6 minute read

PR für das Rare und gleichwohl Wichtige

© Privat

Melanie Schmutz

Elisabeth Weigand, Geschäftsführerin des Vereins Pro Rare Austria Allianz für seltene Erkrankungen, diskutiert mit „PRaktivium“ über die einzigartigen PR-Herausforderungen einer solchen Interessensvertretung und auf welche Aspekte besonders geachtet werden sollte.

Melanie Schmutz: Was würden Sie sagen, grenzt die Öffentlichkeitsarbeit in der Interessenvertretung wie Pro Rare Austria Allianz für seltene Erkrankungen von der Öffentlichkeitsarbeit in For-Profit-Unternehmen ab?

Elisabeth Weigand: Wir sind nicht auf Profit und Umsatz fokussiert, das ist einer der wichtigsten Unterschiede. Bei uns geht es darum, dass man eine möglichst große Aufmerksamkeit generieren möchte. Des Weiteren sind unsere Mittel freilich beschränkt, wenn man es vergleicht mit einem Wirtschaftsunternehmen. Die Webpage ist für uns extrem wichtig und auch der Jahresbericht. Uns ist es ein Anliegen zu zeigen, was mit den Mitteln passiert, ein bisschen wie ein Rechenschaftsbericht. Transparenzregelungen sind bei uns sehr wichtig, die gibt es aber schon jahrelang. Der Jahresbericht fasst dann zusammen, was das ganze Jahr über an Projekten gelaufen ist, welche Veranstaltungen organisiert und besucht wurden und wer die Kooperationspartner und finanziellen Unterstützer sind. Diese Offenlegung grenzt uns als Organisation, die von Sponsoring, Spenden und durch Projektförderungen finanziert wird, von For-Profit-Unternehmen ab. Wir kommunizieren, wer uns unterstützt und welche Abhängigkeiten es gibt, damit es nicht zu einer Manipulation kommt.

Schmutz: Pro Rare Austria ist eine Allianz für seltene Erkrankungen, die für die Durchschnittsperson jetzt kein Alltagsthema sind. Worauf achten Sie besonders, wenn Sie solche Themen kommunizieren?

Weigand: Wir haben verschiedene Zielgruppen, mitunter auch die allgemeine Öffentlichkeit. Da versuchen wir besonders einen Bezug herzustellen. Gerade mit persönlichen Schicksalen funktioniert es am besten. Wenn man es schafft, diese Themen in die Öffentlichkeit zu bekommen und Menschen zu erreichen, gibt es auch oft schnell Verbindungen. Diese Krankheiten sind zwar einzeln alle selten (maximal 5 von 10.000), aber bei insgesamt 6.000 bis 8.000 Erkrankungen gibt es in Österreich rund 400.000 betroffene Personen, also die Chance, davon jemanden im eigenen Umfeld zu haben, ist hoch. Es ist wichtig, dass das Thema auch präsent ist – dann haben wir auch den Erfolg. Unser Ziel ist das Schaffen von Bewusstsein dafür, was es bedeutet, mit einer seltenen Erkrankung zu leben und Wissen über seltene Erkrankungen zu vermitteln. Zum Beispiel haben nicht alle Betroffenen eine Behinderung, die Krankheiten sind nicht bei allen Menschen sichtbar und oft bemerkt man sie von außen nicht und schätzt Personen als gesund ein. Dennoch stellt die Erkrankung für die Betroffenen und deren Angehörigen oft eine große Beeinträchtigung im Alltag dar, Veränderungen können kurzfristig und unmittelbar eintreten.

Schmutz: Gibt es bestimmte Schwierigkeiten bei bestimmten Aspekten der Öffentlichkeitsarbeit?

Weigand: Die Kontaktaufnahme mit den Medien beziehungsweise die Platzierung. Wir schalten keine Werbung und es kann herausfordernd sein, jemand zu finden, die oder der sich für dieses Thema engagiert. Wir haben glücklicherweise auch Unterstützung von der Ärzteschaft und verschiedensten Partnern im Gesundheitswesen. So können wir manchmal leichter an Ansprechpersonen herankommen, wie zum Beispiel beim Fernsehen.

Schmutz: Wie ist die Reaktion von Journalist*innen, gibt es irgendwo Berührungsängste mit der Thematik?

Weigand: Berührungsängste habe ich noch keine erlebt, aber wahrscheinlich sind das dann eben die Fälle, bei denen man keine Antwort bekommt. Normalerweise ist die Zusammenarbeit mit den Journalist*innen eher positiv. Da ist dann auch Mitgefühl, Betroffenheit und natürlich Engagement.

Schmutz: Durch soziale Medien bestehen heutzutage viele Wege direkt mit Personen zu kommunizieren, ohne Journalist*innen miteinzubeziehen. Wie schätzen Sie Ihre Abhängigkeit von traditionellen Medien ein?

Weigand: Für uns sind die Sozialen Medien und auch unsere Online-Kanäle sehr wichtig. Sie sind sehr günstig, aber dafür benötigt man ein bestimmtes Wissen. Im Moment haben wir eine junge Mitarbeiterin, die

uns stundenweise unterstützt und genau weiß, welche Zielgruppen wir wo finden können. Wir nutzen primär „Facebook“ und wir unterscheiden die generelle Öffentlichkeit und unsere Mitgliederorganisationen. Betroffene sind sehr viel auf „Facebook“ präsent, „LinkedIn" ist bei uns mehr für die Organisationen, Partner und das Fachpublikum bedeutsam. Wir nutzen also hauptsächlich die beiden Seiten, natürlich könnten wir auch noch „Instagram“ oder so nutzen, aber dafür fehlen uns die Ressourcen. Uns ist es ganz wichtig, dass unsere Auftritte immer professionell sind. Dafür stehen wir als Dachverband jetzt schon seit zehn Jahren. Wir haben glücklicherweise auch viel Unterstützung von Firmen, die uns dann auch kostenfrei in einem bestimmten Ausmaß unterstützen.

Schmutz: Am 28. Februar 2022 ist wieder der "Tag der seltenen Erkrankungen", ein vermutlich wichtiger Tag für Pro-Rare Austria. Wie gehen Sie damit und mit Aktionstagen generell um?

Weigand: Offiziell ist es der 29. Februar – ganz bewusst ausgesucht – der "Tag der seltenen Erkrankungen", also immer nur im Schaltjahr. In den sonstigen Jahren fällt er auf den 28. Februar. Das ist für uns das wichtigste Ereignis im ganzen Jahr. Wir machen eine große Veranstaltung im Jahr. Das ganze Jahr beschäftigen wir uns mit dem Thema: Was könnten wir machen, was den größten Benefit für unsere Mitglieder bringt? Vor allem haben wir für 2022 am 26. Februar unsere Zehn-Jahres-Feier im Rahmen unseres „Pro Rare Austria Tages der seltenen Erkrankungen“ geplant. Es sind zwar unterschiedliche Erkrankungen, aber auch viele gemeinsame Themen. Wir möchten mit Best Practices den Mitgliedern/Betroffenen die Bühne geben und Mut machen. Normalerweise sind Vertreter*innen der Ärzteschaft, Unikliniken, Gesundheitsorganisationen und der Politik, wie der Gesundheitsminister und der Nationalratspräsident bei der Veranstaltung mit dabei, ein Mal in Präsenz und ein anderes Mal mit einer Grußbotschaft via Video. 2021 haben wir erstmals bei der „Global Chain of Lights“ mitgemacht und auch in Österreich von West nach Ost drei Gebäude in den Farben der seltenen Erkrankungen erstrahlen lassen, von der „Bergisel"Schanze in Innsbruck, über das „Ars Electronica Center" in Linz bis zum „Riesenrad" in Wien. Diese Aktion wollen wir mit Hilfe unserer Mitglieder und Partner 2022 auf ganz Österreich ausdehnen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, um Awareness zu schaffen. Wir planen Presseaussendungen und APA-Meldungen. Außerdem erstellen wir zu unserem Jubiläum ein neues Image-Video zum Vereinsthema.

© Daniela Matejschek

Mit einem wirtschaftlichen und einem Kulturmanagement-Hintergrund ist Elisabeth Weigand seit 2020 Geschäftsführerin der Interessensvertretung Pro Rare Austria Allianz für seltene Erkrankungen. Sie engagiert sich für dieses wichtige Thema und möchte für Betroffene mehr erreichen. Pro Rare Austria Tag der Seltenen Erkrankungen: 26. Februar 2022 (Museumsquartier Wien, hybrid) www.prorare-austria.org

Schmutz: Allein in Wien befinden sich 30 Mitglieder des Vereins, die sich ja selbst wieder mit eigenen Thematiken beschäftigen. Wie gehen Sie mit der Menge an unterschiedlichen Themen gerade in der Öffentlichkeitsarbeit um?

Weigand: Wir sind ein österreichweiter Verein und jede*r hat einerseits andere Themen durch die Krankheit, aber auch durch die Bundesland- oder Gemeindesituation. Unsere Aufgabe ist es, möglichst alle übergreifend zu behandeln und wir können nicht einzelne Thematiken so stark hervorheben. Was wir dann oft tun, ist den Fokus auf etwas zu legen, dass vielen unterschiedlichen Mitgliedern hilft, wie zum Beispiel Neugeborenen-Screenings. Sonst gibt es auch die Möglichkeit, dass wir unsere Mitglieder unterstützen, wenn sie sich selbst aktiv machen, aber das hängt natürlich immer von den Ressourcen ab.

Schmutz: Was würden Sie sich von Journalist*innen im Zusammenhang mit PR wünschen?

Weigand: Das wir die Chance bekommen unsere Themen zu platzieren, das natürlich, wenn es veröffentlicht wird, wertschätzend und respektvoll geschieht, also nicht reißerisch. Da haben wir glücklicherweise bis jetzt keine schlechten Erfahrungen gemacht, aber es ist wichtig, weil es um die Menschen geht. Den Betroffenen die Möglichkeit geben, das Material nochmal lesen zu können, weil es sich einfach um persönliche Schicksale handelt. Ansonst würden wir uns wünschen, dass sie uns weiterhin auch unterstützen und immer wieder die Chance geben, etwas zu platzieren.