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Die Rolle des Journalismus in der Tourismus-PR

© Privat

Nadine Stoppel

Dialogium-Geschäftsführerin Caroline Krall spricht über die Auswirkungen der Pandemie und die Relevanz von Journalist*innen und Social Media in der Tourismus-PR.

Nadine Stoppel: Sie betreuen mit Ihrer Agentur ja viele Kunden im Tourismus-Bereich. Da stellt sich mir die Frage: Welche Herausforderungen haben sich seit März 2020 ergeben?

Caroline Krall: Die größte Herausforderung war, dass man jeden Tag aufs Neue nicht gewusst hat, was passieren wird. Wir haben immer wieder Events komplett durchgeplant und uns dann doch nicht getraut, die Einladungen auszuschicken. Ich sehe da einen ganz großen Bedarf bei den politischen Entscheidungsträger*innen, dass die Dinge klarer und früher kommuniziert werden müssen. Genauso wie jetzt auch, wo Hoteliers noch immer nicht wissen, wie die kommende Saison verlaufen wird. Das betrifft jeden Bereich, da sind wir ja nur ein kleines Rädchen. Zweitens konnte man auch die Menschen, mit denen man arbeitet, nicht treffen. Es hat sich gezeigt, dass viele Dinge online funktionieren, aber gerade im kreativen Bereich, wo es um Ideen geht, geht auch viel Wichtiges verloren. Das ist auch ein Feedback über die ganze Kreativbranche hinweg aus meiner Sicht. Drittens sind viele Budgets von Heute auf Morgen weggebrochen, Verträge wurden null und nichtig. Und auf der anderen Seite waren Unternehmer*innen total schnell und ich finde, dass die, die einfach etwas ausprobiert haben, auch wenn es nicht gleich funktioniert hat, bis jetzt profitieren.

Stoppel: Also raten Sie dazu, dass man ein bisschen mehr Mut haben soll?

Krall: Ja, selbst, wenn es nicht gleich aufgegangen ist, haben sich die Mutigen in der Zeit besser aufgestellt. Es gibt Gastronom*innen, die zwei Wochen später, auch im Hauben-Bereich, Takeaway-Menüs geschaffen haben – Stichwort "Steirereck", aber nicht nur. Dann gibt es aber auch welche, die monatelang versunken sind und jetzt den Staub von ihren Tischen wischen.

Stoppel: Sie haben angesprochen, dass die Unsicherheit eine der größten Herausforderungen war. Haben sich da Learnings für die Zukunft ergeben?

Krall: Ein Learning war, dass man flexibel bleiben muss, noch mehr als vorher, dass es noch kurzfristiger passiert. Der Social Media-Bereich hat noch mehr zugenommen. Es hat auch die Angreifbarkeit und Zerbrechlichkeit unserer österreichischen Medien gezeigt, weil auf einmal weniger Anzeigenumsätze mehr da waren und das natürlich dazu geführt hat, dass die Redaktionen noch weiter ausgedünnt wurden.

Stoppel: Sie haben die Wichtigkeit von Social Media angesprochen. Pointiert gefragt: Braucht es dann den Journalismus noch, um Themen an die Öffentlichkeit zu tragen?

Krall: Natürlich. Social Media wird nicht verschwinden und der Journalismus wird auch nicht verschwinden. Die Rollen werden sich weiter ein bisschen verändern und es ist unser aller Aufgabe, den Journalismus unersetzlich zu machen. Auch im Tourismus braucht es Leute, die die Branche verstehen, egal ob im Publikums- oder Fachzeitschriften-Bereich, die einordnen, welche Themen an das Publikum gehen. Auf Social Media geht ja alles ungefiltert hinaus. Wir brauchen diesen Journalismus natürlich genauso, wie in jedem anderen Bereich.

Stoppel: Spielen da Blogger*innen auch eine Rolle als „Quasi-Journalist*innen“?

Krall: Ich glaube, dass sich das sehr gewandelt hat in den letzten Jahren und sich noch weiter wandeln wird. Am Anfang hat es ein paar Personen gegeben, die quasi vom Lippenstift, über freie Hotels bis zum Essen-Testen einmal irgendetwas gemacht haben. Also junge Mädchen, die einfach die Chance gehabt haben, dadurch Produkte zu bekommen. Dann hat sich das in die Richtung gewandelt, dass Unternehmen erkannt haben, dass Blogger*innen das schreiben, was Unternehmer*innen wollen. Damit waren sie wirklich die neuen Heilsbringer*innen. Das sehe ich sehr skeptisch, weil die Konsument*innen nicht gelernt haben, dass Blogger*innen dafür bezahlt werden. Das hat sich auch wieder geändert. Vor allem die jüngeren Zielgruppen wissen ganz genau, dass Blogger*innen bezahlt

© Anna Stöcher

Mag. Caroline Krall hat Kommunikationswissenschaften studiert und ist weiters Akademisch Geprüfte Fremdenverkehrsfachfrau und Dipl. Social Media Managerin. Nach ihrer Karriere in PR-Agenturen in Österreich und in Deutschland war sie mehrere Jahre als Stellv. Chefredakteurin beim „Bestseller“ tätig. Seit 2005 ist sie mit der PR-Agentur Dialogium im Havas Village selbständig.

werden und daher diese Empfehlungen auch nicht 1:1 übernommen werden können. Da kommt dann wieder der Journalismus ins Spiel. Also, nein, eine journalistische Funktion würde ich den Blogger*innen nicht in die Hand geben, aber sehr wohl eine Informationsfunktion und auch eine emotionale Funktion. Der große Blogger-Hype ist meiner Meinung nach vorbei.

Stoppel: Ist es leichter, touristische Themen in den Medien zu platzieren?

Krall: Ja, das ist einfach ein emotionales Thema: Freizeit, Vergnügen, Essen und Trinken, Menschen treffen. Es ist zwar in der Pandemie ein schwieriges Thema, aber wir wollen das alle und brauchen das alle. Andere Themen sind da definitiv schwieriger zu kommunizieren.

Stoppel: Gibt es auch heikle Themen in der Tourismus-PR?

Krall: Als PR-Agentur sehe ich meinen Auftrag darin, auf Augenhöhe mit den Journalist*innen zu arbeiten. Wir versuchen, Geschichten zu bieten, die auch einen positiven News-Wert haben. Tourismus-PR per se ist – bis auf Ausnahmen - kein Aufdecker-Bereich.

Stoppel: Früher hat man vieles über Pressereisen gehört. Ist das heute noch aktuell?

Krall: Weniger als früher, aus unterschiedlichen Gründen. Aufgrund der Gesetzeslage kann und darf man Journalist*innen auch nicht mehr so einfach einladen. Das fällt ja fast schon unter Bestechung. Und auf der anderen Seite sind die Medien personell so ausgedünnt, dass sie nicht mehr die Möglichkeit haben, Pressereisen, vor allem über mehrere Tage hinweg, zu machen. Egal wie exklusiv das Programm ist, man bekommt teilweise nicht mehr die guten Journalist*innen als Teilnehmer*innen. Da haben die Blogger*innen natürlich eine Lücke geschlossen, die haben Zeit, Lust und die Möglichkeit, das zu publizieren. Die Bedeutung ist definitiv zurückgegangen, es fehlt die Zeit für Qualität und Personal sowohl quantitativ als auch qualitativ, das ist ein Grundthema unserer Medien.

Stoppel: Sehen Sie andere Kanäle, die in der Tourismus-PR wichtig werden, beispielsweise Podcasts?

Krall: Podcasts im Tourismus eher nicht, weil hier Bilder einfach sehr viel besser sprechen, in anderen Bereichen aber durchaus. Es wird sicher „TikTok“ auch kommen, keine Frage. Auch in der PR geht es einfach nicht ohne Social Media-Kanäle. Man kann eigentlich nicht mehr zu einem Pitch gehen, wenn man nicht eine Idee zur Social Media-Arbeit hat. Selbst wenn man die Social Media-Kanäle dann nicht selbst betreut, muss man das mitdenken können. Gerade im Tourismus ist „Instagram“ sehr wichtig. Wir hatten kürzlich eine Hoteleröffnung in Wien zur Betreuung und da hat man ganz stark gesehen, dass über Social Media die Botschaft gut nach außen kommt.

Stoppel: Ist „Facebook“ noch relevant?

Krall: „Facebook“ ist noch immer der größte Kanal von der Reichweite her. Ich halte das zu Tode reden für völlig überzogen, vor allem in der Generation 25+. Aber natürlich muss man aufpassen, da man „Facebook“ als Kanal nicht in der Hand hat. Wir sind österreichische Unternehmen, also sollten wir alle lieber versuchen, jene Kanäle zu nutzen, die auch in die österreichische Wertschöpfung einzahlen.

Stoppel: Das bringt mich auch schon zur letzten Frage. Was wird in naher Zukunft passieren, welche Trends sehen Sie?

Krall: Wir haben im Havas Village eine Studie, die „Meaningful Brands“, wo die Prosumer in den Vordergrund gestellt werden. Das sind die Zielgruppen, die Trends schon jetzt leben und vorgeben, was dann in der breiten Bevölkerung ankommen wird. Und da sehen wir ganz stark, dass Nachhaltigkeit, Klima und Umweltschutz sehr wichtig sind. Vor allem die jüngeren Konsument*innen fordern ein, dass es da eine durchgehende, stringente Strategie gibt, und zwar mehr als eine PR-Fassade. Daran wird niemand vorbeikommen. Und in Wirklichkeit braucht es das ja auch, das wissen wir alle.