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Anpfiff: Sport-PR vs. Sportjournalismus

© Privat

Verena Gundacker

David Obererlacher, Kommunikationsleiter des Fußball-Bundesligisten LASK, erzählt im Gespräch mit „PRaktivium“ über die verschobenen Machtverhältnisse von PR und Journalismus im Sport.

Verena Gundacker: Vor deiner Arbeit beim LASK warst du unter anderem Pressesprecher des Skispringers Gregor Schlierenzauer. Was ist dir lieber: Fußball oder Skispringen?

David Obererlacher: Fußball, wobei beides sehr faszinierend ist.

Gundacker: Worin unterscheiden sich die Kommunikationsaufgaben in diesen zwei Bereichen?

Obererlacher: Die Aufgabe ist eine ganz andere. Zum einen betreust du beim Skispringen eine/n Einzelsportler*in, du bist in der besonderen Position, dass du in jeder Situation für jemand anderen sprichst. Wenn ich als Gregor Schlierenzauer auf „Facebook“ oder „Instagram“ einen Kommentar beantworte, dann gehen die Leute selbstverständlich davon aus, dass das eine Antwort von Gregor Schlierenzauer selbst ist. Das heißt, man braucht eine sehr enge Abstimmung mit ihm. Die Journalist*innen vertrauen mir nur, wenn sie der Meinung sind, dass ich zu 100% das wiedergebe, was auch der Sportler sagen würde. Das ist beim Fußball etwas ganz anderes, weil ich hier immer als Verein spreche, aber nicht für einen einzelnen Spieler. Ich heuchle nie jemanden vor, dass ich wer anderer bin. Wenn ich auf „Facebook“ etwas beantworte, dann beantworte ich es als „der LASK“ und es ist jedem klar, dass der Verein jemanden hat, der für Pressearbeit zuständig ist und Fragen beantwortet. Und zum anderen ist die Aufmerksamkeitsspanne in der Öffentlichkeit beim Fußball und Skispringen ganz anders. Die Zeit in der Skipringer*innen in der Öffentlichkeit stehen ist sehr gering und darauf muss die ganze Kommunikation aufbauen.

Gundacker: Weil du Heuchelei angesprochen hast: Geht dann das Bild des PR-Managers nicht eher in die Richtung, dass er/sie anderen etwas vormacht?

Obererlacher: Der, der versucht jemandem etwas vorzumachen und nicht ehrlich ist, der scheitert. Wenn du es nicht schaffst, authentisch wiederzugeben, was tatsächlich ist, dann hast du verloren. Insbesondere beim Einzelsport, da du nicht davon ausgehen kannst, dass die Journalist*innen nur mit dir und nicht auch mit den Sportler*innen selbst sprechen. Und jede Diskrepanz fällt sofort auf.

Gundacker: Es war das vergangene Jahr nicht unbedingt das leichteste Pressejahr für den LASK, da es viel medialen Wirbel gegeben hat. Was ist hier die Aufgabe als Kommunikationsleiter, um den Druck rauszunehmen?

Obererlacher: Der mediale Druck ist relativ schnell draußen. Es gab Vorwürfe und Anschuldigungen gegen den LASK, aber in dem Moment, wo man sich einen Überblick verschafft, kommt man darauf, dass man im Recht ist und die Dinge eigentlich negativer angetragen werden, als sie sind. Es kommt dann dazu, dass bei manchen Dingen die Optik schlecht ist, da muss man einfach noch enger und noch deutlicher kommunizieren. Es ist ein unglaublicher Zeitaufwand – ich bin heuer unzählige Stunden mit Journalist*innen zusammengesessen, habe ihnen Unterlagen und Beweise geliefert, dass das was wir sagen stimmt und dadurch Vertrauen aufgebaut. Damit – sollte es wieder Anschuldigungen geben – mich die Journalist*innen direkt kontaktieren und ich die Möglichkeit habe, das aufzuklären. Dieses Vertrauensverhältnis muss ich mir erarbeiten, das ist meine tägliche Arbeit und ist absolut notwendig als Kommunikationsleiter.

Gundacker: In der Beziehung mit Journalist*innen, siehst du eher eine reaktive oder proaktive Herangehensweise aus Sicht der PR?

Obererlacher: Sowohl als auch. Im Zweifel will ich immer lieber agieren als reagieren. Aber manchmal geht es nicht anders. Auf viele Dinge muss ich reagieren, weil ich nicht mit solchen Angriffen rechne. Aber, wenn ich die Möglichkeit habe zu agieren und die Journalist*innen vorab zu kontaktieren, um mit ihnen offen zu reden, dann mache ich das natürlich gerne. Ganz schlimm ist es, wenn man zur Reaktion gezwungen wird und automatisch in der Rechtfertigung drinnen ist, dann kommt man sehr schwer wieder raus.

© Manfred Binder

David Obererlacher war über zehn Jahre bei der PRAgentur Milestones in Communications unter anderem als Social Media-Experte für die Bereiche Sport, Gesundheit, Informations- und Kommunikationstechnik und Innenpolitik zuständig. Seit Juli 2020 ist er nun Kommunikationsleiter des Linzer Fußballvereins LASK.

Gundacker: Wie beurteilst du generell das Spannungsfeld Sport-PR & Sportjournalismus in kurzen Worten?

Obererlacher: Ganz anders als in den anderen Ressorts. Die guten Sportredakteur*innen sind die, die sich nicht sofort „verhabern“ lassen. Eine Redaktion, die eine exklusive Geschichte von mir nicht als Geschenk ansieht und deswegen nur mehr freundliche Berichte schreibt, hat sich meinen Respekt verdient. Das ist aber bei vielen Kolleg*innen im Sport anders. Die wollen ihre Sportjournalist*innen als brave „Diener“ und „Nachplapperer“ heranzüchten, damit diese zu 100% steuerbar sind. Das ist in anderen Ressorts, zum Beispiel in der Wirtschaft, anders, da der Journalismus dort mächtiger und stärker ist. Im Sport sind die Journalist*innen viel abhängiger von den Vereinen, aus Angst diese zu verlieren. Daher ist es gang und gäbe, dass die Artikel vorab an die PR-Leute der Vereine geschickt und die Gespräche zum Teil im Nachhinein verändert und umgeschrieben werden. Das mag ich aber gar nicht. Deswegen habe ich große Wertschätzung gegenüber Journalist*innen, die kritisch über uns berichten, solange sie nicht unfair sind. Wenn das Argumente sind, die nachvollziehbar sind, dann ist es vollkommen legitim. Journalismus hat ja auch den Auftrag von außen Impulse zu setzen, um unseren Verein besser zu machen.

Gundacker: Wie hat sich deiner Meinung nach das Feld der PR-Arbeit verändert in den letzten zehn Jahren?

Obererlacher: Unglaublich, weil die Redaktionen personell so ausgedünnt sind und die Journalist*innen keine Zeit mehr haben, um wirklich ernsthaft zu recherchieren und darauf angewiesen sind, dass ihnen die Agenturen Inhalte und Geschichten liefern. Demokratiepolitisch bedenklich, aber das ist so.

Gundacker: Wie siehst du die Bedeutung und Entwicklung von Social Media für Sport-PR? In einem Blogbeitrag von 2014 warst du der Meinung, dass uns „Facebook“ erhalten bleibt: Denkst Du noch immer so?

Obererlacher: Ja, bis jetzt hatte ich recht. „Facebook“ ist unumstößlich, die Plattform hat mehr als 3 Milliarden Nutzer*innen. Es ist schwer zu sagen, warum die jetzt auf einmal weggehen sollten. Menschen verwenden „Facebook“ anders als früher, sie verwenden es bewusster. Social Media ist für die Sportler*innen und die Sportvereine eine unglaubliche Machtquelle, weil man mit den Fans direkt sprechen kann, in den Direktvertrieb gehen kann und man braucht den „Mittelsmann Journalist“ nicht mehr. Das ist der entscheidende Faktor. Vorher brauchte man immer die Medien, da man nicht direkt mit den Menschen sprechen konnte, das hat sich durch Social Media verändert und dadurch hat sich auch das Machtverhältnis weiter verschoben.

Gundacker: Bleiben wir bei Social Media. Es gelingt hier eine schnelle Nachrichtenverbreitung durch Posts, Sharing der Beiträge, etc. Siehst du das als Fluch oder Segen?

Obererlacher: Ich sehe es eigentlich nur als Segen. Zum Beispiel, wenn irgendein Fan behauptet, er hätte jetzt einen Fußballspieler verletzt im Krankenhaus gesehen, dann habe ich die Möglichkeit als LASK das zu kommentieren und darunterzuschreiben, dass das ein Schwachsinn ist. Wie würde ich das machen, wenn das in der Zeitung steht? Wir haben heuer den Fall gehabt, dass eine Zeitung eine Falschmeldung gebracht und weder beim ÖFB noch beim LASK angefragt hat, um die Behauptung zu recherchieren, vermutlich, weil sie wusste, dass die Story nicht halten würde. Wenn man sich das anschaut, war hier doch die normale Art der Medienarbeit der komplette Fluch, weil sie einfach absichtlich nicht angefragt haben.

Gundacker: Als abschließende Frage, wann wird der LASK Meister?

Obererlacher: Heuer wird es schwer. Es ist schwierig zu sagen, wenn man auf unsere Entwicklung schaut, muss man auch auf die Entwicklung von Red Bull Salzburg schauen. Also hoffentlich 2022 und ein zweites hoffentlich bis 2025.