THEMA KUNST UND GELD
KUNST
Von der Freiheit, Geld zu verdienen
VON MICHAEL THURM MITARBEIT: LARS WOREMTE
Kunst ohne Geld gibt es nicht. Mit ihr wird spekuliert wie mit Aktien, Künstler werden von Agenturen vermittelt, Intendanten wie Fußballspieler verpflichtet. Immer häufiger wird auch das Geld selbst Teil der Kunst. Sie als Wirtschaftszweig zu klassifizieren ist ein problematischer Schritt, weil Kunst ja immer auch mehr sein soll als bloße Konsumbefriedigung. Die Verbindung zwischen schöner Muße und schnödem Mammon ist heute aber unvermeidlich. Die britische Künstlerin Justine Smith zum Beispiel nutzt Geldscheine als Material für ihre Collagen. So entstehen Landkarten und Waffen. Der Schweizer Ian Anüll presste Banknoten in Form einer Kerze und lud so zur Geldverbrennung ein. Für 2.500 Euro hätte man sich dieses Exponat auch gleich kaufen können. Jota Castro hängte 2009 Galgenstricke aus Dollarnoten in einem Raum auf. All das ist längst kein Aufreger mehr. Ausstellungen, die sich ganz explizit mit dem Thema Geld und Kunst befassen, finden längst in regelmäßigen Abständen wohl eingebettet in den alltäglichen Kulturbetrieb statt. Beim steirischen herbst sind heuer 21 Künstler in der Ausstellung »Liquid Assets« zusammengefasst, die sich mit Geld und Marktmechanismen auseinandersetzen will. Die Kritik an Markt und Geld funktioniert in der Kunst meist nur in der Übertreibung und Perversion des Marktes, aber immer innerhalb
des Systems, das man eigentlich kritisieren will. Sich als Künstler diesem Geschehen zu verweigern, seine Kunst den Marktregeln zu entziehen funktioniert kaum, ohne dafür den Preis der Nichtbeachtung zu zahlen. Eine der wenigen Ausnahmen ist Michael Marcovici, der sich als Künstler und Unternehmer versteht. In dieser Funktion war er bis zur Insolvenz seines Unternehmens Qentis der größte eBay-Händler Europas. Als Künstler stellte er mit »One Billion Dollar« ein leider missglücktes Kunstwerk aus. Der ursprünglichen Intention, eine Milliarde US-Dollar auszustellen, musste aufgrund der hohen Kosten, die für die Zinsen eines solchen Betrages zu zahlen gewesen wären, eine Nachbildung weichen. Kombiniert hat er seine künstlerische und wirtschaftliche Tätigkeit später im Projekt »Rattraders«: Ratten handelten für ihn an der Börse mit allen möglichen Finanzprodukten. Waren sie dabei erfolgreich, gab es Futter, machten sie Verluste: Stromschläge. Laut Berechnung Marcovicis waren die Ratten in ihrer Trefferquote ähnlich gut wie durchschnittliche Fondsmanager. Bei der Kunstausstellung documenta 11 (2002) präsentierte Maria Eichhorn das Stammkapital einer tatsächlich nach deutschem Recht gegründeten »Maria Eichhorn Aktiengesellschaft«. Inklusive aller
Justine Smith: Euro Europe, 2007 83 x 89.6cm. Edition of 95 signed and numbered by the artist. Inkjet print on 330gsm Somerset satin enhanced paper.
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FA Z I T
JULI 2013