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Content in der Krise: Jetzt erst recht?

© Georg Wilke

Sandra Kurtz

Die Corona-Krise herrscht seit fast zwei Jahren über unseren Alltag. Claudia Riedmann, Germanistin, PR-Expertin und Gründerin der Schreibagentur spricht über Content und seine Chancen in der Krise.

Sandra Kurtz: Ich habe auf Ihrem Blog das Zitat „Die Coronakrise ist eine Chance für guten Content“ gelesen. Wieso denken Sie, dass Unternehmen gerade in dieser Krise guten Content gebraucht haben bzw. brauchen?

Claudia Riedmann: Bei unseren Kunden war vor allem mehr Nachfrage nach digitalem Content da. Dabei gab es verschiedene Stoßrichtungen. Zum einen war gerade in der internen Kommunikation viel Content erforderlich, z.B. für Newsletter oder Spezialausgaben von Mitarbeitermagazinen. Man wollte zeigen, wo das Unternehmen steht und wie in der Corona-Krise vorgegangen wird, auch um zu motivieren. Zum anderen haben viele Unternehmen die Krise genutzt, um über ihre Branche und die mit Corona verbundenen Herausforderungen zu berichten. Beispielsweise hat die Lebensmittelindustrie über die Rohstoff- oder Fachkräfteknappheit informiert. Drittens war die Digitalisierung ein wesentlicher Faktor im klassischen Storytelling-Content von Unternehmen. Unsere Kunden haben verstärkt ihre Online-Kanäle, also Websites oder Blogs, genutzt, um diese Zeit der Krise zu nutzen und ihre Unternehmensstorys zu erzählen.

Kurtz: Welcher Mehrwert hat sich für Ihre Kunden durch den Content konkret ergeben? Haben Sie dazu vielleicht Beispiele?

Riedmann: Einerseits nutzen Unternehmen den Content natürlich, um über sich und ihre Produkte zu berichten. Der Trend zeigt jedoch: Viele denken weiter und liefern Content für die Leser*innen, der über die reine Unternehmenssicht hinausgeht. Zum Beispiel sind im neuen Online-Magazin von „VERBUND" nicht nur EnergieThemen, sondern auch Themen, wie „Wie werden wir uns in Zukunft ernähren?“ oder „Wie schaut nachhaltiges Reisen aus?“ enthalten. Und das wiederum ist ein klarer Mehrwert für die Leser*innen, weil sie nicht nur Unternehmensbotschaften, sondern journalistisch aufbereiteten spannenden Content zu zeitgeistigen Themen bekommen.

Kurtz: Wir haben fast zwei Jahre mit der Pandemie verbracht: Konnten Sie beobachten, dass sich die Ausspielung der produzierten PR-Inhalte geändert hat?

Riedmann: Ich glaube, dass sehr viel in Richtung digitaler Kanäle gewandert ist. Das ist nicht nur coronagetrieben, aber ein genereller Trend der letzten Jahre. In der Schreibagentur ist bereits rund 80 % unseres Business online.

Kurtz: Haben sich da auch neue Kanäle entwickelt oder verstärkt?

Riedmann: Wir als Textagentur spielen die Inhalte zwar nicht aus, merken aber, dass sich die Art der Darstellung geändert hat. Mit Text alleine kommt man nicht mehr weit. Eingebettete Bilder und Videos sind sehr wichtig und die Beiträge müssen gut strukturiert sein. Die Menschen haben nicht mehr so viel Aufmerksamkeit, also muss man eher mit Info-Häppchen arbeiten. Ein ganz starker Trend geht zu Podcasts, die wir als Schreibagentur aber nicht anbieten. Ich habe den Eindruck, dass sich das in der Krise noch verstärkt hat.

Kurtz: Ist der klassische Journalismus jetzt in bzw. nach der Krise überhaupt noch relevant für die Ausspielung von unternehmenseigenem Content oder ist es mittlerweile viel praktischer und effektiver, Inhalte nur noch über eigene (owned) Kanäle zu veröffentlichen?

Riedmann: Es braucht den Journalismus einerseits als unabhängige Instanz, andererseits ist es aus meiner Sicht für viele Unternehmen nach wie vor wichtig, dass sie in den Medien Resonanz finden. Das ist immer noch ein wesentlicher Wertungsfaktor in der PR. Ich denke, es braucht tatsächlich beides. Aber natürlich ist der eigene Content auch eine tolle Chance, Botschaften zu positionieren, die man in den klassischen Medien nicht unterbringt.

Kurtz: War Ihrer Einschätzung nach früher mehr „Platz“ in den klassischen Medien, weil das Thema „Corona“ nicht so dominant war?

© Schreibagentur

Claudia Riedmann leitet die von ihr gegründete Schreibagentur in Wien. Mit ihrem Team entwickelt sie ContentStrategien und Texte für Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie. Davor war die Germanistin als PR-Beraterin für führende österreichische Kommunikationsagenturen sowie Institutionen tätig.

Riedmann: Mein Eindruck wäre eher gewesen, dass es gar nicht so einfach war, Präsenz in den Medien zu bekommen, weil sehr viele Corona-Themen da waren, aber man kann es wahrscheinlich so oder so sehen. Was ich merke, ist, dass wir in letzter Zeit wieder verstärkt Anfragen für Advertorials bekommen. Diese waren eine Zeit lang gar kein Thema. Das kann auch ein Indiz dafür sein, dass Unternehmen versuchen, sich so Platz in den Medien zu verschaffen, den sie über die klassische Berichterstattung so nicht bekommen.

Kurtz: Hat sich der Content, den Ihre Agentur für Kunden produziert hat, auch inhaltlich geändert? Wenn ja, wie?

Riedmann: Wir betreuen vor allem größere Kunden in den Bereichen Industrie, Wirtschaft und Technologie und da gibt es drei ganz klare Trends. Der eine ist das Thema "Nachhaltigkeit", dass bei allen unseren Kunden eine riesige Rolle spielt. Der zweite große Bereich ist "Innovation", die für Unternehmen enorm wichtig ist. Und damit zusammen hängt der dritte Bereich, die "Digitalisierung". Das sind drei ganz große Themen, die in den letzten ein bis zwei Jahren sehr stark geworden sind.

Kurtz: Viele Unternehmen haben aus Gründen der Kurzarbeit oder einfach aus Unsicherheit Content-Recycling betrieben, also alten Content nochmal veröffentlicht oder den Online-Content zeitweise komplett eingestellt. Haben die Unternehmen dabei eine große Chance verpasst? Riedmann: Wenn ein Unternehmen wirklich kracht, dann hat es andere Sorgen als den Online-Content. Andererseits sollte man an diesen Dingen einfach konstant dranbleiben, also ist es sicher eine Chance, die man vertut. Man kann die Kund*innen und Mitarbeiter*innen über die eigenen Plattformen gut erreichen. Insofern ist es schade, das verpasst zu haben. Unsere Kunden hat das zum Glück nicht betroffen, niemand hat in der Krise massiv Content reduziert, außer in den ersten drei Wochen des ersten Lockdowns, als noch niemand wusste, wie es weitergeht. Danach haben alle sehr aktiv kommuniziert.

Kurtz: Das führt gleich zur nächsten Frage: Wahrscheinlich musste zu Beginn der Krise schnell umgeplant werden, was den Content mancher Unternehmen betrifft. Haben Sie und Ihre Agentur durch die Krise an Spontanität dazugewonnen? Bitte skizzieren Sie uns dies an einem konkreten Beispiel.

Riedmann: Ja, wir haben an Spontanität gewonnen. Ein Beispiel ist das Mitarbeitermagazin von „VERBUND". Da wurde in sehr kurzer Zeit beschlossen, dass es eine Corona-Spezialausgabe unter dem Motto „Danke“ geben soll. Das war eine spannende Aufgabe, weil es darum ging, den fast 3.000 Mitarbeiter*innen für ihren Einsatz zu danken. Wir haben dafür in allen Unternehmensbereichen geschaut, was diese Menschen Tolles geleistet haben, um niemanden zu vergessen. Erschienen ist das Magazin dann im Juni 2020. Das heißt, wir hatten wirklich nur zwei Monate Zeit, um das alles inklusive Produktion auf die Beine zu stellen, was äußerst knapp für so ein Magazin ist. Das war sehr fordernd und hat wirklich viel Spontanität gebraucht. Gleichzeitig hatten wir viel freie Hand, weshalb es eine tolle Erfahrung war.

Kurtz: Und zu guter Letzt noch eine Frage abseits klassischer Text-Inhalte: Während der Krise konnten wir ja einen enormen Zuwachs an Video-Content beobachten. Wie wird sich das in Zukunft auf die Bedeutung der redaktionellen Texte auswirken?

Riedmann: Ich denke, dass es auch in Zukunft beides brauchen wird. Videos sind natürlich toll und werden sich auch weiterentwickeln. Im Moment braucht es auch den Text, damit der Inhalt überhaupt gefunden wird. Zum Beispiel muss beim barrierefreien Texten jedes eingebundene Video auch textlich noch einmal erklärt werden. Das heißt, schon allein aus suchmaschinen-technischer Sicht ist beim Online-Content der Text enorm wichtig. Aber auch sonst denke ich, dass der Text immer seine Bedeutung haben wird, wenn auch in Kombination mit anderen Medien.