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ÖFG Wissenschaftspreisträger Seite

Seine erste Erfindungdiente durchaus aggressiven Zwecken: Als Achtjähriger lieferte sich der 1929 in Graz geborene Fritz Paschke zusammen mit anderen vom rechten Murufer in der Göstinger Au heftigeAuseinandersetzungen mit den Buben vom anderen Ufer. Doch Steinschleudern, die sie einsetzten, schafften es nicht über den Fluss. Also baute Klein-Fritz ein Gerät, das mit einem Hebel gespannt wurde und dabei unbewusst eine von Leonardo da Vincis Kriegsmaschinen nachahmte. Es funktionierte – und steht gewissermaßen prototypisch für sein Lebenswerk, technische Theorie zu praktischer Funktionstauglichkeit zu verhelfen.

Diese Fertigkeit zeigte Paschke zunächst nicht in Österreich. Denn kurz nach dem Abschluss seines Studiums der Elektro-/ Nachrichtentechnik an der Technischen Hochschule Wien war er in die USA zum David Sarnoff Research Center der Radio Corporation of America (RCA) gegangen. „Das Wagnis war gleich null, da die US-Regierung für meine Frau und mich ein Hotel in New York für ein halbes Jahr kostenlos zur Verfügung stellte und ein Taschengeld von 600 Dollar pro Monat zahlte“, erzählt Paschke. „Die einzige Unsicherheit bestand in der mangelhaften Versicherung der Schwangerschaft meiner Frau. Da sprangen aus Wien vertriebene jüdische Ärzte ein. Dabei weigerte sich ein Star-Gynäkologe beharrlich, ein Honorar entgegenzunehmen. Er könne den Betrag problemlos beim nächsten Rockefeller-Baby draufschlagen.“

Beim SarnoffResearch Center versuchte Paschke das nichtlineare Verhalten von Elektronenstrahlröhren zu analysieren und die Effektezu reduzieren. „Jeder Verstärker leidet unter nichtlinearen Verzerrungen: Im Fernsehen stören Bild und Ton einander. Abhilfe schafftenfrüher nur die Überdimensionierung der Senderleistung und der energievergeudende Betrieb bei schwachen Leistungen. Die Reduktion der Nichtlinearitäten brachte bessere Wirkungsgrade“, erklärt Paschke, der für diese Entdeckung mit dem RCA Laboratories Award for Major Contributions to the Nonlinear Theory of Electron Beams ausgezeichnet wurde.

Paschke hatte am David Sarnoff Research Center von Beginn an klargemacht, dass er nicht an militärischen Projekten teilnehmen würde. 1958 jedoch ließ er sich, da es sich um ein rein defensives Projekt handelte, überzeugen, ein Raketenfrühwarnsystem mitzuentwickeln. Es hatte die Aufgabe, vor einem Angriffder Sowjets zu warnen und Zeit für Gegenmaßnahmen zu gewinnen. Das System funktionierte und schlug eines Abends tatsächlich Alarm. Allerdings wunderte sich die US Air Force, dass sich die Signale kaum veränderten: Es war, als ob die feindlichen Raketen in der Luftstehen geblieben wären. Schließlich fand man heraus, dass Reflexionenvom aufgehenden Mond die Signale ausgelöst hatten. „Später“, erinnert sich Paschke, „habe ich erfahren, dass schon US-Flugzeu-

Forscher und Förderer

Der Erfinder und Gelehrte Fritz Paschke erhält den Wissenschaftspreis 2020 der Österreichischen Forschungsgemeinschaft

TEXT: BRUNO JASCHKE ge mit Atombomben an Bord gestartet waren und über Grönland kreisend auf weitere Befehle gewartet haben. Auch defensive Systeme können zu Katastrophen führen! Kein Wunder, dass Hollywood aus dem Vorfall einen Horrorfilmmachte.“ 1961 wechselte Paschke nach München zu Siemens, wo er Entwicklungsleiter des Werkes für Röhren war. Bereits 1965 erfolgte seine Berufung an die Technische Hochschule Wien. Paschke wurde dort zum Ordinarius des Instituts für Allgemeine Elektrotechnik bestellt und behielt diese Position bis zu seiner Emeritierung 1997. 1970/71 übernahm er das Dekanat der Fakultät für Maschinenwesen und Elektrotechnik. Von 1972 bis 1975 war Paschke Rektor der Technischen Hochschule, die seit 1975 Technische Universität (TU) heißt. „Die Rektoratszeit war schön, lehrreich und mühsam. Ich möchte sie nicht missen“, resümiert er.

In Paschkes Amtszeit wurde das neue Elektrotechnische Institut fertiggestellt, das Gebäude Resselgasse 3 und das ehemalige Hotel Goldenes Lamm adaptiert sowie ein interuniversitärer Rechnerverbund eingerichtet.

Im Neuen Elektrotechnischen Institutsgebäude der TU Wien ist ein Hörsaal nach Fritz Paschke benannt. Auch anderweitig ist er dem Haus bis heute verbunden: „Bis zur Pandemie war ich jeden Dienstag am Institut der TU und konnte sinnvoll arbeiten. Das erledige ich derzeit zuhause.“

Die bislang letzte Erfindung,die ohne seine theoretische Arbeit nie angemeldet werden hätte können, ist repuls®, ein schmerz- und entzündungshemmender Tiefenstrahler, für den die gleichnamige Wiener Firma eine Lizenz von der TU Wien erworben hat. Neben seiner Tätigkeit für die TU Wien arbeitete er in zahlreichen wissenschaftliche Einrichtungen in leitender Position.

Von 1974 bis 1982 war er Vizepräsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichenForschung. Als Gründungspräsident von 1985 bis 1990 trug er maßgeblich zum Aufbauder Gesellschaftfür Mikroelektronik (GMe) bei.

Zahlreiche Auszeichnungen würdigen seine Leistungen: Er ist Ehrendoktor der TU Budapest, seit 1977 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich und bekam den Großen Österreichischen Staatspreis für Forschungspolitik verliehen. 1988 wurde er mit dem Erwin Schrödinger-Preis der Österreichischen Akademie der Wissenschaftengeehrt.

Anders als zur Zeit seiner Anfänge in den 1950er-Jahren habe ein Ingenieur heute in Österreich gute Entfaltungsmöglichkeiten, befindetPaschke. Sein Credo als Forscher und Lehrender: „Ich habe Vorgesetzte verabscheut, die sich für geringfügige Beiträge als Miterfindereintragen ließen, sondern mich eher als Förderer gesehen.“

Die Arbeitsgemeinschaften der ÖFG

Sie dienen der fachübergreifenden Zusammenarbeit von Forschenden zu aktuellen Themen

Die Österreichische Forschungsgemeinschaftbesteht seit 1977. Als eine ihre wichtigsten Aufgaben betrachtet sie es von Anfang an, Forscher*innen aus ganz verschiedenen wissenschaftlichenDisziplinen und Fachbereichen zu einem engen wissenschaftlichenAustausch zusammenzubringen, damit sie aktuelle Fragestellungen zu Gesellschaft, Wirtschaft und Politik bearbeiten können. Dazu werden immer wieder ÖFG Arbeitsgemeinschaften (ARGE) gegründet. Die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit werden in eigenen Publikationen der Öffentlichkeitzur Verfügung gestellt.

Aktuell sind folgende Arbeitsgemeinschaftentätig oder haben gerade ihre Aufgabe beendet: „Zukunftder Demokratie“, „Internationale Beziehungen“, „Kulturelle Dynamiken“, „Digitale Transformation“, „Gesundheit unter epigenetischen Gesichtspunkten“, „Staatliche Aufgaben, private Akteure“ sowie „Hochfrequenzforschung“.

Die Arbeitsgemeinschaftenvernetzen ihre Mitglieder untereinander und halten regelmäßig gemeinschaftliche Workshops ab, freilich in den letzten Jahren pandemiebedingt nur online. Auf den kommenden Seiten geben Wissenschaftler*innenaus drei der Arbeitsgemeinschaften einen Einblick in ihre Tätigkeit.

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