FALTER Kultursommer 2016

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dieser Gattung verweist: uns buchstäblich bis aufs Blut zu peinigen. Unter den 32 hei­ mischen Stechmückenarten ist die Über­ schwemmungsgelse unangefochtener Lan­ desmeister im Quälen. Tatsächlich ist es aber so, dass sie sich heuer bislang kaum hat blicken lassen. In einer Woche freilich wird die Sa­ che anders aussehen, denn bis dahin ha­ ben sich die Eier, die von den Gelsenmut­ tis schlauerweise in trockene fressfeindfreie Senken und Sutten gelegt wurden und dort bis zu drei Jahren überleben können, dank der Befeuchtung zu Larven, Puppen und schließlich adulten Stechmücken entwi­ ckelt, die sich zur Gelsenplage zusammen­ tun können. Leute wie Manzano finden das Getue um die Gelsen allerdings ein bisschen hys­ terisch: „Wenn die Gelsen auslassen, sind halt die Wespen die Plage.“ Brummt die Au tatsächlich einmal unterm Ansturm der Gelsengeschwader, hat Martin Weixelbraun weniger zu tun. Denn dann werden die Au­ führungen, die von ihm und rund 30 ande­ ren Nationalpark-Rangern abgehalten wer­ den, um dem Bildungsauftrag des National­ parks genüge zu tun, ausgesetzt. Vom Hauptberuf ist Weixelbraun Tier­ illustrator und er weiß alles, was der Gast aus Wien glaubt, wissen wollen zu können und noch mehr: Welche heimische Specht­ art in der Au fehlt (Dreizehenspecht); wel­ che Holzarten der Mittelspecht bevorzugt beklopft (Weide, Pappel, Erle); wie der Schwarzspecht in Japan respektvoll genannt wird („der Gott, der Boote baut“); wohin der Flußregenpfeifer ausweicht, wenn ihm das Hochwasser die Schotterbank flutet (Lesbos); welche Aubaumschwamm man essen kann (Schwefelporling); und was die winzigen Fliegen in den Kannenfallen der Osterluzei anstellen (zu kompliziert – bit­ te selber googeln). Weil der Falter-Auwaldbeauftragte (Fau­ wau) aber auch nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen ist, weiß er zumindest, wovon sich der Name der Tschaiken ablei­ tet, jener großen Ruderboote, mit denen das von Maria Theresia gegründete Tschaikis­ ten-Bataillon die Donau bis an die Gren­ zen des Habsburgerreichs befuhr: vom rus­ sischen „tschaika“ für „Möwe“ (so wie das Stück von Anton Tschechow).

Entspannung kann man auf Booten finden, für den Bildungsauftrag des Naturparks sind u.a. dessen Direktor Carl Manzano und der Ranger Martin Weixelbraun zuständig Informationen: www.donauauen.at

An Bord einer nachgebauten Tschaike wird man

parks besteht darin, der Natur ihren Lauf zu lassen (einzige Ausnahme: Die Gele­ ge der Sumpfschildkröte werden mit Ni­ rostagittern vor dem Zugriff des Fuchses geschützt).

Flink und glamourös: Die Natter macht den Eisvogel nervös

Fotos: Kl asu nüchtern (3), Kreinz (2), Kudich, Hoyer

Was es auch wegspült, anschwemmt, umhaut

und herlegt – das passt schon so und darf auch dort bleiben. Nur totes Tier wird even­ tuell verräumt, das kann man nämlich auf dem Auerlebnisgelände Schlossinsel in Orth gut gebrauchen. Dort tummeln sich nicht nur Zieseln, Seefrösche und Sumpf­ schildkröten in den Gehegen beziehungs­ weise Sterlet, Nase und Hecht im Teich­ aquarium, dort verwest auch ein Anfang Mai totgefahrener Rehbock, damit die Kid­ dies sehen, wie der Weg allen Fleisches so verläuft: Der Kadaver hat mittlerweile eine eher steckerlfischmäßige Anmutung und ist geruchsneutral. Uneingeschränkt happy mit den nieder­ bayerischen Niederschlägen ist an diesem Tag jedenfalls Aedes vexans, deren Name – lat. „vexare“ für „tierisch auf den Sack ge­ hen“ – bereits auf die Hauptbeschäftigung

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Der Eisvogel braucht Erosion,

der Uferläufer Schotter,

der Regenpfeifer weiß es schon:

Seeadler sind halt flotter

nachmittags die Auufer entlangschippern. Bis nach Belgrad kommt man damit heu­ te nicht mehr, so weit schafft es allenfalls ein Donaukiesel, der bis dahin freilich auf Sandkorngröße kleingeschliffen ist. Über den Donaukiesel weiß man noch immer er­ staunlich wenig. Immerhin haben die Kie­ selologen aber mittlerweile herausgefun­ den, dass ihr Forschungsobjekt nicht bloß im Bachgeriesel vorkommt, sondern auch am Grund der Donau. Er bildet dort Kie­ selwanderdünen, die man nicht sehen, aber hören kann. Das Geräusch trägt den poeti­ schen Namen „Geschiebesingen“, ein Wort, mit dem auch ästhetische Wiesel sehr ein­ verstanden wären. Überhaupt sind die Donau-Auen ein gu­ ter Ort, um ein bisschen Einverständnis mit der Schöpfung einzuüben. Was könnte dem förderlicher sein, als an Bord einer Möwe den Strom runterzutreiben, den Cumulus­ kähnen am blauen Sommerhimmel nach­ zusehen und auf den Gesang der Kiesel zu lauschen. Der Naturpark Donau-Auen hat übrigens auch einen Erholungs- und Er­ bauungsauftrag. Und er macht, verdammt noch mal, einen Top-Job! F

08.06.2016 13:35:26 Uhr


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