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Influencer Relations versus klassische

Influencer Relations versus klassische Medienarbeit?

© Privat

Ha Thu Le

Alexander Seiche, Teamleiter bei der Münchner Agentur Schwartz PR, vergleicht für „PRaktivium“ die Ähnlichkeiten in der Arbeit von Influencer*innen und Journalist*innen, ihre Werte und Berührungs- und Trennpunkte.

Ha Thu Le: Die PR-Branche hat sich durch den Einfluss von Social Media stark weiterentwickelt. Inwieweit spielen Ihrer Meinung nach Influencer*innen eine tragende Rolle?

Alexander Seiche: In unserer Schwartz PR-Realität unterscheiden wir in der Bewertung von Influencer*innen in B2B und B2C. B2B-Influencer*innen kann man in ihrer Rolle auch mit Lobbyist*innen vergleichen, wie man sie aus der Politik kennt. Also jemand, der andere in seiner Meinung beeinflussen und eine Art Galionsfigur von einem bestimmten Unternehmen sein kann. Ein Teil der klassischen B2C-Influencer*innen – vor allem im Tech-Bereich – ist über die Jahre hinweg in puncto Relevanz und journalistischer Sorgfaltspflicht sehr nah an Journalist*innen herangekommen. Neben klassischen Medien, die beispielsweise ein Produkt testen, vorstellen und dazu recherchieren, gibt es mittlerweile auch „YouTube“-Influencer*innen, die das Thema mit dem selben Ethos wie normale Journalisten*innen audiovisuell aufbereiten und einer bestimmten Zielgruppe wiedergeben. Der Imagetransfer, der Markentransfer und das Aufladen mit bestimmten emotionalen Werten spielen hier für die Unternehmen aber eine viel größere Rolle.

Le: Wie gliedert sich das Arbeitsfeld Influencer Relations in den Überbegriff Public Relations ein?

Seiche: Wenn ich mit einem Tech-Influencer über ein Smartphone spreche, dann hat er in der Regel ein persönliches Interesse und die Motivation, seinen Channel zum Wachsen zu bringen. Seine Follower haben ihm gegenüber allerdings auch die Erwartung, über Neuheiten informiert zu werden. Natürlich herrschen andere Voraussetzungen: Er muss mehr Wert auf den Content legen. Wenn man hingegen mit Budget auf einen Influencer zugeht, dann ist er zu einem Teil auch Dienstleister für das Unternehmen. Die Abhängigkeitsverhältnisse können sich bei Influencer Relations im Vergleich zur Public Relations sehr schnell ändern. Entweder ich habe etwas, was mein Gegenüber interessiert, dann ist er oder sie im Grunde genommen im Umgang wie ein Journalist. Oder das Abhängigkeitsverhältnis dreht sich und ich möchte, dass er für mich als Markenbotschafter auftritt. Bei Journalist*innen kann man sich auf die journalistischen Werte verlassen. Sie sind unabhängig, der Beweggrund ist einzig und allein die Öffentlichkeit bestmöglich und unabhängig zu informieren. Wenn Influencer*innen ihrer Informationspflicht nachkommen und so teilweise als Journalist*innen agieren, ändert sich in der Ansprache nicht viel. Wenn es ins bezahlte Umfeld geht, muss man die Authentizität als oberstes Auswahlkriterium nehmen. Wenn ich einen Influencer bezahle, muss das Thema zu seiner Zielgruppe passen. Da findet nochmal eine Authentizitätsvalidierung statt.

Le: Inwieweit unterscheiden sich die Vorgehensweisen, wenn man mit Influencer Relations arbeitet im Gegensatz zur klassischen PR?

Seiche: Im Grunde ist es die ausgehende Motivation. Wenn ich mit Journalist*innen zu tun habe, dann steht die Information im Zentrum meiner Kontaktaufnahme. Welchen Mehrwert habe ich, den ich weitergeben kann? Bei Influencer-Kooperationen ist das in den meisten Fällen eher untergeordnet. Hier geht es eher um die Motivation: Ich hätte gerne mein Produkt beziehungsweise mein Unternehmen im Umfeld X positioniert. Da steht die Information nicht im Fokus, sondern ist das Mittel zum Zweck. Bei einem klassischen Influencer spricht man erstmal über die Rahmenbedingungen und die einzelnen Beweggründe. Bei Journalist*innen geht es eher um die Frage, wie man ein Thema so aufbereitet, dass sie es an die Rezipient*innen weitergeben können, sodass sie die Unabhängigkeit wahren und ein informativer Mehrwert für alle Seiten geschaffen wird. Diese Prämisse gibt es bei einer bezahlten Influencer*innen-Kommunikation eher nicht.

Le: Journalist*innen und Influencer*innen funktionieren multiplikatorisch. Inwieweit beeinträchtigen die sich in ihrer Grundfunktion?

© Schwartz Public Relations

Alexander Seiche gehört seit mehreren Jahren zur PRAgentur Schwartz PR und fungiert als Teil der Teamleitung. Die Agentur, welche ihren Hauptsitz in München hat, zählt zu den Top 5 deutschen Tech-Agenturen im PR-Bereich. Seiche entwickelte Kommunikationskonzepte für Unternehmen aller Größen – vom kleinen Startup bis hin zum weltumspannenden Unternehmen.

Seiche: Journalist*innen haben als Grundwert die unabhängige Information. Sie informieren, ohne dass sie sich einer Unterhaltungsfunktion unterordnen müssen. Influencer*innen haben einen viel größeren Unterhaltungsanspruch. Ein Influencer, der nicht dieselben journalistischen Werte teilt, wie es etwa bei der „Tagesschau“ der Fall wäre, ist anfälliger für Fake News. Geben sie Inhalte mit Informationscharakter richtig wieder? Das könnte ein großer Punkt sein, wo sich beide gegenseitig beeinträchtigen.

Le: Was macht aus Ihrer Sicht erfolgreiche Influencer Relations aus und inwiefern sind Journalist*innen für deren Erfolg verantwortlich?

Seiche: In unseren Augen ist Authentizität eines der Hauptkriterien für eine erfolgreiche Influencer*innenKommunikation. Ich muss mir im Klaren darüber sein, wie ich meine Marke, mein Unternehmen und meine Nachricht positioniere. Bei Influencer Relations spielt der Return on Invest natürlich auch eine große Rolle. Bringt das Geld, das ich reinstecke, auch den Erfolg, den ich mir wünsche? Da ist Authentizität der klarste Träger, wenn die Zielgruppe eines Influencers für meine Werte, mein Unternehmen und meine Informationen empfänglich ist. Die Journalist*innen und die Influencer*innen stehen in manchen Bereichen (z.B. auch im B2C-Tech-Segment) in direkter Konkurrenz zueinander. Sie beeinflussen sich gegenseitig, weil es ein Interessensverhältnis gibt. Beide buhlen um Aufmerksamkeit und Informationen. Natürlich könnten Journalist*innen Informationen mehr in Form von Video Content aufbereiten, um stärker im Konkurrenzkampf zu stehen. Aber ich glaube, dass das eigentlich nicht wirklich gewollt ist, denn beide wissen um ihre Zielgruppen.

Le: Wie entscheiden Sie, wann der Einsatz von Influencer*innen in der PR sinnvoll ist? Gibt es Themenbereiche, wo Sie davon vollkommen abraten würden?

Seiche: Ja, absolut. Der erste Gedanke bei der Auswahl von Zielmedien oder -kanälen ist immer die Zielgruppe. Möchte ich eher ein jüngeres Feld ansprechen? Habe ich ein Produkt oder ein Thema, das sich über Influencer*innen besser transportieren lässt? Wenn es um die Sachebene bei Unternehmen oder die reine Information an sich geht, sind Influencer-Kooperationen selten ein Thema. Es sei denn, es ist für die komplette Bandbreite relevanter. Beispiel Smartphone-Kommunikation: Fernab von Neuankündigungen sind Smartphones mittlerweile auch ein emotionales und Story-getriebenes Thema, das sich über Bewegtbild viel besser transportieren lässt als in geschriebener Form – vor allem auch für eine jüngere Zielgruppe. In diesem Fall machen Influencer*innenKampagnen auf jeden Fall Sinn. Wenn die Sachebene vielmehr im Vordergrund steht, dann spielen die klassischen Medien wieder eine größere Rolle. Meist ist ein Mix aus beidem empfehlenswert.

Le: Man spricht des Öfteren von Influencer Relations nur als Trenderscheinung in der PR. Wie schätzen Sie deren Relevanz in naher Zukunft ein?

Seiche: Ich würde nicht unterschreiben, dass das nur ein Trend ist. Es war eine Nische, die sich zwangsläufig entwickelt hat und mittlerweile aus der Nische herausgekommen ist. Es war noch nie so einfach, sich selbst eine Zielgruppe zu erschaffen. Allerdings bezweifle ich, dass Influencer*innen die klassischen Medien ablösen werden. Abhängig von der jeweiligen Nachricht und der jeweiligen Situation wird es weiterhin die Berechtigungen für beide Parteien geben, beide werden weiterhin ihr Segment besetzen. Ich wäre nicht überrascht, wenn sich der Trend hin zur Selbstdarstellung noch stärker entwickeln und noch mehr verinnerlicht wird, dass jede/r zum Sender von Inhalten werden kann. Es wird in Zukunft mehr üblich sein, dass man mit wenig Aufwand eine breite Schicht an Personen erreichen kann. Deswegen sehe ich da momentan keinen limitierenden Faktor für den Influencer-Bereich.