Südtirol panorama Oktober 2009

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UNTERNEHMER & MÄRKTE

SATTE UMSÄTZE MIT MATRATZEN. Zum

Beispiel der Bettenhersteller Wenatex mit Hauptsitz in Salzburg. Gegründet wurde das Unternehmen von Hans Gerd Wernicke und seiner Frau Sonja. Das Familienunternehmen beschäftigt weltweit über 1400 Mitarbeiter. Insgesamt elf Niederlassungen hat Wenatex auch in Italien, darunter eine in Brixen. Das Geschäft floriert hier in Italien: Auf Platz Nummer 116 lag die Brixner Niederlassung im Ranking der Top-250Unternehmen, ermittelt von Südtirol Panorama im September 2009. Insgesamt 30,3 Millionen Euro, so viel hat der Umsatz der italienischen Niederlassung betragen. KEINE INTERVIEWS. Diese Umsätze spre-

chen für einen Boom des Direktvertriebs auch in Südtirol. Erklären kann uns diesen Boom niemand: Weder die Geschäftsführung in Salzburg noch jene Brixen. Harald Wohlfahrt, der seit Kurzem die Geschäfte in Brixen führt, lässt über seine Sekretärin am Hauptsitz in Salzburg lediglich ausrichten, dass „das Unternehmen im Moment weder Lust noch Zeit habe, ein Interrview zu geben.“ Bereits vor einem Jahr wurden Interview-Anfragen beim früheren Brixner Geschäftsführer, Herrn Mali, stets mit einem lapidaren „kein Interesse“ abgewiesen. Wie man die durchaus respektablen Umsätze

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gal ob Tupper-Party, Avon-Beratung oder Vorwerk-Staubsauger-Vorführung, das Prinzip des Direktverkaufs ist immer das gleiche: In lockerer, privater Atmosphäre versuchen Firmen, Produkte direkt an den Mann, öfter jedoch an die Frau zu bringen, ohne den Umweg über den Handel zu suchen. Man scherzt und plaudert und erfährt wie nebenbei etwas über Produkte, die es in keinem Laden zu kaufen gibt. Dinge, die entweder besonders beratungsintensiv oder ausgesprochen teuer sind. Gerne auch alles gleichzeitig. Ein Absatzkonzept, das funktioniert – immerhin werden einer Studie zufolge im Direktvertrieb in Deutschland jährlich rund acht Milliarden Euro umgesetzt. Zuweilen mit zweifelhaften Mitteln. In der Vergangenheit wurde deshalb oft von Drückermethoden bei Haustürgeschäften gesprochen. Mittlerweile sind auch die Direktvermarkter, zumindest die seriöseren, in Verbänden zusammengeschlossen und haben sich einen Verhaltenskodex auferlegt. In die Karten schauen lassen sich manche dennoch nicht gerne.

Christina, die Verkäuferin von Wenatex, gibt im Wohnzimmer von Martha Aurich Schauergeschichten preis, was mit unseren Bandscheiben nächtens so alles passieren könne. Zur Bettenparty musste Martha Aurich sechs „kaufwilligen Gäste“ finden

und erstaunlichen Zuwachsraten erwirtschaftet, will man nicht verraten. Es macht aber umso neugieriger. Was ist dran, an dem Produkt, das trotz hoher Preise weggeht wie warme Semmeln? Ein Selbstversuch wird diese Frage klären. PLASTIKSKELETT. Es ist Dienstag, kurz

vor 20 Uhr. Bis zu dem Moment als es an der Tür klingelt, sind wir uns nicht sicher, ob die „Wenatex-Schlafberatung“ in Italienisch oder Deutsch abgehalten werden wird, schließlich waren alle Unterlagen und Telefongespräche italienisch. Wie sich schnell herausstellt, spricht Christina nicht italienisch sondern schwäbisch. Eine halbe Stunde vor Beginn der Bettenparty zerrt sie ihr Verkaufsequipement aus dem Kleinwagen und funktioniert unser Wohnzimmer in Windeseile in ein veritables Bettenstudio um. Als Gastgeber erhalten wir zunächst die versprochene Bettdecke als Prämie für das Ausrichten der Party und das Zusammensuchen von sechs „Kaufwilligen“. Christina kennt inzwischen alle unsere Vornamen auswendig und wir befinden

uns bereits mitten in einem Grundlehrgang über gesunden Schlaf, Hausstaubmilben, Bandscheiben und die therapeutische Wirkung von Silber. Elektronenmikroskopaufnahmen von Milben und anderen Hausmonstern machen die Runde. Die Wirbelsäule von Otto, dem Skelett, das während meiner Schulzeit im Lehrmittelzimmer wohnte, liegt nun auf einem Stapel Kissen und Überbetten. Der kindliche Schauer will sich allerdings nicht einstellen, auch wenn uns Christina Schauergeschichten darüber erzählt, was mit unseren Bandscheiben nächtens so alles passieren könne und sich zur plastischen Anschauung synchron dazu verbiegt. KOTBEUTEL. Wir würden auf einem Sack

aus Milbenkot schlafen und sie hätte das zweifelhafte Vergnügen gehabt, im Schlaflabor von Wenatex die aufgeschnittene Matratze eines Mitbewerbers gesehen zu haben – versifft, schauerlich und einfach ekelerregend! Karl, original Südtiroler Hausverkäufer der konkurrierenden Firma Orthotex aus Wals

Südtirol Panorama Juli | 2010

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