Fazit 93

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THEMA STEUERN

Verteidigung der Steuersünder

Dabei ist Österreich schon jetzt eines der höchstbesteuerten Länder innerhalb Europas. Nicht nur dass es eine unglaubliche Zahl von rund 60 verschiedenen Steuern allein vom Bund gibt, dazu kommen noch Sozialabgaben, kommunale Abgaben und Gebühren wie zum Beispiel für den ORF und die Müllabfuhr. Nicht einmal das österreichische Finanzministerium hat eine vollständige Übersicht aller Zahlungen, die man direkt oder indirekt an den Staat zu leisten hat. Von einer transparenten Darstellung der tatsächlichen »Abgabenquote« sind wir also offensichtlich noch entfernt und der statistische Wert von 44,3 Prozent – das ist der Anteil von Steuern und Sozialabgaben am BIP – muss als durchschnittliche Mindestabgabenquote verstanden werden. Real dürften vor allem diejenigen, die ein besteuerbares Arbeitseinkommen haben, einen deutlich größeren Anteil an den Staat abführen. Wie es in Anbetracht dieser Zahlen um die Steuermoral der Österreicher bestellt ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die Schätzungen über das Ausmaß von Steuerhinterziehung und nicht versteuerten Leistungen reichen von Hunderten Millionen bis zu 20 Milliarden Euro. Studien zur Steuermoral gingen bis zum Jahrtausendwechsel davon aus, dass Steuern grundsätzlich durch Machtmittel des Staates eingetrieben werden müssen – inzwischen legen neuere Forschungsansätze nahe, dass es durchaus so etwas wie eine freiwillige Steuerehrlichkeit gibt. Eine Studentin der Universität Wien fasst den Stand der Forschung in ihrer Diplomarbeit zusammen: »Gelingt es den Behörden, das Vertrauen der Bürgerinnen zu gewinnen, den gewissenhaften Umgang mit den Steuergeldern glaubhaft zu machen und zu garantieren, dass diese uneingeschränkt dem Allgemeinwohl zugutekommen, so

JUNi 2013

wird sich freiwillige Steuerehrlichkeit ausbreiten.« Kurz gesagt: Wer vom Sinn seiner Steuern überzeugt ist, zahlt ehrlicher, als wer nur aus Angst vor Strafe zahlt. Steuern sind immer ungerecht Die Steuerskepsis vieler Bürger in Österreich ist nachvollziehbar. Die Steuern sind vergleichsweise hoch und ihre Systematik ist unfassbar kompliziert. Neben der unübersichtlichen Anzahl gibt es dazu jeweils unterschiedliche Tarife, Ausnahmen und Sonderregeln. Diese sind, und auch das darf nicht vergessen werden, dem Versuch geschuldet, so etwas Ähnliches wie Steuergerechtigkeit herzustellen und den verschiedenen Lebens-, Verdienst- und Unternehmensstrukturen Rechnung zu tragen. Wir stellen hier eine zweite These auf, die von großer Bedeutung für das Steuerrecht ist: Steuern sind immer ungerecht. Denn Gerechtigkeit ist vor allem eine Frage der Perspektive. Der eine fühlt sich durch einen längeren Arbeitsweg benachteiligt, der andere fühlt sich benachteiligt, weil er mittels Pendlerpauschale das »Leben im Grünen« und meist niedrigere Mieten mitfinanziert. Das ist nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, dass Steuern eben nicht im objektiven Sinn gerecht sein können. Ein anderes: Aktionäre, die an einer Firma beteiligt sind, zahlen auf ihre Gewinne 25 Prozent Kapitalertrag, während die angestellten Mitarbeiter, die mit ihrer Arbeitskraft beteiligt sind, bis zu 50 Prozent Einkommensteuer zahlen. Dafür kann der Aktionär sein eingesetztes Kapital verlieren, der Arbeiter im schlimmsten Fall seinen Job, nicht aber sein bisher verdientes Geld. Das Steuersystem kennt neben diesen grundsätzlichen und nur

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