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heureka
Aus Wissenschaft und Forschung Kognitionsbiologie
Psychologie
Brief aus Brüssel
Von wegen Spatzenhirn, sagt der Kakadu
Emily walton
Die klugen Kakadus im Wiener Goffin-Lab verblüffen mit beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten
Sie finden das richtig eklig? Dann versuchen Sie es einmal mit dem Placebo-Effekt!
Us c h i S o r z
Sonja Burger
Ihr Team erforscht die Fähigkeiten der Goffini-Kakadus im Bereich ihrer Objektpermanenz: Alice Auersperg, Uni Wien
Die jüngsten Ergebnisse – diesmal zu ihrer Objektpermanenz – publizierte ein internationales Forscherteam um Alice Auersperg, Leiterin des Wiener Goffin-Labs, im Juli im Journal of Comparative Psychology.
Dabei geht es um die Fähigkeit, die Bewegung von Objekten zu verfolgen, die vorübergehend außer Sicht sind. Das ist geistig anspruchsvoll. So wissen Kinder erst mit ungefähr vier Jahren, dass Kekse auch noch existieren, nachdem sie im Küchenkasten verschwunden sind. Die Forscher stellten den Goffinis eine Reihe von sichtbaren und unsichtbaren Verschiebungsaufgaben. Diese Art Tests hatte der Psychologe Jean Piaget in den Fünfzigerjahren entwickelt, um das räumliche Gedächtnis und die Verfolgungsfähigkeit von Kindern und Tieren zu messen. Dabei zeigte sich, dass die Objektpermanenz der Goffinis der von Menschenaffen oder vierjährigen Kindern ähnelt. „Es war überraschend zu beobachten, dass sie die meisten unsichtbaren Verschiebungen lösten, welche vermutlich eine starke kognitive Last auf das arbeitende Gedächtnis darstellen“, so Thomas Bugnyar von der Universität Wien. „Um die Relevanz dieser Fähigkeiten in einem sozioökonomischen Kontext besser zu verstehen, benötigen wir mehr vergleichende Studien in dieser Richtung.“
Wer ist klüger? Das Kleinkind oder der Goffini-Kakadu?
inter Waschzwang oder BlutphoH bie steckt oft eine erhöhte Ekelempfindlichkeit. Bei jenen, denen es
trotz Therapie nicht gelingt, das Gefühl des Ekels bewusst zu regulieren, „kommt der Ekel immer wieder hoch“, weiß die Klinische Psychologin Anne Schienle von der Karl-FranzensUniversität Graz. Wenn die bewusste Emotionsregulation bei manchen Patienten nicht funktioniert, wie kann ihnen dann geholfen werden? Um das herauszufinden, setzte Schienle eine ungewöhnliche Studie
„Wir waren überrascht, wie stark der Effekt war.“ Anne Schienle, Uni Graz
durch. Mittels Fragebogen und funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) untersuchte sie, ob sich der Placebo-Effekt für die unbewusste Emotionsregulation eignet. Dieser Ansatz ist neu. Denn bisher kommt der Placebo-Effekt vorrangig in der Schmerzmedizin zum Einsatz. Hans-Georg Kress von der MedUni Wien erklärt, dass man in der Schmerzmedizin zunehmend auf den Placebo-ähnlichen Effekt einer positiven Begleitkommunikation beim Verordnen wirksamer Therapien vertraue. Schienle setzte in ihrer Studie auf die Wirkung positiver Suggestion, die an ein Scheinpräparat (Placebo) gekoppelt ist. „Wir waren überrascht, wie stark der Effekt war“, resümiert die Klinische Psychologin. Das fMRT zeigte, dass die Aktivierung sowohl des insulären Kortex (Insula), also jenes Gehirnareals, das maßgeblich für das Ekelempfinden zuständig ist, als auch des visuellen Kortex deutlich abnahm. Die 34 Teilnehmerinnen, denen ekelauslösende Bilder vorgelegt wurden, stuften diese unter Einfluss des Placebos im Schnitt nur mehr halb so ekelhaft ein. Für Schienle bedeute dies, dass sich eine einmalige Intervention von spezifischen Placebos besonders zu Therapiebeginn lohnen könnte, da dies den Betroffenen deren Selbstheilungspotenzial verdeutlicht.
Brüssel lebe, ist ein Haus der Zukunft. Im Mikrokosmos des EU-Bezirks bekommt man eine Ahnung, wohin sich das Leben in Europa wandeln könnte. Es wird ziemlich sicher noch internationaler. Ein Blick auf unsere Postkästen ist ein Querschnitt Europas: Neben meinem englischen Namen Walton klebt Rodriquez, unsere spanischen Nachbarn. Über mir: Ein Herr Keskitalo und eine Frau O‘Donell, unter mir Familie Pediconi. Und übers Haus verteilt multinational klingende Doppelnamen wie Schuster-Malcolm oder Bjorg-Tsagarki. Im Lift grüßt man auf Englisch – oder mit einem internationalen Lächeln. Manchmal gibt es auch kein Lächeln. Dann, wenn die Kinder meiner direkten Nachbarn besonders laut sind. Sie sind halbe Spanier, halbe Belgier und leben das laut aus: Vor sieben Uhr verlassen sie die Wohnung mit einem lauten „Adios!“, nachmittags kommen sie schnatternd in Begleitung eines englischsprachigen Kindermädchens nach Hause (und klingen dabei wie Londoner Privatschüler). Wenn die Eltern abends heimkehren, hört man ein lautes „Bonsoir“ und französisches Geplapper. Ich versuche, nicht zu unfreundlich zu sein. Man weiß ja nie, was aus diesen Kindern werden könnte. Und dass aus ihnen etwas wird, scheint programmiert: Sie wachsen bilingual auf, in einem multikulturellen Umfeld, gehen in eine internationale Schule. Schon ihre Eltern haben – das ist im EU-Arbeitsumfeld quasi Standard-Ausstattung – mehrere Studien abgeschlossen. Die kleinen, lauten Belgo-Spanier (oder heißt es Ibero-Belgier?) werden – und auch das scheint zukunftsweisend – einmal viel Auslandserfahrung haben und einen Lebenslauf, der nur mit Müh und Not auf zwei Seiten passt. Von klein auf erleben sie auch schon, was berufliche Flexibilität bedeutet: In unserem Wohnhaus herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, die meisten Nachbarn bleiben kürzer als drei Jahre. Diese Abwechslung erhält auch die Neugierde. Gestern standen die Nachbarskinder wieder einmal singend und suchend vor den Postkästen: Ist da etwa schon wieder ein neuer Name zu finden? Was immer die Zukunft für mich und meine Nachbarskinder auch bringen wird, eines ist jetzt schon gewiss: Unser Haus wird nicht mehr lange ein Haus mit Zukunft sein – es soll in den nächsten Jahren abgerissen werden.
Fotos: alice auer sperg, privat
A
m Wiener Department für Kognitionsbiologie hat man sie schon beim Schlösserknacken beobachtet, Werkzeuge basteln sehen oder mäßig begehrte Speisen durch kluges Taktieren gegen attraktivere Leckerbissen eintauschen lassen: die verspielten indonesischen GoffiniKakadus. Sie zählen zu den klügsten Vogelarten der Welt und beeindrucken mit ihrer enormen Lerngeschwindigkeit und Problemlösungsfähigkeit. Versuche mit ihnen sollen dazu beitragen, die Evolution von Intelligenz zu erforschen.
an würde es von außen nicht M vermuten, aber der abgewohnte Siebzigerjahre-Bau, in dem ich in