Woyzeck

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NIVEAU 3

Woyzeck

Woyzeck ist die tragische Geschichte eines einfachen Soldaten, der von seinen Vorgesetzten ausgenützt, seinen Mitmenschen gedemütigt und seiner Freundin Marie betrogen wird. Der ohnehin schon an Halluzinationen leidende Woyzeck verfällt aufgrund psychischer Belastungen sowie einseitiger Ernährung zunehmend dem Wahnsinn. Er hört Stimmen, die ihm befehlen, Marie umzubringen. Er geht zu einem Trödler und kauft sich ein Messer …

WOYZECK

Georg Büchners Drama Woyzeck gehört zu den meistgespielten Bühnenstücken der deutschen Literatur. Infolge seines frühen Todes im Jahr 1837 – Georg Büchner starb mit 23 Jahren – blieb das Stück ein Fragment und erschien erst im Jahre 1879 in einer überarbeiteten Fassung.

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Franz Woyzeck Einfacher Soldat

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Hauptmann

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Karl

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Margret von Marie Nachbarin

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Vor dem Lesen

Wortschatz 1 Das Militär eines Staates besteht aus dem Heer, der Marine

und der Luftwaffe. Finden Sie die richtige Reihenfolge vom untersten bis zum obersten Rang. 1 Der Hauptmann kommandiert eine Kompanie, d. h. einen Truppenteil des Heeres. 2 Der gemeine Soldat ist der unterste Angehörige eines Heeres. 3 Der General ist der Oberbefehlshaber beim Militär. 4 Der Major führt eine Kompanie mit speziellen Aufgaben.

2

Welches Bild passt? 1 2

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■ _________________________________________________ ■ _________________________________________________ ■ _________________________________________________ ■ _________________________________________________

■ freies Feld ■ Schwämme

3 4

■ zwischen Berg und tiefem Tal ■ über der Stadt ist alles Glut

a

b

c

d


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Welche Wörter passen? Berge • Bäume • Büsche • Gras • Tiefe • Acker 1 2 3 4 5 6

Wald und ___________________________________________. Gebüsch und ________________________________________ Feld und ____________________________________________ Gebirge und _________________________________________ Wiese und ___________________________________________ Tal und ______________________________________________

4 Wie heißen die richtigen Adjektive für folgende Begriffe?

Kreuzen Sie an. 1 Moral ohne Moral

■ moralisch ■ unmusikalisch

■ morastig ■ unmoralisch

2 Gewissen ohne Gewissen

■ gewissenhaft ■ ungewiss

■ wissbar ■ gewissenlos

3 Liebe ohne Liebe

■ lebhaft ■ lieblos

■ liebevoll ■ leblos

4 Tugend ohne Tugend

■ tugendhaft ■ tugendlos

■ tauglich ■ untauglich

Wissen 5 Das Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner ist ein Fragment. 1 Was bedeutet Fragment? Kreuzen Sie die richtige Antwort an. a ■ ein unvollständiges Werk b ■ ein Werk, das aus Fragen und Antworten besteht 2 Was ist ein Drama? Kreuzen Sie die richtige Antwort an. a ■ eine Komödie b ■ ein Trauerspiel

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Kapitel 1

1 Beim Hauptmann

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Hauptmann auf dem Stuhl, Woyzeck rasiert ihn. Hauptmann: Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem anderen! Es macht mich ganz schwindlig1. Was soll ich dann mit den zehn Minuten anfangen, die Sie heute zu früh fertig werden? Woyzeck, bedenken Sie! Sie haben noch Ihre schönen dreißig Jahre zu leben, dreißig Jahre! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was wollen Sie denn mit der vielen Zeit alles anfangen? Teilen Sie sie sich ein, Woyzeck! Woyzeck: Jawohl, Herr Hauptmann. Hauptmann: Ich bekomme Angst, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung2, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: Das ist ewig, das ist ewig – das sehen Sie ein3; nur ist es aber wieder nicht ewig, und das ist ein Augenblick4, ja ein Augenblick – Woyzeck, es schaudert5 mich, wenn ich denke, dass sich die Welt in einem Tag herumdreht. Was für eine Zeitverschwendung6! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad7 mehr sehen, sonst werde ich melancholisch.

es macht mich ganz schwindlig mir dreht sich der Kopf e Beschäftigung, en Tätigkeit, Arbeit 3 einsehen, sah ein, eingesehen verstehen 4 r Augenblick, e Moment

schaudern vor Angst zittern e Zeitverschwendung (nur Sg.) verlorene Zeit 7 s Mühlrad, “er Rad einer Mühle

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Woyzeck

Woyzeck: Jawohl, Herr Hauptmann. Hauptmann: Woyzeck, Sie sehen immer so verhetzt1 aus! Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen2 hat. – Sagen Sie doch was, Woyzeck! Was ist heute für Wetter? Woyzeck: Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind! Hauptmann: Ich spüre es schon. Es ist so was Geschwindes3 draußen: So ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. (Ironisch). Ich glaube, wir haben so was aus Süd-Nord? Woyzeck: Jawohl, Herr Hauptmann. Hauptmann: Ha, ha ha! Süd-Nord! Ha, ha, ha! Oh, Sie sind dumm, ganz abscheulich dumm! (Gerührt) Woyzeck, Sie sind ein guter Mensch – aber (mit Würde) Woyzeck, Sie haben keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist, verstehen Sie? Es ist ein gutes Wort. Sie haben ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hochehrwürdiger Herr Garnisonsprediger4 sagt, ohne den Segen der Kirche. Woyzeck: Herr Hauptmann, für den lieben Gott ist es einerlei, ob ein Geistlicher5 sein Amen dazu gab, bevor der arme Wurm gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen. Hauptmann: Was sagen Sie da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Sie machen mich ganz konfus mit Ihrer Antwort. Woyzeck: Wir armen Leute – Sehen Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat – was soll seinesgleichen auf die Moral in der Welt setzen! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in dieser und in der anderen verhetzt gehetzt, in Eile s gute Gewissen, - ohne Schuldgefühl 3 geschwind eilends, schnell 1

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r Garnisonsprediger, - Priester beim Standort eines Heeres r Geistliche, n Priester

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Georg Büchner

Welt. Ich glaube, wenn wir in den Himmel kämen, müssten wir donnern helfen. Hauptmann: Woyzeck, Sie haben keine Tugend1! Sie sind kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster liege, wenn es geregnet hat, und den weißen Strümpfen so nachsehe, wie sie über die Gassen springen – verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich habe auch Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! Die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit herumbringen2? Ich sage mir immer: Du bist ein tugendhafter Mensch, (gerührt) ein guter Mensch, ein guter Mensch. Woyzeck: Ja, Herr Hauptmann, die Tugend! Sehen Sie: Wir gemeinen Leute3, wir haben keine Tugend, es überkommt uns nur so die Natur. Aber wenn ich ein Herr wäre und hätte einen Hut und eine Uhr und eine Anglaise4 und könnte vornehm reden, wollte ich schon tugendhaft sein. Es muss was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl! Hauptmann: Gut, Woyzeck. Sie sind ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber Sie denken zu viel, das zehrt5. Sie sehen immer so verhetzt aus. – Der Diskurs hat mich ganz angegriffen6. Gehen Sie jetzt, und rennen Sie nicht so die Straße hinunter! Langsam, schön langsam!

2 Freies Feld, die Stadt in der Ferne Woyzeck und Andres schneiden Stecken7 im Gebüsch. Andres: (pfeift und singt) Zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal8 e Tugend, en Moral die Zeit herumbringen sich die Zeit vertreiben 3 gemeine Leute, (nur Pl.) einfache Leute 4 e Anglaise, n Frack

zehren ruinieren angreifen, griff an, angegriffen aufregen, erregen 7 r Stecken, - Stange, Stock 8 zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal Volkslied

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Georg Büchner

saßen einst zwei Hasen. Fraßen ab das grüne, grüne Gras bis auf den Rasen… Woyzeck: Andres, der Platz ist verflucht1. Siehst du den hellen Streifen da über dem Gras bis dahin, wo die Schwämme2 so nachwachsen? Da rollt abends der Kopf3. Es hob ihn einmal einer auf, er meinte, es wäre ein Igel: drei Tage und drei Nächte. Er lag auf den Hobelspänen4. (Leise). Andres, das waren die Freimaurer5! Ich weiß es, die Freimaurer! Still! Andres: Es wird finster, fast machst du mir Angst. (Singt). Als sie sich nun satt gefressen hatten, setzten sie sich nieder, bis dass der Jäger, Jäger kam und schoss sie nieder. Woyzeck (fasst ihn an). Still! Hörst du’s, Andres? Hörst du’s? Da geht was! Andres singt. Als sie sich nun aufgesammelt hatten und sich besannen, dass sie noch am Leben, Leben waren, liefen sie von dannen6. Woyzeck: Es geht hinter mir, unter mir. – (Stampft7 auf den Boden). Hohl, hörst du? Alles hohl da unten! Die Freimaurer! Andres: Ich fürchte mich. Woyzeck: Es ist so kurios still. Man möchte den Atem anhalten. – Andres! Andres: Was? Woyzeck: Red was! – (Starrt8 in die Gegend). – Andres, wie hell! Über der Stadt ist alles Glut! Ein Feuer fährt um den Himmel und ein Getöse herunter wie Posaunen. Wie es herauf kommt! – Fort! Sieh nicht hinter dich! – (Reißt ihn ins Gebüsch). Andres (nach einer Pause): Woyzeck, hörst du’s noch? verflucht verwünscht r Schwamm, “e Pilz 3 da rollt der Kopf jemand wird enthauptet 4 er lag auf den Hobelspänen: Redewendung für: er war gestorben

r Freimaurer, - Geheimbund von dannen laufen, lief, gelaufen weglaufen 7 stampfen mit den Füßen fest auf den Boden treten 8 starren fixieren

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Georg Büchner

Woyzeck: Still, alles still, als wäre die Welt tot. Andres: Hörst du? Sie trommeln drin1. Wir müssen fort!

3 Die Stadt Marie mit ihrem Kind am Fenster. Margret. Der Zapfenstreich2 geht vorbei, der Tambourmajor3 voran. Marie: (Das Kind wippend auf dem Arm). He, Bub4! Sa ra ra ra! Hörst? Da kommen sie! Margret: Was für ein Mann, wie ein Baum! Marie: Er steht auf seinen Füßen wie ein Löwe. Tambourmajor grüßt. Margret: Ei, was für freundliche Augen, Frau Nachbarin! So was ist man an Ihnen nicht gewöhnt. Marie (singt): Soldaten, das sind schöne Burschen ... Margret: Ihre Augen glänzen ja noch – Marie: Und wenn! Tragen Sie Ihre Augen zum Juden und lassen Sie sie putzen! Vielleicht glänzen sie noch, dass man sie für zwei Knöpfe verkaufen könnte. Margret: Was, Sie? Sie? Frau Jungfer5! Ich bin eine honette Person, aber Sie, es weiß jeder… Marie: Luder6! (Schlägt das Fenster durch). Komm, mein Bub! Was die Leute wollen. Du bist doch nur ein armes

1 sie trommeln drin Abendsignal in der Stadt, die Soldaten müssen in ihre Quartiere zurückkehren 2 r Zapfenstreich (nur Sg.) Militärparade, Signal zur Nachtruhe für die Soldaten 3 r Tambourmajor, e Anführer der Trommler

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r Bub’, en Bube, Junge e Jungfer, n abfällig für unverheiratete Frau. 6 s Luder, - Schimpfwort für Frauen 4 5


Woyzeck

Hurenkind1 und machst deiner Mutter Freude mit deinem unehrlichen Gesicht2! Sa! sa! – (Singt). Mädel, was fängst du jetzt an? Hast ein kleines Kind und keinen Mann! Ei, was frage ich danach? Singe ich die ganze Nacht heio, popeio, mein Bub juchhe! Gibt mir kein Mensch was dazu.

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s Hurenkind, er uneheliches Kind unehrliches Gesicht, er Ausdruck für: uneheliche Abstammung

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AUFGABEN

Leseverstehen 1

Beantworten Sie die Fragen. 1 Welchen Dienst erweist Woyzeck dem Hauptmann? ___________________________________________________ 2 Welches Problem hat der Hauptmann? ___________________________________________________ 3 Was rät der Hauptmann Woyzeck? ___________________________________________________

2 Richtig (r) oder falsch (f)? r f 1 Woyzeck und der Hauptmann schneiden Stecken. ■ ■ 2 Andres ist Woyzecks Kamerad. ■ ■ 3 Woyzeck singt. ■ ■ 4 Die Freimaurer sind eine Geheimorganisation. ■ ■ 5 Andres sieht Flammen am Himmel und hört das Getöse von Posaunen. ■ ■

Grammatik 3

Was passt? Ergänzen Sie die Fragen mit: warum - wo – wie - wer – weswegen - was 1 _________ 2 _________ 3 _________ 4 _________ 5 _________ 6 _________

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steht Marie mit ihrem Kind? – Am Fenster. sieht Marie? – Den Zapfenstreich. grüßt? – Der Tambourmajor. sind die Soldaten? – Schön. glänzen die Augen von Marie? – Der Tambourmajor gefällt ihr. gefällt der Tambourmajor Marie? – Wegen seiner Männlichkeit und seines hohen Dienstgrads.


Wortschatz 4 Die Zeit. Vervollständigen Sie die Sätze. 1 Eine Minute hat ________________ Sekunden. 2 Eine Stunde hat ________________ Minuten. 3 Ein Tag hat 24 ________________. 4 Eine Woche hat ________________ Tage. 5 Ein ________________ hat 28, 29, 30 oder 31 Tage. 6 Ein Jahr hat ________________ Monate.

ZD Zertifikat Deutsch – Sprechen 5 Sprechen Sie mit einem Gesprächspartner über Woyzeck, der

den Hauptmann rasiert. 1 Der Hauptmann stellt Woyzeck zynische Fragen zu seiner Arbeit. Was fragt der Hauptmann? 2 Was antwortet Woyzeck in Bezug auf Arbeit und Geld? 3 Sagen Sie Ihre Meinung zur Person des Hauptmanns und zur Person Woyzecks. Hätten Sie sich auch so verhalten? 4 Wenn Ihr Gesprächspartner anderer Meinung ist, diskutieren Sie mit ihm.

Nächstes Kapitel 6 Wie könnte es weitergehen? Kreuzen Sie an. 1 Was macht Woyzeck? a ■ Woyzeck kommt zu Marie und erzählt ihr von seinen Wahnvorstellungen. b ■ Woyzeck nimmt sein Kind in den Arm. c ■ Woyzeck spricht nicht mit Marie. 2

Wie verhält sich der Tambourmajor? a ■ Der Tambourmajor interessiert sich nicht für Marie. b ■ Der Tambourmajor besucht Marie in ihrer Kammer. c ■ Der Tambourmajor wartet auf Woyzeck

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Zürich

Letzte Monate in Zürich Die Zeit zum Schreiben blieb Büchner nur nachts, denn tagsüber führte er seine Forschungen an der Universität weiter. Durch anhaltende Überarbeitung geschwächt, klagte er in einem Brief an seine Braut am 20. Januar 1837: „Ich habe mich verkältet und im Bett gelegen. Aber jetzt ist's besser. Das Mühlrad dreht sich als fort ohne Rast und Ruh. Doch ist's gut: auf all das aufgeregte, geistige Leben etwas Ruhe und dabei die Freude am Schaffen meiner poetischen Produkte ...“ Kurz darauf erkrankte er schwer an Typhus. Am 27. Januar schrieb er an Wilhelmine: „Mein lieb Kind, Du bist voll zärtlicher Besorgnis und willst krank werden vor Angst; ich glaube gar, du stirbst – aber ich habe keine Lust zum Sterben 76

und bin gesund wie je. Es ist mir heute einigermaßen innerlich wohl. Du kommst bald? Ich muss mich bald wieder an deiner inneren Glückseligkeit stärken, an deiner Unbefangenheit, deinem lieben Leichtsinn und all deinen bösen Eigenschaften, böses Mädchen! Adio piccola mia!“ Am 19. Februar starb Georg Büchner im Alter von 23 Jahren. Er wurde auf dem Stadtzürcher Friedhof „Krautgarten“ beerdigt. Einige Hundert Personen, darunter die Universitätskollegen und die beiden Züricher Bürgermeister, gaben ihm das letzte Geleit. Nach der Einebnung des Friedhofes bettete man 1875 die sterblichen Überreste auf den „Germaniahügel“ Zürich - Oberstrass.


Woyzeck, ein Fragment Wegen Büchners frühen Todes blieb der Woyzeck als Fragment zurück. Das Manuskript ist in mehreren Entwurfsstufen überliefert. Es gibt keine richtige Reihenfolge der einzelnen Szenen, denn sie sind weder nummeriert noch in Akte aufgeteilt. Im Druck erschien Woyzeck erstmals 1879. Erst am 8. November 1913 wurde das Stück im Residenztheater München uraufgeführt. Eine Opernfassung von Alban Berg kam am 14. Dezember 1925 auf die Bühne der Berliner Staatsoper. Beeindruckend ist die Verfilmung von Werner Herzog mit Klaus Kinski.

Georg Büchner über die Aufgabe des „dramatischen Dichters“ Bei Büchner sind politisches Engagement und literarisches Schaffen stark miteinander verwoben. In einem Brief an die Familie vom 28. Juli 1835 schreibt Büchner: „Der dramatische Dichter ist in meinen Augen nichts als ein Geschichtsschreiber. Was noch die sogenannten Idealdichter anbetrifft, so finde ich, dass sie fast nichts als Marionetten mit himmelblauen Nasen und affektiertem Pathos, aber nicht Menschen von Fleisch und Blut geschildert haben, deren Leid und Freude mich mitempfinden

macht und deren Tun und Handeln mir Abscheu oder Bewunderung einflößt!“ Im Gegensatz zur Idealistischen Dichtung (Goethe, Schiller, Eichendorff, Brentano), die sich an einem Ideal orientiert, steht Büchners Realistische Dichtung, die offene Darstellung der Wirklichkeit erstrebt. Büchners Woyzeck ist ein „modernes“ Drama – ein „offenes“ Drama, das sich nicht mehr wie das antike und klassische Drama an die drei Einheiten Ort, Zeit und Handlung hält.

Literatur des Vormärz Büchners Der Hessische Landbote, Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena und Woyzeck zählt man zur politisch engagierten Literatur des Vormärz, einer Strömung der Restaurationsepoche, die auch das scheinbar idyllische Biedermeier (1820–1830) umfasst.

Georg Büchner-Preis Seit dem Jahr 1951 wird der Georg-Büchner-Preis von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung als offizieller Literaturpreis verliehen. Es ist der wichtigste Literaturpreis in Deutschland.

Die Vertreter des Vormärz wollten das politische Bewusstsein des Bürgertums erreichen. Ihre Hauptvertreter waren unter anderen Christian Dietrich Grabbe, Heinrich Laube, Hoffmann von Fallersleben und Bettina von Arnim.


SELBSTKONTROLLE

1 Setzen Sie die folgenden Sätze in die indirekte Rede. 1 Der Hauptmann fragt Woyzeck: „Was soll ich mit den zehn Minuten anfangen?“ _____________________________________________________ _____________________________________________________ 2 Woyzeck sagt zu Marie: „Ich habe wieder was gespart!“ _____________________________________________________ _____________________________________________________ 3 Der Doktor fragt Woyzeck: „Essen Sie Ihre Erbsen?“ _____________________________________________________ _____________________________________________________ 4 Der Budenbesitzer fragt: „Wer von den Herren und Damen hat eine Uhr?“ _____________________________________________________ _____________________________________________________

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„Zu“ oder nicht? Woyzeck holt Marie ab, um mit ihr in den Wald ____ gehen. Marie möchte nach Hause zurück____kehren, weil sie das Abendessen vor____bereiten hat. Woyzeck will Marie ____ küssen. Marie beginnt Angst ____ haben.

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Was glauben Sie? 1 Woyzecks Kind ist ■ ein Jahr alt. ■ zwei Jahre alt? ■ drei Jahre alt?

2 Margret ist ■ eine Verwandte von Marie ■ die Nachbarin ■ Woyzecks Freundin

4 Was bedeuten die Redewendungen? 1 Mit dem Stock in der Luft rudern a ■ ein Boot fortbewegen b ■ wilde Bewegungen machen 2 Jemanden kalt machen a ■ jemanden töten b ■ jemanden kühlen 3 Das gibt mir einen Stich ins Herz. a ■ das berührt mich sehr b ■ jemand stößt mir ein Messer ins Herz

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Syllabus Europäischer Referenzrahmen – Niveaustufe B1 Lese- und Hörverstehen Verstehen von Texten, in denen vor allem gebräuchliche Alltagsoder Berufssprache vorkommt Verstehen von Texten, in denen von Ereignissen, Gefühlen und Wünschen berichtet wird Verstehen der Hauptpunkte, wenn klare Standardsprache relativ langsam und deutlich gesprochen wird Sprechen sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern kurz Meinungen und Pläne erklären und begründen eine Geschichte erzählen oder die Handlung eines Buches oder Films wiedergeben Schreiben über vertraute Themen einfache zusammenhängende Texte schreiben in persönlichen Briefen von Erfahrungen und Eindrücken berichten Grammatik Verben: Präsens, Perfekt, Präteritum, Futur, Plusquamperfekt, Modalverben, Modalverben im Perfekt (doppelter Infinitiv) Partizip II, Partizip I, attributive Funktion, Indikativ, Konjunktiv II, Konjunktiv I, Aktiv und Passiv Reflexivverben und reziproke Verben Verben mit festen Präpositionen, Bildung des Pronominaladverbs die Nomengruppe: Deklination der Nomengruppe (Nomen, Adjektiv, Artikel) Adjektive: Steigerung des Adjektivs (Komparativ, Superlativ) Präpositionen: Präpositionen mit Akkusativ, Dativ, Genitiv. Sätze: der einfache Satz und der zusammengesetzte Satz, Nebensätze (Kausalsatz, Objektsatz, Subjektsatz, Finalsatz, Konzessivsatz, Temporalsatz, Konsekutivsatz, Konditionalsatz, Relativsatz, ...), Konjunktionen, Subjunktionen und Konjunktional-Adverbien, zweigliedrige Konnektoren, Satzgliedstellung, Negation direkte und indirekte Rede

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Erwachsene

Lektüren

NIVEAU 1

Emanuel Schikaneder, Die Zauberflöte

NIVEAU 2

Joseph Roth, Die Kapuzinergruft Joseph von Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts Theodor Fontane, Effi Briest Anselm von Feuerbach, Kaspar Hauser

NIVEAU 3

J. W. von Goethe, Die Leiden des jungen Werther Franz Kafka, Die Verwandlung Georg Büchner, Woyzeck


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