Das Heft – Ausgabe Nr. 10 (2023) – Nachhaltigkeit in Bildung

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HEFT das

PH-Magazin Nr. 10 2023

Nachhaltigkeit in Bildung

Ein Heft über die unterschiedlichen Aspekte von Nachhaltigkeit – und über Projekte aus verschiedenen Fachbereichen von Theater bis Weiherbau «Entscheidend ist, dass wir trennen zwischen Lernen für Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung» – Gespräch mit Franziska Bertschy, Basil Bornemann und Susanne Störch Mehring 8 Bühne frei für Kreativität und Fantasie 18 Die Schule als Safe Space gegen Diskriminierung 32


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EDITORIAL

DAS HEFT Nachhaltigkeit in Bildung Nachhaltigkeit, Sustainability, Nachhaltige Entwicklung: Diese Schlagworte sind aktuell in gesellschaftlichen Diskussionen oft zu hören. Doch wie werden sie verstanden? Was bedeuten sie, insbesondere im Kontext von Bildung? Im Expert*innengespräch in diesem HEFT erörtern Franziska Bertschy, Susanne Störch Mehring und Basil Bornemann unter anderem, wie unterschiedlich der Begriff «Nachhaltigkeit» verstanden wird. Weiter gehen sie auf die vielfältigen Nachhaltigkeitsziele ein, die von den Vereinten Nationen im Jahr 2015 definiert wurden. Natürlich richten die drei Expert*innen ihren Blick dann auch auf die Themenfelder Bildung und Schule. Was bedeutet Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung (BNE) und wo liegen die Herausforderungen und Chancen? Und wie haben sich die Haltungen von Studierenden in den letzten Jahren verändert?

ratorium», in dem sie mit Konsumgütern – von Plastiklöffeln bis zu Süssigkeiten – arbeitet und diese in die Natur einbettet.

In den weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe wird der Blick auf Nachhaltigkeit dann geöffnet und verschiedene Aspekte von Nachhaltigkeit werden aufgegriffen. Wichtig sind dabei natürlich auch Projekte aus dem Bereich Ökologie: Ein Weiherbau-Projekt, bei dem sowohl Studierende der PH FHNW als auch Schüler*innen mitgewirkt haben, wird ebenso vorgestellt, wie ein neuer Workshop, in dem Schüler*innen Aspekte der Klimaerwärmung mit einfachen Experimenten erforschen können.

Guido McCombie Direktor der Pädagogischen Hochschule FHNW

Diese Ausgabe ist bereits die zehnte unseres PH-Magazins. Wir freuen uns, dass sich «das HEFT» etabliert hat und auf reges Interesse stösst. Das kleine Jubiläum nutzen wir gerne für eine kleine Umfrage bei Ihnen, liebe Leser*innen. Wir freuen uns, wenn Sie uns Ihre Meinung zum HEFT und seinen Themen und Inhalten mitteilen. Die Umfrage erreichen Sie via QRCode unten auf dieser Seite oder via https://survey. fhnw.ch/uc/dasHEFT/. Ich wünsche Ihnen eine anregende und inspirierende Lektüre dieses vielfältigen und hoffentlich nachhaltigen HEFTs.

In einem anderen Beitrag steht das Seminar «Bye Bye Sexismus & Co.», das Diversität und Sensibilität für die vielfältigen Formen von Herabsetzung und Benachteiligung behandelt, im Zentrum. Und eine Reportage von einem Theater-Workshop an einer Schule in Aarau zeigt, welche Kompetenzen durch Theaterpädagogik vermittelt werden. Wie üblich bietet «das HEFT» überdies Einblicke in studentische Arbeiten. Und erstmals wird, auf der Doppelseite mit Tipps, ein ausserschulischer Lernort im Bildungsraum Nordwestschweiz kurz vorgestellt. Der Bildessay steht in dieser Ausgabe unter dem Titel «Konsumblüten». Andrina Jörg, Künstlerin, Kulturvermittlerin und Mitarbeiterin der PH FHNW hinterfragt in ihren Arbeiten die Grenzen von Natur und Kultur und thematisiert die Zusammenhänge zwischen Natur und Konsum. So entsteht ihr «Paranatur Forschungslabo-

Titelbild: Andrina Jörg, Paranatur Forschungslaboratorium

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INHALT

Nachhaltigkeit in Bildung 3

Editorial von Guido McCombie

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Nachgefragt – «Wann ist Bildung nachhaltig?»

FOKUS 8

«Entscheidend ist, dass wir unterscheiden zwischen Lernen für Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung» – Gespräch mit Franziska Bertschy, Basil Bornemann und Susanne Störch Mehring von Marc Fischer

DOSSIER 15

Lehrreiches Biotop von Marc Fischer

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«Mir ging es um Nachhaltigkeit im doppelten Sinn» von Virginia Nolan

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Bühne frei für Kreativität und Fantasie von Marc Fischer

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Die Beratungsstelle Theaterpädagogik feiert Geburtstag von Marc Fischer

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Mit anderen Augen und Ohren für die Natur von Michael Hunziker

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Bildessay: Konsumblüten von Andrina Jörg

«Entscheidend ist, dass wir unterscheiden zwischen Lernen für Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung» Nachhaltigkeit, Sustainability, Nachhaltige Entwicklung: Die Begriffe sind aktuell in gesellschaftlichen Diskussionen weit verbreitet. Was bedeuten Sie? Was gehört alles zu den von den Vereinten Nationen definierten Nachhaltigkeitszielen? Was bedeutet Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung und wo liegen die Herausforderungen und Chancen? Über diese und andere Fragen im Kontext Nachhaltigkeit diskutieren Franziska Bertschy, Basil Bornemann und Susanne Störch Mehring im Expert*innengespräch. Seite 8

Bühne frei für Kreativität und Fantasie Während eines Schuljahres erarbeiten Klassen eine Produktion für das Schultheatertreffen 2024 – dabei werden auch zahlreiche überfachliche Kompetenzen geschult. Eine Reportage gibt Einblicke in den Kick-off-Workshop zweier Aarauer Schulklassen. Seite 18

Andrina Jörg, Konsumblüten

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INHALT

AUS DER PH 32

Die Schule als Safe Space gegen Diskriminierung von Thomas Röthlin

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Klima-Experimente mit Comic und Wärmebildkamera von Marc Fischer

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«Zum Treibhauseffekt gibt es noch nicht viel praktisches Unterrichtsmaterial» von Marc Fischer

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Inklusionsorientierung und Nachhaltige Entwicklung von Jan Weisser

Mit anderen Augen und Ohren für die Natur Im BNE-Unterrichtsprojekt erarbeiteten zwei Lehrpersonen mit ihren Schüler*innen spielerisch und experimentierend mit Mitteln der Musik ein Verständnis über die Zusammenhänge in einem Biotop und spielten verschiedene Zielkonflikte durch, bevor sie wirklich zur Schaufel griffen und mit Roden und Anpflanzen begannen. Seite 22

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Nachhaltigkeit im Sport leben von Kathrin Freudenberger

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Von der Online-Beratung bis hin zum CAS von Marc Fischer

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Vielfalt aus drei Perspektiven von Anita Schneider

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Entwicklungsorientierung in der Beratungsausbildung von Jean-Paul Munsch

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«Ein Mosaik aus vielen Puzzleteilen» von Virginia Nolan

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Tipps zu Spielen, Games, Büchern und ausserschulischen Lernorten

Klima-Experimente mit Comic und Wärmebildkamera Mit Experimenten können Schüler*innen an verschiedenen Posten Auswirkungen und Folgen der Erderwärmung erforschen. Als Rahmengeschichte um den Workshop, der an der PH FHNW entwickelt wurde, dient ein Sachcomic, den eine Studierende als Masterarbeit verfasst und gezeichnet hat. Seite 36

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NACHGEFRAGT

«Wann ist Bildung nachhaltig?» Nachgefragt bei Persönlichkeiten aus dem Bildungsraum Nordwestschweiz

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«Bildung ist dann nachhaltig, wenn Kinder und Jugendliche einen Sinn darin erkennen können und wissen, weshalb und mit welchem Ziel sie etwas lernen sollen. Damit Kinder nachhaltig lernen, gibt es einige Voraussetzungen, die idealerweise erfüllt sein sollten. Dazu gehören: – eine vertrauensvolle Beziehung zur Lehrperson – sich angenommen fühlen – im Lernen bestärkt werden – Anforderungen, die dem Entwicklungsstand der Lernenden angepasst sind – Lerngegenstände, die möglichst frei gewählt werden können.»

URS BUCHER, Leiter Volksschulen, Kanton Basel-Stadt

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«Wenn vernetztes Wissen Handlung erzeugt, so ist dies nachhaltig, hallt nach und erzeugt Echo. Dafür braucht es eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand. Dieser ist vor allem bei Primarschulkindern oft in der nächsten Umgebung angesiedelt: in der Blumenwiese vor dem Schulhaus oder im nahen Wald. Durch einen SINN-vollen und spielerischen Zugang finden viele Kinder zu einer aktiven Auseinandersetzung, dabei werden die überfachlichen Kompetenzen genauso geschult. Der Transfer von der High-touch-Erfahrung zur High-tech-Erfahrung kann kombiniert werden. Ein solches Lernen ist zukunftsweisend, weil es Alltag und Schule, Erfahrung und Theorie vereint.»

DENISE PARISI, Projektleiterin Bildung, Jurapark Aargau


NACHGEFRAGT

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«Zum einen verstehe ich darunter einen Bildungsansatz, der Nachhaltigkeitskompetenzen und Wissen zum Thema Nachhaltigkeit vermittelt – also eine Bildung, die dazu befähigt, unsere Zukunft mit all ihren Herausforderungen eigenverantwortlich und verantwortungsbewusst zu gestalten. Zum anderen sollte Bildung an sich nachhaltig sein und Erlerntes sozusagen nach-hallen.»

ANDREA FLORA BAUER, Koordi­natorin Diversity & Nachhaltigkeit, FHNW

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«Bildung ist nachhaltig, wenn einerseits aufgrund des erworbenen Wissens und Könnens neue Informationen und Gegebenheiten eingeordnet und andererseits aufgrund von erworbenen Lernstrategien neue Bereiche erschlossen sowie die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen bewältigt werden können. Und schliesslich ist Bildung nachhaltig, wenn Neugier und Freude am Erwerb von neuem Wissen und neuen Kompetenzen erhalten bleiben.»

«Noch heute geht mir das Herz auf, wenn ich einen Wiesensalbei sehe. Als Primarschülerin musste ich die Pflanze suchen und trug sie stolz in die Schule. Mein Interesse für Trockenwiesen war geweckt. Wissen mit Emotionen zu verbinden und durch eigenes Erleben zu festigen, ist auch das Ziel im Zolli. Bildung soll im doppelten Sinn nachhaltig sein: dauerhaft und auf den Naturund Artenschutz ausgerichtet. Wenn Schüler*innen im Vivarium fasziniert die Röhrenaale, Seepferdchen und Schützenfische beobachten, wird der abstrakte Begriff Biodiversität erlebbar und ihre Motivation, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, steigt.»

KATHRIN RAPP SCHÜRMANN, Leiterin Bildung und Naturschutz, Zoo Basel

ROLAND MISTELI, Geschäftsführer, Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO)

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FOKUS

«Entscheidend ist, dass wir unterscheiden zwischen Lernen für Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung» Ein Gespräch mit Expert*innen über unterschiedliche Verständnisse von Nachhaltigkeit, über Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) – und darüber, was Studierende und Schulen heute bewegt. Von Marc Fischer (Text und Fotos)

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achhaltigkeit, Sustainability, Nachhaltige Entwicklung: Die Begriffe sind aktuell in gesellschaftlichen Diskussionen weit verbreitet. Was bedeuten sie? Was gehört alles zu den von den Vereinten Nationen definierten Nachhaltigkeitszielen? Was bedeutet Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung und wo liegen die Herausforderungen und Chancen? Über diese und andere Fragen im Kontext Nachhaltigkeit diskutieren drei Expert*innen. Nicht zuletzt nehmen sie im Gespräch auch in den Blick, ob und wie sich die Ansichten oder Haltungen der Studierenden in den letzten Jahren verändert haben. Franziska Bertschy leitet die Professur Didaktik des Sachunterrichts am Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW. Sie befasst sich seit mehr als 20 Jah-

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ren mit Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung (BNE) und ist diesbezüglich eine national anerkannte Expertin. Bereits von 2001 bis 2006 hat sie ein Projekt des Schweizer Nationalfonds (SNF) mit dem Titel «Bildung für eine Nachhaltige Entwicklung: Didaktische Konzeption und Umsetzung in der Unterstufe» geleitet. Seitdem sind zahlreiche Projekte im Bereich BNE dazugekommen. Susanne Störch Mehring leitet am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW das Ressort BNE. Zunächst war sie an der PH FHNW als Dozentin an der Professur Bewegungsförderung und Sportdidaktik im Kindesalter tätig, wurde dann Leiterin der Beratungsstelle für Gesundheitsbildung und Prävention sowie Leiterin des 2021 neu gegründeten Ressorts BNE. Das Ressort BNE hat das Ziel, BNE breiter in die Weiterbildung und Beratung der Lehrpersonen einzubringen. Zum Ressort BNE zählen die Beratungsstelle Umweltbildung und die Beratungsstelle Gesundheitsbildung und Prävention, die seit rund 20 Jahren als Angebote bestehen. Die Beratung zur Implementierung von BNE in Unterricht und Schulalltag sowie als ganzheitlicher Institutionsansatz sind neue Ausrichtungen im Ressort. Mit den beiden PH-Expertinnen diskutiert Basil Bornemann. Er ist Senior Rese-


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archer und Lehrbeauftragter am Departement Gesellschaftswissenschaften der Universität Basel und Co-Präsident der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie (saguf). Sein Fachbereich ist die gesellschaftswissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung. Darin fokussiert er auf Aspekte der politischen Steuerung von nachhaltigkeits-orientierten Transformationsprozessen und Auswirkungen auf die Demokratie.

Beginnen wir mit der Frage nach dem Begriff: Täuscht es, oder gibt es ein eher landläufiges Verständnis und ein wissenschaftliches Verständnis des Begriffes «Nachhaltigkeit»? Basil Bornemann: Ich stimme dem zu und würde das auch so beschreiben. Der Nachhaltigkeitsbegriff hat Einzug gehalten in die Alltagssprache … Franziska Bertschy: … und darin wird Nachhaltigkeit häufig mit Dauerhaftigkeit und Längerfristigkeit, aber auch mit Ökologie assoziiert. Basil Bornemann: Aber daneben gibt so etwas wie ein dezidiertes, wissenschaftliches Verständnis von Nachhaltigkeit. Das klassische Modell ist dabei das Drei-Säulen-Modell, das besagt, dass Nachhaltige Entwicklung nur möglich ist, wenn gleichzeitig und

gleichberechtigt ökologische, soziale und ökonomische Ziele behandelt und realisiert werden. Ich glaube persönlich, dass das nicht ganz zureichend ist. Ich würde das mal anders beschreiben und andere drei Dimensionen sehen für ein wissenschaftliches Verständnis von Nachhaltigkeit. Die erste Dimension ist die Berücksichtigung ökologischer Tragfähigkeitsgrenzen. Dies wird in den Medien oft mit den Begriffen «planetary boundaries» oder «carrying capacities» umschrieben. Es geht um ökologische Grenzen, die zu berücksichtigen sind. Die zweite Dimension ist Gerechtigkeit und die dritte Dimension ist der partizipative Umgang mit Kontroversität angesichts der Einsicht, dass Nachhaltigkeit kontextspezifisch gedeutet werden muss, weil die Probleme beispielsweise je nach Ort variieren. Franziska Bertschy: Mir fällt auf, dass beim Alltagsverständnis von Nachhaltiger Entwicklung der Fokus oft lediglich auf der ökologischen Dimension liegt und die anderen Dimensionen kaum miteinbezogen werden. Diese Fokussierung ist auch historisch begründet, ging es doch beim Begriff Nachhaltigkeit ursprünglich um die nachhaltige beziehungsweise längerfristige Bewirtschaftung des Waldes. Susanne Störch Mehring: Ich kann mich Franziska da absolut anschliessen. Was mir noch wichtig ist:

Franziska Bertschy, Leiterin der Professur Didaktik des Sachunterrichts am Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW: «Bildung für Nachhaltige Entwicklung hat zum Ziel, Kinder und Jugendliche zur Mitgestaltung einer Nachhaltigen Entwicklung zu befähigen; ihnen eine differenziertere und zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit Themen einer Nachhaltigen Entwicklung wie Mobilität, Ernährung oder Tourismus zu ermöglichen – in ihrer Komplexität stets an das Alter der Schüler*innen angepasst.»

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Basil Bornemann, Senior Researcher und Lehrbeauftragter am Departement Gesellschaftswissenschaften der Universität Basel: «Die Studierenden von vor sieben, acht Jahren waren in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen weniger politisch orientiert als die Studierenden, die in den letzten zwei, drei Jahren in den Seminaren sind.»

Nachhaltigkeit wird sehr inflationär verwendet, sodass es wichtig ist, mit den Gesprächspartner*innen zu klären, was sie unter Nachhaltigkeit verstehen oder worauf sie sich beziehen. In den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung oder Sustainability Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen werden unterschiedlichste Aspekte aufgeführt. Die Ziele reichen von «Keine Armut» und «Kein Hunger», über «Geschlechtergleichheit» zu «Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum» und «Massnahmen zum Klimaschutz». Ist dieses breite Themenspektrum ein Grund für das Bedürfnis, die Verständnisse zu klären? Basil Bornemann: Ich stimme Susanne zu, dass es sehr stark diese kontextspezifischen Verständnisse gibt – und diese haben auch ihre Berechtigung. Was ich vorhin formuliert habe, ist so etwas wie die kritische Folie, wo man fragen kann: «Sind das Alltagsverständnisse? Oder sind das Begrifflichkeiten, die einer wissenschaftlichen Reflexion standhalten?» Franziska hat bereits erwähnt, dass der Nachhaltigkeitsbegriff und der Diskurs sehr lange und sehr stark auf die ökologische Dimension ausgerichtet waren. Das hatte auch politische Gründe. Es gab aber Veränderungen in den Diskursen. Veränderungen, die, glaube ich, mit der Verabschiedung der SDG im Jahr 2015 besonders

deutlich zum Ausdruck kommen. Es hat eine Verschiebung gegeben. Man spricht auch nicht mehr von Nachhaltiger Entwicklung, sondern sehr viel stärker vom Begriff der Transformation. Damit ist deutlich geworden, dass der Begriff aus der ökologischen Ecke ein Stück weit rausgeführt werden soll und Nachhaltigkeit als umfassende gesellschaftliche Leitidee gedacht wird. Man kann jetzt sagen, dass dies bereits im Brundtland-Bericht von 1987 angelegt war. Aber mit der Agenda 2030 wird dies nun auch auf einer politischen Ebene breit anerkannt.

Richten wir den Fokus auf die Schule: Wie kam der Begriff Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) auf? Franziska Bertschy: Die Diskussion um den Beitrag von Bildung im Rahmen einer Nachhaltigen Entwicklung ist in den 1990er-Jahren aufgekommen, in der Schweiz eher später, zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Zunächst dachten viele, BNE sei gleichzusetzen mit Umweltbildung und auch so in Schule und Unterricht zu integrieren. Erst mit einer theoretisch-konzeptuellen Klärung wurde deutlich, was BNE heisst. BNE ist in der Zwischenzeit in allen Sprachregionen der Schweiz in den Lehrplänen verankert. BNE hat zum Ziel, Kinder und Jugendliche zur Mitgestaltung einer Nachhaltigen Entwicklung zu befähigen; ihnen eine differenziertere

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und zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit Themen einer Nachhaltigen Entwicklung wie Mobilität, Ernährung oder Tourismus zu ermöglichen – in ihrer Komplexität stets an das Alter der Schüler*innen angepasst. Susanne Störch Mehring: Am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW ist das Ressort noch relativ neu. Es wurde als eine bewusste Setzung gegründet, weil man den Bereich stärken möchte. Beispielsweise werden die expliziten BNE-Bezüge in den Weiterbildungskursen immer noch vor allem in den «Natur, Mensch, Gesellschaft»-Fächern (NMG) gemacht. Aber wenn man dann genauer hinschaut, merkt man, dass sich BNE-Aspekte auch in anderen Fächern ausbreiten – und speziell im überfachlichen Bereich Synergien zu finden sind. Es besteht aber sicher noch Potenzial, die Thematiken noch weiter zu öffnen und die ganze Breite abzubilden. Franziska Bertschy: Ich finde diese Öffnung auch bemerkenswert. Nachhaltige Entwicklung war im Bildungskontext zunächst stark durch naturwissenschafts- und geografiedidaktische Zugänge geprägt. Das hat sich geändert. Heute haben BNE-Diskurse zum Beispiel auch im Bildnerischen Gestalten, im Technischen Gestalten, in der Musik und in der Erziehungswissenschaft Einzug gehalten. Susanne Störch Mehring: Ich habe in meiner Rolle ja hauptsächlich mit Lehrpersonen und Schulleitungen Kontakt. Und ich finde interessant, dass es auch hier Veränderungen gibt. Ein zentraler Begriff im BNE-Kontext ist Partizipation. Ich nehme wahr, dass das nicht nur bei den Schüler*innen ein Thema ist, sondern auch von den Lehrpersonen getragen wird und zum Teil auch in den Schulleitungen angekommen ist. Einige Schulen setzen vermehrt auf eine partizipative Führungskultur oder setzen andere Elemente der Selbstbestimmung um. Der Lehrplan 21 nennt unter der Leitidee sieben fächerübergreifende Themen: Politik, Demokratie und Menschenrechte; Natürliche Umwelt und Ressourcen; Geschlechter und Gleichstellung; Gesundheit; Globale Entwicklung und Frieden; Kulturelle Identitäten und interkulturelle Verständigung sowie Wirtschaft und Konsum. Diese seien in den seltensten Fällen einem einzelnen Fachbereich zuzuordnen, heisst es weiter. Erschwert das Umsetzungen im Unterricht? Franziska Bertschy: BNE ist in der Tat als überfachliches und fachbereichsverbindendes Anliegen in vielen Lehrplänen verankert, dies ist auch aus theoretisch konzeptuellen Überlegungen sinnvoll. In den Zyklen 1

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und 2, wo viele Lehrpersonen das ganze Fachbereichs-Spektrum unterrichten, wird die Umsetzung von BNE dadurch erleichtert. Am Institut Kindergarten-/Unterstufe legen wir neben Lehrveranstaltungen zum Thema BNE einen Schwerpunkt auf fächerübergreifende und im Bereich NMG auf Perspektivenverbindung als zentrale Anforderung. Die Studierenden sind daher darauf sensibilisiert, den Unterricht nicht nur fachbereichsspezifisch zu gestalten, und setzen sich mit verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten auseinander. Um Themen Nachhaltiger Entwicklung zu bearbeiten, gehört auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven von Akteur*innen und mit deren Interessen dazu. In NMG-Modulen lernen die Studierenden deshalb auch die Begriffe Inter- und Transdisziplinarität kennen. Basil Bornemann: Transdisziplinarität ist auch in der universitären Forschung und Lehre ein wichtiges Thema. Immer mehr Projekte zu Fragen gesellschaftlicher Nachhaltigkeitstransformationen binden nicht nur unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen, sondern auch das praktische Wissen gesellschaftlicher Akteur*innen ein. In der Lehre gibt es aber noch viel Luft nach oben, wenn es um die Aneignung von transdisziplinären Kompetenzen geht. Mich würde es interessieren, wie sie in der Schule – gerade auch im Kindergarten oder auf der Unterstufe – eine Rolle spielt? Das finde ich richtig spannend. Franziska Bertschy: Wir entwickeln zusammen mit Lehrpersonen Unterrichssettings mit Fragestellungen, die aus verschiedenen Fachbereichen, aus verschiedenen fachlichen und Akteur*innenperspektiven bearbeitet werden können. Die Schüler*innen lernen im Unterricht konkrete Akteur*innen und deren spezifisches Wissen und Interesse kennen. Dies kann zum Beispiel im Rahmen von Exkursionen oder Besuchen im Unterricht erfolgen: eine Landwirtin oder ein Grossverteiler, die ihre Sicht auf die Produktion von Eiern einbringen. Solche Ansätze veranschaulichen die Komplexität von BNE-Themen zusätzlich und lassen sie besser mit der Lebenswelt der Kinder verbinden. Bereits im ersten Zyklus können BNE-Bildungsprozesse angeregt werden.

Führt man im Unterricht bereits auf der Kindergartenoder Primarstufe den Nachhaltigkeitsbegriff ein? Oder werden die im Lehrplan genannten Themen eher beiläufig aufgegriffen? Franziska Bertschy: Es gibt Lehrpersonen, die den Nachhaltigkeitsbegriff schon früh explizit einführen. Aus meiner Sicht ist dies aber gar nicht notwendig. Wenn Kinder aber danach fragen, sollte dieser selbstverständlich erklärt werden. Für die Auseinanderset-


FOKUS

Susanne Störch Mehring, Leiterin des Ressorts BNE am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW: «Es wäre ein Ansatz, die Prinzipien der BNE auch als Präventionsgedanken zu sehen. Kinder zu stärken, dass sie lernen mit der Komplexität umzugehen. Dass sie Wege finden, wie sie für sich mündig werden, Selbstwirksamkeit erfahren und auch eine gewisse Resilienz entwickeln.»

zung mit Themen Nachhaltiger Entwicklung im Rahmen einer BNE braucht es die Definition nicht. Spannender ist es, als Lehrpersonen Themen zu finden, die fachbereichsverbindend und aus unterschiedlichen Blickwinkeln bearbeitet werden können. Entscheidend ist dabei, zwischen Lernen für Nachhaltigkeit und Bildung für Nachhaltige Entwicklung zu unterscheiden. In der Volksschule liegt der Schwerpunkt auf Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Dies bedeutet, dass die Förderung von Mündigkeit und Urteilsbildung im Zentrum steht. Es geht also nicht darum, Kindern und Jugendlichen das «richtige» Verhalten wie Wasser- oder Stromsparen zu vermitteln, sondern sie zu befähigen, abzuwägen und fundierte Urteile zu fällen. Basil Bornemann: Hier knüpfe ich gerne kurz an. Einerseits finde ich das eine interessante und wichtige Differenzierung. Andererseits sehe ich hier auch eine grosse Kontinuität zu dem, was auch in universitären Studiengängen gemacht wird. An der Universität Basel etwa gibt es den Masterstudiengang Sustainable Development, der stark auf Interdisziplinarität setzt und der auch bei verschiedenen Fakultäten angesiedelt ist, was eher ungewöhnlich ist. Aber genau hier liegt die Kontinuität: Handlungs- oder Problemfelder als Ausgangspunkt zu nehmen und von da aus Perspektivität zu entwickeln. Unterschiedliche natur-

wissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche, sozial- und geisteswissenschaftliche Wissensbestände zu aktivieren, um erst mal Problemanalyse zu betreiben und dann sozusagen das Problem lösungsorientiert aufzuarbeiten. Susanne Störch Mehring: Aus meiner Sicht bildet sich das in den Schulen auch ab. Ich nenne mal das Stichwort «Whole-School-Approach», das ist ein ganzheitlicher institutioneller Ansatz, der nicht nur den Unterricht oder einzelne Fächer in den Blick nimmt, sondern die Schule als Ganzes. Dieser Ansatz ist herausfordernd, aber es gibt doch erste Schulen, die sich auf den Weg in diese Richtung machen. Im Sinne einer «gelebten» BNE, die sich im Schulalltag sowie in der Schulentwicklung abbildet, wird BNE hier nicht nur in spezifischen Unterrichtsthemen berücksichtigt, sondern es werden spezifische Aspekte – beispielsweise ein reflektierter Umgang mit Menschen und Ressourcen für den gesamten Schulalltag – handlungsleitend.

Gibt es aus Sicht der Nachhaltigkeitsforschung Ansätze, wie sich die Schule als Ganzes verändern könnte oder sollte? Basil Bornemann: Mit Blick auf die Schule fällt mir das schwer. Ein Gedanke, der mir vorhin gekommen ist: Ich sehe eine potenzielle Überforderung der Instituti-

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on Schule, wenn die Nachhaltigkeitsfrage ausschliesslich zur Bildungsfrage gemacht wird. Klar: Bildung ist total zentral, aber wir dürfen über die Bildungsfrage hinaus nicht vergessen, dass es auch darüberhinausgehende Strukturfragen sind, die wir als Gesellschaft bearbeiten müssen. Natürlich können wir davon ausgehen, wenn wir Bildung für Nachhaltige Entwicklung machen, dass wir dann eine Generation von Entscheidungsträger*innen hervorbringen, die dann vielleicht künftig andere Strukturen prägen. Aber trotzdem ist, glaube ich, die alleinige Hoffnung auf die Schule aus meiner Sicht eine Überforderung. Ich sehe es auch bei meinen Studierenden. Denn wenn in Seminaren die vermeintliche Ausweglosigkeit in der Klimafrage thematisiert und analysiert wird, lautet ihre Lösung oft: Bildung. Und da bin ich dann immer vorsichtig und weise auf andere Punkte hin, wie etwa die Bedeutung von gesellschaftlichen Diskursen, materiellen Infrastrukturen, sozialen Bewegungen oder staatlicher Steuerung. Franziska Bertschy: Diesen Punkt unterstütze ich sehr. Bildung kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, dies ist auch nicht die Aufgabe von Schule und Unterricht.

Ist diese potenzielle Überforderung ein Thema in den Weiterbildungen? Wer nutzt die Angebote? Susanne Störch Mehring: Bei den aktuellen BNEWeiterbildungen im Kursprogramm der PH FHNW ist dies kein explizites Thema, doch einige Kurse setzen sich zumindest implizit mit der Reichweite sowie den Strukturfragen auseinander. Dieses Anspruchsdenken hinsichtlich der Bildungsfrage und der damit einhergehenden potenziellen Überforderung sehe ich allerdings nicht nur im Bereich BNE. Die Teilnehmenden an Weiterbildungen sind bunt durchmischt. Die einen interessieren sich für allgemeine Einführungen. Andere haben schon Kenntnisse in einem bestimmten Themenbereich und möchten diese vertiefen. Es ist auch nicht unbedingt erfahrungs- oder altersabhängig. Was alle eint, ist das Interesse an der Nachhaltigen Entwicklung. Wenn ich für Weiterbildungen mit Schulen in Kontakt bin, kommt im Moment ganz häufig das Thema psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen auf oder der Umgang mit Krisen. Situationen, die den Erwachsenen Angst machen, bilden sich bei den Schüler*innen ab. Hier wäre ein Ansatz, die Prinzipien der BNE auch als Präventionsgedanken zu sehen. Kinder zu stärken, dass sie lernen mit der Komplexität umzugehen. Dass sie Wege finden, wie sie für sich mündig werden, Selbstwirksamkeit erfahren und auch eine gewisse Resilienz entwickeln.

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Richten wir den Blick nun auf die Studierenden: Merkt man da, dass sie andere Einstellungen oder andere Grundlagen mitbringen als vielleicht noch vor einigen Jahren? Franziska Bertschy: Ich stelle fest, dass in den letzten Jahren Studierende zu uns kommen, die sich schon vorher mit Nachhaltiger Entwicklung auseinandergesetzt haben. Das war bis vor wenigen Jahren keine Selbstverständlichkeit. Dies hat einerseits mit den vorangehenden Schulen zu tun, aber andererseits sicher auch damit, dass das Thema gesellschaftlich breit diskutiert wird. Basil Bornemann: Ich beobachte an der Universität das Gleiche. Das gilt nicht nur bei den ökologischen Nachhaltigkeitszielen, sondern auch bei Genderfragen oder Fragen von Rassismus oder Dekolonisierung, die die Studierenden umtreiben. Es kommt auch häufiger vor, dass Studierende aus anderen Fachbereichen Veranstaltungen in diesen Kontexten besuchen. Zudem stelle ich fest, dass die Bereitschaft zu Kontroversität und die Bereitschaft grundlegendere Systemfragen zu stellen zugenommen hat. Die Studierenden von vor sieben, acht Jahren waren in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen weniger politisch orientiert als die Studierenden, die in den letzten zwei, drei Jahren in den Seminaren sind.

Besteht denn hier nicht die Gefahr, dass das Thema ideologisiert wird? Franziska Bertschy: Es ist wichtig zu erwähnen, dass wir mit den Studierenden eine spezielle Gruppe in den Blick nehmen. Das gestiegene Interesse an Nachhaltiger Entwicklung ist also nicht repräsentativ für junge Leute allgemein in der Schweiz. Wenn wir über BNE sprechen, gibt es Studierende, die das Studium mit der Idee beginnen, ihr Beitrag in der Schule sei es, den Kindern nachhaltiges Verhalten aufzuzeigen. Hier ist es unsere Aufgabe als PH, bei ihnen eine Reflexion darüber anzustossen, was ihr Auftrag als Lehrperson, was der Auftrag der obligatorischen Schule ist. Und ihnen aufzuzeigen, dass es nicht darum geht, Kinder für die Zwecke von Erwachsenen zu instrumentalisieren. Es ist wichtig, dass sie sich mit ihrer Rolle als Lehrperson in Abgrenzung zu ihrer Rolle als Bürger*innen der Schweiz differenziert auseinandersetzen.


DOSSIER

Lehrreiches Biotop In der Erlenmatt in Basel entstand auf private Initiative hin ein Feucht- und Trockenbiotop. Studierende der PH FHNW haben dafür einen interaktiven Lehrpfad zur Biodiversität in Städten und zum Klimaschutz entwickelt, der nun der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Von Marc Fischer

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iotope bieten Lebensräume für Tiere und Pflanzen und sorgen über Wasserverdunstung für ein angenehmeres Klima in ihrer Umgebung. So auch das «Martin-Vosseler-Biotop für Klima und Natur», das im Mai 2023 auf der Basler Erlenmatt eingeweiht wurde. Entstanden ist das Biotop auf eine Initiative des in Basel gegründeten Vereins «Grün her» hin. Mitgearbeitet haben Schüler*innen des Gymnasiums Leonhard im Rahmen des Ergänzungsfachs Umwelt. Und auch die PH FHNW war Kooperationspartnerin: Studierende der PH FHNW haben die Umgebung rund um das neue Biotop mit einem interaktiven Lehrpfad zur städtischen Biodiversität und zum Klimaschutz ausgestattet. Der digitale Biotop-Lehrpfad, ein sogenannter Actionbound, besteht aus sechs Tafeln, die über QR-Codes Wissenswertes über Klima, CO2 und Natur vermitteln.

Themen rund um den Klimawandel «In diesem Actionbound werden verschiedene Aspekte vermittelt», sagt Ruedi Küng, Dozent Fachdidaktik und Fachwissenschaft Biologie am Institut Sekundarstufe I und II an der PH FHNW. Zu den Themen, die im

interaktiven Lehrpfad behandelt werden, gehören der Wasserkreislauf, Biodiversität und Klimawandel, oder die Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz und weltweit. «Der Posten 'Meine konkreten Massnahmen' regt die Teilnehmenden zudem an, selbstwirksam zu handeln», so Küng. Entstanden sind die verschiedenen Posten und Aufgaben des Actionbounds im Rahmen von Leistungsnachweisen in einem Fachdidaktik-Modul des Masterstudiums Sekundarstufe I. Xenia Zindel war eine der Studierenden, die am Actionbound mitgewirkt hat. «Wir haben uns in Zweier- oder Dreiergruppen ein Thema ausgesucht und dann dazu recherchiert», so Zindel. Gemeinsam mit einer Kollegin hat sie untersucht, welchen Einfluss der Mensch auf die Umwelt hat. «Man ist sich der Thematik ja grundsätzlich bewusst», sagt Zindel. «Dennoch wurde mir durch die Arbeit am Thema nochmals bewusster, wie stark der Einfluss tatsächlich ist.» Abwechslungsreiche Aufgabenpalette Dies war jedoch nicht der einzige Punkt, aus dem Xenia Zindel Nutzen für ihre Tätigkeit als Lehrperson ziehen kann. Auch didaktische Aspekte kamen nicht zu kurz. «Das Erarbeiten der Fragestellungen für den Actionbound war eine grosse Herausforderung», sagt sie. Da der interaktive Postenlauf nun für die breite Öffentlichkeit zugänglich ist, galt es die Thematik so aufzubereiten, dass die Fragen für ein breites Publikum attraktiv und interessant sind. «Die Fragen sollten für Kinder, Schulklassen und Erwachsene ebenso spannend sein», betont Xenia Zindel. «Zudem sollte der Actionbound unterschiedliche Fragetypen enthalten, was Absprachen mit den anderen Studierenden-

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gruppen erforderte.» Tatsächlich gibt es neben offenen Fragen auch Multiple-Choice-Fragen oder die Teilnehmer*innen müssen Selfies aufnehmen, Audio-Dateien hochladen oder kurze Video-Clips drehen. Xenia Zindel sieht grosses Potenzial darin, künftig auch Unterrichtsstoffe so aufzubereiten, und betont: «Viele Themen im Bereich 'Natur und Technik' eignen sich dafür.». Dabei könne es ebenso lehrreich sein, einen bestehenden Actionbound zu absolvieren, wie die Schüler*innen selbst Fragestellungen und Posten erstellen zu lassen. Selbstwirksamkeit erleben Ruedi Küng hebt verschiedene Aspekte hervor, die ihn dazu veranlasst haben, das Actionbound-Projekt in der Erlenmatt durchzuführen. «Angehende Lehrpersonen werden im Rahmen ihrer Ausbildung an der PH FHNW geschult, Projekte und Methoden zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) im Bereich der Umweltbildung umzusetzen», sagt er. Der Verein «Grün her» unterstütze konkrete Massnahmen zur Förderung der Biodiversität im städtischen Raum, die in Zusammenarbeit mit Schüler*innen der Sekundarstufen I und II ausgeführt werden können. «Diese Handlungsoptionen vermitteln neben Fachwissen bei

allen Beteiligten Selbstwirksamkeitserfahrung», ist er überzeugt. «Sie zeigen den Jugendlichen auf, dass sie etwas verändern können.» Verbunden hat er das Projekt diesmal auch mit seiner zweiten Tätigkeit als Biologielehrer am Gymnasium Leonhard in Basel. Die Schüler*innen des Ergänzungsfachs Umwelt haben geholfen, das Biotop zu bauen. «Wir haben beim Aushub ebenso mitgearbeitet wie beim Auskleiden des Biotops mit der Folie und den Arbeiten zum Auffüllen mit Wasser», sagt Clara Bürge, die das Ergänzungsfach besucht hat. Es war dies nicht die einzige konkrete Erfahrung, die sie mitnimmt. «Wir haben unter anderem auch Hochbeete bepflanzt.» Das Ergänzungsfach habe sie gewählt, «weil mich wie viele Jugendliche das Thema Klima stark beschäftigt». Oftmals habe man aber nur die grossen Probleme wie die Energiewende oder den globalen CO2-Ausstoss im Blick. «Deshalb war es schön und motivierend, zu sehen, dass auch vergleichsweise kleine Aktionen etwas bewirken können», sagt Clara Bürge.

Beim Biotop in der Erlenmatt in Basel gibt es auch einen digitalen Lehrpfad. Foto: Verein Erle Perle, Basel

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«Mir ging es um Nachhaltigkeit im doppelten Sinn» Tamara Waldmeier, Sekundarlehrerin aus Sissach, baute 2022 im Rahmen ihrer Masterarbeit an der PH FHNW gemeinsam mit ihrer Klasse einen Teich. Aufgezeichnet von Virginia Nolan

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Naturwissenschaften begeistern mich seit jeher, insbesondere Biologie. Diese sollte auch in meiner Masterarbeit eine Rolle spielen. Auch das Thema Nachhaltigkeit, und zwar im doppelten Sinne: Meine Arbeit sollte für unsere Schule einen längerfristigen Nutzen haben. Es folgten Gespräche mit meiner Betreuungsperson und der Leitung der Sekundarschule, an der ich noch heute unterrichte. Meine Ideen nahmen Gestalt an: Zusammen mit den Schüler*innen wollte ich einen Teich anlegen – ein Biotop, das heimischen Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum dient. Die Umsetzung des Teiches im Dienst der Artenvielfalt ist das übergeordnete Ziel meiner Masterarbeit. Diese verfolgt jedoch eine Reihe weiterer Ziele auf Schulebene. Insbesondere sollte der Teich-Bau sowohl fächerübergreifendes als auch überfachliches Lernen ermöglichen. Von besonderem Interesse ist dabei einerseits die im Lehrplan 21 formulierte Leitidee Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Diese umfasst sieben fächerübergreifende Themen, die eine nachhaltigere Entwicklung fördern sollen. Andererseits sollten, wie gesagt, überfachliche Kompetenzen und in diesem Zusammenhang das Potenzial von Projektunterricht im Fokus stehen. Dabei greift meine Arbeit zwei zentrale Fragen auf: Können mit Projektunterricht BNE-relevante Kompetenzen gefördert werden? Und: Hat Projektunterricht einen positiven Einfluss auf die Selbstwirksamkeit der Schüler*innen, wenn es um Nachhaltigkeit geht? Also: Bestärkt er sie im Gefühl, gegen Umweltprobleme etwas bewirken zu können? Die Durchführungsklasse zählte 19 Schüler*innen am Ende des ersten Schuljahres der Sekundarstufe I. In Gruppen erarbeiteten wir Teilprojekte rund um die Planung und Erstellung des Teichs. Es dauerte über ein halbes Jahr, bis der (fast) fertige Teich stand. Ich blicke auf zwei grosse Herausforderungen zurück: Erstens hatte ich keinerlei Vorwissen, was das Planen und Bauen eines Teiches betrifft – bei Kontakten mit zuständigen Behörden griff mir die Schulleitung unter

die Arme. Zweitens war Projektunterricht für mich eine Hürde, weil das Setting viel Spontanität, Flexibilität und Offenheit erforderte. Man muss ein Stück Kontrolle abgeben. Das fiel mir anfangs schwer. Auch für die Klasse war die Situation neu: Nächste Schritte werden nicht durchgängig vorgegeben, sondern müssen selbstständig erarbeitet werden. Trotz Unsicherheiten gelang vieles besser und schneller als erwartet. Auch wenn die Klasse, die sich heute im dritten Schuljahr befindet, schulisch eher leistungsschwach ist, zeigten alle viel Einsatz bei der Umsetzung und erwiesen sich als praktisch handelnd und denkend. Von Verhaltensproblemen, die den regulären Unterricht manchmal stören, war keine Spur. Zwei zeitlich versetzte Klassenumfragen sollten Aufschluss darüber geben, ob Projektunterricht geeignet ist, um BNE-relevante Kompetenzen und die Selbstwirksamkeit im Hinblick auf Umweltfragen zu fördern. Die Auswertungen zeigen: Definitiv eignet sich Projektunterricht, um BNE-relevante Kompetenzen zu erarbeiten. Nicht nur das: In unserem Fall waren auch mathematische, technisch-gestalterische oder Fähigkeiten aus dem Fachbereich Deutsch gefragt. Die Schüler*innen schätzten vor allem die aktive Partizipation – und stellten dabei überfachliche Kompetenzen wie Selbstständigkeit und Kooperationsfähigkeit erfolgreich unter Beweis. Etwas ernüchternd fiel ein Befund aus: Im Gefühl, etwas gegen Umweltprobleme tun zu können, hat das Projekt die Schüler*innen nicht extrem bestärkt. Hier spielten vermutlich unterschiedliche Faktoren mit hinein. Unter anderem erfolgten die Befragungen aufgrund Änderungen in der Klassenzusammensetzung nicht mit den durchweg gleichen Personen. Auch hatten viele das Gefühl, so etwas Grosses wie einen Teich nicht allein umsetzen zu können. Möglicherweise wären kleinere Projekte da hilfreicher gewesen. Und vielleicht sind im jungen Jugendalter andere Fragen – die erste Liebe, die Lehrstellensuche – einfach aktueller.»

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Bühne frei für Kreativität und Fantasie Während eines Schuljahres erarbeiten Klassen eine Produktion für das Schultheatertreffen 2024 – dabei werden auch zahlreiche überfachliche Kompetenzen geschult. Von Marc Fischer

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Du!» – «Wer? Ich?» – «Ja, du!» Dritt- und Viertklässler*innen stehen im Kreis in der Aula des Aarauer Gönhard-Schulhauses. Immer wieder geht ein Kind durch den Kreis auf ein anderes zu und der Dialog ertönt. «Du!» – «Wer? Ich?» – «Ja, du!» Mal klingt es schüchtern, mal wütend. Mal trotzig, mal erfreut. Die Schüler*innen von Anja und David Bugmann sind mitten in einem Theaterpädagogik-

Workshop, den Regina Wurster, Leiterin des Ressorts Theaterpädagogik der PH FHNW, leitet. Sie modulieren ihre Stimme, probieren deren Wirkung aus, transportieren mit ihr Gefühle. Es ist Mitte August und der Workshop ist der Kickoff-Anlass für ein Schuljahr, in dem Theater in den beiden Klassen eine grosse Rolle spielen wird. Anja und David Bugmann nehmen mit ihren Klassen am Schultheatertreffen im Juni 2024 teil (vgl. Box) und erarbeiten gemeinsam eine Produktion. Bis dahin ist der Weg noch weit. «Aktuell ist einzig klar, dass die 45 Schüler*innen der beiden Klassen in der Produktion mitspielen werden», sagt David Bugmann im Gespräch nach dem Workshop mit einem Schmunzeln. «Alles weitere werden wir in den nächs-

«Du!» – «Wer? Ich?» – «Ja, du!»: Aarauer Schüler*innen modulierten im Theaterworkshop ihre Stimme und drückten so andere Gefühlslagen aus. Foto: Marc Fischer

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ten Monaten gemeinsam erarbeiten.» Anja Bugmann ergänzt: «Ein Schüler kam schon zu mir und hat gesagt, im Stück müsse dann unbedingt ein König vorkommen. Eine andere Schülerin hat mir einen Zettel mit Ideen mitgegeben. Alle sind mit Begeisterung und Euphorie dabei.» Dies ist auch im Kickoff-Workshop spürbar. Regina Wurster zeigt nun auf den Rand der leeren Bühne in der Aula. «Seht ihr die Parkbank?», fragt sie. Es dauert einen Moment, bis die Kinder darauf einsteigen. «Ihr seht doch die Parkbank, jetzt brauche ich Leute, die sich darauf setzen und ohne Worte ein Gefühl oder eine Aktion darstellen.» Nun haben die Schüler*innen verstanden. Die ersten beiden setzen sich auf die imaginäre Parkbank und machen durch ihre Körpersprache deutlich, dass sie verärgert oder euphorisch sind oder dass sie gelangweilt Autos hinterherblicken. Kurz darauf geht es in einer nächsten Übung darum, sich blind nur an der Fingerkuppe des Zeigfingers durch den Raum führen zu lassen und so auf die Bewegungen des jeweils Führenden einzugehen. Die Lektion vergeht wie im Flug – und als die Schulglocke ertönt, sind alle noch mit vollem Eifer dabei. Konzentration, Kreativität, Auftrittskompetenz «In normalen Unterrichtsstunden ist es schwierig, die Konzentration so lange hochzuhalten», weiss Anja Bugmann aus Erfahrung. Damit spricht sie einen der Gründe an, weshalb sie und ihr Mann sich entschlossen haben, mit einem Projekt am Schultheatertreffen teilzunehmen. «Die Konzentration ist sicherlich eine der überfachlichen Kompetenzen, die mit theaterpädagogischem Unterricht gefördert werden kann», sagt sie. Hinzu kommen noch zahlreiche andere: Die Fantasie der Schüler*innen wird beispielsweise angeregt, sie können ihre Auftrittskompetenz schulen oder lernen aufeinander einzugehen. Regina Wurster führt noch einen weiteren Aspekt an: «Die theaterpädagogische Arbeit in der eigenen Klasse unterstützt die Beziehungsarbeit zwischen Schüler*innen und Lehrperson. Und nur in einem guten Beziehungskontext lässt sich nachhaltig lernen und lehren.» «Vieles passiert dabei spielerisch und beiläufig, während die Kinder grossen Spass am Theater haben», sagt Anja Bugmann. David Bugmann, der schon dreimal am Schultheatertreffen teilgenommen hat, führt noch einen weiteren Punkt ins Feld: «Das Gemeinschaftsgefühl in den Klassen steigt. Alle haben jeweils auch die Gruppe im Blick. Die Schüler*innen erschaffen gemeinsam nicht nur eine Produktion, sondern ein Erlebnis, das sie stolz macht und das ihnen in Erinnerung bleibt.»

Viel zum Gemeinschaftsgefühl trägt sicherlich die partizipative Art und Weise bei, in der die Produktion erarbeitet wird. Zwei Lektionen pro Woche werden die beiden Klassen miteinander verbringen und auf das Schultheatertreffen hinarbeiten. «Die Kinder werden ihre Ideen einbringen. Wir werden an den Ideen arbeiten und sie weiterentwickeln», sagt David Bugmann. Dabei werden nicht nur Fantasie und Kreativität gefördert, sondern die Schüler*innen lernen auch, ihre Ideen zu verkaufen. «Etwas, das ihnen später auch im Berufsleben viel nützen wird», wie David Bugmann betont. Die beiden Lehrpersonen sind im Erarbeitungsprozess quasi die Regisseure, die letztlich die Fäden in der Hand halten und dafür sorgen, dass aus der sprudelnden Kreativität eine Produktion mit rotem Faden entsteht. Weiterbildung für Lehrpersonen Begleitet werden die Lehrpersonen, die am Schultheatertreffen 2024 teilnehmen, von den Expert*innen des Ressorts Theaterpädagogik der PH FHNW. «Für die Lehrpersonen ist es eine offizielle Weiterbildung», erklärt Ressortleiterin Regina Wurster. Immer wieder gibt es thematische Kursblocks, wie etwa zum Thema «Dramaturgie entwickeln» oder «Übergänge inszenieren». Dazwischen finden zudem Online-Sessions statt, in denen sich die Lehrpersonen der teilnehmenden Klassen über die aktuellen Herausforderungen und Highlights ihrer Produktionen austauschen können. «Dieser Austausch ist sehr wichtig», so Wurster. «Er gibt immer wieder neue Einblicke und Ideen, welche die Lehrpersonen dann sogleich konkret mit ihren Klassen ausprobieren können.»

21 PRODUKTIONEN IN AARAU Das Schultheatertreffen der PH FHNW findet im Zweijahresrhythmus statt. Im Juni 2024 werden auf der Bühne der Alten Reithalle in Aarau 21 Produktionen gezeigt. «Als Rahmen gilt, dass die Produktionen selbst erarbeitet werden müssen und nicht länger als 40 Minuten sein dürfen», sagt Regina Wurster. Die Klassen präsentieren ihre Produktionen jeweils vor drei anderen Klassen, anschliessend diskutieren die Schüler*innen darüber. «So entsteht eine Art Expert*innentagung», sagt Regina Wurster. Es sei jeweils beeindruckend zu sehen, dass die Schüler*innen nach einem Jahr intensiver Arbeit sehr fundierte Feedbacks und Inputs geben.

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Die Digitalisierung setzte in den letzten Jahren auch im Bereich Theater ein. Hier die Produktion «Unsichtbar» von 2022. Foto: Eve Marie Lagger

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Die Beratungsstelle Theaterpädagogik feiert Geburtstag Theaterpädagogik kann vielfältig eingesetzt werden. Seit 50 Jahren stehen Expert*innen Interessierten mit Rat und Tat zur Seite. Neue Medien eröffnen dabei neue Möglichkeiten. Von Marc Fischer

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m Herbst 1973 kommt im Kanton Aargau im Rahmen eines Gesprächs der Stiftung Pro Argovia erstmals die Forderung nach einer Schultheater-Beratungsstelle auf. Bereits 1974 wird daraufhin eine solche Beratungsstelle in Baden eingerichtet. In der Folge wurde sie zunächst in die Aargauer Lehramtsschule integriert und später Teil der Fachhochschule Aargau. Mit der Gründung der PH FHNW wurde die Beratungsstelle umbenannt. Seither heisst sie Beratungsstelle Theaterpädagogik und ist am Institut für Weiterbildung und Beratung der PH FHNW angesiedelt. Im kommenden Juni feiert die Beratungsstelle Theaterpädagogik ihr 50-Jahr-Jubiläum im Rahmen des Schultheatertreffens mit einem Festakt mit Podiumsdiskussion. In all den Jahren begleiteten die Expert*innen der Beratungsstelle Hunderte Schultheaterproduktionen, leiteten Ausbildungsmodule für Studierende und Weiterbildungskurse für Lehrpersonen und standen unzähligen Lehrpersonen mit Rat und Tat zur Seite. Das Schultheatertreffen etwa (vgl. S. 18) wurde erstmals bereits im Jahr 1982 durchgeführt.

sie. «Die Einsatzmöglichkeiten reichen von kurzen Interventionsspielen bis zur Produktion von ganzen Stücken.» Mithilfe von Methoden und Zugängen, die sich am Theaterhandwerk orientieren, kann dabei das Lernen in allen Fächern angeregt werden. Gefördert würden dabei vor allem überfachliche Kompetenzen, betont Wurster. Theaterpädagogische Lernprozesse werden durch die Performativität der Dinge, Gegenstände, Personen und Medien ermöglicht. Eine Fragestellung hierzu kann beispielsweise sein: «Wie kann Symmetrie im Raum erfahrbar werden?» «Das Lernen durch Erleben zählt zu den nachhaltigsten Lernformen», ist Regina Wurster überzeugt. In den 50 Jahren seit der Gründung der Beratungsstelle hat sich die Welt gewandelt – und die Theaterpädagogik stets mit ihr. In den letzten Jahren hat, nicht zuletzt als Auswirkung der Coronapandemie, auch in diesem Bereich eine Digitalisierung eingesetzt. Damit ist nicht nur der Einsatz digitaler Hilfsmittel und Plattformen gemeint. Während des Schultheatertreffens beschäftigt sich zum Beispiel eine Produktion intensiv mit der Form des Informatiktheaters. Dabei wird die Klasse von einem Forschungsprojekt begleitet.

Seit zwanzig Jahren gehört Regina Wurster zum Team, vor zehn Jahren hat sie dessen Leitung übernommen. «Theaterpädagogik hat viele Facetten», sagt

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Mit anderen Augen und Ohren für die Natur Im Kindergarten in Buochs haben zwei Lehrpersonen Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) und Musik zusammenfliessen lassen. Nun spriesst der Schulgarten wieder. Von Michael Hunziker

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ie beiden Kindergartenlehrpersonen Sara Barmettler und Sarah Bossert von der Schule Buochs (NW) wollten eigentlich im Rahmen ihres Unterrichts mit den Schüler*innen den Schmetterling behandeln. Dazu hätte sich der Schulgarten prima geeignet. Doch als sie sich genauer mit dem Realexperiment «Hortus Sonus» und den Unterrichtsmaterialien auseinandersetzten und den verwilderten Zustand des Gartens in ihre Planung miteinbe-

zogen, kamen sie schnell zum Schluss: «Das wird etwas Grösseres. Warum beginnen wir nicht von Grund auf neu», erzählt Sarah Bossert. Sie nahmen sich vor, gemeinsam mit ihrer Klasse den Garten neu zu gestalten. Im BNE-Unterrichtsprojekt erarbeiteten sie mit den Schüler*innen spielerisch und experimentierend mit Mitteln der Musik ein Verständnis über die Zusammenhänge in dem künftigen Biotop und spielten verschiedene Zielkonflikte durch, bevor sie wirklich zur Schaufel griffen und mit Roden und Anpflanzen begannen. Klassik und zeitgenössische Musik BNE-Unterricht fokussiert auf gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Zusammenhänge, während in der Musik Ausdruck und Kreativität im Vorder-

Wenn der Rasenmäher zu intensiv rätscht, geht das leise Klingen der Blumenwiese unter. 22 DAS HEFT PH-Magazin Nr. 10 2023


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Die Kinder erfuhren im Spiel musikalische Parameter wie Lautstärke, Rhythmus oder Tempo. Foto: Julia Niederhauser

grund stehen – die beiden Zugänge sind vordergründig eher unterschiedlich. Dass sie aber dennoch ganz gut zusammenpassen, hat sich den beiden Lehrpersonen laufend gezeigt. Die musikalischen Unterrichtseinheiten hat Zita Bucher, Musikerin (Saxofon) und Rhythmik-Dozentin an der PH FHNW, entwickelt. «Garten und Musik – das ist keine exotische Paarung. Das Thema taucht in der impressionistischen klassischen Musik immer wieder auf», berichtet sie. «Man denke etwa an 'Jardins sous la pluie' von Debussy.» Bucher hat verschiedene solcher Garten-Fragmente aus der Klassik und der zeitgenössischen Musik recherchiert und zu einer Unterrichtssequenz zusammengestellt. Diese musikalischen Fragmente bildeten den Auftakt bei den beiden Lehrpersonen aus Buochs. «Wir haben mit der Klasse die einzelnen Musik-Passagen den verschiedenen Situationen im Garten zugeordnet, haben uns von den Klängen zu Bewegungen inspirieren lassen und so den Höreindruck der Kinder intensiviert»,

erzählt Sara Barmettler. Später ging es selbst ans Musizieren und klangliche Experimentieren. Die Kinder legten mit Symbolkarten kleine Partituren, wobei jedem Symbol ein oder mehrere Instrumente zugeordnet sind: So ist der Rasenmäher etwa eine Rätsche, die Blumenwiese ein Glockenspiel, die Maus ein Caxixi und so weiter. Zielkonflikte liessen nicht lange auf sich warten: Wenn man Fussball spielen will, muss die Wiese gemäht sein, was jedoch ein Nachteil für die Bienen und die Blumenvielfalt ist. Es gilt, die Balance zu halten. Wenn der Rasenmäher zu intensiv rätscht, geht das leise Klingen der Blumenwiese unter. Neben den musikalischen Parametern, welche die Kinder hier im Spiel direkt erfahren – Lautstärke, Klangfarben, Rhythmus und Tempo – kommt auch demokratisches Lernen auf den Plan. Zuhören, die anderen Klänge zulassen, die eigenen nicht unterschlagen. «Wenn die Kinder ihre eigene musikalische Idee verfolgen, wenn sie merken, ich habe eine eigene Stimme, die ich variieren und mit Qualitäten aufladen kann, entsteht ein Gespür für mu-

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sikalischen Ausdruck», fasst Bucher zusammen, «und auch für die Zusammenhänge im Garten.» Das bestätigen die Erfahrungen von Barmettler und Bossert: «Die Kinder waren mit anderen Augen und Ohren für die Natur auf dem Schulweg unterwegs. Sie haben auf einmal viel Neues entdeckt und mit uns geteilt.» Gemeinsam Entscheidungen ausgehandelt In der darauffolgenden Phase gings in die Stiefel und an die Schaufeln. Im verwilderten Garten sollten Beete angelegt und bepflanzt werden. Die Kinder handelten gemeinsame Entscheidungen aus, übernahmen Verantwortung, informierten die anderen Klassen, dass sie nicht über die Beete trampeln sollten, arbeiteten mit dem Hauswartteam zusammen und erklärten den Eltern an einem Anlass, wie dieses Stücklein Erde als Öko-System funktioniert. Sie waren zu Expert*innen ihrer eigenen Arbeit geworden, die sich selbst von Misserfolgen und den manchmal frustrierenden Wechselwirkungen der Natur nicht beirren liessen (Ameisen hatten die Karotten gefressen). Julia Niederhauser hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin der PH FHNW das Unterrichtsprojekt mitentwickelt. «Die teilweise abstrakten Fragen im Kontext von

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Nachhaltiger Entwicklung mit ihren komplexen Zusammenhängen lassen sich im 1. und 2. Zyklus mit musischen Zugängen sehr gut behandeln», sagt sie. «Das Übersetzen und Abstrahieren von einzelnen Aspekten, etwa in die Sprache der Musik, fördert das Verständnis und eröffnet einen kreativen Zugang.» Durch die Zusammenarbeit mit den musischen Fächern versucht das Realexperiment Visionen und Fiktionen in den ansonsten sehr realitätsbezogenen BNE-Unterricht zu holen. «Mit den Mitteln der Kunst entstehen andere Ideen und Lösungen, die die Lernenden in ihre Meinungsbildung miteinbeziehen können. Dieses spielerische Abwägen hilft ihnen, zu urteilsfähigen Personen zu werden.» Auch dies steht wieder im Bezug zum demokratischen Lernen. «In der Mitbestimmung und Handlungsorientierung liegt viel Potenzial für Bildungsprozesse», ist Niederhauser überzeugt. Auch die beiden Lehrerinnen stimmen dem zu, «aber es braucht auch die Flexibilität der Lehrpersonen, mit dieser Offenheit und Unberechenbarkeit umzugehen.» Der Schulgarten an der Schule in Buochs steht und gedeiht. Auch über die Ferienzeit im Sommer. Die

Das Bedürfnis, sich zu berauschen, scheint ein menschliches Bedürfnis zu sein. Bereits Kinder versetzen sich im Spiel gelegentlich in einen berauschenden Zustand. Später suchen Menschen den Rausch in Mutproben und im Sport, in Musik und Tanz, in der Liebe, der Spiritualität, der Kunst oder im Konsum von psychoaktiven Substanzen. Für Jugendliche sind Rauscherfahrungen besonders reizvoll, doch der Umgang mit Risiken oder verführerischen Tabakund Alkoholwerbungen ist eine enorme Herausforderung. Was genau ist Rausch? Warum streben wir nach ekstatischen Gefühlen und was fasziniert uns so daran? Die Ausstellung untersucht das Phänomen «Rausch» und dessen Auswirkungen. Auf einer multimedialen Reise begegnen die Besucher:innen geschichtlichen Hintergründen sowie den Möglichkeiten und Risiken eines Rausches. Dabei ist die grosse Frage, warum unsere Gesellschaft so widersprüchlich mit diesem Phänomen umgeht. Die Angebote für Schulklassen finden Sie hier:

hmb.ch/ rausch


DOSSIER

Die Schüler*innen legten im Garten selber Hand an. Foto: Julia Niederhauser

Schüler*innen und ihre Eltern haben verschiedene Ämtli übernommen und sich gegenseitig mit Giessen abgewechselt. Während des Realexperimentes «Hortus Sonus» ist der Funken auch auf die ganze Schule übergesprungen – unter anderem wurde eine Wurmkolonie für den Garten angelegt. Mittlerweile hat jede Klasse eine Kiste für Rüstabfälle, um die Würmer zu füttern. Im nächsten Jahr wollen Sarah Bossert und Sara Barmettler den Schulgarten weiter bespielen. In ihm warten nun Themen wie Jahreszeiten, Marienkäfer und vieles mehr.

REALEXPERIMENTE BNE UND KUNSTVERMITTLUNG Wissenschaftler*innen, Kunstschaffende und Lehrpersonen finden im Rahmen des Projekts «Garten bildet: BNE und Kunstvermittlung im Dialog» zu produktiven Kooperationen zusam– men. Aus drei verschiedenen PH-Professuren haben Corinne Vez, Andrina Jörg und Julia Niederhauser Realexperimente entwickelt. Deren Ziel ist es, den Schüler*innen durch künstlerische Mittel zu ermöglichen, sich die komplexen Themenwelten der BNE zu erschliessen und zu kreativen Lösungsansätzen sowie eigenen Positionen finden zu können. Für die Zyklen 1 und 2 stehen vier Unterrichtsprojekte bereit, die Verbindungen zwischen BNE und Theater, bildender Kunst, Musik und Fotografie auf innovative Weise ermöglichen. Verschiedene Unterrichtsmaterialien und weitere Informationen finden sich unter: www.fhnw.ch/ph/realexperimente

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BILDESSAY

Konsumblüten

Andrina Jörg ist Künstlerin und Kunstvermittlerin. Seit einigen Jahren arbeitet sie an der Sammlung einer «Konsum-Flora». Die organischen Erscheinungsformen unserer Konsumwelten inszeniert sie in unterschiedlichen Kunst-, Kultur- und Naturräumen, die «Konsumblüten» klassifiziert sie angelehnt an die botanische Vorgehensweise. Aus diesem Interesse ist das «Paranatur Forschungslaboratorium» hervorgegangen. In diesem arbeitet sie mit Konsumgütern vom Plastiklöffeln bis zu Süssigkeiten. Das «Paranatur Forschungslaboratorium» ergründet die heutigen Vorstellungen der Verflechtungen von Natur und Konsum. Die Arbeit, bestehend aus Inszenierungen, Objekten, Bestimmungsbüchern, Installationen und Fotografien, hinterfragt die Grenzen von Natur und Kultur und thematisiert die Zusammenhänge zwischen Natur und Konsum. Andrina Jörg arbeitet an der PH FHNW an der Professur Kulturvermittlung und Theaterpädagogik, wo sie auch unterrichtet und für phkultur am Standort Brugg-Windisch verantwortlich ist. Sie ist im Team des Forschungsprojekts «Bildung für Nachhaltige Entwicklung und Kunstvermittlung im Dialog», wo ihr Kunstprojekt Teil eines der entwickelten und beforschten Projekte ist. www.andrinajoerg.ch www.fhnw.ch/ph/realexperimente

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AUS DER PH

Die Schule als Safe Space gegen Diskriminierung In einem praxisorientierten Seminar der PH FHNW entwickeln Studierende der Erziehungswissenschaft Sensibilität für die vielfältigen Formen von Herabsetzung und Benachteiligung, unter denen Schüler*innen zu leiden haben. Deren Wohlbefinden nachhaltig stärken können die angehenden Lehrpersonen, indem sie «Sexismus & Co.» erfolgreich unterbinden. Von Thomas Röthlin

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ildung soll gemäss den Nachhaltigkeitszielen der Uno-Agenda 2030 «inklusiv» und «gleichberechtigt» sein. Um dies zu erreichen, muss im Schulkontext jegliche Form von Diskriminierung erkannt und aufgelöst werden können. Einen Beitrag dazu will das Projekt INGE K. leisten. Ins Leben gerufen hat es Sabrina Lisi, Dozentin und Forscherin an der Professur für Pädagogische Psychologie mit Schwerpunkt Entwicklung und Erziehung am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Doppelt oder dreifach benachteiligt INGE K. steht für intersektional ausgerichtete Geschlechterkompetenz – der weibliche Vorname im Projektname kommt also nicht von ungefähr. «Die Herabsetzung und Benachteiligung zum Beispiel von Mädchen oder queeren Jugendlichen ist allerdings oft nicht die einzige Form von Diskriminierung, die Schüler*innen erfahren», sagt Sabrina Lisi. Hinzukommen können Rassismus, Klassismus (Diskriminierung aufgrund des sozialen Status) und Ableismus (von

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engl. able, fähig sein, also Diskriminierung aufgrund einer Beeinträchtigung wie ADHS, Sehschwäche oder Lernschwierigkeiten). Gerade letztere Form sei in der Schule relativ weit verbreitet, so Lisi. Beleidigungen wie «Zappelphilipp» und «Brillenschlange» lassen grüssen. Intersektionalität liegt vor, wenn sich mehrere Diskriminierungsformen überschneiden. Ein Beispiel: Nicht alle Mädchen leiden in der Mathematik gleich stark unter den verbreiteten Geschlechterstereotypen («Frauen können nicht rechnen»). Jene, die einer ethnischen Minderheit angehören und/oder aus einem bildungsfernen Milieu stammen, sind doppelt oder dreifach benachteiligt. Die Folge können Ausgrenzung, Mobbing und – laut Sabrina Lisi nicht zu unterschätzen – Suizidalität sein. Anspruchsvolle Geschlechterkompetenz Die engagierte Forscherin fordert deshalb: «Gegen schulspezifische Störungen muss die Schule selbst ankämpfen und zum Safe Space werden.» Sprich: Lehrpersonen sollten die Resilienz, also das Wohlbefinden von Schüler*innen fördern. Doch dafür müssen sie «Diversitätskompetenz» erlangen, also die Fähigkeit, Verschiedenheiten zu erkennen, anzuerkennen und schützen zu können. Am anspruchsvollsten ist gemäss Sabrina Lisi die im Projektnamen hervorgehobene Geschlechterkompetenz. Dies deshalb, weil an den Schulen Buben und Mädchen selbstverständlicher und unmissverständlicher kategorisiert werden


AUS DER PH

In Schulklassen können unterschiedliche Formen von Diskriminierung vorkommen. Dem können Lehrpersonen entgegenwirken, indem sie «Sexismus & Co» unterbinden. Foto: AdobeStock

als zum Beispiel unterschiedlich privilegierte Kinder. «Ein Klassiker sind Gruppeneinteilungen», sagt Lisi: «Wenn es etwas Schweres zu tragen gilt, werden in der Regel die Jungs dazu aufgerufen.» Umgekehrt sollten es auch nicht nur die Mädchen sein, die dafür gelobt werden, dass sie «schön gemalt» haben. Feldforschung in pädagogischen Institutionen Wie man diese Binarität nicht unnötig reproduziert, lernen Studierende der Erziehungswissenschaften auf Sek-I- und Sek-II-Stufe seit 2022 im Seminar «Bye Bye Sexismus und Co.» an der PH FHNW. In der freiwilligen Veranstaltung eignen sie sich Wissen an und führen in pädagogischen Institutionen Feldforschung durch. Dabei vertiefen sie anhand einer ausgewählten Diskriminierungsform eine bestimmte Diversitätskompetenz. Die Forschungsfrage kann etwa lauten: Inwiefern fördert der Kindergarten XY die Möglichkeit sich auszuprobieren, etwa durch eine Verkleidungskiste? Und: Wie reagieren die pädagogischen Fachkräfte, wenn sich Mädchen nicht nur als Prinzessinnen und Buben nicht nur als Ritter verkleiden möchten? Oder auf der Primarstufe: Brechen die Fallbeispiele in den Unterrichtsmaterialien auch mal mit Klischees wie der

bürgerlichen Kleinfamilie, bestehend aus Vater, Mutter und zwei Kindern? Diese Frage der Repräsentation hat Seminarteilnehmerin Julia Thyroff erörtert, und zwar im Geschichtsunterricht. Gesellschaftliche Diversität müsse in den behandelten Geschichten ihren Niederschlag finden, fordert die angehende Gymnasiallehrerin. Die Zeit klassischer westeuropäischer Nationalgeschichten und Geschichten über «grosse Könige» sei vorbei. Vielmehr gelte es, globale Perspektiven einzunehmen und dabei auch marginalisierte Geschichten sichtbar zu machen. Thyroff stellte in Interviews fest, «dass Lehrpersonen dafür durchaus aufgeschlossen sind, aber oftmals schlicht daran scheitern, geeignetes Unterrichtsmaterial zu finden». Helge Müller hat das INGE-K.-Seminar ebenfalls absolviert. Er arbeitet bereits als Sekundarlehrer und beobachtete die Schüler*innen auf dem Pausenplatz. «Dort sind Lehrpersonen weniger präsent als im Schulzimmer, und die Jugendlichen verhalten sich natürlicher», begründet Müller sein Vorgehen. Was er gesehen habe, sei teils «recht heftig» gewesen: den

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AUS DER PH

Umgang und die Wortwahl der Schüler*innen untereinander, die Beschimpfung einer hörbeeinträchtigten Schülerin und dergleichen. Geeignete Unterrichtsmaterialien Was also tun, um den vielfältigen Formen von Diskriminierung Einhalt zu gebieten? Bei Helge Müller hat die Schulleitung eine Arbeitsgruppe einberufen, die einen Leitfaden ausarbeitet. Und Julia Thyroff verweist auf eine wachsende Sammlung geeigneter Unterrichtsmaterialien, die als Grundlagen des Seminars auf einer digitalen Pinnwand zugänglich sind (siehe untenstehenden QR-Code). Solche Medien waren im September auch Gegenstand des Weiterbildungskurses «Diversität in Schulbüchern?!» am Pädagogischen Zentrum Basel-Stadt. Sabrina Lisi möchte die Praxistransfers und Unterrichtsmaterialien am liebsten sämtlichen Schulstufen zur Verfügung stellen, «denn das Seminar scheint zu wirken». Darauf weisen die ersten Ergebnisse der soeben durchgeführten Evaluation hin. Die Befragung von Seminarteilnehmenden zu Beginn und zum Schluss der Veranstaltung zeigt gemäss Lisi «einen signifikanten Zuwachs an Diversitätssensibilität», vergli-

chen mit einer ebenfalls befragten Kontrollgruppe. Eine zweite Erkenntnis: Das Seminar müsste – entgegen dem aktuellen Curriculum – möglichst am Anfang der Ausbildung besucht werden können, gleichzeitig mit der Fachdidaktik. «Diskriminierung passiert nicht absichtlich», gibt Sabrina Lisi zu bedenken. Gerade deshalb wäre es für zukünftige Lehrpersonen zentral, Strategien gegen problematische Verhaltensweisen wie den Gender Bias möglichst früh zu entwickeln, um nicht wieder und wieder in die gleiche Falle zu tappen.

PADLET Das Padlet ist eine Sammlung an Literatur, Medien und Hilfestellungen für pädagogische Fachkräfte aus dem PH-FHNW-Seminar «Bye Bye Sexismus & Co».

Die Befragung von Seminarteilnehmenden zu Beginn und zum Schluss der Veranstaltung zeigt einen signifikanten Zuwachs an Diversitätssensibilität. PH-Magazin Nr. 10 2023 DAS HEFT 35


AUS DER PH

KlimaExperimente mit Comic und Wärmebildkamera Mit Experimenten können Schüler*innen an verschiedenen Posten Auswirkungen und Folgen der Erderwärmung erforschen. Als Rahmengeschichte um den Workshop, der an der PH FHNW entwickelt wurde, dient ein Sachcomic, den eine Studierende als Masterarbeit verfasst und gezeichnet hat. Von Marc Fischer

schäftigen sich intensiv mit diesen Fragen, stellen Vermutungen an und überprüfen sie mit Thermometer und Wärmebildkamera. Dabei stellen sie fest, dass man auf der Wärmebildkamera die Umrisse einer Hand sieht, wenn sie einen mit Luft gefüllten Ballon hält. Ist der Ballon allerdings mit Wasser gefüllt, ist die Hand auch auf der Wärmbildkamera nicht mehr zu erkennen.

it Luft und Wasser gefüllte Ballone, farbige Plastikmäppchen, schwarzbemalte und silberne Blechdosen, Wasserkocher, Flüssigkeitsthermometer, Indikatorlösung und Wärmebildkameras: Dies sind nur einige Materialien, die an diesem Vormittag in einem Unterrichtsraum der PH FHNW am Campus Muttenz verteilt sind. Zu Gast ist eine Klasse der FMS Muttenz und an den verschiedenen Posten experimentieren die Schüler*innen selbstständig anhand eines Aufgabendossiers. Kühlt die schwarze oder die silbrige Dose schneller ab? Welche Dose gibt mehr Wärmestrahlung ab? Ist ein mit Luft gefüllter Ballon durchlässig für Wärmestrahlung? Was passiert mit dem pH-Wert von Wasser, wenn der CO2-Anteil steigt? Die Schüler*innen be-

Sachcomic als Masterarbeit «Alle Posten haben einen gewissen Zusammenhang mit der Erderwärmung», sagt Brigitte Hänger, Dozentin an der Professur Naturwissenschaftsdidaktik und ihre Disziplinen des Instituts Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Sie hat mit ihren Kolleg*innen die Posten erarbeitet. «Man hört aktuell sehr viel über Klima- und Erderwärmung», sagt Tibor Gyalog. «Aber Unterrichtsmaterialien gibt es noch kaum.» Gyalog ist einerseits Co-Leiter der Professur, andererseits unterrichtet er an der FMS in Muttenz. Seine Klasse absolviert die Workshop-Posten an diesem Morgen. Auf Anregung des Energieversorgungsunternehmens Primeo Energie, das die Posten möglicherweise in sein Science- und Erlebniscenter «Energie Kosmos» aufnimmt,

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AUS DER PH

Die Wärmebildkamera zeigt, dass die schwarze Dose heisser ist als die silberne. Foto: Eleni Kougionis

sind nun die ebenso abwechslungs- wie lehrreichen Posten entstanden. Eingebettet sind sie in einen Sachcomic, der eine Rahmenhandlung erzählt. Text und Zeichnungen des Comics stammen aus der Feder von Delia Kienast. Sie hat den Sachcomic als Masterarbeit im Studiengang Sek I verfasst und gezeichnet (vgl. S. 39). «Uns war von Anfang an bewusst, dass wir die einzelnen Posten durch eine Geschichte miteinander verbinden müssen, um sie noch spannender zu gestalten», sagt Brigitte Hänger. Als Delia Kienast ein Thema für einen Sachcomic gesucht habe, habe sie ihr dann dieses empfohlen. Vom Ballon zum Treibhauseffekt In der Geschichte des Comics unternehmen zwei junge Erwachsene aus dem Jahr 2050 eine Zeitreise ins Jahr 2020. Sie entdecken, wie 2020 gelebt wurde, und erschliessen sich anhand naturwissenschaftlicher Erklärungen, welche Ursachen und Folgen die Erderwärmung hat. «Der Comic ist ein niederschwelliger Einstieg, geeignet für Schüler*innen, die auf das Ende ihrer obligatorischen Schulzeit zugehen oder am Anfang der Sek-II-Stufe stehen», ist Brigitte Hänger überzeugt. Die Posten seien so konzipiert, dass die

Jugendlichen selbst Verbindungen erkennen und Schlüsse ziehen können. Das Ballon-Experiment etwa, das die unterschiedlichen Durchlässigkeiten für Lichtund Wärmestrahlung aufzeigt, ist ein Schritt auf dem Weg, den Treibhauseffekt zu verstehen. Die Idee des Klimaworkshops und die Posten stossen bei den Schüler*innen auf Anklang. «Ehrlich gesagt, war vieles neu für mich, ich habe noch nicht viel darüber gewusst», sagt eine Schülerin in der Feedbackrunde zum Abschluss des Experimentier-Vormittags. Eine Klassenkameradin ergänzt: «Es waren spannende Versuche. Man hört oft das Wort Treibhauseffekt, jetzt habe ich besser verstanden, was damit gemeint ist.»

TAG DER OFFENEN TÜR Am Tag der offenen Tür am FHNW-Campus Muttenz am 18. November haben Interessierte die Möglichkeit, sich selbst ein Bild von den Experimentier-Posten zu machen. Auch der Sachcomic wird dann im Rahmen einer Ausstellung präsentiert.

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AUS DER PH

Wie ändert sich das Wärmebild, wenn der Ballon mit Luft anstatt mit Wasser gefüllt ist? Die Schüler*innen untersuchten diese Frage mit Wärmebildkameras. Foto: Eleni Kougionis

«Ehrlich gesagt, war vieles neu für mich, ich habe noch nicht viel darüber gewusst.» Schülerin in der Feedbackrunde zum Workshop

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AUS DER PH

«Zum Treibhauseffekt gibt es noch nicht viel praktisches Unterrichtsmaterial»

Delia Kienast hat als Masterarbeit im Studiengang Sekundarstufe I der PH FHNW einen Sachcomic erarbeitet, der nun als Rahmengeschichte für den Klima-Workshop dient. Wie kam es dazu? Wo lagen die Herausforderungen? Und was nimmt sie für ihre Zukunft als Lehrperson mit? Von Marc Fischer

Wie entstand die Idee, als Masterarbeit einen Sachcomic zu erarbeiten?

Wie können Sie selbst künftig vom Wissen, das Sie in Ihrer Masterarbeit erarbeitet haben, profitieren? «Einerseits habe ich sicher mein inhaltliches Wissen rund um Treibhauseffekt und Erderwärmung vergrössert. Zudem habe ich ein Produkt erarbeitet, das ich künftig im Unterricht einsetzen kann. Aus didaktischer Sicht wurde mir die Wirkung von Bildern noch bewusster – und ich habe für mich realisiert, dass auch kleine, skizzenhafte Zeichnungen den Schüler*innen schon helfen können, Dinge zu verstehen.»

Delia Kienast: Für mich war früh klar, dass ich als Masterarbeit ein Produkt entwickeln wollte, das im Unterricht genützt werden kann. Im «Natur und Technik»-Unterricht lesen die Schüler*innen oft Sachtexte, ich wollte etwas erarbeiten, das darüber hinausgeht. Da ich auch Lehrerin für Bildnerisches Gestalten bin, bin ich auf die Idee eines Sachcomics gekommen.»

Der Comic heisst «Die Erderwärmung passiert im Jetzt» und legt einen Fokus auf den Treibhauseffekt. Weshalb haben Sie dieses Thema gewählt? «Zum Treibhauseffekt gibt es noch nicht viel praktisches Unterrichtsmaterial, dies ist ein Grund für meine Themenwahl. Zudem habe ich im Gespräch mit Brigitte Hänger von den Workshop-Ideen erfahren und so ergab sich die Möglichkeit, die Rahmengeschichte dafür zu erarbeiten.»

Wo lagen die grössten Herausforderungen? «Zunächst galt es, die Inhalte zu suchen und auszuwählen. Parallel dazu musste ich sie in eine Geschichte verpacken. Zudem stellten die Platzverhältnisse eines Comics eine Herausforderung dar. Ich musste sowohl die Abbildungen als auch den Text stets weiter reduzieren – und dabei darauf achten, dass alles verständlich bleibt, aber nicht banal wird. Erprobt habe ich die Verständlichkeit und den Wissenszuwachs mit zwei Klassen. Eine arbeitete mit dem Comic und Arbeitsblättern, eine Kontrollgruppe mit Texten aus Lehrbüchern. Dabei zeigte sich, dass der Comic funktioniert.»

Delia Kienast.

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AUS DER PH

Inklusionsorientierung und Nachhaltige Entwicklung Nachhaltige Entwicklung ist auch auf der Ebene der schulischen Wirkungen auf die Schüler*innen relevant. Stichworte sind Schutz der Unversehrtheit, Entwicklungsförderung und Chancengleichheit. Bei der schulischen und sonderpädagogischen Angebotsentwicklung in der Volksschule kommt der Inklusionsorientierung eine Schlüsselrolle zu. Von Jan Weisser

B

ildung wird landläufig als Mittel für Nachhaltige Entwicklung verstanden. Unbestritten ist zumeist, wenn aus dem Ziel der «Nachhaltigkeit» Curricula und Lernziele entwickelt werden. Unbestritten ist dies aber auch nur so lange, wie Schüler*innen nicht zur Übernahme von Normen und Werten angehalten werden, die als der privaten Entscheidung zugehörig gelten. Welche Normen und Werte dies sind und ab wann Unterricht mehr ist als die Vermittlung von Wissen und Können, darüber finden Debatten über die «Neutralität» schulischen Lehrens und Lernens statt. In der Geschichte des Bildungssystems ging es in dieser Frage in erster Linie um die konfessionelle Neutralität. Mit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 wird die Frage der Neutralität in Schule und Unterricht auf Bundesebene über das Kapitel zu den Grundrechten (z.B. Menschenwürde, Rechtsgleichheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit) gerahmt. Das Kapitel über Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) im Lehrplan 21 enthält ebenfalls einen Verweis auf die Bundesverfassung, nämlich auf den Artikel, der den Zweck der Schweizerischen Eidgenossenschaft umschreibt: «Die Schweizerische Eidgenossenschaft […] fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern». Perspektive auf alle Schüler*innen Nachhaltige Entwicklung hat damit nicht nur auf der Ebene von Bildungszielen Relevanz, sondern auch auf der Ebene der Wirkungen von Schule und Unterricht auf Schüler*innen, namentlich in Bezug auf den

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Schutz ihrer Unversehrtheit, die Förderung ihrer Entwicklung und die Herstellung von Chancengleichheit. Das vierte Ziel der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung heisst entsprechend: «Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern». Bei diesem Ziel geht es, wie der Schweizer Bildungsbericht 2023 zeigt, nicht nur um das Bildungssystem im engen Sinne, sondern auch um die sozialen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen der Bereitstellung und Nutzung von Bildungsangeboten mit der Perspektive auf alle Schüler*innen. Mit dem Übergang der Sonderschulung in die Hoheit der kantonalen Bildungssysteme (Sonderpädagogik-Konkordat, 2007) und der schweizweiten Verankerung des Grundsatzes «Integration vor Separation» in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts wurden zentrale Parameter für die Realisierung langfristiger Nachhaltigkeitsziele auf der Ebene des Bildungssystems gesetzt. Im Jahre 2019 haben die Deutschschweizer Kantone den Lehrplan 21 um Anwendungen für Schüler*innen mit komplexen Behinderungen in Sonderund Regelschulen ergänzt. Und die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) hat nach der Totalrevision der Anerkennungsreglemente für die Lehrberufe (2019) auch diejenige für Psychomotoriktherapie, Logopädie und Sonderpädagogik (Heilpädagogische Früherziehung und Schulische Heilpädagogik) abgeschlossen (tritt in Kraft per 01.01.2024). Rechtliche Grundlagen, inklusionsorientierte Bildungsstrukturen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie die zukunftsgerichtete Ausund Weiterbildung von Fachkräften sind wichtige Ressourcen für Nachhaltige Entwicklung. Die schulische und die sonderpädagogische Angebotsentwicklung vom Frühbereich bis zum Ende der obligatorischen Schule respektive der Sekundarstufe II entfalten entsprechende Wirkungen. Die Praxis zeigt, dass das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist. Es ist in diesem Sinne ein gutes Zeichen, dass in Fachkreisen wie in der breiten Öffentlichkeit die Ausgestaltung inklusionsorientierter Bildung ein zentrales Thema ist.


AUS DER PH

Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung werden vermittelt Um bei der Umsetzung auch von internationalen Entwicklungen und Erfahrungen profitieren zu können, arbeitet das Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik (SZH), mandatiert als Fachagentur der EDK für die Sonderpädagogik, mit der Europäischen Agentur für sonderpädagogische Förderung und inklusive Bildung zusammen. Von zentraler Bedeutung sind auch die Rückmeldungen aus dem Staatenberichtsverfahren zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Aus der erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Forschung über Bildungschancen, Benachteiligung und Behinderung liegen seit Längerem Daten, Evidenzen sowie Empfehlungen zur Weiterentwicklung der kantonalen Bildungssysteme vor. Aspekte davon sind konkretisiert in Umsetzungs- und Anwendungsinstrumenten. Analoges gilt für Prävention, Förderung und Therapie bei Aktivitäts- und Partizipationseinschränkungen und -barrieren. Die PH FHNW ist hier mit innovativen Projekten aus verschiedenen Fachgebieten aktiv beteiligt. Die Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung werden in der Ausund Weiterbildung von Lehrpersonen, Fachpersonen für Psychomotoriktherapie, Logopädie und Sonderpädagogik sowie Schulleiter*innen vermittelt. Sie alle

sollen sich befähigt und gestärkt sehen, in ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld und Fachgebiet und zusammen mit weiteren Akteur*innen zum Wohlergehen der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen und zur Weiterentwicklung von Angeboten und Strukturen im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich beizutragen.

JAN WEISSER ist Leiter des Instituts Spezielle Pädagogik und Psychologie der PH FHNW.

26.10.2023 –30.06.2024 hmb.ch/ rausch

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Deutsche Grammatik

g • → r Deutsche ✔ Grammatik m * ( « a / … k ; – & ) Peter Gallmann Horst Sitta

Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe

Deutsche Grammatik Die «Deutsche Grammatik» gibt Studierenden und Lehrpersonen einen fundierten Überblick über die Grammatik, wie sie an der Schweizer Volksschule gelehrt wird, vermittelt Hintergrundinformationen und gibt Tipps für den Unterricht. Die überarbeitete Ausgabe wurde auf den Lehrplan 21 und neuere Erkenntnisse der Fachdidaktik und Grammatikschreibung hin angepasst und erweitert. Konzepte und Begriffe stimmen mit dem neuen Lehrmittel «Deutsch» überein. lmvz.ch/Wissen/Deutsch

erweiterte und aktualisierte Neuausgabe

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09. – 12. November 2023 Theater 11 Zürich

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23. – 28. Januar 2024 Musical Theater Basel

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AUS DER PH

Nachhaltigkeit im Sport leben Im Seminar «BNE im Sport» setzen sich die Studierenden kritisch mit dem Thema Nachhaltigkeit im Fach Bewegung und Sport auseinander. Mit Plogging oder Upcycling erarbeiten sie konkrete Ideen für den eigenen Unterricht auf der Primarstufe. Von Kathrin Freudenberger

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äufig wird Sport mit Freude und positiver Stimmung assoziiert. Zahlreiche Schüler*innen benennen Sport als ihr Lieblingsfach. Sehr viele Kinder und Jugendliche nutzen die Jugend-und-Sport-Angebote (J+S) und sind in einem Sportverein. Aber was trägt der Sport zur Nachhaltigkeit bei? Muss er sich diesem Thema überhaupt annehmen?

Ja – auch der Fachbereich Bewegung und Sport kann und muss einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Denn auch Kehrseiten des Sports müssen berücksichtigt werden. Diese liegen beispielsweise bei einem hohen Energie- und Wasserverbrauch, bei der Produktion von Kunstschnee, bei Flächen- und Ressourcenverbrauch sowie Umsiedlung von lokaler Bevölkerung für den Bau von Sportstätten für Sportgrossereignisse, wie Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften. Auch die Produktion und den Verbrauch von Sportkleidung und -materialien gilt es kritisch zu hinterfragen. Bälle etwa werden teilweise unter menschenunwürdigen Verhältnissen produziert. Folglich sind Veränderungen im Sport notwendig, da er ein attraktives Handlungsfeld darstellt und gleichzeitig eine Ursache für Probleme sein kann. Orientiert an den 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, ist die Umsetzung von Bildung für Nachhaltige Enwtwicklung (BNE) eine institutionsund fächerübergreifende Aufgabe. Gemäss Lehrplan 21 sind die Schüler*innen darin zu fördern, Zusammenhänge zu verstehen, «Verantwortung zu übernehmen und sich aktiv an gesellschaftlichen Aushandlungs- und Gestaltungsprozessen für eine ökologische, soziale und wirtschaftlich Nachhaltige Entwicklung zu beteiligen». Nachhaltigkeitsdimensionen im Sport (er)leben Damit die Studierenden eine Handlungskompetenz entwickeln können, wird im Seminar «BNE im Sport» das Erkennen und Bewerten von Situationen geschult. Angeregt werden nachhaltiges Denken und Handeln auf individueller Ebene, wodurch ein umweltbezoge-

nes, soziales, interkulturelles und wirtschaftliches Lernen gefördert wird. Im Anschluss an eine Sensibilisierung der Studierenden anhand konkreter Schattenseiten des Sports werden im Seminar verschiedene Handlungsalternativen entworfen und erprobt. Ein Spielplatz dient nicht nur jüngeren Kindern zum Spielen, sondern er kann auch für die Schulung des Gleichgewichts sowie das Einüben von Sprüngen im Parkour für den Bewegungsund Sportunterricht für ältere Schüler*innen umfunktioniert und genutzt werden. Bestehende Infrastruktur wird multifunktional eingesetzt. Eine Sensibilisierung für die Umweltverschmutzung findet im Rahmen von Plogging statt. Das Konzept setzt sich aus dem schwedischen «plocka» (sammeln) und «jogging» zusammen, bei dem während sportlicher Betätigung Müll eingesammelt wird. Der Umgang mit Ressourcen wird auch am Beispiel des Upcyclings thematisiert: Aus ausgedienten Socken werden Bälle genäht. Anschliessend können die Studierenden (und die Schüler*innen) diese vielfältig nutzen: zum Jonglieren mit den Füssen (Footbags) und mit den Händen sowie zum Cross-Boccia-Spielen. Die Gleichstellung der Geschlechter – eines der 17 Sustainable Development Goals – wird beispielsweise unter dem Aspekt der geschlechtergerechten Gestaltung von Bewegungs- und Sportunterricht thematisiert. Eine zielgruppenspezifische Auseinandersetzung mit der Thematik sowie eine diversitätsbewusste Nutzung von Bewegungsräumen sind hierbei zentral. Die skizzierten Beispiele leisten einen Beitrag im Sinne des Whole Institution Approach und bieten den Studierenden Anknüpfungspunkte für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit sowie Ideen für ihren Unterricht.

KATHRIN FREUDENBERGER ist Dozentin an der Professur Bewegungsförderung und Sportdidaktik im Kindesalter am Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW.

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AUS DER PH

Von der Online-Beratung bis hin zur Integration in die Fächer Mit dem BNE-Kiosk hat die PH FHNW vor einem Jahr ein Online-Beratungsangebot ins Leben gerufen, bei dem sich Lehrpersonen ohne Voranmeldung einloggen und ihre Fragen stellen können. Daneben bietet das Institut für Weiterbildung und Beratung zahlreiche weitere Kurse und Weiterbildungen an. Von Marc Fischer

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as versteht man genau unter Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)? Wie kann ich BNE-Aspekte in meinem Fach besser berücksichtigen? Welche Lernmedien oder Unterstützungsangebote gibt es? Und welche Möglichkeiten bestehen für schulinterne Weiterbildungen? All dies sind Fragen, die im Kontext von BNE bei Lehrpersonen auftauchen können. Mit dem BNE-Kiosk hat die PH FHNW ein Online-Beratungsangebot ins Leben gerufen, bei dem sich Lehrpersonen ohne Voranmeldung einloggen und ihre Fragen stellen können. Michelle Zubler, Primarlehrerin an der Kreisschule Chestenberg (AG), hat diese Möglichkeit genutzt. «Ich habe an der Schule einen Flyer gesehen und dann das niederschwellige Angebot mit dem Video-Call genutzt», sagt sie. «Interessiert hat mich dabei vor allem der grössere Rahmen. Wie kann ich BNE-Aspekte sinnvoll im Unterricht aufgreifen und einbauen?» Nach

einem kurzen ersten Gespräch mit Anita Schneider vom Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW wurde schliesslich ein weiterer Termin für eine vertieftere BNE-Einführung vereinbart. «Dabei habe ich Antworten auf meine Fragen erhalten, die konkret auf meine Situation zugeschnitten waren, und dabei festgestellt, das BNE-Themen in vielen Unterrichtseinheiten bereits drinstecken, ohne dass man explizit darauf achtet», so Michelle Zubler. «Die Beraterin hat mir aufgezeigt, in welchen Bereichen es Einsatzmöglichkeiten von BNE-Unterricht gibt. Seitdem habe ich die BNE-Aspekte stets im Hinterkopf und beispielsweise auch bereits ein Projekt zum Aletschfloh mit meiner Klasse umgesetzt.» Neben dem niederschwelligen BNE-Kiosk – bis Ende Jahr findet er jeweils am ersten Dienstag im Monat von 16 Uhr bis 17.30 Uhr statt – bietet das Institut für Weiterbildung und Beratung zahlreiche andere Kurse und Weiterbildung zu Nachhaltigkeitsthemen oder BNE an. «Ab ins Beet», «Geografie und BNE», «Durch Spiele Nachhaltigkeit verstehen und fördern», «Tierische Perspektiven auf Siedlungen» oder «Widerstandsfähig in einer Welt im Wandel» lauten nur einige Titel der Angebote, die bereits jetzt fürs Jahr 2024 ausgeschrieben und im Kursangebot mit einer vorgegebenen Schlagwortsuche schnell auffindbar sind.

«Ich habe Antworten auf meine Fragen erhalten, die konkret auf meine Situation zugeschnitten waren.» Michelle Zubler, Kreisschule Chestenberg

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Wir sind bereit. Sind Sie es auch? Die Weiterbildungsangebote 2024 sind online Wissen. Können. Zukunft bilden. Gemeinsam für starke Lehrpersonen. www.fhnw.ch/wbph-2024 PH-Magazin Nr. 10 2023 DAS HEFT 45


Vielfalt aus drei Perspektiven Ein konstruktiver Umgang mit Vielfalt spielt in vielen Lebensbereichen eine Rolle. Er ist eine wichtige Voraussetzung für Kooperation, den Aufbau von Beziehungen und das Zusammenleben in einer diversen, im Wandel begriffenen Gesellschaft. Mit gutem Grund ist Umgang mit Vielfalt deshalb auch ein gesetztes Ziel bei den überfachlichen Kompetenzen, in der Gesundheitsförderung und in der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Von Anita Schneider

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berfachliche Kompetenzen, Gesundheitsförderung und BNE sind im überfachlichen Bildungsauftrag verankert. Alle verfolgen sie das Ziel, junge Menschen auf eine Zukunft mit unbekannten Herausforderungen vorzubereiten. Anstatt sich dabei in einer additiven Herangehensweise zu verlieren, wird hier nach Synergien zwischen den dreien gesucht, mit dem Ziel, den Umfang zu reduzieren. Umgekehrt können dadurch aber auch mehr Lerngelegenheiten, Übungs- und Transfermöglichkeiten geboten werden. Der Umgang mit Vielfalt ist dabei ein Aspekt, der sich für die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden besonders aufdrängt.

Balsam für deine Stimme Naturreine, sonnengereifte Beeren und Blüten geben den Grether’s Weichpastillen ihren unvergleichlichen Geschmack. Dank pflanzlichem Glycerin verleihen sie strapazierten Stimmbändern einen wohltuenden Schutzfilm. 46 DAS HEFT PH-Magazin Nr. 10 2023 grethers.ch

SWISS

MADE


AUS DER PH

Umgang mit Vielfalt im Vergleich Die überfachlichen Kompetenzen verfolgen das Ziel, zu lebenslangem Lernen und Kooperation zu befähigen. Als Teil der sozialen Kompetenzen geht es beim Umgang mit Vielfalt darum, die Vielfalt von Menschen als Bereicherung zu erfahren und eine Haltung der Gleichberechtigung zu entwickeln. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem sorgfältigen Sprachgebrauch. Die Gesundheitsförderung orientiert sich an Lebenskompetenzen, um die Grundlage für eine selbstbestimmte Lebensführung zu fördern. Der Umgang mit Vielfalt richtet sich hier entsprechend auf die Fähigkeit aus, unterschiedliche Beziehungen führen zu können und die Integrität aller Menschen zu wahren. Wichtig sind dabei Kommunikationsfähigkeit und Stärkung von Empathie dank Perspektivenwechsel.

Bildung für Nachhaltige Entwicklung verfolgt das Ziel, eine zukunftsfähige, nachhaltige Gesellschaft mitgestalten zu können. Der persönliche Bezugsrahmen wird somit erweitert: Es geht nicht nur um die Vielfalt von Menschen, sondern aller Lebewesen und Lebensräume – lokal wie global. Dazu sollen Perspektivenwechsel geübt und ein Bewusstsein für eigene und fremde Werte und Denkweisen entwickelt werden. Vielfalt in der Praxis Ein klassischer Zugang, um bereits im Kindergarten oder in der Primarstufe in Vielfalt einzutauchen, geht über Bilderbücher, Fotografien oder Wimmelbilder, beispielsweise zu Lebenswelten, Gefühlen oder Rollen. Wichtig ist dabei, präzise wahrzunehmen und zu beschreiben, ohne zu werten. Es gilt nicht nur nach Unterschieden, sondern auch nach Gemeinsamkeiten zu fahnden. Gezielt angeregter Perspektivenwechsel motiviert zudem zur Auseinandersetzung mit anderen Lebewesen und Lebenswelten. Die Sensibilität für Sprache, Mimik und Gestik bildet dabei eine relevante Voraussetzung für den konstruktiven Umgang mit Vielfalt, gerade auch im Kontext einer diskriminierungssensiblen Schulkultur. Auch rund um den Pausenplatz lassen sich beispielsweise viele Aspekte von Vielfalt aufgreifen, Perspektivenwechsel üben und ein konstruktiver Umgang mit unterschiedlichen Ansprüchen nachvollzieh- und erlebbar machen: Wir können danach fragen, wer alles den Ort nutzt und belebt. Beobachtungen können gemacht und dokumentiert werden, wer sich wo aufhält und lebt. Es kann befragt und recherchiert werden, wer sich wo wohlfühlt und wer welche Bedürfnisse an den Lebensraum hat oder hätte. Angereichert wird mit Impulsen zu Kinderrechten und zur Förderung von Artenvielfalt. Die vielfältigen Bedürfnisse werden geordnet, zueinander in Beziehung gesetzt, allenfalls auch

abgewogen und priorisiert. Abschliessend können Massnahmen ausgearbeitet und umgesetzt werden, welche die Bedürfnisse ausgewogener berücksichtigen. Wachsame Herangehensweise Trotz dem Potenzial einer Kombination der drei Zugänge gilt es deren je eigene Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und auch Lernanlässe bewusst auf diese hin zu schärfen. Vielfalt kann zudem zu Beliebigkeit verleiten. Dass vieles nebeneinander Platz haben soll, bedeutet nicht, dass alles erlaubt ist. Es braucht eine normative Rahmung, wie die Menschenrechte oder die Wahrung der Integrität, welche die Grenzen der Möglichkeitsräume vorgeben. Gerade weil der Zugang zu Vielfalt auch häufig mit der Preisgabe der persönlichen Lebenswelt von Schüler*innen verbunden wird, ist ein sensibler Umgang mit Privatheit wichtig. Weil Vielfalt auch den Umgang mit Fremdheit bedeutet, braucht es einen wachsamen Umgang mit Vorurteilen und Stereotypen sowie das Gefühl von Sicherheit, um neugierig erkunden zu können. Letztlich kann der Umgang mit Vielfalt nicht losgelöst von weiteren sozialen und personalen Kompetenzen gedacht werden. Deshalb sind die Stärkung der Persönlichkeit und die (vor)gelebte Haltung im gesamten Schulalltag bedeutsam.

ANITA SCHNEIDER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ressort Bildung für Nachhaltige Entwicklung BNE am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW

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AUS DER PH

Entwicklungsorientierung in der Beratungsausbildung Die eigene Reflexionsfähigkeit zu stärken hilft allen im Bildungssystem tätigen Personen. Das Diploma-ofAdvanced-Studies-Programm (DAS) «Integrative Beratung» der PH FHNW setzt hier an. Von Jean-Paul Munsch

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er DAS-Studiengang «Integrative Beratung» spricht unter anderem Menschen an, die merken, dass sie mit ihren Ausbildungswerkzeugen, die sie einmal erworben haben, im Berufsalltag immer häufiger anstossen und in bestimmten zwischenmenschlichen Situationen nicht

mehr weiterkommen. Das ist frustrierend und viele wünschen sich Kompetenzen, mit denen sie souveräner mit kritischen Arbeitssituationen umgehen können. Die vier CAS des Studiengangs fokussieren allesamt auf Reflexionsfähigkeit, Prozessbewusstsein und persönliche Entwicklung. Diese Kompetenzen bilden den Kern nachhaltiger Bildung — auch und gerade, weil diese Kernkompetenzen unabhängig des jeweiligen Inhalts ihre Wirksamkeit entfalten. Eigene Reflexionsfähigkeit stärken So kann eine Lehrperson lernen, die Lerngruppe in ihrer Gruppendynamik besser zu verstehen. Mit dem

Neue und nachhaltige Formen der Selbst- und Kontextreflexion zu lernen, kann für jede im Bildungssystem tätige Person ein Mehrwert sein. 48 DAS HEFT PH-Magazin Nr. 10 2023


AUS DER PH

Prozessbewusstsein wachsen die Möglichkeiten, in kritischen Gruppensituationen angemessen und zielorientiert agieren zu können. Zudem entwickelt sich auch die eigene Rollenklarheit als Führungsperson einer Gruppe, die eigenen blinden Flecken aufzudecken und damit die eigene Reflexionsfähigkeit zu stärken. Neue und nachhaltige Formen der Selbst- und Kontextreflexion zu lernen, kann für jede im Bildungssystem tätige Person ein Mehrwert sein. Da auch im Bildungssystem zunehmend agilere Arbeitsformen angewendet werden, kommen Reflexionsfähigkeiten verstärkt zu Einsatz. Es gilt in Arbeitsgruppen das eigene Verhalten, die Zielerreichung und den Prozess in der Gruppe zu reflektieren. Reflexionsfähigkeit wird so zu einer zentralen Kompetenz für die Selbststeuerung. Zudem wird Selbststeuerung durch Rückmeldungen von innen und aussen weiterentwickelt. So verschränken sich die hier exemplarisch skizzierten Prozesse mit Prozessen der persönlichen Weiterentwicklung. Persönliche Weiterentwicklung ist ein gut untersuchter Forschungsgegenstand. Die Ergebnisse unterschiedlicher Studien zeigen, dass ein Umfeld, das von Vertrauen und Sicherheit geprägt ist und einen klaren Rahmen bietet, Grundvoraussetzung für persönliche Weiterentwicklung ist. Dies allein reicht allerdings nicht. Es braucht auch respektvolle Rückmeldungen, um Entwicklungsimpulse auszulösen. Vom «knower» zum «learner» Die persönliche Entwicklung zeigt sich in einem bewussteren Umgang mit sich selbst und mit anderen Menschen – seien es Schüler*innen, Mitarbeitende, Studierende oder Teilnehmende von Aus- und Weiterbildungskursen. Persönliche Entwicklung führt also die beiden Kompetenzen von Reflexion und Prozessbewusstsein zu einem ganzheitlichen Lernprozess zusammen, der im DAS-Programm «Integrative Beratung» angestossen wird und auch nie aufhört. Dieser persönliche Entwicklungsschritt geht mit einer Erweiterung der Perspektive einher. Zudem findet eine Verschiebung vom «knower» zum «learner» statt. Mit der lernenden Perspektive eröffnet sich auch ein Blick für Systeme, die Wirkweise von Systemen und die Interventionsmöglichkeiten in Systeme – im Wissen, dass wir immer auch Teil dieser Systeme sind und sich diese nur beschränkt steuern lassen. Systeme können Klassensysteme, Schulsysteme oder auch politische Systeme sein, mit denen viele in ihrer täglichen Arbeit konfrontiert sind. Auch Schulleitungen verstehen sich als Teil eines Systems, das sie mitsteuern können. Diese brauchen vermehrt Kompetenzen im Bereich Change Management und Organisationsentwicklung. Hier kommt ein weiterer Aspekt von nachhaltiger Bildung ins Spiel, wie ihn

Teilnehmende des DAS «Integrative Beratung» erleben: Sie machen die Erfahrungen und lernen neue Instrumente kennen, um sich selber aus Opferhaltungen zu befreien, und um zunehmend Verantwortung für das eigene Denken, Fühlen und Handeln zu übernehmen. Damit können sie verstärkt Steuerungs-, Gestaltungs- und Führungskompetenz wahrnehmen. Dieser übergreifende Entwicklungsprozess von Reflexionsfähigkeit, Prozessbewusstsein, Verantwortungsübernahme und Persönlichkeit ist ein Integrationsprozess, der zu mehr Zufriedenheit und Freude im Berufs- und Arbeitsleben führt. Und unabhängig davon, in welchem Bereich der Bildung sich die Person bewegt und in Zukunft bewegen wird: Das Fachwissen, die erworbenen Kompetenzen und der angestossene Entwicklungsprozess sind nachhaltig verankert. Auch weil eine Beratungsausbildung, wie sie die PH FHNW am Campus Brugg-Windisch anbietet, Kopf, Herz und Hand integriert. Und dies ist nach wie vor die Basis von nachhaltiger Bildung.

JEAN-PAUL MUNSCH ist Ressortleiter Beratungsausbildung am Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW und leitet den Studiengang «Integrative Beratung».

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AUS DER PH

«Ein Mosaik aus vielen Puzzleteilen» Vera Borer und Vanessa Greppi beleuchteten in ihrer Bachelorarbeit an der PH FHNW Gründe für Finnlands Erfolg bei PISA. Aufgezeichnet von Virginia Nolan

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Seit Veröffentlichung der ersten PISA-Resultate 2001 gehören die finnischen Schüler*innen zu den Spitzenreiter*innen im internationalen Bildungsranking. Wie ist dieser Erfolg zu erklären? Dieser Frage ist unsere Bachelorarbeit nachgegangen. Untersuchungsgegenstand waren die finnische Bildungspolitik und ihr Effekt auf die Lesekompetenz finnischer Schüler*innen. Lesekompetenz steht im Fokus, weil sie eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe in Schule, Arbeitsleben und Gesellschaft darstellt. Der theoretische Teil unserer Arbeit beleuchtet einerseits Veränderungen des finnischen Bildungssystems – und damit verbundene politische Entscheidungen – vom späten 19. Jahrhundert bis zum heutigen Modell, und bespricht andererseits die PISA-Resultate, die schweizerische und finnische Jugendliche 2018 erzielten. Im empirischen Teil folgen Interviews mit Bildungs-Expert*innen aus beiden Ländern. Sie sollen helfen, ein umfassenderes Verständnis für die verschiedenen Faktoren zu entwickeln, die zur Lesekompetenz finnischer Schüler*innen beitragen. Sowohl die Literatur als auch unsere Interviews verdeutlichen: Es gibt nicht den Grund, vielmehr ist die hohe Lesekompetenz finnischer Jugendlicher die Folge eines Zusammenspiels unterschiedlichster Faktoren. Dazu gehören historische wie der hohe Stellenwert der finnischen Muttersprache, der aus zwei Unabhängigkeitskämpfen resultierte, aber auch soziale wie die Tatsache, dass in Finnland der Anteil von Schüler*innen mit Migrationsunterhintergrund traditionell tief war und erst jüngst ansteigt. Einen bildungspolitischen Faktor, der für die finnischen PISA-Erfolge als bedeutend betrachtet wird, wollen wir hier etwas näher ausführen: die Grundschulreform von 1972. Mit ihr kam erstens der Verzicht auf Selektion: Neun Jahre lang erfolgt in Finnland keinerlei Differenzierung nach Leistungsklassen. Schüler*innen unterschiedlichster Leistungsniveaus haben eine lange gemeinsame Schulzeit, was Lerneffekten innerhalb der Peergruppe zugutekommt. Zweitens förderte die Reform eine qualitativ hochwertige Ausbildung von Lehrpersonen, die lange nachwirkte: Anfang der 2000er-Jahre wurden sämtliche Lehramtsstudiengänge auf Masterab-

schlüsse umgestellt. Die Nachfrage nach Studienplätzen übersteigt das Angebot bei weitem, weshalb Bewerber*innen ein hochselektives Aufnahmeverfahren durchlaufen. Entsprechend hoch ist das Ansehen von Lehrpersonen. Oft machen Expert*innen den finnischen Bildungserfolg am Umgang des dortigen Schulsystems mit Heterogenität fest. Tatsächlich schneiden selbst die leistungsschwachen finnischen Schüler*innen bei PISA deutlich besser ab als Vergleichsgruppen aus anderen Staaten. Das Leitprinzip der Grundschulreform – «eine Schule für alle» – führte dazu, dass der Sonderpädagogik im finnischen Bildungssystem eine Schlüsselrolle zukommt. Dazu gehören unter anderem präventiv erteilter Sprachförderungsunterricht in frühen Jahren, aber auch Abklärungen oder Spezialförderung, die keine Ausnahme, sondern die Normalität sind. Finnland ist nämlich nicht nur bei den PISA-Ergebnissen ein Spitzenreiter, sondern auch, was die Anzahl Kinder mit spezieller Förderung betrifft. Diese Schüler*innen werden nicht in Sonderschulen, sondern inklusiv gefördert. Im Vergleich zur Schweiz können Lehrpersonen einfache Fördermassnahmen unkompliziert einleiten oder selbst praktizieren, weil sie im Rahmen ihrer Masterausbildung entsprechende Grundkenntnisse erwarben. Was die Literatur nicht erwähnt, aber unsere finnischen Expert*innen deutlich machten: Inklusion stösst auch in Finnland an ihre Grenzen. Immer mehr Lehrpersonen klagen über Überforderung. Solche authentischen Informationen ermöglichen einen kritischeren Blick auf die Literatur. Und sie verdeutlichen, was auch die Literatur nahelegt: Das finnische Erfolgsmodell ist ein Mosaik aus so vielen Puzzleteilen, die kaum isoliert betrachtet werden können.»

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TIPPS

«THE WANDERING VILLAGE» SORGE TRAGEN ZU EINER RIESIGEN KREATUR Judith Mathez, Beratungsstelle für digitale Medien in Schule und Unterricht – imedias

In der Städtebausimulation «The Wandering Village» steuert man eine Gruppe von Dorfbewohner*innen, die auf dem Rücken einer riesigen Kreatur leben. Das ist nötig, weil die Welt lebensfeindlich geworden ist: Sie ist verseucht von giftigen Sporen und geprägt von extremen Klimazonen. Der freundliche Koloss Onbu durchwandert diese Welt, und auf seinem Rücken findet die Dorfgemeinschaft alles, was sie zum Überleben benötigt. Die Menschen sammeln und bauen essbare Pflanzen an, gewinnen Wasser aus der Luft oder aus Kakteen, bauen Häuser aus Holz und aus Onbus Stacheln. Aber sie müssen nicht nur für sich sorgen, sondern auch für Onbu. Wie ein riesenhaftes Haustier kann Onbu gefüttert, gepflegt und sogar gestreichelt werden. Sorgt man gut für ihn, gewinnt man sein Vertrauen und kann ihm mit Hornsignalen Befehle geben. So lassen sich beispielsweise gefährliche Giftwolken rasch hinter sich bringen.

Die Symbiose der Dorfgemeinschaft mit Onbu geht so weit, dass nicht alles technisch Machbare auch sinnvoll ist. So will gut überlegt sein, ob man aus Onbus Blut Essen für die Dorfbewohner*innen gewinnen soll, denn das verringert sein Vertrauen und er kooperiert

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weniger. Das kleine Ökosystem auf Onbus Rücken ist daher auch ein Übungsfeld für Nachhaltigkeitsthemen. «The Wandering Village» wurde vom Schweizer Studio «Stray Fawn» entwickelt. Es eignet sich ab ca. 12 Jahren und ist u. a. auf deutsch verfügbar, für PC und Konsole. Infos: https://thewanderingvillage.com/

NACHHALTIG LÜGEN

schärfsten gewürzten Speisen essen kann. Wasabi, Chili, Pfeffer dienen als die drei unterschiedlichen «Farben» der Karten. Die Startspielerin muss mit einem Wert von 1-3 und einer angesagten, danach bindenden Gewürzart beginnen, sie sagt etwa «Chili 2», der nächste beispielsweise «Chili 5». Die Kartenwerte liegen zwischen 1 und 10. Wenn in der Runde schliesslich sukzessive oder

Mark Weisshaupt, Lernwerkstatt SPIEL

«Spicy» gehört zum Genre der «Bluffspiele». Von diesen kennt man vielleicht die Grundformen «Mäxle» oder «Meiern» mit Würfeln oder «Mogeln» mit Karten. Bei dieser Art von Spiel würfelt ein erster Spieler in der Runde einen Wert oder legt einen Kartenwert aus. Dieser Wert muss dann vom nächsten Spieler übertroffen werden, mit einer verdeckt ausgespielten Karte aus den eigenen Handkarten oder durch einen verdeckten Würfelwurf. Dieser nächste Spieler behauptet somit einen neuen, höheren Wert gelegt oder gewürfelt zu haben als der vorige, was dann die wieder nächste Spielerin glauben oder auch anzweifeln kann. Falls sie glaubt, muss sie ihrerseits wieder einen höheren Wert verdeckt erzielen oder bluffen – und so weiter. Falls ein Spieler den letzten Wert jedoch anzweifelt, endet die Runde sofort. Karten oder Würfel werden aufgedeckt. Es gewinnt der Zweifler bei einem aufgedeckten Bluff – oder die vorige Spielerin, wenn sie gar nicht geblufft hatte. Zu diesen allgemeinen Mechaniken des Genres kommen in der Kartenversion «Spicy» eine ausgefallene Gestaltung der Karten und einige lustvolle Regelfinessen hinzu. Die Karten sind in Glanzgold-Optik gehalten und zeigen fantasievolle Wildkatzenillustrationen. Drei Katzen wetteifern in der Hintergrundgeschichte darum, wer die

sprunghaft die 10 erreicht ist, muss als nächstes wieder eine 1-3 gelegt werden. Es entfaltet sich eine «push-your-luck»-Dramaturgie, denn mit immer weniger Karten auf der eigenen Hand nähert man sich einerseits dem Punkteziel, diese ganz loszuwerden, aber zugleich werden die eigenen Behauptungen von stets passenden Karten immer unwahrscheinlicher. Man kann deshalb wahlweise im eigenen Zug statt zu bluffen auch passen, eine Karte vom Stapel nehmen und der Nächste ist dran. Zudem muss man bei «Spicy» auf eine von zwei Arten anzweifeln: bezogen auf die Höhe des Kartenwerts oder bezogen auf dessen Farbe – so wird das Anzweifeln riskanter. Wenn nach Aufdecken unkorrekt bezweifelt wurde, werden die Zweifelnden selbst mit Zusatzkarten vom Stapel bestraft statt der Bluffenden. Der bisherige Ablagestapel geht als Punkte an die Gewinner*innen des Zweifelduells. Es dürfen immer alle durch das


TIPPS

rechtzeitige Auflegen der Hand auf eine gerade ausgespielte Karte anzweifeln, was für Handlungsdruck sorgt. «Spicy» kann mit zwei bis sechs Personen ab zehn Jahren gespielt werden, wobei es mit vier Personen am besten funktioniert. Eine etwas kinderfreundlichere Variante («Sweet & Spicy») hat noch süssere Illustrationen von Katzen und mehr und mächtigere Supertrümpfe. «Spicy» ab zehn Jahren & «Sweet & Spicy» ab acht Jahren, beide von Győri Zoltán, bei HeidelBÄR Games

GROSSES GEFÜHLSDURCHEINANDER Maria Riss, Zentrum Lesen

Seit der kleine Bruder da ist, kümmert sich niemand mehr um das Mädchen. Niemand hört zu, niemand hat Zeit. Also beschliesst das Mädchen, abzuhauen. Das Mädchen sucht eine neue Familie. Eine,

ken!» Niemand scheint sich aber für das Mädchen zu interessieren. Die Rettung kommt erst gegen Abend. Ein Ehepaar mit Baby spaziert vorbei, das dringend eine ältere Schwester für ihr kleines Wickelkind sucht. Die Geschichte wird konsequent aus der Sicht des Mädchens erzählt, weshalb man beim Lesen auch ihren Namen nicht erfährt. Mit diesem Buch ist dem japanischen Künstler Hiroshi Ito ein Wurf geglückt. Hier stimmt einfach alles: Das Zusammenspiel der einfachen, prägnanten Sprache mit den witzigen, aussagekräftigen Bildern, die Spannung und das Gefühlsdurcheinander der Protagonistin, das so viele Kinder bestens kennen. Knapp ist nicht nur die Sprache, auf ein Minimum reduziert sind auch die Bilder. Mit ganz wenigen Strichen hat es der Künstler verstanden, das Auf und Ab der Gefühle des Mädchens zu Papier zu bringen. Ab 5 Jahren. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe. Hiroshi Ito: «Kind zu verschenken!», Moritz Verlag, 2023. Weitere Lesetipps gibt es unter: www.zentrumlesen.ch

AUENSCHUTZPARK AARGAU: ZU BESUCH BEI BIBER UND EISVOGEL Martina Leser

die sie umsorgt, eine, die ihr all ihre Wünsche erfüllen wird. Das neue Leben beginnt mit einer Bananenkiste, die das Mädchen sorgfältig beschriftet: «Kind zu verschen-

Sie sind direkt vor unserer Tür und halten eine geballte Ladung an Wissen für alle Zyklen bereit: Die Aargauer Auen. Auenlandschaften liegen an Bächen und Flüssen und sind natürliche Überflutungsflächen, in denen sich hohe Wasserstände mit Niedrigwasserphasen abwechseln. Sie zählen zu den biologisch produktivsten, vielfältigsten und artenreichsten Ökosystemen unserer Erde: In ihren miteinander verzahnten Lebensräumen beherbergen sie eine faszinierende Vielfalt an teils seltenen und bedrohten Tier- und Pflanzenarten – sie sind richtige Artenschutz-Hot-

spots! Die im Auenschutzpark Aargau zusammengefassten Naturschutzgebiete befinden sich an der Aare, am Rhein, an der Reuss, an der Bünz, am Aabach und an der Wyna. Sie lassen sich zu jeder Jahreszeit auf eigene Faust – zu Fuss oder auf dem Velo – oder auf einer vom Naturama Aargau geführten Tour erkunden. Im Winter laden Biber und Eisvogel zum Beobachten ein, im Sommer Grasfrosch, Purpurreiher und Pirol.

Wenn das Wetter nicht mitspielt, gibt es tolle Ausweichmöglichkeiten: So lässt sich in der Naturama-Dauerausstellung «Auenland Aargau» oder über die vom Museum geführte Plattform expedio.ch mehr über Hauptfluss, Seitenarme, Altarme, Weiher, Tümpel, Weichholz- und Hartholzauen erfahren – und das ganz ohne nass zu werden. Wer das Thema Auen weiterführend behandeln will, kann die enge Verzahnung der Auenlandschaften mit der Energiewirtschaft, der Landwirtschaft sowie Verkehr und Siedlung mit seiner Klasse thematisieren: 26 Wasserkraftanlagen gewinnen Energie aus den vier grossen Aargauer Hauptflüssen, Ackerflächen und Wohnquartiere reichen teils bis in Ufernähe, Autound Eisenbahnbrücken queren die Täler. Das Nebeneinander von Natur, Zivilisation und Technik schafft spannende Kontraste und ist ein Abbild unserer Zeit. Weitere Informationen: www.ag.ch/ auenschutzpark, www.naturama.ch, www.expedio.ch/

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IMPRESSUM «das HEFT» – das Magazin der Pädagogischen Hochschule FHNW erscheint zweimal jährlich, 5. Jahrgang, Nr. 10, Oktober 2023, www.fhnw.ch/ph Herausgeberin: Pädagogische Hochschule FHNW Verantwortlicher Redaktor: Marc Fischer Autor*innen dieser Ausgabe: Marc Fischer, Kathrin Freudenberger, Michael Hunziker, Martina Leser, Judith Mathez, Guido McCombie, Jean-Paul Munsch, Virginia Nolan, Maria Riss, Thomas Röthlin, Anita Schneider, Jan Weisser, Mark Weisshaupt Bildessay: Andrina Jörg Fotograf*innen dieser Ausgabe: Marc Fischer, Eleni Kougionis, Eve Marie Lagger, Verein Erle Perle Basel, ALG/Kanton Aargau Gestaltung: HinderSchlatterFeuz, Zürich Druck: Sprüngli Druck AG, Langenthal Inserate: print-ad kretz gmbh, Austrasse 2, 8646 Wagen, Tel. 044 924 20 70, Fax 044 924 20 79, E-Mail: info@kretzgmbh.ch Abonnement: «das HEFT» kann kostenlos abonniert werden: dasheft.ph@fhnw.ch Postadresse: Pädagogische Hochschule FHNW, Marketing und Kommunikation, Bahnhofstrasse 6, 5201 Windisch, 056 202 72 60 Auflage: 7000 Exemplare Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck von Artikeln nur mit Genehmigung der Redaktion. ISSN 2624-8824

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Die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW setzt sich aus folgenden Hochschulen zusammen: – Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW – Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW – Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW – Hochschule für Life Sciences FHNW – Hochschule für Musik Basel FHNW – Pädagogische Hochschule FHNW – Hochschule für Soziale Arbeit FHNW – Hochschule für Technik FHNW – Hochschule für Wirtschaft FHNW

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