Fazit 93

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THEMA STEUERN

Von Michael Thurm Mitarbeit: Sabrina Luttenberger

Österreich ist Hochsteuerland. Und stolz darauf? Das kann es doch eigentlich nicht sein. Den begründeten Huldigungen an den österreichischen Sozialstaat muss nicht zwangsläufig eine obrigkeitshörige Steuermoral gegenüberstehen. Dieser Text vertritt eine simple These. Noch dazu eine, die überhaupt nicht neu ist: Der Staat verlangt zu viele Steuern. Und tut damit viel Unnötiges. Sicher, diese Unterstellung formulierten vor allem jene Vertreter des neoliberalen Turbokapitalismus, deren politische Entscheidungen inzwischen als Wegbereiter für die immer noch andauernde Finanz(ierungs)krise in ganz Europa gelten. Aber nur weil eine These von Irregehenden und Irregegangenen vertreten wird, muss sie nicht falsch sein. Sie bleibt – so unsere Überzeugung – im Kern richtig. Und gerade weil jene, die sie vertreten haben, in akuter Begründungsnot sind, ist es wichtig, auch in der laufenden Konsolidierungsphase der europäischen Staaten einen Blick darauf zu werfen, wie der Staat seine Steuern einnimmt – und was er damit anstellt. Spätestens seit »auch Uli Hoeneß« als Steuersünder enttarnt wurde, hätte klar werden müssen, dass es eben nicht nur ein paar Gauner sind, die ihr Geld am Fiskus vorbeischleusen. Es sind eben nicht nur die Grassers und Meischbergers (ebenfalls Selbstanzeige!), von denen wir es immer schon gewusst haben wollen, denen aber bis heute meist keine juristisch wirksamen Vergehen nachgewiesen werden konnten. Es sind nicht nur die Unanständigen, es sind immer öfter wir alle. Während sich das Profil (»Die Psychologie der Gier«) und die Zeit (»Macht Geld unmoralisch?«) mit psychologischen Erklärungsmustern an das unerwünschte, unerhörte und unwürdige Phäno-

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FA Z i t

men der Steuerhinterziehung wagen, wollen wir einen anderen Weg einschlagen. Warum hinterzieht »auch Uli Hoeneß« Steuern? Ist er doch finanziell weit davon entfernt, es nötig zu haben. Und warum tun es auch »wir alle« oder zumindest immer mehr von uns – im kleinen Stil? Dem zuletzt oft gehörten Satz »Ein paar Sachen hat doch jeder laufen« steht ein geschätztes Volumen von bis zu 20 Milliarden Euro gegenüber, das in Österreich am Fiskus vorbei gewirtschaftet wird. Immerhin fast acht Prozent der nationalen Wertschöpfung. Selbstverständlich müssen Steuerhinterzieher gesucht und gefunden, angeklagt und bestraft werden. Aber bei diesem Beharren auf der fiskalischen Rechtsstaatlichkeit dürfen wir nicht vergessen, auch diese Regeln und ihre Rechtfertigung zu hinterfragen. Die moralischen Vorstellungen der Gesellschaft, das stellte schon Platon fest, sind »nicht einfach nur eine Ergänzung der geschriebenen Gesetze, sie sind das Fundament der Gesetze selbst«. Wenn also die Steuermoral der Staatsbürger sinkt, ist es natürlich richtig, auf die Einhaltung der Gesetze zu bestehen. Gleichzeitig muss das oberste Ziel eines Staates sein, diese Steuermoral wieder zu erhöhen und die Gesetze den moralischen Vorstellungen der Bevölkerung anzupassen. Und zwar nicht mit kostspieligen Werbekampagnen, sondern mit der faktischen Anpassung seiner Politik. Dazu gehört zum einen die Höhe der Steuern selbst und zum anderen ihre Komplexität und Allgegenwärtigkeit. Absurderweise könnte das just in diesem Jahr dazu führen, dass genau das Gegenteil von Steuersenkungen passiert. Erstmals in jüngster Vergangenheit ziehen Parteien mit der Forderung nach höheren Steuern in den Wahlkampf.

JUNi 2013


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