
2 minute read
Kennt der Holzbau Grenzen des Wachstums?
from Holzbau 2/2022
Grünes Wachstum ist die Antwort vieler Regierungen auf die Klimakrise. Ihre „Green Deals“ rücken den Holzbau in den Fokus: Dieser soll wachsen. Eine große Chance für die HolzbauCommunity. Doch können wir den damit einhergehenden Anforderungen gerecht werden? Oder gibt es vielleicht Einflüsse, die dem Holzbau Grenzen seines Wachstums setzen können? Es mag eine überraschende Frage sein in Zeiten des HolzbauBooms, doch sie beschäftigt mich. Und noch mehr beschäftigt mich die Frage, wie wir diesen möglichen Herausforderungen begegnen können.
Wir erleben zunehmende Kalamitäten bei Nadelbäumen und eine nachlassende Aufforstung mit Nadelholz. Der wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik sieht unseren Nadelholzbedarf noch für 15 bis 20 Jahre ausreichend durch inländische Versorgung gedeckt. Das bedeutet: Der Waldumbau muss noch stärker im konstruktiven Holzbau ankommen, um uns von individuellen Preisentwicklungen und einer zunehmenden Abhängigkeit von Importen zu entkoppeln.
Unsere knapper werdenden Ressourcen und die stark gestiegenen Energiekosten sind klare Indizien für deutlich steigende Baustoffpreise. Ressourceneffizienz wird auch wirtschaftlich notwendig. Dem könnte man z.B. durch aufgelöste Tragwerke begegnen. Die Bestandteile vollflächiger Querschnitte könnten vermehrt entsprechend ihrer Beanspruchung ausgewählt werden. Die Holzbauforschung geht diese Themen bereits an: Brettsperrholz mit auf Lücke gelegten Lamellen, Einsatz von Schadholz oder Altholz in Mittellagen, Diagonallagenholz, Stäbchenlamellen …
Auch „Reuse“ ist ein Gebot nachhaltigen Handelns. Die stark steigenden Preise für die Entsorgung von Bauschutt macht die Wiederverwendung von Bauteilen oder zumindest die Trennung von Bauteilen in wiederverwertbare Rohstoffe zunehmend auch zu einem wirtschaftlichen Erfordernis. Bauen wird jedoch auch in Zukunft hybrid bleiben, denn hybride Bauteile machen Sinn. Dem Thema der lösbaren Verbindungen sollten wir jedoch mehr Aufmerksamkeit widmen. „Reuse“ muss mit dem jetzigen Gebäudebestand beginnen. Dies bedingt, den heutzutage meist grobmotorischen Abriss durch einen sorgfältigeren Rückbau zu ersetzen. Aber auch dieser führt häufig zu Bauteilen, die zwar noch gleiche Querschnitte, jedoch kürzere Längen aufweisen. Tragwerksentwicklungen könnten dies aufgreifen, vor 100 Jahren fand Zollinger eine Lösung zu dieser Frage. Gebrauchte Holzbauteile wieder in eine baurechtlich abgesicherte Anwendung zu bringen, erfordert weitere Forschungsarbeit.
Last but not least: Ja, der Holzbau steht vor spannenden Aufgaben. Damit ergeben sich Chancen, aber auch eine große Verantwortung. Die Community, die diese Aufgaben bewältigen kann, ist vergleichsweise klein, noch, aber sie wächst. Das bedeutet auch: Talentierte und begeisterte Nachwuchskräfte zu gewinnen, wird mehr denn je zur Kernaufgabe. Es reicht nicht mehr, die verbliebenen Studierenden/Auszubildenden auf Jobmessen zu umwerben. Wir sollten bereits Schüler von unserer schönen Aufgabe überzeugen. Der Holzbau steht für Digitalisierung und Vorfertigung/ Robotik – treffen wir damit nicht die Neigung vieler „digital natives“? Und im Vergleich zu anderen Berufszweigen haben wir einen weiteren Vorteil: Wir können zeigen, was wir tun.
Auch dieses Heft zeigt Ausschnitte unseres Tuns, es ist Spiegelbild der Innovationskraft und Forschungsstärke der HolzbauCommunity. Mögen ihm viele weitere folgen.
Univ.Prof. Dr.Ing. Philipp Dietsch Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Philipp Dietsch