Magazin "radgeber" FAHRRADIES Halle

Page 29

+ | radgeber 2016 | Transportieren mit dem Rad |

Die definitiv letzte Radtour auf zwei Rädern erledigte. „Er wurde der Fahrrad-Arzt genannt“, sagt die Bestatterin. „Es war sehr wichtig für seine Familie, ihn so auf seine letzte Radtour zu schicken.“ An diesem kalten Herbsttag hat Kongstad einen jungen Mann zum Friedhof Søndermarken in Frederiksberg gebracht. Der helle Sarg aus Naturholz ist farbenfroh mit Blumen dekoriert. Diesmal stand das Rad auf Wunsch der Angehörigen sogar mit in der Kapelle.

„Ich wusste ja anfangs gar nicht, ob überhaupt jemand die Fahrt mit dem Lastenfahrrad zum Friedhof will“, sagt sie. „Aber ich konnte es einfach nicht lassen.“ Die Kopenhagenerin designte ihr Fahrrad und gab es bei einer Werkstatt im hippen Stadtteil Vesterbro in Auftrag. „Am Anfang dachten die Jungs sicher: Was ist das für eine Verrückte?“, erzählt Kongstad, die eher durch Zufall Bestatterin wurde. Die dreifache Mutter hat Theologie studiert und als Lehrerin gearbeitet, bevor sie die „Bededamerne“ gründete.

„Es war sehr wichtig für seine Familie, ihn so auf seine letzte Radtour zu schicken.“

„Es sind ganz besondere Familien, die zu mir kommen“, erzählt die Bestatterin. „Oft sind es sehr kreative, künstlerische Menschen hier aus der Stadt.“ Nur bei etwa jeder zehnten Bestattung ist Kongstad mit dem Rad unterwegs. „Das ist vielleicht auch gut so“, meint die Bestatterin augenzwinkernd. „Alles ist etwas umständlicher, dauert länger.“ Die Strampelei quer durch die Stadt ist anstrengend. „Aber das macht mir nichts aus.“ Auch, weil die Tour mit dem Fahrrad mehr als doppelt so lange dauert wie mit dem Leichenwagen, kostet die Bestattung doppelt soviel. „Wenn ich auf dem Fahrrad bin, brauche ich den größten Teil des Tages dafür.“ Seit Kongstad die besonderen Beerdigungen anbietet, ist das Lastenfahrrad etwa 25 Mal zum Einsatz gekommen.

„Es gibt immer noch viele Familien, die gerne traditionelle Bestatter haben wollen“, sagt sie. „Aber es gibt eben auch solche, für die es sehr viel Sinn macht, zu jemandem wie mir zu kommen, der die Dinge etwas anders anpackt.“ Als es langsam dunkel wird, verabschiedet sich Kongstad. Schließlich muss sie mit dem Leichenfahrrad noch über den steilen Anstieg ins Stadtzentrum zurückradeln. Doch die Strampelei lohnt sich, meint die Kopenhagenerin: „Es ist einfach etwas ganz Besonderes, auf diesem Fahrrad zu fahren.“ (dpa)

27


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.