Das Heft – Ausgabe Nr. 11 (2024) – Praxisbedeutsamkeit

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HEFT das

PH-Magazin Nr. 11 2024

Praxisbedeutsamkeit

Ein Heft auf der Suche nach dem Zusammenwirken von Wissen und Können bei pädagogischen Fachpersonen.

«Wenn man nur nach Rezept handelt, besteht die Gefahr, dass man die Rezepte einfach abspult, ohne zu wissen, was man weshalb wie gemacht hat» – Gespräch mit Claudia Schmellentin, Corinne Wyss und Andrea-Sandro Portapia 8

Einblicke in Schulzimmer – durch Kameralinsen und Eye-Tracking-Brillen 20

«Leseförderung geht uns alle an» 36

DAS HEFT

Praxisbedeutsamkeit

Im Jahr 2024 rücken wir an der PH FHNW die Frage der Praxisbedeutsamkeit in den Fokus. Die Hochschulleitung hat diesen Begriff bewusst gewählt, um über die Begriffe Praxisnähe oder Praxisbezug hinausgehen zu können, und möchte ihn sowohl in der hochschulinternen Kommunikation als auch in der Kommunikation gegen aussen etablieren. Doch wie verstehen wir den Begriff «Praxisbedeutsamkeit»?

Ein Studium ist aus unserer Sicht dann praxisbedeutsam, wenn es den Studierenden hilft, die für das Berufsleben relevanten Kompetenzen zu erwerben. Dabei ist es zentral, dass diese Kompetenzen nicht ausschliesslich auf rein handwerkliche Fähigkeiten reduziert werden. Die Anforderungen im Beruf bestehen neben konkretem Handeln («Know-how») darin, dass Lehrpersonen Situationen interpretieren, bewerten und beurteilen können müssen. Dazu braucht es eine Analyse- und Reflexionsfähigkeit sowie Erklärungs- und Orientierungswissen («Know-why»), also jenes wissenschaftliche Wissen, das ihnen erlaubt, ihr professionelles Handeln systematisch zu reflektieren und stetig weiterzuentwickeln. Darüber hinaus brauchen Lehrpersonen auch rollen- und aufgabenbezogenes Fachwissen und Hintergrundwissen («Knowwhat»), um ihre Funktion als Wissensvermittler*innen wahrnehmen zu können.

Ein Studium an der PH FHNW ist deshalb praxisbedeutsam, weil es auf das konkrete praktische Handeln vorbereitet und weil es Wissen, Kompetenzen und Haltungen vermittelt, welche notwendig sind, um – auch in Distanz zur Praxis – das eigene Handeln zu legitimieren und weiterzuentwickeln. Praxisbedeutsamkeit ist deshalb nicht synonym mit Praxisnähe. Auch theoretische Inhalte, welche eine beträchtliche Distanz zum konkreten praktischen Handeln haben, können sehr wohl praxisbedeutsam sein.

Im einleitenden Fokusgespräch, das in dieser Ausgabe von einem Gespräch mit einer Studentin ergänzt wird, werden diese Aspekte eingehend diskutiert. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass die Lernorte Schule und Hochschule eng miteinander verbunden sind und aktiv verzahnt werden müssen und die PH FHNW und die Schulen eine gemeinsame Verantwortung für die Ausbildung von Lehrpersonen haben.

In den weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe wird der Blick auf Praxisbedeutsamkeit dann geöffnet und es werden Projekte vorgestellt, die auf jeweils unterschiedliche Weise praxisbedeutsam sind. Unter anderem wird das Unterrichtsvideo-Portal der PH FHNW vorgestellt. Dank der Videos auf diesem Portal können Studierende und Forschende Unterrichtssequenzen aus verschiedenen Perspektiven beobachten – teilweise sogar durch Eye-Tracking-Brillen, die von Lehrpersonen getragen werden. Im Projekt «From Research to Practice», das ebenfalls präsentiert wird, wird das Verständnis der Studierenden bezüglich der Bedeutsamkeit und des Nutzens von empirischen Forschungsergebnissen und -methoden für die Praxis gefördert.

Überdies geben Expert*innen der PH FHNW und Lehrpersonen Einblicke in die Entwicklung und Überarbeitung von Lehrmitteln, eine PH-Dozentin und eine Lehrerin erzählen, wie sie gemeinsam Lehr-Lernarrangements entwickelt haben, und Studierende stellen ihre Bachelor- oder Masterarbeiten vor. So ist im Rahmen einer Bachelorarbeit eine App für den Mathematikunterricht entstanden, die das räumliche Denken schult.

Ich wünsche Ihnen eine anregende und inspirierende Lektüre dieses vielfältigen HEFTs.

McCombie Direktor der Pädagogischen Hochschule FHNW

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 3
EDITORIAL
Titelbild: «The Maker» (2024) für Golfyr, Alfredo Häberli

Praxisbedeutsamkeit

3 Editorial von Guido McCombie

6 Nachgefragt – «Was macht Aus- und Weiterbildung praxisbedeutsam?»

FOKUS

8 «Wenn man nur nach Rezept handelt, besteht die Gefahr, dass man die Rezepte einfach abspult, ohne zu wissen, was man weshalb wie gemacht hat» – Gespräch mit Claudia Schmellentin, Corinne Wyss und Andrea-Sandro Portapia von Marc Fischer

17 «Da merkten wir: Hier passiert es jetzt, hier brauchen wir den Background» – Gespräch mit Miriam Märki von Marc Fischer

DOSSIER

20 Einblicke in Schulzimmer – durch Kameralinsen und Eye-Tracking-Brillen von Marc Fischer

22 Knacknüsse lösen, Unterricht verbessern von Michael Hunziker

24 «Sauter à la corde» statt Seilspringen von Marc Fischer

27 Bedeutung von Forschungskompetenzen für die Praxis von Jasmin Näpfli und Kirsten Schweinberger

29 Bildessay: Träumen, doch kein Träumer sein von Alfredo Häberli und Joan Minder

«Wenn man nur nach Rezept handelt, besteht die Gefahr, dass man die Rezepte einfach abspult, ohne zu wissen, was man weshalb wie gemacht hat»

Die PH FHNW rückt im laufenden Jahr die Frage der Praxisbedeutsamkeit in den Fokus. Warum hat die Hochschulleitung den Begriff «Praxisbedeutsamkeit» gewählt? Inwiefern geht er über blosse «Nützlichkeit» heraus? Wo liegen die Grenzen dessen, was ein Studium leisten kann? Und weshalb ist die gemeinsame Verantwortung von Hochschule und Schulen so wichtig? Diese Fragen erörtern Claudia Schmellentin, Corinne Wyss und Andrea-Sandro Portapia im Expert*innengespräch.

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Knacknüsse lösen, Unterricht verbessern

Evaluativ, visualisierend, spielerisch lehren und lernen: Das Projekt «Luuise» bietet niederschwellige, wirksame Lösungen für Lehrpersonen.

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INHALT

«Sauter à la corde» statt Seilspringen 15 Lehrpersonen nehmen im Kanton Solothurn an einem Projekt der PH FHNW teil, das dem bilingualen Unterricht Schub verleihen soll. Ein Besuch bei einer 4. Klasse in Gunzgen gibt Einblicke in Sportunterricht auf Französisch.

Seite 24

«Leseförderung geht uns alle an» Systematische Leseförderung: Das Zentrum Lesen der Pädagogischen Hochschule FHNW und das Amt für Volksschule Basel-Landschaft entwickelten ein gemeinsames Projekt. Derzeit läuft die Pilotphase.

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AUS DER PH

36 «Leseförderung geht uns alle an»

von Michael Hunziker

39 Spannende Testläufe bei Lehrpersonen und Schulklassen

von Marc Fischer

41 Mit «Stangenhandball» zum Unterrichtsgerüst von Marc Fischer

44 «Diese Trennung existiert nur in den Köpfen» von Virginia Nolan

46 Praxisbedeutsamkeit in der Weiterbildung von Claudia Dünki und Urs Oberthaler

47 Unterschiedliche Fächer – gleiches Ziel

von Anke Schmitz und Georg Bruckmaier

49 Durch Forschungsmethoden pädagogische Praxis reflektieren, evaluieren und optimieren von Loli Milošević und Marija Stanisavljević

51 «Der Vorteil von räumlicher Software liegt in deren Dynamik» von Virginia Nolan

55 «Sachquellen machen Geschichte fassbar» von Virginia Nolan

56 Tipps zu Spielen, Games, Büchern und ausserschu lischen Lernorten

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INHALT

«Was macht Ausund Weiterbildung praxisbedeutsam?»

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«Aus- und Weiterbildung ermöglichen das Vernetzen von Erfahrung und Theorie sowie den Vergleich der eigenen Erfahrung mit bewährten Praktiken und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Durch die Betrachtung aus einem professionellen Blickwinkel können eigene Haltung und Wahrnehmung reflektiert werden. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen Professionalisierung und stärkt das Vertrauen in die eigene Kompetenz. Letztlich legt eine fundierte Aus- und Weiterbildung die Grundlagen für eine hohe Bildungsqualität und schafft so eine zukunftsorientierte und widerstandsfähige Gesellschaft, die den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist.»

LEA BRÜCKER, Präsidentin der Fraktion Technisches und Textiles Gestalten des Aargauischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands

2«In keinem Bereich wird die Praxisbedeutsamkeit von Aus- und Weiterbildung für mich so greifbar, wie in meiner Aufgabe als Praxislehrperson für Studierende auf ihrem Weg zu Logopäd*innen. Während des gemeinsamen Reflektierens ihrer ersten Therapien oder im Abgleichen von gelernter Theorie mit der Praxis sehe ich mich genauso gefordert wie die Studierenden selbst, mein Handeln immer wieder zu hinterfragen und authentisch zu begründen.»

JOHANNA BÜTTNER-LOCH,

Vorstandsmitglied des Logopädinnen- und Logopädenverbandes der Region Basel

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NACHGEFRAGT

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«Aus- und Weiterbildung ist dann praxisbedeutsam, wenn der Praxis und der Forschung der Schulterschluss gelingt. Wenn in der Ausbildung die Praktika das zentrale Element sind, wo Studierende direkt im Schulalltag ihre Wirksamkeit erleben und direktes Feedback mit ihren Praxislehrpersonen oder Mentorierenden reflektieren können. Wenn Weiterbildungsangebote geschaffen werden, die Trends antizipieren, Entwicklung ermöglichen und fest auf den Berufsalltag abgestimmt sind. Angebote, die es ermöglichen, kurz und knapp Erkenntnisse zu gewinnen, und Angebote, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit der gewählten Thematik ermöglichen. Dabei soll immer Platz bleiben, dass wir voneinander und miteinander Lernen und der Wille bestehen bleibt, Forschung und Praxis zu verknüpfen.»

TOBIAS BINZ, Schulleiter

Sekundarschule St. Alban, Basel und Praxisbeirat PH FHNW

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«Aus- und Weiterbildung muss sich am Berufsalltag der Lehrerinnen und Lehrer orientieren. Es sollen Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die für die täglichen Anforderungen und Herausforderungen im Berufsalltag direkt anwendbar sind. Theorie und Praxis in der Aus- und Weiterbildung müssen eng miteinander verknüpft sein. Das Gelernte soll unmittelbar in realen Situationen erprobt, angewendet und anschliessend reflektiert werden können. So können die Studierenden und Lehrpersonen ihre Kompetenzen weiterentwickeln. Theorie ohne Praxis ist wenig effektiv.»

SYLVIA SOLLBERGER, Geschäftsführerin Verband

Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO)

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«Ich kann mich noch bestens an die Praxisbeispiele meiner erfahrenen Lehrpersonen erinnern. Sie haben mit viel Herzblut und beruflicher Erfahrung eine Brücke zwischen Theorie und Realität geschaffen. Praxisbedeutsame Aus- und Weiterbildung erfordert spannende Inhalte, die eine Relevanz zur Aktualität aufweisen und anwendungsorientierte Bedürfnisse abdecken. Der Einbezug und die Reflexion über das eigene Handeln und die gemachten Erfahrungen tragen zur Entwicklung praxisrelevanter Kompetenzen bei.»

MARGRET BAUMANN, Rektorin Berufsschule Aarau

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 7 NACHGEFRAGT
«Wenn man nur

nach Rezept handelt, besteht die Gefahr, dass man die Rezepte einfach abspult, ohne zu wissen, was man weshalb wie gemacht hat»

Die PH FHNW rückt im laufenden Jahr die Praxisbedeutsamkeit in den Fokus. Warum hat die Hochschulleitung den Begriff «Praxisbedeutsamkeit» gewählt? Inwiefern geht er über blosse «Nützlichkeit» heraus? Wo liegen die Grenzen dessen, was ein Studium leisten kann? Und weshalb ist die gemeinsame Verantwortung von Hochschule und Schulen so wichtig?

Diese Fragen erörtern Claudia Schmellentin, Leiterin des Instituts Sekundarstufe I und II (ISEK) und Mitglied der Hochschulleitung der PH FHNW, Corinne Wyss, Leiterin der Professur Berufspraktische Studien und Professionalisierung Sek I am ISEK, und AndreaSandro Portapia, Schulleiter der Primarschule Egerkingen (SO) und Praxisbeirat der PH FHNW.

Im Duden ist der Begriff «Praxisbedeutsamkeit» nicht vorhanden und die Resultate bei Online-Suchmaschinen sind sehr überschaubar. Andrea-Sandro Portapia, was haben Sie darunter verstanden, als Sie den Begriff erstmals gehört haben?

Andrea-Sandro Portapia: Im Praxisbeirat der PH FHNW war «Praxisbedeutsamkeit» jüngst Thema. Ich habe es für mich zunächst so definiert: Inwiefern ist das, was man im Studium macht, für die Praxis sinnvoll und nützlich. Inwiefern können wir als Schule von dem profitieren, was im Studium gemacht wird. Was ist im Studium alles bedeutsam für die Praxis.

Die Hochschulleitung macht sich schon länger vertieft Gedanken zum Thema «Praxisbedeutsamkeit». Claudia Schmellentin, deckt sich diese Kurzdefinition mit Ihrem Verständnis?

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FOKUS

Claudia Schmellentin: Der Nützlichkeitsbegriff ist in meinen Augen etwas schwierig. Was ist «nützlich»? Nützlichkeit ist stark von der Situation abhängig. Das Studium sollte die Studierenden jedoch befähigen, in verschiedenen, auch nicht vorhersehbaren Situationen professionell zu handeln. «Praxisbedeutsamkeit» bedeutet also nicht, dass die Inhalte direkt in der Praxis verwertet werden können, sondern dass die Inhalte des Studiums die Studierenden darin unterstützen, die mitunter komplexe Praxis besser zu verstehen, um ihr Handeln in der Praxis zu analysieren, Handlungsoptionen abzuleiten und ihr Handeln zu begründen und weiterzuentwickeln. Aber ja, ein praxisbedeutsames Studium soll den Studierenden auch ermöglichen, Handlungsroutinen aufzubauen. Der Begriff «Praxisbedeutsamkeit» ist allerdings nicht auf die Aus- und Weiterbildung beschränkt, sondern auch die Forschung an der PH ist insofern praxisbedeutsam, als sie einen Beitrag leistet, die Praxis besser zu verstehen.

Corinne Wyss: Ich pflichte dem bei. Es ist aber immer die Frage, wie wir «Nützlichkeit» definieren. Gerade das Fachwissen, das die Studierenden bei uns in den Fachwissenschaften aufbauen, muss ja über das hin-

ausgehen, was die Lehrpersonen später im Unterricht vermitteln. Dennoch ist das Wissen «nützliches Wissen». Sie brauchen dieses Wissen, es ist notwendig für ihre berufliche Tätigkeit. Die Frage ist also, was ist die Definition von «nützlich sein»?

Claudia Schmellentin: Genau.

Corinne Wyss: Aber klar, es ist nicht nur das, was sie dann im Unterricht 1:1 verwenden können. Es gibt logischerweise ein Konglomerat von verschiedenen Wissensfacetten, Fähigkeiten und Haltungen, welche die Studierenden an der PH erlernen oder erweitern, die dann später im Beruf bedeutsam sind.

Claudia Schmellentin: Und das in einem Zusammenspiel.

Die Definition von «nützlich» ist sicher wichtig. Die einen verstehen darunter wahrscheinlich etwas «Rezeptartiges». Andrea-Sandro Portapia, wenn jemand von der PH ins Praktikum an die Primarschule Egerkingen kommt oder dort eine Anstellung erhält, was muss er oder sie dann mitbringen?

«Wenn ich das nötige Hintergrundwissen mitbringe, kann ich meinen Unterricht eigenständiger gestalten und mich selbst sowie meinen Unterricht bewusst weiterentwickeln»: Claudia Schmellentin, Leiterin des Instituts Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Foto: Marc Fischer

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FOKUS
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Andrea Portapia: Eine Kombination von fachlichem und theoretischem Wissen, die einem hilft, alltägliche Situationen zu bestreiten. Das Rezept finde ich ein gutes Stichwort. Oft haben Studierende oder auch Absolvent*innen einer Weiterbildung das Gefühl, sie erhielten ein Rezept, könnten dieses dann 1:1 umsetzen und dann funktioniere es immer. Aber man braucht theoretisches Hintergrundwissen, um gewisse Situationen im Beruf zu meistern. Um reflektieren zu können und zu merken, aufgrund dieser oder jener Tatsache kann ich jetzt so oder anders reagieren. Und man kann eben nicht ein vorgefertigtes Rezept einfach immer abspulen. In diesem Sinne ist «nützlich sein» tatsächlich ein schwieriger Begriff. Was ist Nutzen letztendlich? Von jemandem, den ich an unserer Schule einstelle – ich habe weniger mit den Praktikant*innen zu tun als mit neuen Lehrpersonen – erwarte ich, dass dieses Wissen

vorhanden ist. Und zwar nicht nur auf den Unterricht bezogen, sondern auch auf alles bezogen, was im Hintergrund auch noch dazu gehört.

Oft spricht man von «Know-how». Müsste man diesen Begriff erweitern auf «Know-why» und «Know-what»? Könnte man dadurch Praxisbedeutsamkeit deutlicher oder besser verständlich machen?

Claudia Schmellentin: Wir müssen den Studierenden sicher das Wozu erklären können. Nehmen wir die Fachwissenschaften. In diesem Bereich erwartet niemand, dass das Studium ganz nahe an der Praxis ist. Als Deutschdidaktikerin habe ich in der Lehre vermutlich mehr Phonologie (Lautlehre) gemacht als in einem Germanistikstudium. Das war aber nicht nur zum Plausch. Wichtig war mir dabei, den Bezug zum

«Die Praxiselemente und die Module an der Hochschule müssen verschränkt werden. Auch wichtig ist, dass an der PH das aufgegriffen, besprochen und diskutiert wird, was die Studierenden in den Praktika erleben»: Corinne Wyss, Leiterin der Professur Berufspraktische Studien und Professionalisierung Sek I am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Foto: Christian Irgl

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FOKUS

Schrifterwerb zu machen und zu zeigen, inwieweit das Wissen benötigt wird, um Fehler zu diagnostizieren und adäquate didaktische Massnahmen abzuleiten. Die Studierenden – so meine Erfahrung – lassen sich durchaus auch auf sehr abstrakte Themen ein, die eben nicht direkt verwertbar sind, wenn sie deren Relevanz für ihre beruflichen Fähigkeiten – hier Diagnosefähigkeiten – erkennen können.

Corinne Wyss: Im Bereich der berufspraktischen Studien ist das Warum auch in den Praktika sehr wichtig. Dass sich die Studierenden gut überlegen, warum sie in einer Unterrichtssequenz im Praktikum etwas machen. Während ihres Studiums sollen sie lernen, dass sie sich das Warum für ihren Unterricht ebenfalls überlegen – und anschliessend reflektieren, warum eine Lektion funktioniert hat und eine andere weniger. So merken die Studierenden, dass ein Rezept womöglich auf den ersten Blick praktisch erscheint, aber dass es dann trotzdem nicht funktionieren kann. Die Umstände – sei es das soziale Gefüge in der Klasse oder «bloss» die Tageszeit, an der die Lektion stattfindet – sind jeweils anders und machen das Unterrichten komplex. Darauf muss man eingehen und sich das «Why» überlegen können.

Claudia Schmellentin: Wenn man nur nach Rezept handelt, besteht die Gefahr, dass man die Rezepte einfach abspult, ohne zu wissen, was man weshalb wie gemacht hat. Ich habe viel weniger Freiheiten, wenn ich nach Rezepten arbeite, die ich nicht verstehe. Wenn ich das nötige Hintergrundwissen mitbringe, kann ich meinen Unterricht eigenständiger gestalten und mich selbst sowie meinen Unterricht bewusst weiterentwickeln.

Studentin Miriam Märki (vgl. S.17) hat sich im Gespräch ganz oft auf die Fachdidaktiken und Fachwissenschaften bezogen. In diesem Bereich war die Praxisbedeutsamkeit für sie offensichtlich. Schwieriger sei es, bei erziehungswissenschaftlichen Theorien die Praxisbedeutsamkeit oder die Anknüpfungspunkte an die Praxis zu vermitteln.

Andrea-Sandro Portapia: Ich weiss nicht, ob es wirklich die Anknüpfungspunkte sind oder ob aus Sicht der Studierenden einfach der Bezug zur Praxis im ersten Moment weniger erkennbar ist. Auf der Primarstufe im Zyklus 1 und 2 ist Entwicklungspsychologie ein grosses Thema, wenn es darum geht, was für die Kinder überhaupt leistbar ist. Wenn einem hier das Hintergrundwissen aus der Entwicklungspsychologie fehlt, beharrt man im schlimmsten Fall auf etwas, das im Lehrmittel steht, und verurteilt vielleicht das Lehrmittel, weil es nicht genau das bringt, was man aktuell braucht. Dabei könnte man mit Hintergrundwissen aus der Entwick-

lungspsychologie selber erkennen, dass etwas nicht möglich ist, und es mit gutem Gewissen weglassen und später aufgreifen. Solche Theorien sind im ersten Moment sicherlich weniger anschlussfähig für die Studierenden, die sich dann fragen, wofür sie das brauchen. Für die Studierenden steht oft im Zentrum, zu wissen, was im Lektionsplan enthalten ist, welche Kapitel sie behandeln müssen und wohin sie mit der Klasse kommen sollen, statt zu überlegen, was die Klasse überhaupt braucht, um dorthin zu kommen.

Claudia Schmellentin: Das verstehe ich auch. Für die Studierenden steht zuerst einmal der Unterricht im Fokus. Und damit die Frage: Wie kann ich im Unterricht in einer konkreten Situation bestehen? Da hilft es zunächst, wenn ich einem Rezept folgen oder nach einer eingeübten Routine handeln kann. Das entlastet und macht den Blick frei für andere Aspekte, die ebenfalls relevant sind. Trotzdem müssen wir die Studierenden dazu befähigen, ihre Routinen auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Viele der Studierenden arbeiten heute bereits während des Studiums, was ihr Bedürfnis nach Verwertbarkeit im Schulalltag noch stärkt. Sie bauen bereits Routinen auf, um im Alltag zu bestehen. Umso wichtiger ist es, dass sie im Studium die Gelegenheit bekommen, diese bewusst weiterzuentwickeln. Wir können das Studium nicht nur auf die momentanen Bedürfnisse ausrichten. Als Hochschule müssen wir zukunftsgerichtet handeln und die Grundlage dafür schaffen, dass die Studierenden auch zukünftige und veränderte Situationen meistern können.

Wie kann man das den Studierenden präsenter machen?

Andrea-Sandro Portapia: Ich glaube, jedes Studium hat seine Grenzen. Man kann nicht alle Inhalte mitgeben. Ich bin, wie gesagt, nicht so nahe dran an den Studierenden im Praktikum, aber ich tausche mich doch regelmässig mit ihnen aus. Immer wieder kommen die gleichen Themen auf den Tisch. Der Klassiker ist der Elternabend. Aber hier hat das Studium einfach Grenzen. Auch mit noch so vielen Praktika wird man nie in die Situation versetzt, in der man später ist, wenn man die Verantwortung als Klassenlehrperson hat. Oder nehmen wir das Thema schwierige Elterngespräche. Das kann man im Studium lange simulieren, man spürt erst, was es heisst, wenn man wirklich in der Situation ist und die Verantwortung trägt. Es ist einfach etwas anderes, wenn ich eine Situation im Klassenzimmer habe, als wenn ich sie im Studium mit Mitstudierenden simuliere. Ich stelle es mir deshalb schwierig vor, solche Dinge noch näher an die Praxis zu bringen. Die Studierenden müssen die Theorien

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«Auch mit noch so vielen Praktika wird man nie in die Situation versetzt, in der man später ist, wenn man die Verantwortung als Klassenlehrperson hat»: Andrea-Sandro Portapia, Schulleiter Zyklus 2 an der Primaschule Egerkingen (SO) und Praxisbeirat der PH FHNW. Foto: Christian Irgl

dahinter lernen. Das Gefühl, wie es wirklich ist, werden sie erst später erfahren, wenn sie sich wirklich in so einer Situation befinden.

Corinne Wyss: Wenn sie Praktika absolvieren, sind sie tatsächlich in einem geschützten Rahmen

Andrea-Sandro Portapia: und eng begleitet

Corinne Wyss: genau. Sie übernehmen anfänglich nur kürzere Unterrichtssequenzen, die Praxislehrperson ist stets mit dabei, sie können die Schulleitungen um Rat fragen. Wenn sie an Elterngesprächen mit dabei sein können, ist das Gespräch von der Praxislehrperson geleitet. Die Studierenden können alles miterleben, aber haben nicht die gleiche Verantwortung wie in einer eigenen Klasse. Das ist sicherlich ein wichtiger Aspekt. Um auf die Frage nach dem PräsenterMachen zurückzukommen: Wir haben vorhin schon die Frage nach dem Warum diskutiert. Hier ist es sicherlich wichtig, dass wir das Warum an der PH noch besser erklären. Dass wir im genannten Beispiel der Entwick-

lungspsychologie die Theorien und das Wissen dahinter nicht nur vermitteln, sondern aufzeigen, wofür es später im Unterricht wichtig ist. Diese Verschränkung ist essenziell. Die Praxiselemente und die Module an der Hochschule müssen verschränkt werden. Auch wichtig ist, dass an der PH das aufgegriffen, besprochen und diskutiert wird, was die Studierenden in den Praktika erleben. Das machen wir in den Reflexionsseminaren, in denen in aller Regel Fälle oder Situationen behandelt werden, welche die Studierenden einbringen. Hier gäbe es aus meiner Sicht noch Potenzial, dies auch in den Erziehungs- oder Fachwissenschaften noch vermehrt zu machen. Eine weitere Option ist es, vermehrt (Praxis-)Lehrpersonen punktuell in die Lehrveranstaltungen hineinzuholen, damit ihre Perspektiven und Erfahrungen konkret miteinbezogen werden können. Das wäre für den Verschränkungsaspekt sicherlich sehr wertvoll.

Claudia Schmellentin: Ja, wir haben als pädagogische Hochschulen im Vergleich mit anderen Ländern, die eine universitäre Lehrpersonenbildung kennen, eine

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FOKUS

grosse Chance. Wir müssen sie aber nutzen, und darin können wir sicher noch besser werden. Einerseits können wir dazu die Zusammenarbeit mit den Schulen stärken, andererseits müssen wir aber auch im Studium die verschiedenen Bereiche der Ausbildung expliziter aufeinander beziehen. Am Institut Sekundarstufe I und II erarbeiten wir dazu aktuell «concept maps», mit deren Hilfe Studierende erkennen können, wie die Inhalte der verschiedenen Studienbereiche aufeinander bezogen sind.

Corinne Wyss: Jüngst war ich an einer Tagung in Deutschland. Unsere einphasige Ausbildung ist aus meiner Sicht hervorragend im Vergleich mit zweiphasigen Ausbildungen in anderen Ländern. Bei uns auf der Sekundarstufe I beginnen die Studierenden aktuell bereits im zweiten Semester mit dem ersten Praktikum und sie können regelmässig in der Praxis sein. Die Praktika und vor allem auch das Partnerschuljahr der PH FHNW sind bezüglich Praxisbedeutsamkeit hervorragende Elemente und bieten den Studierenden gute Voraussetzungen. Und gleichwohl können wir uns sicher auch noch weiter verbessern.

Andrea-Sandro Portapia: Das kann man wahrscheinlich immer. Aber wir müssen den Kopf sicher nicht hängen lassen. Ich finde, dass die Ausbildung an der PH FHNW grundsätzlich gut ist. Noch mehr Praxis im Rahmen des Studiums anzubieten, wäre eine zeitliche Schwierigkeit bezüglich der Studiendauer und eine Frage von finanziellen Ressourcen. Ich habe auch den Eindruck, dass andere PHs das Partnerschulsystem der PH FHNW aufgreifen und kopieren, das ist ein Zeichen, dass die Ausbildung an der PH FHNW gut ist. Dennoch sollte man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen und sich damit zufriedengeben, sondern weiterhin nach Verbesserungsmöglichkeiten suchen.

Claudia Schmellentin: Aus meiner Sicht ist fraglich, ob die Praxisbedeutsamkeit automatisch mit mehr Praxisanteilen steigt. Praxisbedeutsamkeit kann auch steigen, wenn man besser versteht, wie die Praxis funktioniert – und das wäre dann wieder am Lernort Hochschule angesiedelt. Wir haben mittlerweile das Problem, dass viele Studierende schon so viel arbeiten, dass fast zu viel Praxis vorhanden ist und die Distanz und das Reflektieren fehlt. Nicht umsonst gehört in den Berufspraktischen Studien die Reflexion fix dazu. Nicht umsonst gibt es auch Übungsfelder, in denen es möglich ist, sich auf einzelne Aspekte zu fokussieren und nicht gleich die ganze Komplexität zu meistern. Solche Fenster sind sehr wichtig. Wenn man ausschliesslich in der Praxis drin ist, fehlt der Fokus auf das Lernen. Es geht primär darum, den Alltag möglichst störungsfrei zu meistern.

Corinne Wyss: Das sehe ich auch so. Die Wirksamkeit des Studiums erhöht sich nicht per se mit einer Ausweitung der Praxisanteile. Bedeutsam ist, wie die Praktika im Studienverlauf eingebettet sind und inwiefern die Praxiserfahrungen begleitet und reflektiert werden.

Miriam Märki hat erwähnt, dass sie es geniesse, im Studium an der Hochschule Wissen aufbauen zu können, weil sie das Gefühl habe, beim Berufseinstieg dann so viel zu tun zu haben, dass zu Beginn keine Zeit bleibe, sich weiter theoretisches Wissen anzueignen. Wie schätzen Sie die Phase des Berufseinstiegs ein?

Andrea-Sandro Portapia: Es ist sicher ein wichtiger Faktor, dass man sich im Studium einen Rucksack mit theoretischem und fachlichem Wissen angeeignet hat und auf dieses Wissen zurückgreifen kann. Ich habe im Laufe der vergangenen Jahre gemerkt, dass es Unterstützung im Team braucht. Es braucht ein Auffangnetz in der Praxis. Man kann noch so viel fachliches und theoretisches Wissen haben, am schwierigsten ist es letztlich, mit dem Verhalten von Kindern und Eltern umzugehen. Das sind die herausforderndsten Situationen für Lehrpersonen. Und diesbezüglich – ich komme wieder auf mein Votum von vorhin zurück – hat ein Studium einfach seine Grenzen. Studierende auf das «echte Leben» vorzubereiten, geht nur bis zu einem gewissen Grad. Deshalb brauchen Berufseinsteiger*innen Personen, die ihnen Halt geben – seien es andere Lehrpersonen oder die Schulleitung.

Claudia Schmellentin: Das ist sehr wichtig. In der Berufseinstiegsphase fällt die Komplexitätsreduktion aus Praktikum und Studium weg. Hier spielt die Unterstützung an der Schule sicher eine wichtige Rolle. Es braucht ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten, dass es sich beim Berufseinstieg immer noch um eine Lernphase handelt. Die Berufseinsteiger*innen sind dann zwar selbstständiger unterwegs, aber brauchen weiterhin Unterstützung. Es darf kein Bruch passieren dahingehend, dass Berufseinsteiger*innen von einem Moment auf den anderen ganz auf sich allein gestellt sind. Schulen und Hochschule haben eine gemeinsame Verantwortung in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen.

Schon mehrfach wurden nun die Grenzen angesprochen, die ein Studium aufweist. Wie transparent sind diese für die Studierenden?

Corinne Wyss: Das Credo des lebenslangen Lernens ist aus meiner Sicht ein Auftrag, den Lehrpersonen ohnehin haben sollten. Das sollte auch offen so kommuniziert werden. Die gesellschaftlichen Vorausset-

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«Die Studierenden können alles miterleben, aber haben nicht die gleiche Verantwortung wie in einer eigenen Klasse.»
Corinne Wyss

zungen und auch das Schulsystem verändern sich über die Jahre. Aktuell sind Digitalisierung oder moderne Lehr- und Lernformen diesbezüglich gute Stichworte. Am Anfang stehen sicherlich die Herausforderungen im Umgang mit Schüler*innen und Eltern etwas mehr im Zentrum, aber auch wenn man darin eine gewisse Routine entwickelt hat, ist man nicht fertig. Lehrpersonen sollten im Idealfall eine Haltung entwickeln, die besagt, dass es nach der Ausbildung nicht fertig ist, sondern erst richtig anfängt.

Andrea-Sandro Portapia: Die Ausbildung ist quasi der Startschuss

Corinne Wyss: … genau. Dieser Auftrag beinhaltet im Kleinen auch, dass man jeden Tag reflektiert, was man vielleicht noch anders oder besser machen könnte. Ich finde, diesen Anspruch an Lehrpersonen darf und muss man auch so offen kommunizieren.

Claudia Schmellentin: Diese Kommunikation braucht es gegenüber den Studierenden, aber auch gegenüber den Schulen und Behörden. Sie müssen wissen, dass die Ausbildung beim Berufseinstieg und im ganzen Berufsleben weitergeht. Sonst werden Berufseinsteiger*innen mit Ansprüchen konfrontiert, die sie vielleicht noch gar nicht erfüllen können. Und die Berufseinsteiger*innen müssen wissen, dass sie Fehler machen dürfen und im Schulteam aufgefangen werden. Sie müssen wissen, dass und wo sie Unterstützung erhalten. In diesem Sinne braucht es eine Kommunikation in alle Richtungen. Mein Wunsch wäre zudem, dass alle sehen, dass wir bereits ein sehr praxisbedeutsames Studium anbieten. Das heisst nicht, dass wir nicht besser werden sollen. Aber ich würde mir wünschen, dass die Dualität von Theorie und Praxis hinterfragt würde. Dass Theorie und Pra-

xis nicht mehr als Dinge dargestellt werden, die voneinander losgelöst sind, sondern dass man sieht, dass sie zusammengehören und sich gegenseitig bedingen.

Andrea-Sandro Portapia: Zur Kommunikation gegenüber den Studierenden noch Folgendes: Ich finde, man muss ihnen sehr transparent machen, was im Studium leistbar ist und was nicht. Es ist nur ehrlich, wenn man sagt, gewisse Dinge könnt ihr bei uns lernen und mitnehmen und andere Sachen nicht. Auch hier wieder verbunden mit dem «Why». Also erklären, warum es im Rahmen des Studiums nicht geht: Das, was im Alltag zur Belastung werden kann, können pädagogische Hochschulen nur beschränkt mitgeben. Das muss auch den Studierenden bewusst sein. So wie ich es bislang erfahren habe, wissen sie es eigentlich auch, aber es wird ihnen nie klipp und klar gesagt. In meinen Augen wäre das kein grosser Effort für eine PH, wenn sie schwarz auf weiss aufzeigen würde: Das können wir leisten, und das nicht. Dann ist auch klar, welchen Weg die Studierenden noch beschreiten müssen, wenn sie im «echten Leben» angekommen sind.

Claudia Schmellentin: Wir entwickeln aktuell ein Instrument für diese Kommunikation, das sogenannte Tableau. Es zeigt auf, was man im Studium lernt, was in der Berufspraxis, in der Schule beim Berufseinstieg oder in der Weiterbildung. Themen wie Elterngespräche können im Studium zwar angeschnitten werden. Aber wirklich lernen kann man es erst im Berufseinstieg, wenn man mit der Situation konfrontiert ist. Es ist wichtig, ein gemeinsames Verständnis zu diesen Gewichtungen zu entwickeln und dieses gegenüber allen transparent zu machen.

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 15 FOKUS

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16 DAS HEFT PH-Magazin Nr. 11 2024
Vom Gras ins Glas –der Weg der Milch.

«Da merkten wir: Hier passiert es jetzt, hier brauchen wir den Background»

Miriam Märki studiert im vierten Semester des Studiengangs Sekundarstufe I an der PH FHNW. Aktuell befindet sie sich im Partnerschuljahr. Vor ihren Praktika im Rahmen des Studiums hat sie in Stellvertretungen Unterrichtserfahrung gesammelt. Nach den Sommerferien übernimmt sie eine längere Stellvertretung von einem Jahr mit wechselndem Pensum. Im Gespräch spricht sie über Wissensaufbau, Eigenverantwortung von Studierenden und darüber, wie sie die Verschränkung von Theorie in Praxis im Studium wahrnimmt.

Ist Ihnen der Begriff «Praxisbedeutsamkeit» geläufig und was verstehen Sie darunter?

Miriam Märki: Ich muss zugeben, ich habe das Wort gegoogelt. Für mich ist der Begriff nahe bei Praxisbezug: Es geht darum, was wir im Studium lernen, das wir dann in der Praxis anwenden können. Dabei habe ich zuerst an die fachdidaktischen Module gedacht und danach an die Erziehungswissenschaften. Und weil ich aktuell gerade im Partnerschuljahr bin, habe ich auch an die Verknüpfung des Praktikums mit dem Fachunterricht und dem Reflexionsseminar gedacht.

Das heisst, Sie hatten hauptsächlich die Anwendbarkeit im Kopf, die Frage, wie etwas im Unterricht oder im späteren Berufsleben gebraucht werden kann?

Miriam Märki: Es geht auch um Wissen, das wir uns erarbeiten und auf das wir dann später zurückgreifen können. Wir versuchen im Studium und im Praktikum

oft Verknüpfungen zu machen. Ich habe beispielsweise Deutsch als Fach. Beim Thema «fehlerdifferenzierte Aufsatzkorrektur» überlege ich mir, wie ich Aufsätze im Praktikum korrigiere und wie ich auf mein theoretisches Wissen zurückgreifen kann. Wie kann ich bei Schüler*in XY dieses Wissen anwenden. So stelle ich den Bezug vom erarbeiteten Wissen zu meinen Handlungen her.

Im Verständnis der PH FHNW geht das Verständnis von «Praxisbedeutsamkeit» noch weiter (vgl. Editorial und Fokus-Gespräch auf S.8). Es geht auch darum, nicht nur das «Know-how», sondern auch das «Know-why» und das «Know-what» aufzubauen. Werden Ihnen Was und Warum im Studium vermittelt?

Miriam Märki: Ja. Ich verweise auch hier wieder aufs Praktikum. Dabei haben wir ein Planungsraster und wenn wir eine Unterrichtseinheit planen, gibt es zu den Lernzielen verschiedene Spalten: Sachanalyse, Voraussetzungen und Wichtigkeit/Sinn. Darin ist die Frage nach dem Warum enthalten. Das Wie ist in der didaktischen Vorbereitung ohnehin eingeschlossen und das Was ist die Analyse der Sache, die oftmals auch lehrmittelbasiert ist.

Sie haben jetzt oft Bezug auf Ihr Praktikum genommen. Wenden wir den Blick nun den Modulen zu, die an der PH stattfinden. Wird in diesen Veranstaltungen jeweils klar, warum die vermittelten Inhalte praxisbedeutsam sind?

Miriam Märki: Aus meiner Sicht sicher. Ich lasse jetzt Fachdidaktik mal aussen vor, dort ist der Praxisbezug

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ohnehin gegeben. Ich werde auf der Sekundarstufe I unterrichten und dort ist es wichtig, dass wir den Schüler*innen wissenschaftlich basiertes Fachwissen vermitteln können. Dass wir als Lehrpersonen fachlich sattelfest sind, dass wir deutlich mehr wissen, als wir der Klasse vermitteln, und dadurch auch auf Fragen reagieren und vertieft darauf eingehen können. In den ersten beiden Semestern waren die Fachwissenschaften darauf ausgerichtet, uns Fachwissen zu vermitteln. Es ging beispielsweise in einem EnglischModul um linguistische Aspekte. Im Klassenzimmer werden wir diese nie genau so brauchen, aber sie helfen uns, ein vertieftes Verständnis der Sprache und des Umgangs mit dieser Sprache zu erhalten. Zu reflektieren, wie man sich differenziert ausdrücken kann, was in einem Klassenzimmer – gerade in einer Fremdsprache – extrem wichtig ist. Mittlerweile bin ich im vierten Semester und es kommen in den fachwissenschaftlichen Modulen immer wieder Hinweise und Verknüpfungen, die das aufgebaute Wissen mit dem, was wir im Unterricht vermitteln werden, in Verbindung bringen.

Und wie sieht es in den Erziehungswissenschaften aus?

Miriam Märki: In den Erziehungswissenschaften haben wir sehr viele Lerntheorien behandelt – Behaviorismus etwa, oder sozialen und kognitiven Konstruktivismus. Diese Theorien halfen uns zu verstehen, wie man einen Unterrichtsinhalt aufbereiten kann, damit man das Lernen der Schüler*innen anregt. Durch Aktivierung des Vorwissens zum Beispiel oder durch kognitive Aktivierung. Dazu wurde uns der wissenschaftliche Hintergrund vermittelt – aber stets mit der Verknüpfung zum Unterricht in der Schule.

Bei Ihnen kommt an, dass ein solcher theoretischer Hintergrund für die Praxis ebenfalls bedeutsam ist. Wird dies auch jeweils explizit angesprochen und vermittelt oder ist das eine Transferleistung, die Sie persönlich für sich gemacht haben?

Miriam Märki: Sehr gut findet der Transfer bei Dozierenden statt, die sowohl Fachdidaktik als auch auf der

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«Wir geniessen es auch, dass wir uns während des Studiums in den fach- und erziehungswissenschaftlichen Aspekten weiterbilden dürfen»: Miriam Märki, Studentin des Studiengangs Sekundarstufe I.

Zielstufe unterrichten. Andere Dozierende unterrichten nur Fachwissenschaften. Dort waren die Anknüpfungen weniger explizit. Generell gab es auch Momente, in denen ich mich gefragt habe, wieso wir bestimmte Dinge lernen müssen. Ich hatte beispielsweise ein Modul, in dem wir lange nur experimentiert haben und wir uns gefragt haben, warum genau wir dies machen. Wir haben den Dozenten dann gefragt und er hat uns völlig einleuchtend erklärt, dass es darum geht, den Umgang mit den Laborgeräten zu beherrschen. Wenn man nachfragt, bekommt man also fundierte Antworten. Grundsätzlich ist es uns Studierenden aber sehr bewusst, dass wir Fachwissen aufbauen müssen. Im Berufsalltag – das nehme ich jedenfalls aktuell an – bleibt dieser Wissensaufbau wahrscheinlich am ehesten auf der Strecke. Ich glaube, in den ersten Berufsjahren ist man dann mit didaktischen Aufbereitungen so beschäftigt, dass man sich nicht noch privat Hintergrundwissen oder Theorien aneignet.

Ich höre heraus, dass man die Bezüge zur Praxis oder die Aspekte der Praxisbedeutsamkeit noch expliziter machen könnte seitens der PH FHNW, sodass die Anschlussfähigkeit noch besser gewährleistet wäre.

Miriam Märki: Ich konnte mir im ersten Semester ohne Praktikum noch nicht so gut vorstellen, wie es später in einem Klassenzimmer sein würde, brachte ich doch nur die Erfahrung von kurzen Stellvertretungen mit, in denen ohnehin das meiste vorgegeben war. Ich konnte dadurch ganz zu Beginn des Studiums das vermittelte Wissen zu wenig gut einordnen oder zu wenig davon profitieren. Mittlerweile hat sich das durch die Praktika geändert. Gerade vorhin habe ich mit jemanden aus meinem studentischen Umfeld gesprochen. Thema war, dass wir es auch geniessen, dass wir uns während des Studiums in den fach- und erziehungswissenschaftlichen Aspekten weiterbilden dürfen. Manchmal fehlt dennoch der Bezug, wie es dann im Klassenzimmer adaptiert oder angewendet werden könnte. Im Bereich Naturwissenschaften waren wir beispielsweise in Chemie oder Physik deutlich über dem Level, das ich an der Kanti erlebt hatte. Und hier fehlte manchmal der Ansatz, wie man das nun wieder auf Sek-I-Niveau herunterbrechen könnte.

Wie sieht es mit der Anschlussfähigkeit im erziehungswissenschaftlichen Bereich aus?

Miriam Märki: Das Modul über Lerntheorien war zunächst schwierig zu adaptieren. Im nächsten Modul machten wir dann aber Videoanalysen und thematisierten beispielsweise Störungsintervention – etwas, das letztlich auf den Lerntheorien basiert. Da merkten

wir dann schon: Hier passiert es jetzt, hier brauchen wir diesen Background. Aber im Moment, als wir es effektiv gelernt haben, hatte ich noch nicht überall gesehen, wo und wie ich es dann in meinem Berufsalltag brauchen kann. Ich verstehe auch, dass das Studium am Anfang theoriebasiert sein muss. Als ich im Studium erstmals von den Theorien von Deci und Ryan gehört habe, war das für mich ein grosses Fragezeichen. Mittlerweile brauche ich Ansätze daraus ständig im Unterricht. Nur immer auf Praxis ausgelegt kann das Studium nicht sein, sonst fehlt einem der Hintergrund, um etwas fundiert zu erklären oder zu begründen. Es braucht auch die Theorien, sonst wäre es kein Studium. Mich interessieren solche Theorien auch, nicht zuletzt, weil die Praxis ja nicht zu kurz kommt.

Haben Sie Verbesserungs- oder Veränderungswünsche in puncto Praxisbedeutsamkeit?

Miriam Märki: Was mir im ersten Semester gefehlt hat, war ein Praktikum. Das Praktikum zeigt einem die Realität eben besser als die Module an der Hochschule. Erst wenn man diesen Alltag intensiv erlebt, sieht man, was alles dahintersteckt.

Apropos alles, was noch dahintersteckt: Wie ist hier der Wissensaufbau? Sind Sie nach dem Studium darauf vorbereitet?

Miriam Märki: Ich weiss es ehrlich gesagt noch nicht. Nehmen wir das Beispiel Elternabend: Diesen werde ich allein bewältigen müssen bei meiner Anstellung ab Sommer. Ich weiss noch nicht, ob und wie das Thema bis dahin im Studium noch behandelt wird. Bislang haben wir noch nicht viel dazu gelernt, wie man den Eltern begegnet, fundiert auf Kritik reagiert oder ein Elterngespräch aufbaut. Aber ich denke, dass wir zu diesen Aspekten in den Praktika viel mitnehmen können. An der PH ein Elterngespräch zu simulieren ist eher nicht möglich. Hier liegt es meiner Ansicht nach auch in der Verantwortung der Studierenden, im Praktikum auf die Lehrperson zuzugehen und darum zu bitten, bei einem Elterngespräch dabei sein zu dürfen. Dieses Engagement unsererseits braucht es. Ich habe beispielsweise im Partnerschuljahr auch ein Skilager begleitet, um zu sehen, was es heisst, ein Lager zu leiten. Solche Dinge liegen auch in der Verantwortung der Studierenden. Die Studienvariante MasterPlus mit dem begleiteten Berufseinstieg könnte hier eine gute Lösung sein, die ich mir auch überlege. Ich habe das Gefühl, dass durch den Rückhalt von Mentor*innen der Berufseinstieg etwas aufgefangen wird und nicht von Null auf Hundert passiert.

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Einblicke in Schulzimmer –durch Kameralinsen und Eye-Tracking-

Brillen

Videos bieten unabhängig von Zeit und Ort Einblicke in den Unterricht an Schulen. Auf dem Unterrichtsvideo-Portal der PH FHNW ist eine breite Sammlung entstanden, die in Lehrveranstaltungen genutzt wird, um gezielte Beobachtungen zu machen und diese zu diskutieren.

Von Marc Fischer (Text und Foto)

«Die Lehrerin wirkte auf mich distanziert und sie hielt zum Einstieg einen recht langen Monolog.» – «Stimmt, zu Beginn wurden die Schüler*innen kaum aktiviert.» – «Dennoch machten sie einen aufmerksamen Eindruck. Überhaupt war das Klassenklima ruhig.» – «Da bin ich anderer Meinung, ich fand es zu Beginn recht laut.»

Nur knapp sieben Minuten dauerte die Videosequenz, die sich die Studierenden im Reflexionsseminar von Franziska Bühlmann, Co-Leiterin ad interim der Professur für pädagogisch-psychologische Lehr- und Lernforschung der PH FHNW, zum Einstieg anschauten. Ein Teil der Gruppe konnte sich die Unterrichtssequenz aus der Lehrpersonenperspektive anschauen, die anderen Studierenden beobachteten den gleichen Ausschnitt aus der Schüler*innen-Perspektive. Aus den sieben Video-Minuten wurde schliesslich eine deutlich längere Diskussion, in der neben der Wirkung der Lehrperson auch die Gestaltung ihres Unterrichtseinstiegs, dessen Inhalt und ganz allgemein das Klima in der Klasse und die Gestaltung des Schulzimmers ebenso thematisiert und diskutiert wurden, wie die Lernprozesse der Schüler*innen.

Die eingesetzten Videos stammen vom Unterrichtsvideo-Portal der PH FHNW, auf dem sich neben Videos aus der Lehrpersonen- und Schüler*innenPerspektive auch Videos finden, die mit Eye-Tracking-Brille aufgenommen wurden. Diese zeigen genau die Blickbewegungen von Lehrpersonen während des Unterrichtens. So kann der Unterricht durch die Brille der Lehrperson betrachtet werden, was zusätzliche Möglichkeiten für die Unterrichtsanalyse und -reflexion ermöglicht.

Mit Aufgaben Fokus setzen

Aufgebaut haben das Portal Kerstin Bäuerlein und Sara Mahler mit ihrem Team an der Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung, Sekundarstufe I der PH FHNW. «Ziel war es, unseren Studierenden, aber auch Lehrenden und Forschenden aktuelle Videos aus der Nordwestschweiz zur Verfügung stellen zu können. Gerade auf Sek-I- und Sek-IIStufe gab es diese vorher kaum», so die beiden Initiantinnen. Die Idee stiess auf Anklang: Die Entwicklung des Portals und die Erstellung der Videos wurden finanziell unterstützt durch den Innovationspool des Instituts Sekundarstufe I und II, den Lehrfonds FHNW und die Stiftung FHNW – und auch bei den Lehrpersonen stiessen Bäuerlein und Mahler auf offene Ohren und Türen. Einzig die Corona-Pandemie bremste die Umsetzung.

Mittlerweile sind aber aus allen Fächern der Sekundarstufe I und den Hauptfächern der Sekundarstufe II Videos online. «Zu allen Videos gibt es Begleitmaterial wie Planungsdokumente, Arbeitsblätter oder Lösun-

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gen von Schüler*innen, die einen vertiefteren Einblick in den Kontext der Unterrichtssequenz geben», sagt Kerstin Bäuerlein. Darüber hinaus stehen inzwischen zahlreiche videobasierte Aufgaben zur Verfügung, die in Lehrveranstaltungen sowie für das Selbststudium eingesetzt werden können. Diese nutzen nicht zuletzt das Potenzial, das die verschiedenen Videoperspektiven bieten. «Diese Aufgaben sind wichtig, um beim Beobachten einen Fokus zu setzen», so Sara Mahler.

Einblick in die Praxis – unabhängig von Zeit und Ort Bäuerlein und Mahler, die Videos aus dem Portal selbstverständlich auch in ihren Lehrveranstaltungen einsetzen, heben insbesondere hervor, dass dank der Sequenzen unabhängig von Zeit und Ort Einblicke in die Praxis im Schulzimmer vermittelt werden können. «Die Studierenden haben aber dennoch eine gute Distanz und keinen Handlungsdruck und sie können sich die Sequenzen wiederholt anschauen und dabei beispielsweise auf verschiedene Aspekte achten», so Sara Mahler. Zudem können mittels Deep-Links gezielt bestimmte Sequenzen angesteuert werden, die zum Fokus der Lehrveranstaltung oder der Forschung passen. «So sehen die Studierenden die Herangehensweisen von verschiedenen Lehrpersonen und können diese analysieren», ergänzt Kerstin Bäuerlein.

Kameras gingen im Unterricht rasch vergessen Im Reflexionsseminar nutzt Franziska Bühlmann die Videos zum Einstieg. «Die Studierenden werden in diesem Semester selbst noch kurze Videos von sich machen, aus denen sich dann konkrete Fallbesprechungen entwickeln», sagt sie. Diskutiert wird deshalb auch nicht ausschliesslich über die inhaltlichen Aspekte der Videosequenzen. Es geht auch darum, wann der Einsatz von Videos sinnvoll ist. Die Studierenden sehen viele Nutzungsmöglichkeiten: Sich selbst in Aussenperspektive zu sehen und analysieren zu können, erachten sie als gewinnbringend. Bei den Videos auf dem Portal sehen sie die Positionierung der Lehrperson im Raum und die Horizonterweiterung durch unterschiedliche Perspektiven als sehr sinnvoll an. Ein Student merkt aber auch an, dass Videos immer nur einen Ausschnitt zeigten: «Wir müssen also vorsichtig sein mit (Über-)Interpretationen.»

Zudem stellten sich die Studierenden die Frage, wie stark wohl die Präsenz der Kameras das Verhalten der Schüler*innen beeinflusst haben könnte. «Die Schüler*innen haben die Kameras im Schulzimmer erstaunlich schnell vergessen», ergänzt Kerstin Bäuerlein. Und: «Auch die Lehrpersonen haben uns im Anschluss bestätigt, dass sich die Klassen wie immer verhalten haben.»

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Die Videos auf dem Unterrichtsvideo-Portal der PH FHNW werden in Lehrveranstaltungen genutzt, aber auch für das Selbststudium. Neben den Videos bietet das Portal auch videobasierte Aufgaben, um beim Beobachten einen Fokus setzen zu können.

Knacknüsse lösen, Unterricht verbessern

Evaluativ, visualisierend, spielerisch lehren und lernen:

Das Projekt «Luuise» bietet niederschwellige, wirksame Lösungen für Lehrpersonen.

Wie praktische Herausforderungen («Knacknüsse») in der Schule wissenschaftsbasiert angegangen werden können, zeigt das «Luuise»-Verfahren der PH FHNW. «Luuise» steht für eine Vorgehensweise, aber auch für eine pädagogische Haltung: «Erfolgreiche Lehrpersonen betrachten ihren Unterricht aus den Augen der Schüler*innen», erläutert Kathrin Pirani, Dozentin und Luuise-Coach an der PH FHNW. «Sie untersuchen den eigenen Unterricht und seine Wirkung.»

Hinter dem Luuise-Verfahren (eine Wortschöpfung aus «Lehrpersonen unterrichten und untersuchen integriert, sichtbar und effektiv»), steht ein grosser Name: John Hattie – der neuseeländische Bildungsforscher. Seine Metastudie «Visible Learning» zu den Erfolgsfaktoren guten Unterrichtens hat im Jahr 2009 in der Fachwelt grosse Aufmerksamkeit erhalten. 2023 ist ein

Update des Standardwerks erschienen. Hattie hat die Erkenntnisse aus 130’000 Primärstudien mit weltweit über 200 Millionen Schüler*innen konsolidiert. Zu 350 Faktoren arbeitet er heraus, inwiefern sie zu erfolgreichem Unterricht beitragen. Das ist ein gewaltiger Wissensfundus, gerade für Lehrpersonen herausfordernd, die im Berufsalltag wenig zeitliche Ressourcen haben. Also entwickelte Wolfgang Beywl (PH FHNW), der die Hattie-Studie ins Deutsche mitübersetzt hat, als praktische Umsetzung für Lehrpersonen das Luuise-Verfahren. Er schrieb gemeinsam mit Kathrin Pirani, Monika Wyss und über 40 Lehrpersonen und dem Illustrator Michael Mittag ein Praxisbuch (s. Box).

«Zentral für guten Unterricht ist die Lehrperson», sagt Pirani. «Sie ist gut ausgebildet, vernetzt, engagiert und pflegt eine starke Feedbackkultur. Und sehr wichtig: Sie unterrichtet mit Intention.» Das heisst, sie vereinbart Erfolgskriterien gemeinsam mit der Klasse, vermittelt Lernstrategien und bildet über Rückmeldungen eine Brücke zwischen Ist- und Soll-Zustand. «Wenn Lernprozesse und Resultate im Klassenzimmer sichtbar gemacht werden, erleben die Schüler*innen das Lernen erfolgreicher und lustvoller. Zudem ermöglicht es einen

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Lehren und Lernen sichtbar machen mit Bechern an der GSR Sprachheilschule Aesch. Foto: zVg

Dialog: Man kann sachlicher über den gemeinsamen Unterricht sprechen.» Letztlich übernehmen die Schüler*innen so auch Verantwortung für ihr eigenes Lernen.

Auch wirksam im Instrumentalunterricht

Stefan Furter unterrichtet am Gymnasium Liestal Klavier. Er hat als Fachdidaktiker 20 Jahre lang angehende Klavierlehrer*innen betreut. Durch eine Weiterbildung geriet er an Luuise und stellte schnell fest: Das lässt sich gut auch in seinem Setting (Einzellektionen, Instrumentalunterricht) anwenden. Seine «Knacknuss» mit den Schüler*innen war das Üben zu Hause – «ein Dauerbrenner unter Instrumentallehrpersonen», wie er sagt. Konkret heisst das: Schüler*innen üben zu wenig oder qualitativ wenig ergiebig. Ein Instrument zu lernen, bedeutet, sich eine Fertigkeit anzueignen, und ist keine Wissenssache. Die Gewohnheit, die Schüler*innen aus anderen Fächern haben, «am Abend vor der Prüfung alles auswendig zu lernen», funktioniert schlicht nicht.

Furter hat in seinem Luuise-Projekt auf zwei Punkte fokussiert: Zum einen wollte er, dass die Schüler*innen verteilt üben, «nicht einmal zwei Stunden und dann wieder tagelang nicht.» Also regte er sie an, Protokoll über ihr Üben zu führen. Ziel war mindestens viermal 15 Minuten in der Woche. Er vergab Smile-Sticker für die Protokolle, die bei den Gymnasiast*innen – trotz der Altersklasse – sehr motivierend wirkten. Zum zweiten wollte er, dass sie inhaltlich «mit Strategie» üben. Er vermittelte ihnen sechs Übeverfahren, mit denen sie sich schwierige Passagen vornehmen konnten. Auch hier mussten die Schüler*innen protokollieren, wann und an welchen Stellen sie wie gearbeitet haben. Die erhobenen Protokoll-Daten gaben allen Beteiligten klare Erkenntnisse. «Ich gestaltete den Unterricht viel bewusster. Mit diesem Verfahren organisiere ich gemeinsam mit den Schüler*innen den Fortschritt und werfe sie nicht einfach ins kalte Wasser.» Und die Schüler*innen sehen es ähnlich. Das Üben sei ihnen viel einfacher gefallen.

Übergang zwischen zwei Fächern vereinfachen Irene Triches von der Primarschule Schule Olten hat Luuise während ihrer Weiterbildung zur Praxislehrperson kennengelernt. Ihre «Knacknuss» war der Übergang zwischen zwei Fächern, der immer viel Unruhe bei den Kindern ausgelöst und den Unterrichtsbeginn verzögert hatte. Gemeinsam mit ihrem Stellenpartner hatte sie schon Verschiedenes ausprobiert. Im Kreis anfangen, Lieder singen, das funktionierte alles zu wenig. Dann änderten sie die Sitzordnung nach dem Churer Modell – besser, aber noch nicht zufriedenstellend. Dann gestalteten sie – den fünf Schritten des Luuise-Verfahrens folgend – eine Intervention, damit alle ihr Material für die kommende Lektion bereits vor

der Pause auf den Tisch legen sollten. Mit einer einfachen Strichliste dokumentierten die Schüler*innen die Umsetzung. Das visualisierte Klassenergebnis förderte bei ihnen eine hohe Verantwortungsübernahme. Die optimierte Routine stellte sich nach wenigen Wochen ein.

«Luuise gibt uns Instrumente in die Hand, die Struktur bringen und auch das Unterrichtsgeschehen etwas vom individuellen Ermessen der Lehrperson lösen», findet Triches. Als Lehrerin mache sie nun im Alltag «immer ein bisschen Luuise», sei es beobachten oder Prozesse an unterschiedliche Situationen anpassen –vielleicht nicht so explizit methodisch, wie es im Praxisbuch steht. Dafür inspiriert. «Wenn ich mir über gewisse Aspekte im Unterricht nicht klar bin, überträgt sich das auf die Klasse – hier unterstützt Luuise, hilft durch analytische Herangehensweisen, dass man nicht auf der Stelle tritt. Das nützt den Lehrpersonen wie den Schüler*innen.»

DAS LUUISE-PRAXISBUCH

Das Buch präsentiert fünf einfache, unaufwändige Schritte, wie Lehrpersonen ihren Unterricht datengestützt voranbringen können:

1. Knacknuss identifizieren (Was ist das Problem?)

2. Realistische, zeitlich umsetzbare Ziele setzen, die sowohl für die Schüler*innen wie die Lehrperson annehmbar sind (Wo wollen wir hin?)

3. Unterrichtsinterventionen, Massnahmen bestimmen (Wie kommen wir dahin?)

4. Datenerhebung konzipieren und in den Unterricht integrieren (Wie sind wir Richtung Ziel unterwegs?)

5. Erkenntnisse mit Klasse thematisieren (Was gelingt (noch nicht)? Wie verbessern wir uns? Worauf sind wir stolz?)

Gerade Lehrpersonen mit beschränktem Zeitbudget können die aufgearbeiteten 35 wichtigsten Faktoren der Hattie-Forschung kennenlernen. Zudem geben 36 Praxisbeispiele aus allen Bildungsstufen einen inspirierenden Einblick in gelungene Projekte.

Lernen sichtbar machen – Das Praxisbuch. Erfolgreich unterrichten mit dem Luuise-Verfahren. Beywl, W., Pirani, K., u.a. Verlag Schneider Hohengehren (2023)

www.lernensichtbarmachen.ch

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«Sauter à la corde» war eine der Aufwärmübungen im Turnunterricht in Gunzgen.

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«Sauter à la corde» statt Seilspringen

15 Lehrpersonen nehmen im Kanton Solothurn an einem Projekt der PH FHNW teil, das dem bilingualen Unterricht Schub verleihen soll. Ein Besuch bei einer 4. Klasse in Gunzgen gibt Einblicke in Sportunterricht auf Französisch.

Von Marc Fischer (Text) und Theo Gamper (Fotos)

«Saute dix fois à la corde» lautet eine der Anweisungen beim Aufwärmspiel in der 4. Klasse der Primarschule Gunzgen (SO). Es ist ein Würfelspiel. Wer eine Eins würfelt, muss zehnmal Seilspringen. Bei einer Drei sind «pompes» – also Liegestütze – gefragt, bei einer Vier heisst es: «Tourne les bras». Neben der schriftlichen Anweisung ist auf der Karte auch eine erklärende Abbildung und so ist auch das Armkreisen für die Schüler*innen schnell verständlich.

Mirjam Bösiger Reischl unterrichtet die Klasse in Französisch und Sport – und nimmt am Projekt «Bilingualer Unterricht an der Volksschule? Absolument!» der Pädagogischen Hochschule FHNW teil, das im Schuljahr 2022/23 startete. Es sieht vor, der Implementierung des bilingualen Unterrichts (deutsch-französisch) an der Volksschule in der Deutschschweiz Schub zu verleihen. Angestossen wurde das Projekt vom Kanton Solothurn, der als Sprachgrenzkanton eine Vorreiterrolle übernehmen möchte. Aktuell sind über den ganzen Kanton verteilt 15 Lehrpersonen mit ihren Klassen aus allen Altersstufen der Volksschule Teil des Projekts.

Bilder und Gesten zur Erklärung

«Manchmal unterrichte ich einzelne Sequenzen des Sportunterrichts auf Französisch, manchmal die ganze Lektion», sagt Mirjam Bösiger Reischl. Damit es keine zusätzliche Erklärungszeit braucht, setzt Bösiger Reischl oft auf Bilder und Gesten, die das Gesagte unterstreichen. Dies funktioniert bestens, wie der Besuch im Turnen zeigt. Die Aufwärmübungen absolvieren die Schüler*innen zügig, richtig – und ohne zu zögern. «Allez chercher un tapis», bittet die Lehrerin nach dem Aufwärmen je vier Schüler*innen-Duos, «et placez les tapis dans un coin.» Sofort gehen die Kinder in den

Geräteraum und kommen mit Matten zurück. «Was heisst ‘coin’?», fragt ein Junge seinen Kollegen. –«Ecke» – «Ah, oui.»

In der nächsten Unterrichtssequenz folgt ein Laufspiel. Während zwei Schüler*innen sich einen Ball 30mal zuwerfen und fangen, laufen die übrigen Schüler*innen Runden. Beim Start nehmen sie einen Tischtennisball aus einem Eimer («un seau») und legen ihn am Ende der Runde in ein Becken («un bassin»). Anschliessend werden die Bälle und damit die Punkte für die Runde gezählt – lautstark und auf Französisch. Nicht einmal die «quatre-vingt-Formen» oder die Hundertergrenze sind dabei ein grösseres Hindernis.

Fremdsprache als Zusatznutzen

Ansonsten sprechen die Kinder untereinander Deutsch und auch Rückfragen an die Lehrerin stellen sie zumeist auf Deutsch. «Das entspricht durchaus der Idee des Projekts», sagt Mirjam Bösiger Reischl. «Sie hören im Unterricht die Sprache und können so ‘en passant’ bereits viel mitnehmen.» Wichtig sei jedoch, dass der Fokus klar auf dem eigentlichen Fach liege. Im Rahmen des noch bis im Sommer laufenden Projekts ist dies je nach Klasse ausser Sport auch Bildnerisches Gestalten, Mathematik oder «Natur, Mensch, Gesellschaft».

Gwendoline Lovey, Dozentin an der Professur Fremdsprachendidaktik und ihre Disziplinen am Institut Primarstufe der PH FHNW und Leiterin des Projekts «Bilingualer Unterricht an der Volksschule? Absolument!», begleitet gemeinsam mit anderen PH-Expert*innen die Lehrpersonen, die am Projekt teilnehmen, und gibt ihnen fremdsprachen- und fachdidaktische Inputs. Auch sie betont: «Der bilinguale Unterricht darf nicht zulasten des eigentlichen Fachunterrichts gehen.» Die Erhöhung der Kontaktzeit mit Französisch käme aber klar dem Fremdsprachenlernen zugute. «Je mehr die Schüler*innen mit einer Fremdsprache in Kontakt kommen, umso mehr haben sie kleine Erfolgserlebnisse, wenn sie wieder etwas Neues verstehen. Und je mehr Erfolgserlebnisse sich einstellen, umso mehr sinkt die Hemmschwelle gegenüber der Fremdspra-

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che», ist Gwendoline Lovey überzeugt. Studien belegten zudem, dass der Gebrauch einer Fremdsprache zu einem normalen Lernzuwachs in den Sachfächern führt. «Manchmal sind die Ergebnisse in den bilingual unterrichteten Fächern sogar besser, als wenn sie in der Schulsprache unterrichtet würden», so Lovey. Dies liege daran, dass die Lehrpersonen den Unterricht sprachbewusst gestalten und häufiger kontrollieren, ob die Schüler*innen die Erklärungen und Anweisungen verstanden haben und – wie Mirjam Bösiger Reischl – Gestik und Mimik einsetzen, um Begriffe zu klären.

WEB-DOSSIER

Die im Projekt gewonnenen Erkenntnisse werden im Projektteam besprochen und analysiert. «Daraus entsteht ein Web-Dossier, das für alle Interessierten nutzbar ist», so Gwendoline Lovey. Dieses Dossier deckt gleich mehrere Bereiche ab: Eine Materialbox bietet Lehrpersonen, die an bilingualem Unterricht interessiert sind, einen Fundus an Materialien, um Unterrichtssequenzen zweisprachig gestalten zu können. Ein Leitfaden richtet sich in erster Linie an Schulleitungen und die Politik. Für die gleichen Adressaten werden auch Muster-Schreiben bereitgestellt, mit denen beispielsweise die Eltern informiert werden können. Auch Antworten auf häufig gestellte Fragen werden in einem Dokument zusammengefasst. Und nicht zuletzt wird für Aus- und Weiterbildner*innen an pädagogischen Hochschulen eine Kursmappe mit praxisnahen Lehrmaterialien und didaktischen Erläuterungen entwickelt, damit sie Lehrpersonen in entsprechenden Kursen in die bilinguale Didaktik einführen können. Das Web-Dossier ist aktuell im Aufbau und wird im Sommer 2024 vollständig verfügbar sein.

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Mirjam Bösiger Reischl erklärt das Laufspiel «l’horloge humaine» - die menschliche Uhr – auf Französisch.

Bedeutung von Forschungskompetenzen für die Praxis

«From Research to Practice», ein Projekt der PH FHNW, hat zum Ziel, das Verständnis der Studierenden bezüglich der Bedeutsamkeit und des Nutzens von empirischen Forschungsergebnissen und -methoden für die Praxis zu fördern.

Der Lehrberuf wird zunehmend als eine Tätigkeit mit verstärktem Forschungsbezug beschrieben. Doch noch zu häufig werden Wissenschaft und praktische Berufsausübung als zwei unterschiedliche Welten betrachtet. Diese Kluft nehmen auch Studierende wahr, die Forschungsmodule als praxisfern und wenig relevant für die spätere Berufstätigkeit beschreiben, wie folgendes Zitat einer Studierenden illustriert: «Vor der Belegung der beiden Forschungsmodule […] habe ich behauptet, dass die Forschung für meinen Beruf eher weniger grundlegend ist.»

Die Nutzung einschlägiger wissenschaftlicher Befunde und bewährter Theorien stellt jedoch ein wichtiges Element der Unterrichtsentwicklung dar. Daneben stehen Lehrpersonen immer mehr Daten zur Verfügung, die für die professionelle Weiterentwicklung des Unterrichts genutzt werden können, etwa Daten aus internen und externen Schulevaluationen oder aus standardisierten Leistungstests. Diese

können laut der Konferenz der nationalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) als Standortbestimmung oder Leistungsbeurteilung für die Schüler*innen genutzt werden und erlauben es den Lehrpersonen, den Erfolg der Klasse im Vergleich zum Lernerfolg anderer Klassen einzuschätzen.

Um diesen Ansprüchen zu genügen, benötigen Lehrpersonen allerdings die Fähigkeit, wissenschaftliche Befunde und erhobene Daten angemessen interpretieren zu können und daraus mögliche Handlungsoptionen abzuleiten. Es ist deshalb wichtig, bereits Studierenden deutlich zu machen, welche Vorteile die Verbindung von Berufspraxis und wissenschaftlicher Forschung mit sich bringt.

Analyse und Evaluation von Videosequenzen

Das Lehrfondsprojekt «From Research to Practice» setzt genau an diesem Punkt an. Es werden je zwei Lehrveranstaltungen der beiden Forschungsmodule «Reflexives Erarbeiten von Forschungswissen» (FERE) und «Forschendes Lernen in einem Projekt» (FEFL) des Studiengangs Primarstufe an der PH FHNW miteinander verbunden. Die Studierenden des Moduls FERE erfahren, wie wissenschaftliche Erkenntnisse die Deutung von Praxis erleichtern können. Sie analysieren im Modul eine Videosequenzen von Unterrichtseinheiten und nutzen dazu den erarbeiteten aktuellen Forschungsstand zum berufsrelevanten

«Ich habe viel Neues gelernt und es war zudem interessant, selbst eine Forschung durchzuführen und einmal in die Wissenschaft einzutauchen.»
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Thema «konstruktive Lernunterstützung». Die Studierenden des Moduls FEFL evaluieren diesen Einsatz der Videovignette und erfahren, dass und wie Hochschullehre untersucht und optimiert wird – und wie sie dieses Wissen auf eigene Unterrichtsarrangements in ihrer künftigen Berufspraxis übertragen können.

Positive Feedbacks von Studierenden

Studierende berichten in der Evaluation über gesteigerte Recherche- und Methodenkompetenzen und erreichen damit die gesetzten Lernziele. Es zeigt sich weiter, dass Studierende die tatsächliche Teilnahme am Forschungsprozess und die anschliessende Dateninterpretation (Modul FEFL) als herausfordernder erleben als die Übertragung wissenschaftlicher Evidenz in die Unterrichtspraxis (Modul FERE).

Eine weitere Zielsetzung war es, den Studierenden die Bedeutung von empirischer Evidenz und Forschungskompetenzen für die Praxis zu vermitteln. Hier ergibt die Evaluation ein inkonsistenteres Bild. Am häufigsten wird der Nutzen für das weitere Studium und die noch anstehende Bachelorarbeit gesehen. «Seitdem ich eine neue Sicht auf Studien und Forschungen habe, macht es mir auch mehr Spass, für andere Module diese zu studieren und wichtige Erkenntnisse aus ihnen zu beschreiben und in meinen Arbeiten zu verwenden», lautet eine andere Rückmeldung.

Der Nutzen für die spätere Berufspraxis wird dagegen von einigen Studierenden auch nach dem Besuch der Lehrveranstaltung angezweifelt.

«Wissenschaftliche Erkenntnisse sind schön und recht, jedoch zählt immer das Gesamtbild und die meisten Forschungsfragen werden diesem Anspruch in der Didaktik oder der Pädagogik nicht gerecht.» Das gilt auch dann, wenn Studierende den Lerninhalten und der Lehrveranstaltung insgesamt positiv gegenüberstanden. «Ich habe viel Neues gelernt und es war zudem interessant, selbst eine Forschung durchzuführen und einmal in die Wissenschaft einzutauchen. Ich bin mir zwar nicht sicher, inwiefern ich das ganze später in meinem Berufsalltag ausüben kann/werde, bin mir aber sicher, dass das Modul auf jeden Fall hilfreich für die Bachelorarbeit sein kann.»

Dennoch konnten Hinweise auf eine positive Einstellung zu Forschungswissen und dessen Bedeutung in der Berufspraxis festgestellt werden. So beendet die Studierende ihr einleitendes Zitat mit den Worten: «Nun bin ich im Wesentlichen anderer Meinung, weil ich erkannt habe, dass gewisse Problemstellungen durch Forschung angemessen erhoben und analysiert werden können und danach so aufbereitet werden können, dass es für meine berufliche Tätigkeit von Interesse ist.»

Mehr Informationen zum Projekt: https://go.fhnw.ch/mGtMYo

JASMIN NÄPFLI und KIRSTEN SCHWEINBERGER sind Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Zentrum Lehrer*innenbildungsforschung, am Institut Forschung und Entwicklung der PH FHNW

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Träumen, doch kein Träumer sein

Alfredo Häberli verwebt Schweizer Präzision mit lateinamerikanischer Emotionalität zu weltweit gefeierten Designs. In seinem Studio in Zürich formt er aussergewöhnliche Kreationen, darunter markante Projekte für Rado, Betty Bossi oder Porsche Classic Zurich, die ein lebendiges Zeugnis für Innovation und Leidenschaft ablegen und alle konventionellen Grenzen sprengen.

«Zusammen mit dem Fotografen Joan Minder habe ich eine Serie von Bildern komponiert, die einen winzig kleinen Bruchteil meiner in den letzten drei Jahrzehnten entstandenen Designs zeigen. Durch das Spiel mit Traum und Wirklichkeit entstanden Kompositionen mit konzeptartiger Brauchbarkeit und Orientierungswissen. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich die realen Produkte und lassen einen Mehrwert erahnen, der genau dorthin führt: Aus der Träumerei in die praktische Bedeutsamkeit jedes gestalteten Objektes.»

@alfredo.haeberli / @joanminder

Cover: «The Maker» (2024) für Golfyr Nächste Seite: «Fluen» (2017) für Fürstenberg

Gegenüber: «Segesta» (2002) für Alias / «Take a Line for a Walk» (2003) für Moroso / «Alambre» (2017) für Haus Konstruktiv & Girsberger

Seite 32: «Essence» (2001) für Iittala

Seite 33: «Two Creatives One Kitchen» (2021) für Siemens

Seite 34: «Diastar 60th Anniversary» (2022) für Rado / «Essence» (2001) für Iittala

Seite 35: «Carrara» (2000) für Luceplan / «Kids‘ Stuff» (2003) für Iittala

BILDESSAY PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 29

«Leseförderung geht uns alle an»

Systematische Leseförderung: Das Zentrum Lesen der Pädagogischen Hochschule FHNW und das Amt für Volksschule Basel-Landschaft entwickelten ein gemeinsames Projekt. Derzeit läuft die Pilotphase.

Nicht nur im Kanton Basel-Landschaft, auch gesamtschweizerisch zeigten die Überprüfung der Grundkompetenzen (ÜGK 2017) sowie die Pisa-Studien 2018 und 2022 punkto Lesekompetenzen ein ernüchterndes Bild: Knapp ein Viertel der Schüler*innen erreichen die Grundkompetenzen nicht. Sie haben somit einen grundsätzlichen Nachteil, wenn

es darum geht, in der Schule mitzukommen und im weiteren Sinne am gesellschaftlich-kulturellen Leben teilzuhaben. Aufgrund dieser Resultate hat sich im Kanton Basel-Landschaft politisch etwas in Bewegung gesetzt: Unter dem Label «Zukunft Volksschule» fliessen bis 2028 rund 60 Millionen Franken in schulische Projekte und in die Weiterbildung von Lehrpersonen, ein Teil davon in die Leseförderung, um dem ausgewiesenen Förderbedarf zu begegnen.

Leandra Pronesti leitet seitens des Amts für Volksschulen Basel-Landschaft das Teilprojekt Leseförderung, in welchem sie für die Begleitung der Pilotschulen und die Weiterbildung der Lehrpersonen mit dem Zentrum

Je nach Fach brauchen die Schüler*innen unterschiedliche Lesestrategien, die sie nur in den jeweiligen Fächern erwerben können.

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AUS DER PH
Foto: Adriana Bella

Lesen der Pädagogischen Hochschule FHNW zusammenarbeitet. «Mittlerweile ist aus dem Projekt ein Programm geworden, welches verschiedene Massnahmen durchführt», erzählt Pronesti. Lesen sei eine Schlüsselkompetenz, und man hätte erkannt, dass man diese nicht nur individuell, sondern systematisch fördern sollte. «Die Kinder nur zum Lesen animieren reicht nicht, wir müssen strukturell beim Unterricht und bei der Schule stufen- und fächerübergreifend ansetzen.» Derzeit stehen sieben Pilotschulen im Fokus, die sich Leseförderung als institutionellen Schwerpunkt gesetzt haben und während vier Jahren (das Projekt befindet sich im zweiten Jahr) diese mittels Schul- und Unterrichtsentwicklung im Schulprogramm verankern.

Gemeinsame Haltung entwickeln

Wie beim allgemeinen Schulerfolg zeigt sich auch bei der Lesekompetenz, dass der Faktor der sozio-demografischen Herkunft der Schüler*innen zusätzlich ins Gewicht fällt: Vor allem für Kinder und Jugendliche aus Familien mit tieferem sozio-ökonomischem Hintergrund, oder aus schriftfernen Familien ist es schwieriger, die Grundkompetenzen im Lesen zu erreichen. In Bezug auf die Ergebnisse aus Pisa und ÜGK sagt Afra Sturm, Leiterin des Zentrums Lesen: «Das System Schule hat noch keine schlüssigen Antworten gefunden, wie es leseschwache Kinder und Jugendliche fördern kann.» Einfach zu sagen, das seien halt Kinder aus schriftfernen Familien, und dann nichts unternehmen, das könne sich eine Gesellschaft nicht leisten. Es sei Aufgabe der Schule, die leseschwächeren Kinder speziell zu fördern, um ihnen Bildungserfolge zu ermöglichen. Und: Durch eine systematische Förderung würden auch die lesestärkeren Schüler*innen profitieren. «Zuallererst geht es darum, an einer Schule ein gemeinsames Bewusstsein, eine Haltung zu entwickeln. Lesen ist eine Kompetenz, die in allen Fächern gefragt ist. Leseförderung geht uns alle an.»

Je nach Fach brauchen die Schüler*innen unterschiedliche Lesestrategien, die sie nur in den jeweiligen Fächern erwerben können. Um eine Mathe-Aufgabe richtig zu verstehen, müssen sie anders vorgehen, als wenn sie einen Text in Biologie oder Geschichte bearbeiten müssen. Das Fach Deutsch kann diese fachspezifischen Lesestrategien nicht vermitteln. Entsprechend wird das Projekt Leseförderung von verschiedenen Akteur*innen mit verschiedenen Rollen in die Breite getragen. Eine zentrale Funktion haben die sogenannten Lesebeauftragten, die wie Botschafter*innen ins Kollegium hineinwirken. Sie bilden mit der Schulleitung und einer Auswahl an Lehrpersonen eine Steuergruppe, die zu Beginn eine Standortbestimmung vornimmt, sowie Ziele, Massnahmen und die operative Umsetzung plant. Im zweiten Jahr des vierjährigen

Projekts gibt es eine erste schulinterne Weiterbildung, in die sämtliche Lehrpersonen involviert sind. Darauf erfolgen Praxisaufträge, die alle in ihre Bereiche mitnehmen und im Erfahrungsaustausch und an Netzwerktreffen reflektieren.

Drei Förderbereiche

Inhaltlich umfasst das Projekt, vereinfacht gesagt, drei Förderbereiche. Auf der Basis-Ebene (vor allem Primarstufe) geht es darum, die Leseflüssigkeit zu fördern. Nur wer flüssig lesen kann, hat genügend Ressourcen, Texte zu verstehen. Lautlesetandems sind zum Üben besonders geeignet. Auf der Vertiefungsebene geht es bereits Richtung Lesestrategien: Im Sinne einer Voraktivierung sollen die Schüler*innen ihre Erwartungen und ihr Vorwissen zum Text klären. Während oder nach dem Lesen können sie in der Diskussion miteinander Schlüsselstellen identifizieren und gemeinsam interpretieren. «Hierbei lernen die Schüler*innen, dass Lesen ein aktiver Prozess ist. Die Buchstaben und Wörter wandern nicht einfach von alleine in den Kopf und machen dann Sinn», erklärt Afra Sturm. Beim Lesen müssen Erwartungen und Weltwissen mit dem Text laufend abgeglichen werden. Diskussionen über das Gelesene helfen Schüler*innen, Denkansätze und eigene Fragen zu entwickeln. Auf der dritten Ebene geht es um den Transfer: Wie können Schüler*innen ihre Lesestrategien auf neue Texte anwenden, wie bringen sie mehrere Texte zu übergeordneten Fragestellungen zusammen, wie schätzen sie Glaubwürdigkeit und Relevanz ein?

Gelingende Übergänge

Laut Leandra Pronesti haben sich von den 87 Baselbieter Volksschulen bereits 82 Lehrpersonen verpflichtet, die Weiterbildung zur Leseförderung zu besuchen. Sie werden an ihren Schulen die Rolle der Beauftragten übernehmen. Gian Bollinger gehört zu diesen Lehrpersonen. Der Schulische Heilpädagoge betreut mit einer Kollegin an der Primarschule Liestal fünf Schulhäuser. Liestal ist eine der kantonalen Pilotschulen. Gemeinsam haben sie die ersten Schritte des Projekts initiiert, die Bedürfnisse des Kollegiums abgeholt, erste Treffen organisiert. Derzeit fokussiert Bollinger auf die Themen Lesetandem und Wortschatz. «Die Schüler*innen können diese Leseübungen gut annehmen, sie sind schon fast selbstverständlich.» Während der Weiterbildung kam Bollinger in Kontakt mit Kolleg*innen aus der Sekundarstufe. «Es war interessant zu sehen, wie die Leseförderung bei ihnen weitergeht. Wir können uns vorstellen, in Zukunft unsere jeweiligen Konzepte untereinander auszutauschen, damit der Übergang gut gelingt.» Dominique Gut ist Beauftragte an der Primarschule Itingen. Sie hat im eigenen Unterricht selbst festge-

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«Das System Schule hat noch keine schlüssigen
Antworten gefunden, wie es leseschwache Kinder und Jugendliche fördern kann.»
Afra Sturm

stellt: «Wenn die Schüler*innen am Ende des 2. Zyklus weniger als 100 Wörter pro Minute lesen können, wird es mit dem Leseverständnis schwierig.» Ihr ist klar, dass die Schule für die Kinder eine Grundlage schaffen muss, damit sie in allen Fächern Fortschritte machen können. Als Beauftragte hat sie gemeinsam mit der Schulleitung bereits eine Evaluation an ihrer Schule durchgeführt. Dabei ging es um die Einschätzung der Lesekompetenzen, um Erfahrungen der Lehrpersonen in der Leseförderung sowie um die Erfassung der Diagnoseinstrumente, die bereits eingesetzt werden. «Interessant war, dass die Leseförderung ziem-

lich unterschiedlich gehandhabt wird, diese aber von allen Lehrpersonen als sehr wichtig erachtet wird.» Dominique Gut möchte nun im Leseförderkonzept, in das die Resultate einfliessen, vor allem den Einsatz von (teil-)standardisierten Verfahren zur Lernstandsermittlung verankern. Denn: «Wenn wir Diagnoseinstrumente in der Breite einsetzen, können wir Kinder mit Schwierigkeiten entdecken, von denen wir bisher noch nichts wussten. Zudem lassen sich damit für alle Verbesserungen visualisieren. Und das trägt auch zur Motivation bei.»

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Auf der Basis-Ebene des Projekts geht es darum, die Leseflüssigkeit zu fördern. Foto: Adriana Bella

SpannendeTestläufe bei Lehrpersonen und Schulklassen

Lehrmittel sind im Schulalltag allgegenwärtig. Doch wer arbeitet eigentlich am Entstehungsprozess mit? Drei Expert*innen der PH FHNW geben Einblicke in die Entwicklung und Überarbeitung eines Lehrmittels – und Lehrpersonen erzählen, wie sie mitwirken konnten und warum ihre Klassen stolz sind.

Von Marc Fischer (Text) und Christian Irgl (Foto)

«Die Sprachstarken» begleiten viele Schüler*innen im Bildungsraum Nordwestschweiz durch den Deutschunterricht. Seit einigen Jahren ist das Lehrmittel im Einsatz, nun wird es vom Verlag Klett & Balmer weiterentwickelt. Tim Sommer, Deutschdidaktik-Dozent am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW, ist didaktischer Leiter der Überarbeitung des Bandes für die Klassen 7 bis 9. Auf das Schuljahr 2026/27 wird der weiterentwickelte Band 7 erscheinen. Die Bände 8 und 9 folgen dann in den Jahren darauf. «Die Lehrmittelverlage holen sich das fachdidaktische Know-how durch Expert*innen von pädagogischen Hochschulen», erklärt Tim Sommer. «Beim Aufbau habe ich viele Freiheiten, klar ist aber, dass das Lehrmittel mit dem Lehrplan 21 konform sein muss.»

Ähnlich äussert sich Claudia Zingg Stamm, Deutschdidaktik-Dozentin am Institut Primarstufe der PH FHNW. Sie hatte die inhaltliche Projektleitung für das Lehrmittel «Deutsch» des Lehrmittelverlags Zürich für die Klassen 4 bis 6 inne, das letztes Jahr erschienen ist. «Innerhalb der Rahmenbedingungen des Lehrplans 21 hatten wir rechte grosse Freiheiten. Meine Co-Leiterin, eine Primarlehrerin, und ich standen aber wöchentlich im engen Austausch mit dem Verlag.» Ebenfalls an «Deutsch» – allerdings an den Bänden für die Zyklen 2 und 3 – hat Nora Kernen mitgearbeitet. Die Deutschdidaktik-Dozentin am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW sagt zu ihrer

Rolle als Autorin und Expertin: «Wir hatten die Aufgabe, Inhalte, Kompetenzziele und aktuelle didaktische Verfahren aufeinander abzustimmen.»

Erprobung in Schulklassen

Ob die Lehrmittel funktionieren, wird in Schulklassen erprobt, die Lehrpersonen dieser Klassen bilden Echo- oder Erprobungsgruppen und geben den Lehrmittelentwickler*innen Rückmeldungen. «Diese Inputs sind sehr wertvoll für unsere Arbeit», sagt Claudia Zingg Stamm. «Wir nehmen sie ernst, für den 4.-Klasse-Band von ‘Deutsch’ haben wir beispielsweise ein Kapitel nach der Erprobung nochmals komplett neu geschrieben.» Die Lehrpersonen achten bei ihren «Probe-Lektionen» dabei auf eine breite Palette von Aspekten, wie die drei Expert*innen sagen: Ist das Thema grundsätzlich attraktiv und ansprechend für die Schüler*innen? Wie geht das Lehrmittel mit Heterogenität in den Klassen um? Funktioniert das vorgesehene Zeitmanagement in der Klasse? Sind die Beurteilungsvorschläge praktikabel?

Cornelia Schurter und Sabrina Hasler haben mit ihren Sek-A- und Sek-B-Klassen im Kanton Zürich Kapitel aus dem neuen Lehrmittel «Deutsch 7» und «Deutsch 8/9» erprobt. Beide hatten einen Aufruf gelesen, dass Testklassen gesucht werden. «Ich fand die Idee spannend, hatte eine gute und geeignete Klasse und es war ein realitätsnaher Auftrag, um das kritische Denken der Schüler*innen zu fördern. Es war eine sehr wertvolle Aufgabe», sagt Cornelia Schurter. «Als Neueinsteigerin in den Lehrberuf war es für mich zudem besonders interessant, Einblick zu erhalten, was im Bereich Lehrmittel als Nächstes auf den Markt kommt», ergänzt Sabrina Hasler.

Mitwirkung macht Schüler*innen stolz

Bei ihren Klassen kam die Aufgabe, ein neues Lehrmittel zu erproben, sehr gut an. «Die Schüler*innen fan-

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den es cool. Normalerweise sind Lehrmittel gegeben und unantastbar, nun konnten sie eines kritisch betrachten und sich fragen, was sie in einem Lehrmittel bräuchten. Zudem freuten sie sich darüber, dass sie zu denjenigen gehörten, die mitreden durften», beschreibt Cornelia Schurter. Ähnlich war es bei Sabrina Hasler. «Die Schüler*innen waren schon ein bisschen stolz, dass sie am Probelauf teilnehmen durften.» Die Klasse hätte beim Erproben der Unterrichtseinheiten viel Spass gehabt, nicht zuletzt, weil die damals neuen iPads oft zum Einsatz kamen, so Hasler weiter. «Sie haben aber auch viel gelernt, am Ende beherrschten sie den behandelten Stoff», betont Hasler. Wenig überraschend war ihr Feedback an die Lehrmittelentwickler*innen überwiegend positiv.

Auch Cornelia Schurters Feedback zum neuen Lehrmittel war nach der Erprobung mehrheitlich positiv. «Das Timing ist super aufgegangen», erinnert sie sich. «Es gab auch viele Differenzierungsmöglichkeiten. Einzig die Aufgaben erschienen mir eher leicht», so Schurter. Beim Austausch mit den anderen Lehrpersonen, die mit ihren Klassen das Lehrmittel erprobt haben, zeigte sich dann aber, «dass sehr unterschiedliche Feedbacks kamen», sagt Schurter. «Das zeigt, wie komplex die Arbeit der Autor*innen ist.» Sabrina

Hasler hat den Austausch mit den Autor*innen und den anderen Lehrpersonen als wertvoll empfunden. «Es zeigten sich unterschiedliche Ansichten und so eröffneten sich auch für mich neue Blickwinkel.»

Studierende profitieren ebenfalls

Von der Lehrmittelüberarbeitung oder -entwicklung profitieren letztlich auch die Studierenden der PH FHNW. «Sehr zentral ist neben dem Lehrmittel auch der Kommentarband», sagt Tim Sommer. «Die Autor*innen achten gezielt darauf, dass die Kommentare auch für Studierende und Neueinsteiger*innen geeignet sind. In den Lehrveranstaltungen kann anhand von Beispielen aus den Lehrmitteln gut aufgezeigt werden, wie Lernziele formuliert oder didaktische Analysen gemacht werden können.» Ohnehin gehöre zur Ausbildung an der PH, zu lernen, wie mit Lehrmitteln gewinnbringend gearbeitet wird. Nora Kernen führt noch weitere Aspekte an: «Im Autor*innen-Team haben wir uns intensiv mit Literatur auseinandergesetzt. Nicht alles fand Eingang ins Lehrmittel. In meinen Lehrveranstaltungen kann ich aber das Erarbeitete dennoch weitergeben. Und: Die Kooperation mit den engagierten Lehrpersonen in den Erprobungsgruppen ist ebenso wertvoll und findet Eingang in Aus- und Weiterbildung, zum Lehrmittel und darüber hinaus.»

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Nora Kernen, Claudia Zingg Stamm und Tim Sommer (v.l.) sind in der Lehrmittelentwicklung tätig.

Mit «Stangenhandball» zum Unterrichtsgerüst

Im Forschungsprojekt «Mündlichkeit im sprachbewussten Fachunterricht» arbeiten Dozierende der PH FHNW eng mit Lehrpersonen zusammen und entwickeln gemeinsam LehrLernarrangements.

Von Marc Fischer (Text und Foto)

Nicole Meier und Nina Gregori sind ins Gespräch vertieft. Sie planen eine Sportlektion für die Sekundarstufe I, in der das Spiel «Stangenhandball» eingeführt werden soll. Es geht um den konkreten Ablauf der Lektion, aber auch um methodische und didaktische Fragen. Sind die Begriffe «decken», «freilaufen» oder «Bodenpass» den Schüler*innen bekannt, oder müssen sie neu eingeführt werden? Erfolgt zuerst eine mündliche Erklärung oder eine praktische Übung? Entwickelt die Klasse von sich aus eine Spielstrategie oder braucht es geleitete Rückfragen der Lehrperson? Wann sind die Momente, in denen sich die Lehrerin zurücknimmt und die Schüler*innen das Spiel selbstständig durchführen? Wo ist sprachbewusste Unterrichtsgestaltung gefragt?

Was klingt, wie die Vorbereitung einer normalen Sportlektion, ist die Vorbereitung einer normalen Sportlektion – aber nicht nur. Denn Nicole Meier, Lehrerin an der Sekundarschule St. Alban in Basel und Nina Gregori, Bereichsleiterin und Dozentin an der Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung Sekundarstufe I der PH FHNW, sind eines von drei Duos, die im Rahmen des Entwicklungsforschungsprojekt «Mündlichkeit im sprachbewussten Fachunterricht» zusammenarbeiten. Jeweils eine Praxislehrperson und eine PH-Dozierende entwickeln in diesem Projekt gemeinsam je ein Lehr-Lernarrange-

ment für den Unterricht in den Fächern Sport, Englisch sowie Räume, Zeiten, Gesellschaften (RZG). «Wir arbeiten in einem Design-Research-Prozess», erklärt Nina Gregori. «Ziel ist es, ausgehend von einem konkreten Beispiel, durch stetiges Forschen und Weiterentwickeln theoretische Erkenntnisse zu entwickeln, die dann auch auf andere Kontexte anwendbar sind.»

Forschung in der Schule

Im Fall von Gregori und Meier heisst das konkret: Eine Annahme, etwa dass eine sprachbewusste Anleitung die Schüler*innen beim Erlernen eines einfachen Spiels im Sportunterricht unterstützt, wird in verschiedenen Lektionen erforscht. Aktuell bereiten die Sekundarlehrerin und die PH-Dozentin die ersten Lektionen vor und entwickeln dabei gemeinsam, wie die Lernprozesse im Unterricht gestaltet werden könnten. So werden die beiden Expertisen – die fast 25-jährige Berufspraxis von Nicole Meier und die langjährige Forschungspraxis von Nina Gregori – zusammengeführt und genutzt. Bei ihren Planungen gehen sie vom aktuellen Lernstand der Schüler*innen aus. Es ist also ein auf den aktuellen Ort und die aktuelle Klasse massgeschneidertes Lehr-Lernarrangement. Dieses erproben sie anschliessend, evaluieren es und entwickeln es für eine zweite und dritte Durchführung weiter. «Von den entwickelten Lehr-Lernarrangements werden sogenannte ‘Designprinzipien’ abgeleitet, die eine Übertragung in andere Kontexte erlauben. Spielerklärungen kommen im Sportunterricht immer wieder vor», sagt Nina Gregori.

Sprachbewusster Fachunterricht im Fokus

Inhaltlich liegt der Fokus der drei Design-ResearchProjekte auf dem sprachbewussten Unterricht (SBU). Die Sekundarschule St. Alban – eine Partnerschule der PH FHNW – ist in diesem Bereich eine Pionier-

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schule. Sie hat seit 2015 zahlreiche Workshops durchgeführt und ein eigenes Konzept erarbeitet, mit dem Ziel, in allen Fächern sprachliche Hürden abzubauen und so das fachliche Lernen ins Zentrum zu rücken. Mittlerweile liegt der Schwerpunkt der Schulentwicklung auf anderen Themen, der sprachbewusste Unterricht bleibt aber im Blickfeld – nicht zuletzt, weil die Funktion der SBU-Moderator*innen eingeführt wurde, die Nicole Meier gemeinsam mit zwei Kollegen bekleidet. Im aktuellen Projekt, das seitens der Schule unter der Leitung von Schulleiter Tobias Binz steht, wird nun der Blick stärker auf die Mündlichkeit ausgerichtet als bisher. «Spannend ist dabei, dass wir mit den drei Teilprojekten in den Fächern Sport, Englisch und RZG jeweils komplett andere Settings und Schwerpunkte haben», sagt Nina Gregori. Im Englisch stehen Moderationskompetenzen im Zentrum, im Fach RZG geht es in erster Linie um mündliche Bildanalysen und im Sport eben um die Erklärung eines neuen Spiels –und die zusätzliche Herausforderung, dass die Schü-

ler*innen in den Emotionen eines Spiels in der Sporthalle öfters Dialekt sprechen als im Schulzimmer.

Gewinnbringender Austausch

Die Sportlektionen leiten wird Nicole Meier, Nina Gregori ist vor Ort, macht Videoaufnahmen und befragt anschliessend die Schüler*innen mittels Fragebogen. Auch die Ausgestaltung der Zusammenarbeit von Meier und Gregori ist Untersuchungsgegenstand. Gregori war früher selbst als Lehrerin auf der Sekundarstufe I tätig. Sie freut sich jeweils darauf, als Forscherin ins Schulzimmer zurückzukehren. «Mit solchen Projekten spüren wir die Schule, es ist Forschung nahe an der Praxis, denn die Fragestellung wird zu grossen Teilen aus der Praxis heraus generiert.» Bei der gemeinsamen Planung des Unterrichts erhalte sie spannende Einblicke und versuche durch Rückfragen, sich Gedankengänge deutlich zu machen. Etwas, das Nicole Meier schätzt. «Nina Gregori stellt andere Fragen als Kolleg*innen hier an der

entwickelten gemeinsam ein Lehr-/Lernarrangement für den Sportunterricht.

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Nicole Meier (r.) und Nina Gregori

Schule», sagt sie. «Ich merke in den Gesprächen, dass ich vieles, das sie anspricht, in meinen Unterrichtsvorbereitungen umsetze. Ich habe es aber so verinnerlicht, dass es fast wie automatisiert abläuft. Nun schaue ich die einzelnen Schritte bewusst an und wir können aus unterschiedlichen Blickwinkeln darüber diskutieren. Das ist für mich ein grosser Mehrwert», betont Meier.

Nun sind Nicole Meier und Nina Gregori gespannt, wie sich das Projekt weiterentwickelt und welche Erkenntnisse sie gewinnen. Das Lehr-Lernarrangement zum Thema «Stangenhandball» wurde bereits erfolgreich mit der Klasse erprobt und die Daten dazu sind erhoben. Nun stehen die Analysen an, die als Grundlage für die Weiterentwicklung dienen. Abgeschlossen wird die erste Projektphase bis zu den Herbstferien. Durch die gemeinsame Unterrichtsentwicklung profitieren nicht nur die Schüler*innen an der Sekundarschule St. Alban, sondern auch die Studierenden der PH FHNW, indem sie sich aktiv mit sprachbewusstem Fachunterricht und der (Weiter-)Entwicklung von Lehr-Lernarrangements auseinandersetzen. In der zweiten Projektphase nach den Herbstferien werden auch Studierende der PH FHNW, die ihr Partnerschuljahr an der Sekundarschule St. Alban absolvieren, mit dem bis dahin erarbeiteten Lehr-Lernarrangement unterrichten. «Dann ist sicher spannend zu sehen, wie Dritte das von uns erarbeitete Gerüst umsetzen», so Nicole Meier.

leicht gemacht SCHULREISEN ORGANISIEREN

Mehr Informationen zum Projekt: https://go.fhnw.ch/mGtMYo

Auf einfach und schnell Exkursionen finden und planen:

• Vielseitiges Angebot an Ideen für Schulreisen und Exkursionen

• Für jede Stufe: von Kindergarten über Primarschule bis zur Sekundar- und Berufsschule

• Themen- und stufenspezifische Filterfunktionen

• Unterstützung bei der Planung und Organisation

• Kontakte für Anfragen und Buchungen an einem Ort

• Von A wie Anreise bis Z wie Znüni

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«Diese Trennung existiert nur in den Köpfen»

Im gesellschaftlichen Diskurs entsteht oft der Eindruck, wissenschaftliche Theorie sei das Gegenstück zur beruflichen Praxis. Wie die pädagogischen Hochschulen in diesem Spannungsfeld agieren und eine Verbindung schaffen, erklärt Irina Bühler, Dozentin für Inklusive Didaktik und Heterogenität an der PH FHNW.

Von Virginia Nolan

Den PHs kommt im Schweizer Hochschulumfeld eine Sonderrolle zu. Anders als viele Fachhochschulen oder Universitäten sind sie vollumfänglich für die Berufsqualifizierung ihrer Studierenden verantwortlich: Nach dem Abschluss geht es – in der Regel – direkt ins Schulzimmer. Praxisorientierung hat an den pädagogischen Hochschulen damit einen hohen Stellenwert und wird in bildungspolitischen Diskussionen auch entsprechend eingefordert. Dieser Anspruch verhallt nicht ungehört: So leistet etwa das gleichzeitig an Wissenschaftlichkeit und Praxistauglichkeit orientierte doppelte Kompetenzprofil von PH-Dozierenden einen wichtigen Beitrag zur Verbindung von Bildungswissenschaften und Berufspraxis. Ein gelingender Transfer von der Lehre in die Schule ist ausserdem Anliegen engagierter Dozierenden, die sich dafür besonders einsetzen. So etwa Irina Bühler von der Professur für Inklusive Didaktik und Heterogenität an der PH FHNW. Praxisbdeutsamkeit ist derzeit gleich auf mehreren Ebenen Gegenstand ihrer Arbeit.

So absolviert Bühler aktuell den CAS «Den Berufsfeldbezug stärken!». Im Zuge dieser Weiterbildung an der PH Zürich begleitet sie in ihrer Feldarbeit schulische Heilpädagog*innen im Regel- und Sonderschulsetting. «Es ist eindrücklich zu sehen, was im integrativen Rahmen möglich ist, wenn Heilpädagog*innen und Lehrpersonen die Expertise des Gegenübers als Ressource begreifen», sagt Bühler. «Dementsprechend flexibel agieren sie in ihren Rollen: Es wird dann etwa

selbstverständlich, dass der Heilpädagoge oder die Heilpädagogin auch mal den Unterricht im Klassenverband übernimmt oder die Klassenlehrperson anderweitig entlastet, während diese sich für Exklusivzeit mit einzelnen Kindern zurückzieht.» Wo es andernfalls oft zu Reibungsverlusten komme, entstehe stattdessen ein gegenseitiger Lernprozess: «Gerade unlängst berichtete mir eine Lehrperson, wie sie vom Wissen der Heilpädagogin profitiere und dieses nun auch im eigenen Unterricht integriere, um Lernende auf möglichst vielen Ebenen zu erreichen.»

Genauso trägt Bühler in ihre Lehrtätigkeit an der PH weiter, was sie aus den Schulen mitnimmt. «Ich beobachte und frage nach», sagt sie, «nehme auf, was Lehrpersonen und Heilpädagog*innen an Bedürfnissen, Anregungen und Kritik formulieren. Ich bringe Ideen ein und möchte wissen, welche Erfahrungen die Berufsleute damit machen. Es ist ein reger Austausch, bei dem die Grenzen zwischen Wissenschaft und Praxis verschwimmen, beides vielmehr ineinander überfliesst und sich gegenseitig befruchtet.»

Best Practices aus dem Berufsalltag

Best Practices aus dem Berufsalltag stehen auch im Fokus eines Projekts, an dem Bühler erstmals mit ihren Studierenden teilgenommen hat. «Innoprax» steht für «Innovative Schulpraxis im Studium erfahren» und soll angehenden Lehrpersonen der PH FHNW die praktische Auseinandersetzung mit innovativen Schul- und Unterrichtskonzepten ermöglichen (https://go.fhnw.ch/MMrW5E). Dafür besuchen Studierende ausgewählte Schulen, die für pädagogische Herausforderungen innovative Lösungen entwickelt und umgesetzt haben. Etwa waren Bühler und ihre Studierenden an verschiedenen Stadtbasler Primarschulen zu Gast, die das Modell «spezifische Sprachförderung in der Regelschule» anbieten. In diesen Schulen erhalten Kinder, die durch ihre Herausforderungen in Sprache und Kommunikation eine intensive logopädische Förderung und Therapie benötigen,

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diese innerhalb einer Regelklasse. «Wir waren dabei, als eine Heilpädagogin im Klassenverband ein neues Deutsch-Thema einführte», sagt Bühler.

«Es war spannend zu sehen, wie sie Körpersprache, Aussprache oder Betonung variierte, damit alle sie verstehen. Die anschliessende Reflexion mit den Studierenden war überaus angeregt: Viele sahen neue Anknüpfungspunkte für die eigene Lehrtätigkeit. Erkenntnisse aus der Exkursion wurden anschliessend auch denjenigen präsentiert, die nicht daran teilgenommen hatten – auch so schafft man Gelegenheit für den Transfer zwischen Praxis und Lehre.»

Inklusionsforschung inklusiv umsetzen

Dass die Wissenschaft nicht an den Bedürfnissen derjenigen vorbeiforscht, die von ihren Erkenntnissen profitieren sollen, ist Anliegen des Vereins «Forschungsgruppe Kreativwerkstatt», den Bühler leitet. Dahinter steht ein interdisziplinäres Team, das zu Inklusion forscht – «aber nicht über, sondern gemeinsam mit beeinträchtigten Personen», sagt Bühler. Der Verein hat auch einen Lehrauftrag, unter anderem an

der PH FHNW. Das Ziel: Inklusionsforschung inklusiv umsetzen – also aus der Perspektive derer, die von einer Beeinträchtigung betroffen sind. «In der Forschungsgruppe», sagt Bühler, «habe ich erfahren, wie bereichernd es ist, wenn Menschen mit unterschiedlichem Blickwinkel gemeinsam forschen und lernen.»

Diese Erfahrung wünscht Bühler nicht nur ihren Studierenden, sondern auch denjenigen, die gemeinhin in «Theoretiker*innen» und «Praktiker*innen» aufgeteilt werden. Eine Trennung, die in der gesellschaftlichen Wahrnehmung tief verankert sei, sagt Bühler: «Faktisch findet sie aber nur in den Köpfen statt. Die Realität sieht anders aus, wie sich in der Schule unschwer erkennen lässt: Keine Lehrperson agiert losgelöst von ‹Theorie›, sondern bedient sich einer Vielzahl praktischer Instrumente, die daraus hervorgegangen sind.» Was allzu oft als Gegensatz wahrgenommen werde, sei in der Tat komplementär, ist Bühler überzeugt: «Es gilt – sowohl in der Praxis als auch in der Lehre – möglichst viele Lerngelegenheiten zu schaffen, die diese Einsicht deutlich machen.»

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Mit der «Forschungsgruppe Kreativwerkstatt» setzt Irina Bühler (oben am Tisch) Inklusionsforschung inklusiv um. Foto: zVg

Praxisbedeutsamkeit in der Weiterbildung

Lehrpersonen lernen in unterschiedlichen Kontexten. Dies erweitert das individuelle Handlungsrepertoire und verbessert die Praxis des Unterrichtens an der ganzen Schule. Was bedeutet das für die Weiterbildung an der PH FHNW?

Man lernt ja eigentlich immer etwas dazu… Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit als Lehrperson. Manchmal läuft eine Unterrichtsstunde zäh und überhaupt nicht nach Plan, manchmal klappt alles wie am Schnürchen. Im ersten Fall lernt die Lehrperson, es in Zukunft anders (besser!) zu machen; im zweiten Fall lernt sie, dass eine Idee gut funktioniert. Vorausgesetzt, sie nimmt sich die Zeit, überhaupt darüber nachzudenken. Und vorausgesetzt, sie hat genügend Ideen, wie sie es in Zukunft anders machen könnte. Und vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen sind beim nächsten Mal genau gleich.

«Situiertes Lernen» an den Schulen

Diese voraussetzungsreiche Ausgangslage kann dazu verleiten, das Lernpotenzial beruflicher Herausforderungen nicht zu nutzen und unreflektiert auf bewährte Handlungsstrategien und -routinen zurückzugreifen. Andererseits ist es auch anspruchsvoll, sich neue Handlungsstrategien im Rahmen einer Weiterbildung ausserhalb des beruflichen Kontextes anzueignen, da unter dem alltäglichen Handlungsdruck nicht einfach auf präventiv erworbenes Wissen zurückgegriffen werden kann. Jean Lave und Etienne Wenger haben daher bereits in den 1990er-Jahren die Bedeutung des «situierten Lernens» beschrieben; beim Lernen im Arbeitskontext lernen Lehrpersonen von- und miteinander – was nicht nur zur Erweiterung des eigenen individuellen Handlungsrepertoires beiträgt, sondern gleichzeitig auch die Praxis des Unterrichtens insgesamt an einer Schule verbessern kann.

Erfahrungsbasiert und theoriegeleitet

Was bedeutet dies nun für die Weiterbildung als strukturierter Bildungsanlass und Lernort? Praktisches Handeln und die damit verbundenen Erfahrungen spielen bei der Entwicklung von Handlungsstrategien eine wichtige Rolle, gleichzeitig reichen sie alleine nicht aus – Lernen erfordert neue Ideen, neue Anregungen sowie Denkmodelle, die auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Die Verbindung von erfahrungsbasiertem und theoriegeleitetem

Lernen über die gesamte berufliche Laufbahn hinweg muss daher das Ziel effektiver Weiterbildung sein. Das Konzept der iterativen Bildung von Katrin Kraus zeigt diese Verbindung mit all seinen Verflechtungen auf. Für den Aufbau und die Entwicklung professioneller Kompetenzen benötigt es einen Wechsel zwischen organisierten Bildungsangeboten, Erfahrungen im Berufsalltag und entsprechende Reflexionsmöglichkeiten über die gesamte Berufslaufbahn hinweg. An der PH FHNW werden Weiterbildungen genau nach diesen Grundsätzen konzipiert. Erfolgreiche Beispiele dafür gibt es viele: Bei Netzwerktreffen werden bewusste Reflexionsanlässe geschaffen, die es den Teilnehmenden ermöglichen, ihre Berufspraxis theoriegeleitet und erfahrungsbasiert mit anderen zu reflektieren. Erfahrungswissen aus der (eigenen) Berufspraxis kann in einem organisierten Bildungsprozess mit theoriebasiertem Wissen verknüpft werden.

Strukturell unterstützt werden kann diese Art des Lernens durch Schul- und Weiterbildungscoaches (kurz: SWC). Als qualifizierte Beratungspersonen begleiten sie die Schulleitung oder Steuergruppen bei längerfristigen Schul- und Unterrichtsentwicklungsvorhaben und ermöglichen eine kohärente Planung der Schul-, Unterrichts- und Personalentwicklung. Die von der Schule mit Unterstützung eines SWC erarbeitete Gesamtsicht integriert die einzelnen Entwicklungsvorhaben und stimmt sie zeitlich und inhaltlich aufeinander ab und stellt sicher, dass der oben beschriebene Wechsel zwischen organisierten Bildungsangeboten, Reflexionsräumen und der Berufspraxis als Lernort stattfinden kann und damit die Weiterbildung möglichst (praxis-)bedeutsam wird.

CLAUDIA DÜNKI ist Leiterin des Zentrums Organisationen im Schulfeld am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW, URS OBERTHALER leitet ebenda das Zentrum Professionen im Schulfeld.

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Unterschiedliche Fächer – gleiches Ziel

Theoretisches Wissen ist für evidenzorientierte, begründete Entscheidungen in der Praxis unabdingbar. Wie die Praxisbedeutsamkeit in den Fachdidaktiken Deutsch und Mathematik auf Sekundarstufe I gefördert wird, zeigen die beiden Leitenden der Professuren auf.

Praxisbedeutsamkeit in der deutsch- und mathematikdidaktischen Ausbildung kann dazu beitragen, die unterschiedlichen Perspektiven von Hochschule und Schule produktiv und theoriegeleitet zu bearbeiten. Dabei geht es nicht darum, den Studierenden rezeptartige Lösungen für den Schulalltag bereitzustellen, sondern ihnen aufzuzeigen, dass Theorie und Praxis keine Widersprüche darstellen und theoretisches Wissen für evidenzorientierte, begründete Entscheidungen in der Praxis unabdingbar ist (vgl. auch Fokusgespräch S.8). In fachdidaktischen Modulen gelingt die Vernetzung von Theorie und unterrichtsbezogenen Fragestellungen naturgemäss besonders gut, da die Gegenstände der jeweiligen Fächer, unterrichtliche Massnahmen und Förderkonzepte für die Studierenden aktuell oder zukünftig eine zentrale Rolle spielen (werden).

So wird in deutschdidaktischen Modulen neben der Theorieebene auch die Praxisebene durch das Erproben von Fördermassnahmen, durch das Reflektieren über Fallbeispiele (Transkripte, Videos) und durch den Einbezug von realen Schüler*innenbeobachtungen adressiert. Zudem werden die Studierenden bereits in Einführungsmodulen der Sprach- und Literaturdidaktik und bei der Vorbereitung auf das Partnerschuljahr dazu aufgefordert, von einem konkreten Unterrichtsauftrag ausgehend Unterricht zu entwerfen.

In den Modulen der Fachdidaktik Mathematik werden, neben allgemeinen Themen des Lehrens und Lernens, von Mathematik spezifische, für die Zielstufe zentrale Inhalte unter mathematikdidaktischem Aspekt betrachtet. Dabei werden stoff- und unterrichtsdidaktische Aspekte praxisbezogen miteinander verzahnt: So werden etwa Grund- und Fehlvorstellungen mathematischer Inhalte, die Funktion und das Differenzierungspotenzial von Aufgaben sowie sprachliche Schwierigkeiten von Lernenden mit der konkreten Unterrichtsplanung, adäquatem Medieneinsatz und Fragen der Beurteilung – konkretisiert anhand der Kompetenzbereiche des Lehrplan 21 – in Beziehung gesetzt.

Verknüpfung mit Bezugsdisziplinen und Nachbarstufen

Doch wie lässt sich der Wunsch nach Praxisbedeutsamkeit in die fachwissenschaftliche Ausbildung einlösen? Und: Was bedeutet eine «professionsbezogene Fachwissenschaft»?

In der Deutschdidaktik wird die fachwissenschaftliche Ausbildung interdisziplinär konzipiert und auf die Profession ausgerichtet. Dies bedeutet, dass in fachwissenschaftlichen Modulen sprachwissenschaftliche und literaturwissenschaftliche Inhalte mit Erkenntnissen aus weiteren Bezugsdisziplinen wie Kognitionswissenschaft und Psychologie, und mit Bezug zur Zielstufe verknüpft werden. In einem Fachwissenschafts-Modul «Verstehen und Verarbeiten von Texten» werden zum Beispiel klassische sprachwissenschaftliche textlinguistische Konzepte und kognitionswissenschaftliche Modelle sowie Theorien des Verstehens erarbeitet und mithilfe von professionsbezogenen Anwendungsfragen aufeinander bezogen: Was leisten linguistische Textanalysen für mich als Leselehrperson, wenn ich Texte auswählen muss?

Praxisbedeutsamkeit in der deutsch- und mathematikdidaktischen Ausbildung kann dazu beitragen, die unterschiedlichen Perspektiven von Hochschule und Schule produktiv und theoriegeleitet zu bearbeiten.
PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 47 AUS DER PH

Welche Auskunft geben linguistische Kriterien über die Passung von Texten zu Lernenden und ihren Verstehensprozessen? Wie interagieren Verstehensprozesse und linguistische Texteigenschaften? Ein solches Modul stärkt die Praxisbedeutsamkeit in der Fachwissenschaft, dank einer Integration von praxisbedeutsamen Fragestellungen, die eine wissenschaftlich-reflexive Haltung und eine reflexive Praxis ermöglichen.

Die fachwissenschaftliche Ausbildung im Fach Mathematik ist ebenfalls professionsorientiert: Zum einen werden die mathematischen Themen und Leitideen der Sekundarstufe I – im Sinne eines vertieften Schulwissens – «von einem höheren Standpunkt» aus betrachtet und vertieft. Die Module sind zu diesem Zweck so konzipiert, dass sie die inhaltsbezogenen Kompetenzbereiche der Schweizer Bildungsstandards in Mathematik abdecken. Zum anderen wird, da der positive Einfluss eines fundierten Fachwissens auf die Unterrichtsqualität und das Lernen der Schüler*innen empirisch unstrittig ist, darauf aufbauend ein mathematisches Hintergrundwissen erarbeitet. Dabei werden die Studierenden insbesondere in die Kultur der Mathematik als wissenschaftliche Disziplin eingeführt. Wo immer möglich, werden Verknüpfungen zwischen

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den verschiedenen mathematischen Bereichen (etwa Zahlentheorie, Geometrie, Stochastik) und den mathematischen Themen der Schulpraxis (etwa Unterrichtsinhalte zu Zahl und Variable; Form und Raum; Grössen, Funktionen, Daten und Zufall) explizit gemacht. Ausserdem werden die mathematischen Themen und Ideen der beiden benachbarten Zielstufen (Primarstufe und Sekundarstufe II) in den Blick genommen.

ANKE SCHMITZ leitet die Professur für Deutschdidaktik und ihre Disziplinen am Institut Sekundarstufe I und II, GEORG BRUCKMAIER leitet ebenda die Professur für Mathematikdidaktik und ihre Disziplinen.

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AUS DER PH

Durch Forschungsmethoden pädagogische Praxis reflektieren, evaluieren und optimieren

Methodenbildung ist ein wesentlicher Bestandteil der Lehrpersonenausbildung. Sie unterstützt die Entwicklung zentraler Haltungen, die für pädagogisches Handeln unabdingbar sind und sie unterstützt Lehrpersonen dabei, ihren Professionsalltag zu reflektieren, sowie den Unterricht bedarfsgerecht zu entwickeln und zu optimieren.

Von Loli Milošević und Marija Stanisavljević

Vertieft man sich in das Angebot des Instituts Weiterbildung und Beratung der PH FHNW, so findet man über 400 Kurse und Weiterbildungen. Die breitgefächerte Palette an Weiterbildungsangeboten spiegelt die Bedürfnisse eines dynamischen Umfelds wider, in dem sich Schulen und Lehrpersonen kontinuierlich entwickeln und dabei mannigfaltigen Erwartungen gerecht werden müssen. Entsprechend finden sich Weiterbildungen, die (fach-) didaktische Ansätze thematisieren, in die Förderdiagnostik vertiefen, Auftrittskompetenzen der Lehrpersonen optimieren oder auf Elterngespräche vorbereiten und viele mehr.

Was sich nur sporadisch – wenn überhaupt – findet, sind Weiterbildungsangebote, die auf irgendeine Weise die sozialwissenschaftliche Methodenbildung, also Forschungsmethoden, thematisieren – und dies, obschon die Methodenbildung (wie Interviews, statistische Verfahren oder ethnographische Zugänge) fester Bestandteil der PH-Studiengänge ist. Werden die Weiterbildungsangebote als Gradmesser für die Bedarfe des pädagogischen Feldes wahrgenommen, so kann folglich zurecht nach der Sinnhaftigkeit der Forschungsmethoden in der Lehrer*innen-Bildung gefragt werden.

Zunächst zielt die Vermittlung der Forschungsmethoden im Studium auf Bachelor- und Masterarbeiten, die wissenschaftlichen Standards entsprechen müssen. Methodenbildung führt in das Grundverständnis wissenschaftlichen Handelns und Denkens ein. Dank der

Methodenbildung können Studierende wissenschaftliche Publikationen und Studien verstehen und deren Stellenwert nachvollziehen. Doch auch wenn Methoden ihren Ursprung in der Wissenschaft haben, kann ihre Vermittlung nicht nur auf eine potenzielle (doch relativ unwahrscheinliche) wissenschaftliche Laufbahn vorbereiten.

Vielmehr sollte die Methodenbildung weitere Schwerpunkte in den Fokus rücken, um eine nachhaltige Verankerung im Professionsfeld zu finden und um ihre Potenziale hinsichtlich der Lehrpersonenbildung vollends zu entfalten.

Forschungsmethoden erhalten neuen Stellenwert

Die Methodenbildung am Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW setzt an diesem Punkt an und rückt die Praxisbedeutsamkeit sozialwissenschaftlicher Methoden für professionell handelnde Lehrpersonen in den Mittelpunkt. Im Rahmen der Reakkreditierung und Neukonzipierung des Studiengans bekommen die Methoden einen neuen Stellenwert und werden zum integrativen Bestandteil der Berufspraktischen Studien, also jenes Studienbereiches, der Studierende auf ihrem Weg in die konkrete Berufspraxis begleitet. Die Neuausrichtung der Methodenbildung fokussiert dabei – neben der Vorbereitung auf das Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten – vor allem auf die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen und die Vermittlung von Professionsmethoden.

Entwicklung überfachlicher Kompetenzen: In der Ausübung entsprechender Methoden und deren Techniken werden jene spezifischen Haltungen und Kompetenzen eingeübt, die für professionell handelnde Lehrpersonen notwendig sind. Nehmen wir beispielsweise das Interview, eine der traditionsreichsten Forschungsmethoden: Durch die Vorbereitung der Fragen, das Einlassen auf die Gesprächssituation und das Gegenüber, werden unter anderem analytische Distanz, Selbstreflexion oder Perspektivübernahme gefördert.

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 49 AUS DER PH

Vermittlung der Professionsmethoden: Darüber hinaus gehen Interview- und Gesprächsführung mit spezifischen Praktiken einher, die nahtlos Eingang in den Professionsalltag finden. Weiter gedacht verstehen wir unter Professionsmethoden konkrete Techniken und Instrumente, die angewendet werden, um systematisch und methodisch kontrolliert den Professionsalltag vorzubereiten, zu protokollieren, zu evaluieren oder zu optimieren.

Folglich verstehen wir Methodenbildung als einen we sentlichen Bestandteil der Lehrpersonenausbildung. Sie unterstützt zum einen die Entwicklung zentraler Haltungen, die für pädagogisches Handeln unabding bar sind: Offenheit und (Selbst-)Reflexion. Der Einsatz ihrer Techniken und Instrumente unterstützt Lehrpersonen zum anderen, ihre Rolle und den Professionsalltag zu reflektieren, sowie den Unterricht bedarfsgerecht zu entwickeln und zu optimieren. In einer Profession, die stark von mannigfaltigen, teils gegensätzlichen Erwartungshaltungen und Zugzwängen beein-

flusst wird, trägt die Kompetenzentwicklung durch Methodenbildung entscheidend dazu bei, dass Lehrpersonen auf komplexe Berufsanforderungen und sich fortwährend ändernde Berufsbedingungen flexibel und reflektiert reagieren können.

MARIJA STANISAVLJEVIĆ ist Co-Leiterin ad interim der Professur Berufspraktische Studien und Professionalisierung am Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW, LOLI MILOŠEVIĆ ist ebenda wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Das Bedürfnis, sich zu berauschen, scheint ein menschliches Bedürfnis zu sein. Bereits Kinder versetzen sich im Spiel gelegentlich in einen berauschenden Zustand. Später suchen Menschen den Rausch in Mutproben und im Sport, in Musik und Tanz, in der Liebe, der Spiritualität, der Kunst oder im Konsum von psychoaktiven Substanzen. Für Jugendliche sind Rauscherfahrungen besonders reizvoll, doch der Umgang mit Risiken oder verführerischen Tabakund Alkoholwerbungen ist eine enorme Herausforderung.

Was genau ist Rausch? Warum streben wir nach ekstatischen Gefühlen und was fasziniert uns so daran? Die Ausstellung untersucht das Phänomen «Rausch» und dessen Auswirkungen. Auf einer multimedialen Reise begegnen die Besucher:innen geschichtlichen Hintergründen sowie den Möglichkeiten und Risiken eines Rausches. Dabei ist die grosse Frage, warum unsere Gesellschaft so widersprüchlich mit diesem Phänomen umgeht.

Die Angebote für Schulklassen finden Sie hier:

50 DAS HEFT PH-Magazin Nr. 11 2024 AUS DER PH
26.10.2023 –30.06.2024 hmb.ch/ rausch

«Der Vorteil von räumlicher Software liegt in deren Dynamik»

Loris Bonauer hat im Rahmen seiner Bachelorarbeit an der PH FHNW eine App für den Mathematikunterricht entwickelt, die das räumliche Denken schult.

Aufgezeichnet von Virginia Nolan

«Das räumliche Vorstellungsvermögen ist trainierbar. Meine Bachelorarbeit ging der Frage nach, welches Potenzial digitale Mathematikwerkezuge in dem Zusammenhang haben. Wissenschaftler*innen monieren, dass die räumliche Geometrie in der Schule unterrepräsentiert ist: Der Unterricht beschränkt sich demzufolge auf die Erken-

nung von Grundkörpern oder die Berechnung von Oberflächen und Volumina – eine Analyse des Raums findet kaum statt. Es bräuchte Werkzeuge, die über das herkömmliche Zeichnen von räumlichen Objekten hinausgehen. Für meine Bachelorarbeit entwickelte ich ein solches Werkzeug: Die App Cube Aware setzt auf Würfelbauwerke: Es gilt, anhand einer zweidimensionalen Seitenansicht ein dreidimensionales Gebäude zu erstellen, und zwar mit möglichst wenig Würfeln. Dabei soll dieses von allen Seiten genau gleich aussehen. Darin liegt die Besonderheit der Aufgabe: Die Würfelgebäude, die als Lösung angestrebt werden, sind aufgrund der Aufgabenstellung minimalistisch und damit ungewohnt. Dennoch weisen sie einen hohen Grad an Symmetrie auf. Dabei schweben einzelne Würfel in der Luft, weshalb die Aufgaben nur virtuell lösbar sind. Die Konstruktion solcher Gebäude ist anspruchsvoll, denn sie erfordert eine Übersetzungshandlung, also die Übertragung einer zweidimensionalen Ansicht ins Dreidimensionale. Die App ermöglicht jedoch Differenzierung: Sämtliche Schwierigkeitslevels können auch ohne den minimalen Aspekt gelöst werden, was die Aufgaben deutlich einfacher macht. Somit können Schüler*innen auf unterschiedlichen Kompetenzstufen am selben Problem knobeln. Der Vorteil von räumlicher Software liegt ausserdem in deren Dynamik: Lernende agieren aktiv im Raum und bekommen das Resultat ihrer Überlegungen direkt vor Augen geführt. Cube Aware lässt sich neben der herkömmlichen Bedienung auch in erweiterter Realität anwenden, sprich Augmented Reality. Dabei können die Würfelgebäude mit der Kamera ins Klassenzimmer hineinprojiziert werden. Die Schüler*innen gehen dabei physisch um ihre Bauwerke herum und können diese aus allen Perspektiven betrachten. Dies eröffnet einen spannenden Zugang zu noch grösstenteils unerforschten Möglichkeiten räumlicher Interaktion.

Der Markt ist überschwemmt von digitalen Mathematikwerkzeugen. Die Herausforderung ist, Angebote herauszufiltern, die aus wissenschaftlicher und didaktischer Sicht sinnvoll sind. Deshalb war ein Ziel meiner

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 51 AUS DER PH
Loris Bonauer hat die App im Rahmen seiner Bachelorarbeit an der PH FHNW entwickelt. Foto: zVg

Die App Cube Aware setzt auf Würfelbauwerke: Es gilt, anhand einer zweidimensionalen Seitenansicht ein dreidimensionales Gebäude zu erstellen, und zwar mit möglichst wenig Würfeln. Fotos: Screenshots

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«Durch das Feedback der Schüler*innen nahm ich diverse Optimierungen vor.»

Arbeit, Cube Aware auf solche Kriterien hin zu analysieren: Die App sollte für den Mathematikunterricht relevante Kompetenzziele des Lehrplans 21 erfüllen, bedienungsfreundlich und fachdidaktisch durchdacht sein, also Schüler*innen ermöglichen, einen Lerngegenstand in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zu bearbeiten. Als Klassenlehrperson einer fünften Primarklasse erprobte ich die Anwendung von Cube Aware mit meinen Schüler*innen, daneben testeten auch Erwachsene die App.

Was die Qualität der Lösungen betrifft, war zwischen den erwachsenen Testpersonen und meinen Schüler*innen kein Unterschied ersichtlich. Einzelne Kinder lösten innerhalb von fünf Minuten schwierigste Rätsel, während einige Erwachsene in derselben Zeit grosse Mühe hatten, einfache Aufgaben zu schaffen. Durch das Feedback der Schüler*innen nahm ich diverse Optimierungen vor, gerade, was Bedienungsfunktionen betrifft. Aber auch im Hinblick auf das Progressionssystem. Die Kinder bevorzugten die Version der App, in der Sternesammeln mit Aufstiegsmöglichkeiten verbunden ist, weil sie die Aufgaben so als Spiel betrachteten. Mein Ziel wäre, dass Cube Aware ganz ohne Erklärung einer Lehrperson auskommt. Dies setzt gute Tutorials voraus, deren Entwicklung sehr zeitaufwendig ist. Sicher: Ein Tutorial wird nie mit den Erklärungen einer Lehrperson mithalten können. Dennoch arbeite ich weiter daran, die App noch ver-

ständlicher zu machen. Mittlerweile ist Cube Aware auf Deutsch und Englisch verfügbar, es sollen weitere Sprachen dazukommen. Für ein abschliessendes Fazit bedarf es sicher noch weiterer Entwicklung und Tests mit einer grösseren Stichprobe. Ich würde aber sagen, dass die App das Potenzial hat, einige Kompetenzziele im Lehrplan 21 zu erfüllen und ab der fünften Primarklasse sinnvoll einsetzbar ist.»

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 53
AUS DER PH

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«Sachquellen machen Geschichte fassbar»

Als Masterarbeit hat Corinne Wüst einen Museumskoffer für den Geschichtsunterricht entwickelt: Sachquellen aus 51 Jahren Aargauer Wirtschaftsgeschichte zeugen von Innovation und Strukturwandel im Industriekanton.

Aufgezeichnet von Virginia Nolan

«Eine Bircher-Raffel, ein Zirkel der Marke Kern und eine Bierflasche von Feldschlösschen, ein Strohhut, Konservendosen und Konfitüren von Hero – was diese Dinge gemeinsam haben? Es sind Konsum- und Gebrauchsgüter, hergestellt zwischen 1960 und 2021 im Aargau. 14 solcher Sachquellen, mehrheitlich originale Artefakte, beinhaltet der Museumskoffer, den ich im Zuge meiner Masterarbeit zum Thema ‘Strukturwandel und Innovation am Objekt’ entwickelt habe – verbunden mit einer Unterrichtseinheit für die Sekundarstufe I. Unterstützt hat mich Dominik Sauerländer, Dozent an der PH FHNW, der mich auf das Forschungsprojekt ’Zeitgeschichte Aargau’ der Historischen Gesellschaft Aargau aufmerksam machte. Dominik Sauerländer ist einer von acht Historiker*innen, die das Programm betreuen, an dem die PH FHNW über eine Kooperation beteiligt ist – mit der Aufgabe, themen- und lehrplanspezifische Vermittlungsprojekte zu erarbeiten. Ein solches ist nun auch ‘mein’ Museumskoffer. Ich freue mich, dass damit gelungen ist, was ich mir gewünscht hatte: dass meine Arbeit auch anderen einen praktischen Nutzen bietet.

Gegenständlichen Quellen wird im Geschichtsunterricht wenig Beachtung geschenkt. Dabei haben sie grosses Potenzial: Als manifester Lerngegenstand, der zum Anfassen und Erkunden einlädt, machen sie Geschichtsunterricht fassbar und bieten Schüler*innen vielschichtige Lernzugänge. Sie sind authentische Fragmente der Geschichte, welche zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit vermitteln. Die 14 Industrieprodukte aus dem Museumskoffer dienen als Lernanlass und Studienobjekt gleichermassen: Ziel ist, dass Jugendliche anhand der Gegenstände Ursache und Wirkung wirtschaftlicher Veränderungen im Kanton erkennen und lernen, sich Objekte als historische Quellen zu erschliessen. Die zugehörigen Unterrichtsmaterialien orientieren sich an den Vorgaben des Projekts ’Zeitgeschichte Aargau’ und basieren auf Kompetenzen des Lehrplans 21. Im ersten Teil der Unterrichtseinheit erhalten Lernende Einblick in den historischen Kontext und lernen den Aargau als Industriekanton kennen. Teil zwei stellt das Lernen am Objekt in den Vordergrund: Schüler*innen beschäftigen sich

mit dem Inhalt aus dem Koffer und eignen sich Wissen über spezifische Produkte und den damit verbundenen Industriezweig an. In der Folge tauschen jeweils zwei Gruppen, die denselben Industriezweig beleuchtet haben, ihr Wissen aus. Als Endprodukt erstellen und präsentieren die Gruppen einen Zeitstrahl, der die historische Veränderung der jeweiligen Branche anhand der Sachquellen aufzeigt.

Die Evaluation der Unterrichtseinheit erfolgte durch die schriftliche Befragung von 19 Sekundarschüler*innen und ihrer Lehrperson. Mich interessierte unter anderem, wie gut sich die ausgewählten Sachquellen für die formulierten Lernziele eignen und inwiefern sie zum Verständnis fürs Thema beitragen. Schüler*innen schätzten offenbar die Arbeit mit gegenständlichen Quellen. Knapp 70 Prozent gaben an, diese gegenüber Text- und Bildquellen zu bevorzugen. Gleichzeitig legte die Befragung offen, dass die Auswahl der Objekte eine Herausforderung ist: Um Strukturwandel mithilfe von Sachquellen nachzuvollziehen, ist es unabdingbar, diese aus unterschiedlichen historischen Kontexten und zeitlichen Perspektiven betrachten zu können. Nur 40 Prozent der Lernenden gelang es allerdings, die ihnen zugeteilte Sachquelle in der Gegenwart zu verorten. Den anderen fehlte der Bezug zum Objekt, weil dieses weder an ihre Lebenswelt noch Erinnerungen anknüpfte. Dann wird es schwierig, daraus Rückschlüsse auf grössere Zusammenhänge zu ziehen, in diesem Fall auf Industrie und Strukturwandel im Aargau. Dennoch gaben die Lernenden an, die Gegenstände hätten durchaus geholfen, sich historische Kontexte zu erschliessen. Damit dies noch besser gelingt, wäre es ratsam, mit der Klasse vorgängig mehr Vorwissen zum Thema zu erarbeiten. In der von mir konzipierten Unterrichtseinheit, die nicht ich durchführte, waren es drei Lektionen gewesen. Da würde ich nach heutiger Erfahrung mehr Zeit einplanen.»

PH-Magazin Nr. 11 2024 DAS HEFT 55 AUS DER PH

BESCHRÄNKUNGEN AUSBAUEN!

Mark Weisshaupt, Lernwerkstatt SPIEL

Über das Material dieses Spiels freuen sich auch Holzpädagog*innen. Acht ansprechende Holzbauteile sollen dazu genutzt werden, um zwei Figuren zu verbinden, die auf gegenüber liegenden Seiten eines schmalen Baurahmens stehen. Der Kniff liegt darin, dass bei jedem der insgesamt 48 Rätsel nur bestimmte der acht Teile genutzt werden dürfen. Diese dürfen liegend oder stehend in jeweils vorgegebene Anfangsaufstellungen verbaut werden. Bedingungen: Die Konstruktion muss in sich stabil stehen und am Ende müssen Burgfräulein und Ritter zueinander über Treppen, Wege oder Brücken und ohne Abgründe laufen können.

Allein, aber auch zu zweit ist «Camelot Jr.» ein lustvolles Vergnügen, da man alle Ideen unmittelbar ausprobieren und sich dabei verbal austauschen kann. Das Spiel weist zentrale Spielmechanismen auf: Motivation durch Beschränkung (hier: der erlaubten Teile und durch die Bauregeln), durch sofortiges Feedback des haptisch guten Materials sowie durch passende Herausforderung: Die Rätsel sind in vier – vor allem für Kinder zwischen 4 und 10 Jahren gedachte –

Schwierigkeitsstufen unterteilt, wobei auch Erwachsene bei der höchsten Stufe noch ein wenig ins Grübeln kommen können.

«Camelot Jr.», 4 bis 99 Jahre, von Smart Games Infos: https://thewanderingvillage.com/

DAS GEHEIMNIS EINES SOMMERS

Einem Hurrikan haben es die fünf Jungs im Roman «The Fort» zu verdanken, dass mitten im Wald ein Bunker freigelegt wird. Der Bunker ist mit allem ausgerüstet, was man zum Leben braucht: Strom, Wasser, haltbare Lebensmittel. Er wird ihr Fort, ihr Zufluchtsortsort. Unter keinen Umständen darf jemand etwas darüber erfahren. Alle fünf tragen unterschiedliche Probleme mit sich herum, sei es in der Schule, der Familie oder weil sie von anderen ausgegrenzt werden. Als der geheime Treffpunkt schliesslich doch auffliegt, sind sie verzweifelt. Ihre tiefe Freundschaft, die durch den Zusammenhalt und die vielen Treffen so sehr gestärkt wurde, bleibt ihnen aber erhalten und wird sie fortan durch ihr Leben begleiten.

Der Autor erzählt in diesem eindringlich verfassten, spannenden Roman vor allem davon, was Freundschaft ausmacht und was eine solch tiefe Bindung alles bewirken kann. Die Jungs halten zusammen, egal was kommt. Sie respektieren einander und halten auch die eher schwierigen Seiten voneinander aus. Die Hauptfiguren erzählen den Plot abwechselnd aus ihrer Perspektive, manchmal humorvoll, dann wieder berührend, aber immer so, dass man die Lektüre nicht unterbrechen möchte. Ein Roman, der viele Jugendliche faszinieren wird.

EDULAB BASEL: KREATIV UND ZUKUNFTSORIENTIERT MIT DESIGN THINKING

Martina Leser

Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen stehen im Lehrplan 21 im Fokus und spiegeln sich in allen Fächern wider – die Umsetzungsmöglichkeiten sind dabei je nach Fach und Zyklus sehr unterschiedlich, auch was die Kreativität betrifft. Ein kreativer Denkansatz ist Design Thinking, das im EduLAB Basel – das sich als Ort für Macher*innen der Zukunft sieht – im Zentrum steht: Es stellt den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt – und nicht die Lösung oder die Komplexität eines Produkts. Mit seiner offenen und kreativen, gleichzeitig aber sehr systematischen Herangehensweise ermöglicht Design Thinking ein strukturiertes Vorgehen für unterschiedlichste Fragestellungen, mit denen sich Schüler*innen ab Zyklus 2 selbstorganisiert und projektbasiert im EduLAB auseinandersetzen können.

Egal ob sich ein Projekt um ein «einfaches» Alltagsproblem dreht, die Berufswahl ins Zentrum rückt

56 DAS HEFT PH-Magazin Nr. 11 2024
Gordon Korman: «The Fort», übersetzt von Kanut Kirches, Beltz
TIPPS

oder Zukunftsvisionen behandelt: Im EduLab erhalten Lehrpersonen und ihre Schulklassen in strukturierten Workshop-Formaten – und unter der Leitung erfahrener Coaches – frische Impulse, gewinnen neue Erkenntnisse und erweitern ihre (Zukunfts-)Kompetenzen. Aktuell gibt es vier EduLab-Formate für Schulklassen: «Future Kids» und «Future Teens», «Gestalte dein Leben» und die «Crazy Startup Challenge». In den beiden Future-Workshops geht es darum, projektbasiertes Lernen und Future Skills zu entfalten («Kids» ist für Zyklus 2, «Teens» für Zyklus 3 und Sek II), bei «Gestalte dein Leben» um Lebensplanung einmal anders –als eine Art Zukunftsexperiment (Zyklus 3 und Sek II) – und bei der «Crazy Startup Challenge» durchlaufen Schüler*innen ab der 7. Klasse den Entwicklungsprozess eines Start-up-Auftritts spielerisch-explorativ: Sie lernen, wie Profis eine Webseite oder App entwerfen und packen direkt selbst an – in nur drei Stunden entwerfen und erstellen sie eine klickbare Webseite oder App für ihr neues Start-up.

Weitere Informationen:

https://basel.edulab.net, https://lernorte-nordwestschweiz.ch

WO BIN ICH? MIT «GEOTASTIC» UM DIE WELT REISEN

Judith Mathez, Beratungsstelle Digitale Medien in Schule und Unterricht – imedias

In diesem Game wird man mit Google Street View irgendwo auf der Welt «ausgesetzt» und muss dann herausfinden, wo man sich befindet: Wie sieht die Umgebung aus? Gibt es Beschilderungen oder Fahrzeuge mit Aufschriften? Welche Schrift, welche Sprache? Hängen irgendwo Flaggen? Wie sehen die Gebäude und die Menschen aus? Zu welcher Weltgegend und Klimazone könnte die Vegetation

passen? Auf welcher Strassenseite fahren die Fahrzeuge, welche Automodelle lassen sich erkennen? Gibt es Gewässer, Berge, Ebenen? Auf einer Weltkarte muss man schliesslich einen Zielpunkt setzen und erzielt je nach Distanz zum korrekten Ort Spielpunkte. Das Game verfügt über unterschiedliche Spielmodi. So lässt sich der Radius beispielsweise auf die Schweiz beschränken, oder man versucht sich an Sehenswürdigkeiten oder Luftaufnahmen. Beim Spielen kommt fast unmerk-

lich komplexes geografisches und kulturelles Wissen zum Einsatz. Das gemeinsame Lösen in einer Gruppe macht besonders Spass, weil mehr Erfahrungen und spezifisches Wissen die Treffsicherheit erhöhen. Daher eignet sich das Game gut für den Einsatz im Unterricht (beispielsweise in den Fächern «Natur, Mensch, Gesellschaft» oder «Räume, Zeiten, Gesellschaften»), als Auflockerung oder als fixes Wochenritual mit der Klasse.

«Geotastic» ist kostenlos und lässt sich unkompliziert im Browser spielen. Die Spielidee stammt vom älteren, aber ganz ähnlichen «GeoGuessr», das ebenfalls im Browser und zusätzlich per App verfügbar ist und über eine noch grössere Auswahl an Spielmodi verfügt. Das Team hinter «GeoGuessr» hat das Spiel in den letzten Jahren zunehmend kommerzialisiert; seit Februar 2024 ist der Zugang kostenpflichtig.

https://geotastic.net

IMPRESSUM

«das HEFT» – das Magazin der Pädagogischen Hochschule FHNW erscheint zweimal jährlich, 6. Jahrgang, Nr. 11, Mai 2024, www.fhnw.ch/ph

Herausgeberin: Pädagogische Hochschule FHNW

Verantwortlicher Redaktor: Marc Fischer

Autor*innen dieser Ausgabe: Georg Bruckmaier, Claudia Dünki, Marc Fischer, Michael Hunziker, Martina Leser, Judith Mathez, Guido McCombie, Loli Miloševic, Jasmin Näpfli, Virginia Nolan, Urs Oberthaler, Maria Riss, Anke Schmitz, Kirsten Schweinberger, Marija Stanisavljevic, Mark Weisshaupt.

Bildessay: Alfredo Häberli /Joan Minder

Fotograf*innen dieser Ausgabe: Adriana Bella, Marc Fischer, Theo Gamper, Christian Irgl, Barbara Keller

Gestaltung: HinderSchlatterFeuz, Zürich

Druck: Sprüngli Druck AG, Langenthal

Inserate: print-ad kretz gmbh, Wagnerfeldstrasse 6, 8646 Wagen, Tel. 044 924 20 70, E-Mail: info@kretzgmbh.ch

Abonnement: «das HEFT» kann kostenlos abonniert werden: dasheft.ph@fhnw.ch

Postadresse: Pädagogische Hochschule FHNW, Marketing und Kommunikation, Bahnhofstrasse 6, 5201 Windisch, 056 202 72 60

Auflage: 7000 Exemplare Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln nur mit Genehmigung der Redaktion.

ISSN 2624-8824

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– Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW

– Hochschule für Life Sciences FHNW

– Hochschule für Musik Basel FHNW

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