Südtirol Panorama_1_2012

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KOMMENTAR VON THOMAS AMONN

Ein Blick zurück mit Schaudern: Vor einem Jahr meldete die USInvestmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. In den Tagen und Wochen nach diesem fatalen 15. September 2008 fror das Vertrauen der Banken untereinander ein, am Geldmarkt liehen sich Finanzinstitute nur ganz kurzfristig Geld und das zu horrenden Konditionen. In der Folge wurde oft die Frage gestellt: War es ein Fehler, dass der damalige US-Schatzsekretär Hank Paulson und die USNotenbank Ben Bernanke Lehman nicht aufzufangen versuchten? Hat Paulson als früherer Chef von Goldman Sachs womöglich gar nicht ungern den Untergang eines Ex-Konkurrenten gesehen? So unbegründbar dieser persönliche Vorwurf letztlich ist, so sicher kann man sagen, dass das Ausmaß der systemischen Krise im Zuge der Lehman-Insolvenz völlig unterschätzt wurde. Bis zum 15. September hatte Paulson auf das sogenannte TARP-Programm gesetzt, um der seit 2007 anschwellenden Subprime-Krise Herr zu werden: Unter Beteiligung des Staates als Investor sollten schwer zu bewertende strukturierte Anleihen, die mit schwachen Hypothekarkrediten besichert waren, in einem transparenten Preisfindungsverfahren von privaten Finanzakteuren aufgekauft werden. Mit diesen Preisen hätten dann die Banken ihre Aktiva bewerten müssen – es hätte einen vertrauensbildenden Maßstab dafür gegeben, wer überleben kann und wer rekapitalisiert oder abgewickelt werden muss. Dieser Traum einer marktnahen Lösung platzte am 15. September: Schon am Tag darauf wurde der Versicherungsriese AIG 85 über einen Notkredit der Fed in Höhe von 85 Milliarden US-Dollar faktisch nationalisiert. Vom Staat oder von der Fed prasselten finanzierte Kapitalspritzen, Kreditgarantien, Aufkäufe von strukturierten Anleihen in hoher dreistelliger Milliardenhöhe hernieder, begleitet von Leitzinsen an der Nulllinie. Erst mit all diesem Bremsschaum beruhigte sich die Lage im Verlauf von 2009 wieder. Wäre es angesichts der Folgen besser gewesen, der Staat hätte Lehman Brothers gerettet? Nein. Ohne die dramatischen Folge dieser ungeordneten Pleite hätten wir nicht die Erfahrung gemacht, dass „systemisches Risiko“ mehr ist als nur ein theoretisches Restrisiko, und dass die Finanzmärkte ein hohes Instabilitätspotenzial in sich bergen, auch wenn sie jahrelange lehrbuchmäßig glatt laufen. Es liegt an der Politik, diese Lektion vom September 2008 nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und ein von Grund auf erneuertes Regulierungssystem zu beschließen: Auch wenn dies vielen Banken nicht schmeckt, die mittlerweile wieder prächtig verdienen.

„Südtirols Banken stehen in der Poleposition.“ Gerhard Pfaffstaller

Kunde das im Ausland gehaltene Vermögen in der Steuererklärung angeben und verliert gegenüber dem Fiskus seine Anonymität“, so Günther Schacher, Steuerberater von Hager&Partners. Bei der Rückführung bleibt die Anonymität hingegen gewahrt. Laut Johann Hitthaler spricht vor allem die hohe Besteuerung der Zinserträge gegen die österreichischen Banken. Und Gerhard Pfaffstaller von der Raiffeisen Landesbank ergänzt: „Bei einer Rückführung kann das Geld für eigene Zwecke beliebig verwendet werden und gelangt dadurch wieder in den lokalen Wirtschaftskreislauf.“ Dies sind also die Gründe, warum die österreichischen Banken, die über Geschäftsstellen in Grenznähe zu Italien verfügen, „von massiven Geldabflüssen betroffen sein werden“, wie Artur Lechner von der Hypo Tirol Bank prophezeit. Die Hypo Tirol Bank geht davon aus, dass 1,5 bis 2 Milliarden Euro von Österreich nach Italien fließen werden. VERLIERER SCHWEIZER BANKEN? Die

Rückführung des offengelegten Auslandsvermögens nach Italien ist verpflichtend, wenn es sich außerhalb der EU befindet. Dies betrifft vor allem die Schweizer Banken, wo ein Großteil des italienischen Fluchtgelds vermutet wird. Muss die Schweiz also einen enormen Kapitalabfluss nach Italien befürchten? „Wir haben in den ersten beiden Steueramnestien in Italien, dank unserem lokalen Filialnetz, rund 50 Prozent der offengelegten Vermögen in der eigenen Organisation gehalten“, beruhigt Dominique Scheiwiller, Pressesprecher der größten Schweizer Bank UBS. „Wir sind auch diesmal zuversichtlich, eine zufriedenstellende ‚Retentionsrate‘ zu erreichen“, so Scheiwiller. Die Schweizer Banken sind bemüht, über ihre italienischen Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten den interessierten Steuerpflichtigen bei der Abwicklung des Steuerschutzschilds behilflich zu sein, um zumindest einen relevanten Teil der rückgeführten Beträge über ihre italienischen

Foto: Raiffeisen Landesbank

Lehman sei Dank

Gerhard Pfaffstaller: „Die Schweizer Banken werden Abflüsse verzeichnen“

Strukturen weiter verwalten zu können. Doch für die Personen, die das Geld zurückführen, muss nicht immer die Schweizer Bank der erste Ansprechpartner sein. Sie haben auch in Italien ihre Banken, denen sie vertrauen. NUTZNIESSER SÜDTIROL. Genau von die-

sem Umstand wollen die Südtiroler Banken profitieren. In Informationsveranstaltungen und Werbeanzeigen unterstreichen sie ihre Diskretion und ihre Kompetenz in Sachen Scudo Fiscale. Schließlich geht es darum, welcher Bank das rückgeführte Kapital übertragen werden soll. „Der Scudo Fiscale bringt Liquidität. Für Banken ist Liquidität das tägliche Brot, denn nur eine liquide Bank kann Kredite vergeben“, erläutert Peter Rosatti, Chief Client der Prader Bank. „Im Kampf um die Liquidität stehen Südtirols Banken in der Poleposition, denn beim dritten Scudo wird davon ausgegangen, dass der Nordosten Italiens – also auch Südtirol – überproportional stark profitieren wird“, so Gerhard Pfaffstaller von der Raiffeisen Landesbank. Als besonders stark umworben gilt das beträchtliche Vermögen der Nordtiroler Banken. Dort soll sich ein Vermögen von rund einer Milliarde Euro befinden, wobei die Hälfte dieser Summe aus Südtirol und die andere Hälfte aus den anderen Provinzen in Norditalien stammt. Doch man muss sich immer vor Augen halten, dass es sich lediglich um Schätzungen und Prognosen handelt. Günther Schacher meint dazu: „Eine detaillierte Festlegung der Beträge, insbesondere betreffend die Rückführung zugunsten von Südtiroler Banken, ist derzeit noch nicht möglich.“ ◀ OLIVER KAINZ


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