen wird oder nicht. Auf der einen Seite sind persönliche Kontakte sicher nicht von Nachteil. Auf der anderen Seite ist die Beziehungsebene natürlich auch in der PR wichtig und ihr Aufbau unter anderem Teil unseres Jobs. Wir kontaktieren laufend Journalist*innen, dabei können und sollen wir natürlich mit Know-How punkten. Ein bereits bestehender Kontakt durch eine vergangene Zusammenarbeit kann dabei die Arbeit vereinfachen, da bereits eine Beziehung aufgebaut wurde und vertrauensvoller kommuniziert wird.

Braun: Nun wurde das Thema bereits angeschnitten, aber ganz spitz formuliert: Wie viel bedeutet „Vitamin B“ für PR-Agenturen, also die persönlichen Beziehungen und Bekanntschaften auf der Medienseite?

Szakusits: Wie gesagt, benötigt es eine gute Geschichte, aber natürlich hilft es, wenn sich die Menschen kennen. Aber ist das in anderen Berufen anders? Wichtig ist natürlich, dass Kontakte nicht unlauter genutzt werden. Ich halte es da immer mit Habermas herrschaftsfreiem Diskurs. Solange sich im Diskurs die beste Geschichte durchsetzt, wird der bestmögliche Journalismus daraus hervorkommen. Destruktiv wird es dann, wenn versucht wird eine Form von Gewalt auszuüben, Zugänge nicht für alle möglich sind oder intransparent vorgegangen wird. Mein Eindruck ist, dass in der Regel hier ein herrschaftsfreier Diskurs stattfindet. Auch weil die Medienvertreter*innen hier sehr selbstbewusst auftreten. Zwischen Journalismus und PR wird generell mit sehr fairen Mitteln gearbeitet. Zudem können es sich die Journalist*innen heutzutage kaum noch leisten, nur aufgrund einer Bekanntschaft, Geschichten zu veröffentlichen. Warum sollten sie Themen wählen, die ihre Leser*innen eventuell nicht interessieren, wo sie doch so viele gute Inhalte zugesendet bekommen? Das wäre kontraproduktiv. Noch dazu gibt es eine Blattlinie und ein Kontrollsystem, wie die Chefredaktion, die so etwas in der Regel verhindern.

Braun: Oftmals wird der PR-Branche unterstellt, dass sie stark mit Beziehungen arbeitet, um sich Vorteile zu verschaffen. Worin erkennen Sie das Recht dieses Urteils, worin das Unrecht?

Szakusits: In Branchen, in denen Menschen miteinander zu tun haben, stellt die Beziehungsebene immer eine wichtige Komponente dar, weil der Mensch nun mal ein soziales Wesen ist. Nehmen wir den Verkauf her: Wenn ich als Großhändler einige Geschäftsführer*innen kenne, wird es wohl kein Nachteil sein. Das ist ja auch in Ordnung und solange es mit lauteren Mitteln stattfindet, glaube ich, ist es ein Wettbewerbsvorteil, in dem auch viel Arbeit steckt. In der PR-Branche steht es schon im Namen: Public Relations. Somit geht es natürlich um Beziehungen. Da Agenturen täglich PR-Tätigkeiten ausüben, werden wir unter anderem mehrmals mit den gleichen Journalist*innen zusammenarbeiten. Kurzum: Die Basis ist immer gute, qualitativ hochwertige Arbeit. Die Beziehungsebene ist sozusagen das "i-

© Arndt Ötting

Stefan Szakusits ist seit 2007 in den unterschiedlichsten beruflichen Feldern der Kommunikation tätig. Seit 2016 nun als Senior PR Consultant bei UNIQUE Public Relations. Sein Aufgabenbereich reicht dabei von politischer Kommunikation, Public Affairs bis zu Social Media- und Event-Management.

Tüpfelchen". Genau das unterscheidet gute von sehr guter PR.

Braun: Inwiefern sind auch Branchenevents relevant, um Kontakte zu knüpfen oder in der Medienbranche als Agentur im Gespräch zu bleiben?

Szakusits: Meiner Meinung nach ist das Geschmackssache. Es gibt Personen, die zum Beispiel mit Networking-Events überhaupt nichts anfangen können und andere, die dort aufblühen. Events sind kein "Must-Have", bieten aber natürlich eine tolle Möglichkeit Menschen kennenzulernen oder sich auszutauschen. Es ist ja, wie wir alle durch die Pandemie wissen, ein Unterschied, ob ich ein Event online verfolge oder vor Ort bin. Der Unterschied ist die Qualität der Kommunikation, die in persönlichen Treffen in der Regel mehr gegeben ist.

Braun: Passend dazu ihre Agenturevents, Podiumsdiskussionen mit hochkarätiger Besetzung und anschließendem Networking. Ist es wichtig, mehr als nur Gast zu sein und als Agentur die Initiative zu ergreifen? Szakusits: Der „Unique Talk“ ist für uns als Agentur ein sehr wichtiges Tool für die Außenwahrnehmung. Er hilft uns zu zeigen, womit sich unsere Agentur beschäftigt und was wir können. Zudem ermöglicht uns der Talk, auch unseren bestehenden und potentiellen Kund*innen unsere Stärken zu demonstrieren: Das Organisieren von Events in einer Top-Location, die technische Handhabung eines funktionierenden Live-Streams und die anschließende Medienberichterstattung darüber. Die Events zeigen aber auch, dass wir als Agentur mit verschiedensten Diskussionsthemen stets den Finger am Puls der Zeit und den Zugang zu den wichtigen Entscheidungsträgern haben, egal ob aus Politik, Medien, Wirtschaft oder Wissenschaft.

Braun: Glauben Sie, dass die Bedeutung von persönlichen Kontakten abnehmen wird, wo es zunehmend einfacher ist, sich online zu vernetzen?

Szakusits: Ganz im Gegenteil! Wir haben mit dem Aufkommen der digitalen Welt viel mehr Kontakte als zuvor, doch die gesamte Online-Welt – mit all ihren Vorteilen – macht ironischerweise das persönliche Gespräch noch wichtiger und wertvoller. Das bedeutet jetzt nicht, dass eine der beiden Welten besser oder schlechter ist, sie haben einfach unterschiedlichen Stärken.

Braun: Nun abseits der PR-Sicht: Wie denken Sie steht der Journalismus zu Beziehungen mit Agenturen? Bieten diese auch für ihn einen Mehrwert?

Szakusits: Ich bin davon überzeugt, dass die PR einen Mehrwert für den Journalismus hat. Man darf nicht vergessen: Heutzutage prasseln quasi im Minutentakt unzählige Themen auf die Journalist*innen ein. Wenn PR komplexreduzierend arbeitet und Inhalte gut vorbereitet, ist es natürlich für Journalist*innen einfacher, damit zu arbeiten. Seitens der Journalist*innen ist es wesentlich, die verschiedenen Themen in Hinblick ihrer Wichtigkeit abzuwägen. Wenn nun meine vergangene Geschichte zum Beispiel bei den Leser*innen gut ankam und ich erneut eine Presseaussendung verschicke, werde ich als Person positiv in Erinnerung geblieben sein und die Journalist*innen werden sich gerne meinen neuen Themen widmen.

Braun: Gerade mit zunehmenden Compliance-Regelungen könnte die Relevanz von persönlichen Beziehungen sinken. Daher abschließend: Wie sehen Sie das Thema in Zukunft?

Szakusits: Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, mit welcher Dynamik sich die Medien- und Kommunikationsbranche weiterentwickelt hat. Diese Entwicklung stellt nicht nur für die Beteiligten der Branche, sondern auch für den Gesetzgeber und die Justiz, in der Anpassung der dafür geltenden Spielregeln, eine Herausforderung dar. Gute Spielregeln sind wichtig, da die Medien als vierte Säule des Staates essenziell für eine funktionierende Demokratie sind. An die vorhandenen Regeln müssen sich alle halten und sie sollten sowohl für die Online- als auch für die Offline-Welt gelten. Dann profitieren alle, die Rezipient*innen, die Journalist*innen und auch die PR-Branche davon.