Zweitwohnsitze in Tirol

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Gastbeitrag

Zweitwohnsitze in Tirol: Macht die Aktion scharf Schule?

NichtnurinGoing(imHintergrundderWildeKaiser)gibtesKonikteumdieNutzung desSiedlungsraums.

APA/HelmutFohringer

25 03 2024 um 10:13 von Josef Peer

DerBürgermeisterderTirolerGemeindeGoinguntersagteeinemdeutschenManagerdie NutzungvondessenZweitwohnsitz DievomVerwaltungsgerichtbestätigteEntscheidung könnteBeispielswirkungentfalten

Wien. Anfang März sorgte eine bereits im Jänner ergangene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG 2023/38/2252 19) über die Grenzen Tirols hinaus medial ür Aufsehen. Mit der Entscheidung wurde, unjuristisch gesprochen, dem Liegenschaftseigentümer – einem bekannten deutschen Manager – die Nutzung seines Chalets in den Tiroler Bergen mit dem Argument untersagt, es handle sich um einen nicht zulässigen Freizeitwohnsitz im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG).

Rechtstechnisch wies das LVwG eine Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Going, mit dem die Nutzung der Liegenschaft (iSd § 46 Abs 6 lit g Tiroler Bauordnung 2022 – TBO) untersagt worden war, als unbegründet ab.

Inhaltlich ist die Entscheidung durchaus nachvollziehbar, wobei sie bei näherer Betrachtung spannende Implikationen ür den generellen Umgang mit Freizeitwohnsitzen und den Aufgaben/Mitteln der Baubehörde zur Herstellung eines rechtskonformen Zustandes aufweist.

UmstritteneNutzung

Wenig überraschend kommt es schon aufgrund der faktischen Limitierung von bebaubaren Flächen, insbesondere im Westen Österreichs bzw. in Regionen mit starker touristischer Nachfrage, immer wieder zu Nutzungskonflikten zwischen der touristischen Nutzung und anderen Nutzungen. Diese Konflikte haben dazu geührt, dass nicht nur politische Diskussionen über Zweitwohnsitze entbrannt sind, sondern auch die gesetzlichen Regelungen faktisch immer mehr verschärft wurden Das wiederum ührt sowohl bei Liegenschaftseigentümern bzw. potenziellen Käufern als auch bei den Bürgermeistern als Baubehörde und bei zur Vollziehung verpflichteten Organen immer wieder zu Unsicherheiten, wie sich auch am aktuellen Fall zeigt.

Im Sinne des TROG sind Freizeitwohnsitze, „Gebäude, Wohnungen und sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zum Wohnungszwecke verwendet werden“

MeldungalsHauptwohnsitzalleingenügtnicht

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) liegt ein Freizeitwohnsitz dann vor, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Eigentümers am konkreten Ort feststellbar ist. Dabei hielt der VwGH mehrmals fest, dass weder die Zahl der Tage pro Jahr, an denen ein Gebäude genutzt wird, noch der Umstand, dass an einem anderen Wohnsitz stärkere familiäre, soziale oder berufliche Beziehungen bestehen, noch die Meldung als Hauptwohnsitz ür die Qualifikation eines Gebäudes als Freizeitwohnsitz allein ausschlaggebend sind (s. Ra 2023/06/0089).

Zusammengefasst liegt ein Freizeitwohnsitz immer dann vor, wenn kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Beziehungen am konkreten Ort besteht, wobei diese Beurteilung eine Einzelfallbeurteilung darstellt und insbesondere die zur Vollziehung beauftragten Organe wie Bürgermeister vor Herausforderungen stellt

VerschärfteReaktion

Das LVwG folgte der Rechtsprechung des VwGH und stellte fest, dass der Wohnsitz nicht dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen dient, weil gerade kein „deutliches Übergewicht der beruflichen und familiären Beziehungen“ vorliegt. Die Entscheidung des LVwG hat aber insofern einen Neuerungscharakter – neben den zahlreichen Entscheidungen des LVwG und auch des VwGH –, als diese Entscheidung mediale Breitenwirksamkeit erlangt hat und nicht wie eine Verwaltungsübertretung durch die Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe oder Ähnlichem geahndet wurde, sondern vielmehr die Baubehörde, also der Bürgermeister, gemäß den Bestimmungen der TBO dem Eigentümer die Nutzung des Objekts (gemäß § 46 Abs 6 lit g TBO) wegen eines Verstoßes gegen § 13 TROG untersagt hat

ErmittlungendurchexterneGesellschaft

Interessant sind darüber hinaus aber auch einerseits die Umstände, wie es zum Verfahren und zum Bescheid der Gemeinde kam, und andererseits, wie die Gemeinde die erforderlichen Ermittlungen durchührte. Gemäß der Schilderung in der Entscheidung des LVwG hat sich die Gemeinde zur Erhebung des Sachverhalts einer eigenen externen Gesellschaft bedient, die Ermittlungen durchgeührt hat, inwieweit das Objekt wohnlich genutzt wurde Dies sowohl durch eine Auswertung der Wasser- und Stromverbrauchsdaten als auch durch

Ortsaugenscheine und entsprechende Kontrollen Angestoßen wurde die Causa durch die Anzeige einer Nachbarin im Juli 2023.

Durch das Publikwerden der Entscheidung des LVwG eröffnen sich nunmehr zwei spannende Themenkomplexe Zum einen wird der Druck auf Bürgermeister in Gemeinden mit hohem Freizeitwohnsitzanteil (sei es auch durch Anzeigen von Nachbarn) in Zukunft größer, aktiv gegen unzulässige Freizeitwohnsitznutzungen vorzugehen und dem Beispiel Going folgend auch mit externer Unterstützung zu arbeiten. Dabei wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die ersten Bürgermeister auch mit Vorwürfen des Amtsmissbrauchs oder der Säumigkeit werden auseinandersetzen müssen

MittederLebensbeziehungen

Andererseits müssen sich viele Liegenschaftseigentümer die Frage stellen, ob sie ihre Liegenschaft rechtmäßig nutzen oder ob es sich um einen unzulässigen Freizeitwohnsitz handelt Auch beim Kauf einer Liegenschaft sollte vorab geprüft werden, ob der angebotene Freizeitwohnsitz rechtlich gesichert ist Diese Beurteilung wird insbesondere bei der Feststellung des Mittelpunkts der Lebensbeziehungen relevant und ist keine einfache Angelegenheit.

Das Beispiel aus Going endete damit, dass die betroffene Liegenschaft mittlerweile wieder auf dem Markt ist und verkauft werden soll. Österreichische Medien rätseln bereits öffentlich darüber, ob ein Tiroler Adoptivkind mit Erbverzicht den Freizeitwohnsitz in Tirol ermöglichen könnte. Die mediale Aufmerksamkeit hat das Thema der Freizeitwohnsitze aber jedenfalls wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gebracht.

Zum Autor

Josef Peer ist Rechtsanwalt bei Fellner Wratzfeld & Partner

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