Freitag, 22. September 2023, 20 Uhr Klosterbasilika Knechtsteden
GREGORIANISCHE NACHT HIEROS
Mit freundlicher Unterstützung
Mitschnitt durch
Der Sendetermin wird zu einem späteren Zeitpunkt unter knechtsteden.com bekanntgegeben.



PROGRAMM
Wir bitten Sie auf das Applaudieren zwischen den einzelnen Stücken zu verzichten und den Applaus bis zum Ende des Konzertes aufzusparen.
Ombrer la nuit Jean-Philippe Goude (2017)
O vera, o pia Anonymus (13. Jhd.)
Ave gloriosa Anonymus (13. Jhd.)
Éternité Jean-Philippe Goude (2017)
Procurans odium Anonymus (13. Jhd.)
Nos vies sont là Jean-Philippe Goude (2017)
Nuit prodigieuse Jean-Philippe Goude (2017)
Flos in monte cernitur Anonymus (13. Jhd.)
Festa lanuaria Anonymus (13. Jhd.)
De monte lapis scinditur Anonymus (13. Jhd.)
Trois litanies : des taillis – des décombres – des nuages
Jean-Philippe Goude (2017)
Gaudeat Devotio Anonymus (13. Jhd.)
Nicholai presulis Anonymus (13. Jhd.)
Dominer Jean-Philippe Goude (2017)
AUSFÜHRENDE
Ensemble Céladon
Lise Viricel / Clara Coutouly – Sopran
Paulin Bündgen – Countertenor & Leitung
Wie kann man dem Heiligen – griechisch: Hieros – auf die Spur kommen? Nicht einem heiligen Menschen, wie etwa Maria oder Johannes dem Täufer, sondern dem Heiligen schlechthin, dem ganz Anderen, der Göttlichkeit Gottes? Architekten versuchen das, wenn sie einen „heiligen Raum“ wie die Klosterbasilika erbauen und so mitten im „Profanen“ –wörtlich: das außerhalb des heiligen Bezirks Liegende – als besonderen Ort auszeichnen und besonders gestalten. Dazu will auch die Tonkunst ihren Beitrag leisten. Als „Musica sacra“ widmet sie sich dem Heiligen in vielen spirituellen Tonarten: traditionell und experimentell, mit und ohne Worte, meditativ und ekstatisch.
Zudem gibt es Zusammenhänge zwischen Baukunst und Musik: Die stimmigen Proportionen, die wir sehen oder erahnen, prägen auch die Klänge und deren Intervalle. Oft wird auf die Bibel Bezug genommen: Gott hat als ewiger Schöpfer (Deus artifex) die Welt „nach Maß, Zahl und Gewicht“ erschaffen. Als menschliche Schöpfer (homo artifex) eifern Künstlerinnen und Künstler aller Sparten und Spielarten ihm nach. Ihre Werke können das Heilige nicht „dingfest“ machen. Aber sie wecken die Sensibilität dafür, indem sie einen Klang-Raum eröffnen für neue, bisweilen überraschende Erfahrungen. All das hängt von vielen Aspekten und ihrem gelingenden Zusammenspiel ab: Werk und Interpreten, Raum und Zeit, Atmosphäre und Aufmerksamkeit.
Das heutige Programm bezieht seine Kraft aus einer Spannung: Es erklingt Musik aus dem 13. und dem 21. Jahrhundert. Die „alte Musik“, die bei jeder Aufführung neu wird, stammt aus einer Blütezeit: Ähnlich wie die gotische Architektur, so entwickelte auch die Musik ein filigranes Tongeflecht, das in der Notre-Dame-Schule neue Maßstäbe für die Komponisten in ganz Europa gesetzt hat. Die „neuen“ Werke des überaus vielseitigen französischen Komponisten Jean-Philippe Goude (geb. 1952) sind eine zeitgenössische Resonanz auf die alten Stücke. Beides ergänzt sich sozusagen „kontrapunktisch“.
Wir hören Vokalmusik a cappella: mit Texten, ohne Instrumente. Eines ist allen betrachtenden und gebethaften Worten, die heute zu hören sind, gemeinsam: Sie sind symbolisch gemeint. Wenn sie von Blumen und Steinen, von Hoffnungen und Verzauberung singen, dann ist mehr gemeint, als was die Worte direkt besagen. Immer geht es auch um Zeit und Ewigkeit,
um irdisch und himmlisch. Die Werke sind aber auch im weitesten Sinne mystisch, denn sie spüren der Nähe zwischen dem Heiligen und dem Irdischen nach.
Ombrer la nuit (Die Nacht „schattieren“) stimmt uns ein auf dem Weg vom Vielen zum Einen. Bisweilen wurde Mystik als „Flucht des Alleinen zum AllEinen“ beschrieben. Wie aus der Ferne nähern sich die Klänge im Rhythmus des Ein- und Ausatmens. Deshalb sind die Pausen ebenso wichtig wie die Töne.
O vera, o pia und Ave gloriosa sind zwei musikalisch-poetische Huldigungen an Maria, die uns Wege zu ihrem Sohn Jesus zeigt: Sie ist wahrhaft und heilig, wie ein kostbarer Edelstein. Immer wieder erklingt die Verheißung, dass wir an ihren Freuden teilhaben dürfen. Sie ist „Heil der Völker, Hoffnung der Glaubenden und Licht der Herzen“. Die Musik umkreist gleichsam die vielen Anrufungen und steigert sich in einen hoffnungsvollen Gesang.
Eternité auf Worte von Robert Herrick und Noëlle Abel-Goude wirkt wie ein einsam-einstimmiges Rufen, das inmitten der Zeit die Ewigkeit erahnen will: „O Jahre! O Lebensalter! Adieu, Jahre! Adieu, Lebensalter! Ich werde schauen, wo die Unendlichkeit verweilt. Und mit eigenen Augen werde ich sehen, wie die Zeit sich verliert im Meer der Ewigkeit. Die Nacht geht unter im Tag, der kein Ende kennt.“
Procurans odium (Hass hervorrufen) ist eine Auseinandersetzung mit feindlichen Mächten, wie wir sie ähnlich auch in etlichen Psalmen des Alten Testaments finden. Am Ende soll sich alles umkehren und zum Guten wenden: „In den Dornen, die die Feinde gesät haben, werde ich Trauben pflücken.“ Die Musik bringt beides zur Geltung: die dissonanten Dornen und eine tänzerische Freude über die süßen Trauben.
Nos vies sont là (Unser Leben ist hier) folgt einem bekannten Wallfahrtsmotto: „Es gibt keinen Weg, sondern nur mein Gehen.“ Alles Reden und Singen bleibt nämlich fruchtlos, wenn zu den abstrakten Substantiven – wie Weg, Ziel, Spur oder Plan – nicht die Verben im Sinne des konkreten Tuns kommen: Gehen, Suchen, auch Zweifeln. Was sich dann im Gehen einstellt, bleibt offen: Vielleicht ein überraschender Moment des Glücks, ein „Abgrund des Lichts“ oder im Schweigen ein Moment, in dem das Heilige sich zeigt.
Nuit prodigieuse (Wunderbare Nacht) zeigt die Faszination, die von der Nacht ausgeht: „O geheimisvolle Nacht, strecke deine schweigenden
Hände aus.“ Die Musik antwortet in einem sehnsuchtsvollen SichAusstrecken der Klänge.
Flos in monte cernitur (Eine Blume ist auf dem Berg zu sehen) – nun lesen wir im „Buch der Natur“ vom betörenden Duft einer Blume: „Liebevoll und nachdenklich berührt er die Blume mit seinem Mund; auf den Knien gratuliert er der Blume zu dieser Ehre und pflückt sie mit seinen Händen. Für mehr bleibt keine Zeit!“ Ein Gesang über einen Moment.
Festa Ianuaria widmet sich dem Thema des Festes. Es sind geheiligte Zeiten, deren Licht den Alltag erhellt. Sogar den „Grund aller Dinge“ lassen sie uns erahnen.
De Monte lapis scinditur (Vom Berg hat ein Stein sich abgespalten) besingt einen geheimnisvollen Stein, der sich wundersam aus einem Felsen löst, um zum Eckstein des Tempels Salomos zu werden.
Trois Litanies widmen sich dem „Dickicht“, den „Trümmern“ und den „Wolken“. Wir hören dabei auch eine ganz besondere „Litanei“ als Aufzählung untergegangener Städte: von Babylon bis Palmyra.
Gaudeat devotio fidelium (Freudige Andacht der Gläubigen) ist ein österlicher Hymnus, der den Grund solcher Freude besingt: „Das Wort des Vaters ist Mensch geworden, neue Nachkommen werden uns geschenkt und mit uns gesprochen hat der Erlöser der Völker.“
Nicholai presulis ist ein schwungvoller Festgesang zu Ehren des heiligen Nikolaus: „Lasst uns das Fest dieses Bischofs feiern, mit freudigen Melodien, mit süßem Gesang, mit Pauke und Chor und allerlei Musikinstrumenten.“ Das Psallieren steigert sich zum Tanzen, denn „es wäre ein Aberglaube, auf das Tanzen zu verzichten“.
Dominer (Beherrschen) ist eine letzte litaneiartige Aufzählung vieler Verben, vom Verzaubern bis zum Trösten. Wieder spielt die Nacht eine große Rolle, und die Vision einer erhofften Vollendung: „In der unermesslichen Nacht gehe ich schweigend am Abgrund entlang und lege meine ‚Ruinen‘ nieder.“
WalterGESANGSTEXTE & ÜBERSETZUNGEN
MeinradJEAN-PHILIPPE GOUDE Ombrer la nuit
Worte: Jean-Philippe Goude
embraser les hébétudes
niveler l’ennui
déserter la mémoire
des riens
adoucisseur de gouffre
ignorer
les mansardes
émietteur de souvenirs
de traces
vider les parures de loin
lisseur d’extérieur de surfaces
s’abstenir
des embellis d’enfance
élaguer les mémoires
qui pendent
araseur de doutes
contourner les abîmes de nuit
traqueur de silences
aveugler les chagrins
dégazeur de soute à paroles
vriller les parois au coeur
avaleur de brumes
bitumer les rubans
couvrir les affres
rabatteur d’existences
se blottir sous les obliques
lustreur d’espoirs
écrouleur de vies
devenir flou
den Stumpfsinn in Brand stecken
die Langeweile einebnen
die Erinnerung
an Nichtigkeiten aufgeben
Abgrund-Weichmacher
nichts wissen
von den Dachkammern
Spuren-ErinnerungsZerkrümler
den Schmuck von fern abräumen
Außenflächenglätter
sich der Kindheitsbeschönigungen
enthalten
die herabhängenden
Erinnerungen kappen
Zweifelplanierer
die Abgründe der Nacht umgehen
Stille-Aufspürer
die Sorgen blenden
Wortspeicherentleerer
die Herzwände durchbohren
Nebelschlucker
die Bänder asphaltieren
die Schrecken zudecken
Existenzen-Schlepper
sich unter die Schrägen kauern
Hoffnungs-Blankputzer
Leben-Einreißer
unscharf werden
astiqueur de stratégies
obscurcir les menées
prédateur de marges faire brailler les processus
vendeur de monde
mettre à sac les glacis
assoupis croyeur ah
s’avancer dans les couloirs
amuseur de misères
ombrer la nuit
Strategienpolierer die Machenschaften verdunkeln
Gewinnspannenerbeuter die Abläufe zum Kreischen bringen Weltverkäufer die verschlafenen Glacis einsacken
Gutgläubiger, ach die Korridore entlanggehen Elends-Unterhalter die Nacht verschatten
O vera, o pia,
O gemma splendida,
O via libera, Maria, libera;
A via devia,
Nos alma devia;
Fac pura opera, Domina, propera;
Nos sana, ne nostra
Subita ruina
Sit acta per acta;
In aula regia
Da vera et summa
Gaudia nobis.
O wahres, o frommes, o glänzendes Juwel, o Weg ohne Hindernis, Maria, befreie uns;
vom Weg, der in die Irre führt, halte uns gütig ab; tu deine reinen Werke, Herrin, beeile dich; heile uns, auf dass nicht unser plötzliches Verderben der Preis unserer Taten sei;
im königlichen Saal gib uns wahre und höchste Freuden.
ANONYMUS (13. Jhd.) O vera, o pia ANONYMUS (13.Jhd.) Ave gloriosaAve gloriosa
Mater salvatoris
Ave, speciosa
Virgo flos pudoris
Ave, lux locosa
Thalamus splendoris, Ave, pretiosa
Salus peccatoris;
Ave, vite via,
Casta, munda, pura,
Dulcis, mitis, pia, Felix creatura ;
Parens modo miro
Nova paritura
Virum sine viro,
Contra legis iura;
Virgo virginum,
Expere criminum,
Decus luminum,
Celi domina,
Salus gentium,
Spes fidelium,
Lumen cordium, nos illumina;
Nosque filio tuo tam pio,
Tam propitio reconcilia,
Et ad gaudia
Nos perhennia
Duc prece pia
Virgo Maria.
Sei gegrüßt, ruhmreiche
Mutter des Heilands; sei gegrüßt, herrliche
Jungfrau, Blüte der Keuschheit; sei gegrüßt, freudvolles Licht, Brautgemach des Glanzes; sei gegrüßt, kostbares
Heil der Sünder; sei gegrüßt, Weg des Lebens, keusches, reines, lauteres, süßes, sanftes, gütiges, glückliches Geschöpf; die du zur Welt brachtest wunderbarerweise durch Geburt einen Sohn, gegen das gültige Gesetz; Jungfrau der Jungfrauen, frei jeder Schuld, Zierde der Lichter, Herrin des Himmels, Heil der Völker, Hoffnung der Gläubigen, Licht der Herzen, erleuchte uns; mit deinem Sohn, dem so gütigen, so gnadenreichen,versöhne uns, und zu den ewigen Freuden führe uns durch dein frommes Gebet, Jungfrau Maria.
JEAN-PHILIPPE GOUDE Éternité
Worte: Robert Herrick & Noëlle Abel-Goude
Ô années ! Ô âge !
Adieu années ! Adieu âge !
Je vais contemplant
Là où je sais
L’infini s’attarder.
Et mes propres yeux verront
Comment le temps
S’est perdu dans la mer
De la vaste éternité
Où jamais la lune n’inclinera
Les étoiles, mais où, Avec la nuit, elle se noiera
Dans un jour sans fin.
O Jahre! O Lebensalter!
Adieu, Jahre! Adieu, Lebensalter! Ich gehe sinnend dahin, wo, wie ich weiß, das Unendliche weilt.
Und meine eigenen Augen werden sehen, wie die Zeit sich verloren hat im Meer der großen Ewigkeit, Wo niemals der Mond die Sterne beugen wird, sondern wo er, mit der Nacht, ertrinken wird in einem Tag ohne Ende.
ANONYMUS (13. Jhd.) Procurans odium
Procurans odium
Effectu proprio
Vix detrahentium
Gaudet intentio;
Nexus est cordium
Ipsa detractio:
Sic per contrarium
Ab hoste nescio, Fit hic provisio
In hoc amantium
Felix conditio.
Insultus talium
Prodesse sentio,
Tollendi tedium
Fluxit occasio.
Suspendunt gaudium
Pravo consilio,
Sed desiderium
Auget dilatio.
Tali remedio
De spinis hostium
Uvas vindemio.
Da der Hass, den sie säen, auf sie selber zurückfällt, erreicht die Absicht der Verleumder kaum ihren Zweck ; Ja, die Verleumdung selbst bindet die Herzen fester aneinander. So ist im Gegenteil – dem Feind unbewusst –dafür gesorgt, dass sich die Liebenden in glücklicher Lage finden.
Derlei Beschimpfungen
sehe ich als nützlich an: Als seltene Gelegenheit, Verdruss zu bannen. Die Freude hemmen sie in böser Absicht, doch das Verlangen wächst mit der Erwartung. Dank diesem Heilmittel ernte ich Trauben von den Dornen meiner Feinde.
JEAN-PHILIPPE GOUDE Nos vies sont là
Worte: Jean-Philippe Goude
No hay camino, hay que caminar !
Il n’y a pas de chemin, il faut cheminer
Il n’y a pas de routes, il faut faire route
Il n’y a pas de sillon, il faut sillonner
Il n’y a plus de traces, il faut s’élancer
Il n’y a pas de voie, il faut s’avancer
Il n’y a pas de départ, il faut s’animer
Il n’y a plus de dessein, il faut vivre de doutes
Il n’y a plus de chemin,
Et quand le jour s’efface
Et que s’ouvre la nuit, Sa voûte familière, Abîme de lumière
Telle un écrin
Scintille, luit
Sans bruit ...
Nos vies sont là, Mystère éphémère.
Es gibt keinen Weg, man muss wandern
Es gibt keine Straßen, man muss fahren
Es gibt keine Furche, man muss pflügen
Es gibt keine Spuren mehr, man muss losgehen
Es gibt keine Bahn, man muss vorwärts gehen
Es gibt keine Abfahrt, man muss sich in Gang bringen
Es gibt keinen Plan mehr, man muss von Zweifeln leben
Es gibt keinen Weg
Und wenn der Tag verblasst und die Nacht sich auftut, ihr vertrautes Gewölbe, Abgrund von Licht, wie ein Schrein
funkelt, glänzt ohne Geräusch ...
sind da unsere Leben, vergängliches Geheimnis.
JEAN-PHILIPPE GOUDE Nuit prodigieuse
Worte: Jean-Philippe Goude
Ô nuit prodigieuse, viens paisiblement de l’immensité de l’univers glacé.
Viens dévoiler un autre jour, une autre nuit déferler dans le silence, obscur océan de mélancolie.
Viens me dire comment vivre.
Viens me montrer la voie, montre-moi la voie, pâle promesse de lueur, rêve d’un impossible ailleurs.
Viens-à moi, ouvre-toi,
viens me dire d’où tu viens, montre-moi où tu vas, aide-moi, je voudrais savoir, savoir pourquoi tout existe.
Ah mourir
sans jamais savoir pourquoi !
Viens, libère-moi de l’infini non-sens de ce monde d’effroi et d’inutilité.
La brûlure me ronge, m’envahie, me consume.
Ô nuit béante, il n’est d’autre façon de vivre et c’est ce que vivre veut dire.
Ô nuit secrète,
O wunderbare Nacht, komm friedlich aus der Unermesslichkeit des eisigen Universums. Komm und enthülle einen anderen Tag, eine andere Nacht lass anbranden in der Stille, dunkler Ozean aus Melancholie. Komm und sag, wie ich leben soll.
Komm mir den Weg zeigen, zeig mir den Weg, blasses Versprechen von Licht, Traum von einem unmöglichen Anderswo. Komm zu mir, öffne dich,
komm und sag mir, woher du kommst, zeig, wohin du gehst, hilf mir, ich möchte wissen, wissen, warum alles existiert.
Ach! sterben, ohne jemals zu wissen, warum!
Komm, befreie mich vom endlosen Unsinn dieser Welt aus Schrecken und Nutzlosigkeit. Das Brennen nagt an mir, ergreift von mir Besitz, zehrt mich auf.
O gähnende Nacht, es gibt keine andere Art zu leben, und das ist es, was leben heißt.
vertigineuse, étends tes mains silencieuses.
O heimliche Nacht, schwindelerregende, breite deine Hände aus, die stillen.
Flos in monte cernitur, Gaudet cor amantis;
Circa florem nemora, Nulla vox clamantis;
Locus est ydoneus
Placito mandatis;
Fiat amor aureus
Gratia donantis!
Odor florum iuvenem
Renovans amore,
Multa secum cogitans
Florem tangit ore;
Flexo genu gratulans
Floris in honore, Florem carpit manibus, Non (est) tempus more!
Sieh, die Blume auf dem Berg, freut sich der Verliebte; um die Blume Wälder sind, keine Stimme hört man; günstig ist der Platz für das, wozu er gekommen; lass die Liebe golden sein dank der, die sie spendet!
Von der Blume Duft erfüllt neu mit Liebessehen, denkt der Jüngling mancherlei, rührt sie mit den Lippen; beugt das Knie zu Gruß und Dank zu der Blume Ehren, pflückt die Blume mit der Hand: Keine Zeit, zu weilen!
ANONYMUS (13. Jhd.) Flos in monte cernitur ANONYMUS (13. Jhd.) Festa lanuariaFesta Ianuaria
Festiva sunt festorum, Vera figuralia
Insignia signorum;
Hec luminum oblatio, Hec est illuminatio, Qua patet declaratio, Rataque rerum ratio.
Die Januarfeiern
sind das Fest der Feste, Wahrzeichen sind es, bedeutsam über alle Zeichen; dies ist die Darbringung der Lichter, dies ist die Erleuchtung, durch die die Erklärung offenbar wird und der Sinn der Dinge.
De monte
lapis scinditur
Mirabili miraculo,
Ab illo cum disiungitur
Non manus amminiculo:
Lapis hic intelligitur,
Quem Salomon in angulo
Templi perfecti dicitur
Corde locasse sedulo.
Vom Berg hat sich ein Fels abgespalten durch ein erstaunliches Wunder, da er sich abtrennte ohne das Zutun einer Hand.
Dieser Stein wird erkannt als der, den Salomo als Eckstein dem Tempel zur Vollendung, wie es heißt, eifrigen Herzens einfügte.
ANONYMUS (13. Jhd.) De monte lapis scinditur JEAN-PHILIPPE GOUDE Trois litaniesWorte: Jean-Philippe Goude (I), Robert Briatte (II & III)
I Des taillis
Aux lisières des solitudes
Tiède silence engourdi
Lentement l’obscurité
Dans le taillis de nos villes
Glissent là-haut les nuages
Bruissent au vent les feuillages
Nous sommes venus ici
Qu’avons-nous fait de la vie?
Babylone
Gomorrhe
Massada
Dorestad
Méroé
Iximtché
Ryolite
Okuma
Rapa Nui
Subashi
Seboïm
Tucume
Pripiat
Kolmanskop
Pompei
Hashima
Troie
Thulé Assur
I Von den Dickichten
Am Rand der Einsamkeiten
Lauwarme taube Stille
Langsam die Dunkelheit
Im Dickicht unserer Städte
Es gleiten oben die Wolken hin
Es rauschen im Wind die Blätter
Wir sind hierher gekommen
Was haben wir aus dem Leben gemacht?
Babylon
Gomorrha
Massada
Dorestad
Meroe
Iximtché
Rhyolite
Okuma
Rapa Nui
Subashi
Seboim
Túcume
Pripiat
Kolmanskop
Pompeji
Hashima
Troja
Thule Assur
Alésia
Petra Siem Reap
Oradour
Malao
Mycènes
Kitej
Jubbah
Hattusa
Nimroud
Iram
Knossos
Teotihuacan
Palmyre
II Des décombres
Nuages qui défilez
Oh! Terre et ciel
ne vont pas toujours ensemble.
III Des nuages
Nuages qui défilez
Terre et ciel ne vont pas toujours ensemble, il me semble
Alesia
Petra Siem Reap
Oradour
Malao
Mykene
Kitesch
Jubbah
Hattusa
Nimrud
Iram
Knossos
Teotihuacán
Palmyra
II Von den Trümmern
Wolken, die ihr vorüberzieht
Oh! Himmel und Erde gehen nicht immer zusammen.
III Von den Wolken
Wolken die ihr vorüberzieht
Himmel und Erde gehen nicht immer zusammen, scheint mir
ANONYMUS (13. Jhd.) Gaudeat DevotioGaudeat
Devotio fidelium;
Verbum patris
Incarnatur, Nova proles nobis datur
Et nobiscum conversatur, Salus gentium.
Vitae pandit ostium, Dum mortis supplicium
Pie tolerat.
Mundi princeps
Exturbatur, Dum considerat
Quod per mortem liberatur
Qui perierat.
Iure suo sic privatur, Dum desiderat
Illum sibi subdere,
Qui nil commiserat.
Es freue sich die Schar der Gläubigen: Das Wort des Vaters ist Fleisch geworden, ein neuer Spross ist uns gegeben und weilt unter uns, das Heil der Völker. Das Tor des Lebens tat er auf, da er des Todes Marter fromm ertrug. Der Herrscher der Welt ist abgesetzt, da er [Christus] bedachte, dass durch den Tod befreit wird, wer zugrunde geht. So verzichtete er auf sein Recht, da er wünschte, für den anderen einzutreten, er, der doch nichts begangen hatte.
ANONYMUS (13. Jhd.) Nicholai presulisNicholai presulis
Festum celebremus, Concrepando modulis
Letitie sonemus, Versibus almisonis
Diem decoremus,
Vocibus altisonis
Intenti festinemus.
In tanto natalitio
Patrum docet traditio, Ut consonet in gaudio
Fidelium devotio,
Est ergo superstitio
Vacare a tripudio.
Nunc igitur iustorum
Suavitas cantorum
Per tympanum et chorum
Et omne musicorum
Genus instrumentorum
Psallat Deo deorum.
Das Fest des Bischofs Nikolaus lasst uns feiern, lasst unsere Melodien froh ertönen mit lautem Schall, lasst uns den Tag schmücken mit wohlklingenden Versen, mit hochtönenden Stimmen lasst uns herzueilen voll Eifer!
An einem so hohen Geburtstag, lehrt die Überlieferung der Väter, soll die Andacht der Gläubigen in Freude zusammen klingen; es ist also Aberglaube, sich des Tanzens zu enthalten.
Also soll nun der liebliche Gesang der rechtschaffenen Sänger mit Tympanum und Chor und Musikinstrumenten aller Arten den Gott der Götter loben!
Worte: Jean-Philippe Goude & Robert Briatte
Amuser, attirer
Amüsieren, anziehen
Attiser, appâter
Verlocken, ködern
Égarer
Irreführen
Envoûter, détourner
Betören, ablenken
Captiver, capturer
Fesseln, gefangennehmen
Séparer
Trennen
S’immiscer, s‘insinuer
Sich einmischen, sich einschmeicheln
S’insérer, Sich einschalten
S’ingérer
Sich eindrängen
S‘imposer
Sich aufzwingen
S’emparer, grappiller
Sich bemächtigen, Ramasser,
Aufsammeln
Amasser
Anhäufen
Oppresser
Niederdrücken
Contrôler, soutirer
Dans les parois de verre Zwischen den gläsernen Wänden
Dans les couloirs impairs
Auf den ungeraden Fluren
Égarés Verirrte
Dans les trains assiégés
In den belagerten Zügen
Des cités délaissées Von den verlassenen Städten
Séparés
Getrennte
Dans les rêves futiles des envies insipides
In den flüchtigen Träumen fader Lüste
Dans les joies infertiles, In den unfruchtbaren Freuden dans les options fictives
In den fiktiven Optionen
Imposés
Eingezwängte
Dans les carrières obscures, In den obskuren Karrieren, dans les emplois sans joie in den freudlosen Beschäftigungen, Les stratégies voilées des égos déchaînés die verschleierten Strategien enKesselter Egos
Oppressés
Niedergedrückte
Dans nos corps abîmés
Kontrollieren, entziehen
Extirper, évincer
Auslöschen, verdrängen
Investir, assouvir
Besetzen, ausfüllen
Asservir, envahir Unterjochen, usurpieren
Dominer
Beherrschen
Dans nos jours anémiés
In unseren blutentleerten
Tagen
Dans nos jours engourdis In unseren tauben Tagen,
Dévastés, hébétés den verwüsteten, stumpfsinnigen
À genoux, dominés Auf die Knie, Beherrschte
Dominés Beherrschte
In unseren ruinierten Körpern
Nos cerveaux asservis
Unseren unterjochten Gehirnen
Nos regards sidérés
Unseren entgeisterten Blicken
Dans nos vies envahies
In unseren usurpierten Leben
Dominés
Beherrschte
Surpasser, surclasser Übertreffen, deklassieren
Surplomber, submerger Überragen, versenken
Dévaster, à genoux Verwüsten, auf die Knie,
Dominer, dominer Beherrschen, beherrschen
Dominer Beherrschen
Dans nos jours anémiés In unseren blutentleerten
Tagen
Dans nos jours engourdis In unseren tauben Tagen
À genoux, dominés Auf die Knie, Beherrschte
Dominés, dominés Beherrschte, Beherrschte
Dominés Beherrschte
Dans la nuit secrète, je viens aux fenêtres des palais en ruines pour me consoler
In der heimlichen Nacht komme ich an die Fenster der Paläste in Trümmern, um mich zu trösten
Dans la nuit immense, j’avance en silence au pied des lisières, déposer mes pierres pour me consoler
In der unermesslichen Nacht gehe ich still am Fuße des Abhangs entlang, um meine Steine abzulegen und mich zu trösten
Déposer ma détresse, nos détresses
Um meine Not abzulegen, unsere Nöte
Ma défaite, nos défaites
Mein Scheitern, unser Scheitern
Nos débâcles, nos désastres, désarrois
Unsere Debakel, unsere Desaster, unsere Verstörung
Dans la nuit immense, j’avance en silence au pied des lisières, déposer mes ruines
In der unermesslichen Nacht gehe ich still am Fuße des Abhangs entlang, um meine Trümmer abzulegen
Übersetzungen: Babette Hesse
ENSEMBLE CÉLADON
Das Ensemble Céladon, dass sich nach einer Hauptgestalt des im 17. Jahrhundert vielgelesenen Romans L’Astrée von Honoré d’Urfé benannte, erforscht mit Charme und Fantasie das Erbe der Alten Musik in dem Bemühen, die Form seiner Konzerte dem Gegenstand gemäß immer wieder neu zu erfinden. Unter der Leitung des Sängers Paulin Bündgen widmet sich das Ensemble vorzugsweise dem mit der Countertenor-Stimme verbundenen Musikrepertoire und versucht dabei die ausgetretenen Pfade zwischen Mittelalter-, Renaissance- und Barockmusik zu verlassen. Seit seiner Gründung 1999 realisierte das Ensemble Céladon so eigenwillige und originelle Programme wie Deo Gratias Anglia, Devozioni Veneziane, Les Douze figures de Marie, A la Muse Céleste oder Nuits Occitanes. Seine Diskografie umfasst inzwischen 10 Alben. An der Wiederentdeckung vergessener Werke ist das Ensemble ebenso interessiert wie an szenischen Projekten: Sea Change, Frucht der Zusammenarbeit mit der Sängerin und Komponistin Kyrie Kristmanson, wurde nach der Uraufführung in Venedig auch im Café de la Danse in Paris und am Théâtre de la Renaissance in Oullins gezeigt; No Time in Eternity, entstanden aus der Begegnung mit dem Komponisten Michael Nyman, war bei der Biennale Musiques en Scène in Lyon, im Théâtre de la Croix-Rousse oder im LUX Scène nationale de Valence zu erleben.
Auftritte führten das Ensemble zu zahlreichen Festivals in Frankreich und ganz Europa, darunter Festival d‘Ambronay, Les Rencontres Musicales de Vézelay, Voix et Routes Romanes, Music in the Dales (Großbritannien), Les Nuits de Septembre (Belgien), Fondazione Pietà de’ Turchini (Italien), Kammermusikfestival Julita (Schweden), Musica da Póvoa de Varzim (Portugal), Tage Alter Musik Regensburg.
DANKE
Unsere PartnerInnen, FreundInnen und Förderer setzen Zeichen für ein aufgeschlossenes Kulturengagement.
KünstlerInnen, OrganisatorInnen, KonzertbesucherInnen und MusikfreundInnen von nah und fern danken ihnen dafür.

IMPRESSUM
Künstlerische Leitung
Hermann Max
Festivalmanagement
Michael Rathmann
Projektleitung Junges Festival
MOVIMENTO
Ulrike Neukamm
Vorstand
Dr. Marcel Mangen
Hermann Max
Dr. Lothar Ruetz
Hartmut Belitz
Prof. Barbara Schlick
Martin Achtelik
Programmheftredaktion
Babette Hesse
Herausgeber & Träger
Festival Alte Musik
Knechtsteden e.V.
Ostpreußenallee 5
D-41539 Dormagen
Kuratorium
Klemens Diekmann
Bernd Gellrich
Johannes Gillrath
Thomas Helfrich
Dr. Christiane Lehnigk
Erik Lierenfeld
Pater Emeka Nziadibe
Hans-Jürgen Peters
Hans-Jürgen Petrauschke
Frank Picht
Pater Hermann Josef Reetz
Dr. Barbara Schwendowius
Jobst Wierich
Werner Wittersheim
Förderkreis
Festival Alte Musik
Knechtsteden e.V.
c/o Lothar Ruetz
Wilhelm-Busch-Str. 37
D-41541 Dormagen