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Blackout (John Milton 10) (German Edition) Dawson

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Advertising: An Integrated Marketing Communication Perspective 4e (Pack - includes Connect) 4th Edition George E. Belch

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Margaret Grove

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DAS DUELL

EIN JOHN-MILTON-THRILLER

MARK DAWSON

Aus dem Englischen von JÜRGEN

BÜRGER

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

INHALT

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

Kapitel 98

Kapitel 99

Kapitel 100

Kapitel 101

Kapitel 102

Kapitel 103

Kapitel 104

Kapitel 105

Kapitel 106

Kapitel 107

Kapitel 108

Kapitel 109

Kapitel 110

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Über den Autor

Bücher von Mark Dawson

PROLOG

Der Bombenbauer hatte seine Werkstatt in Manshiet Nasser, einem weitläufigen Slum, Heimat von fast einer halben Million Menschen. Die Einheimischen nannten es Garbage City, denn die Männer und Frauen, die dort lebten, sammelten den Müll im übrigen Kairo und brachten ihn zum Sortieren dorthin in der Hoffnung, das eine oder andere zu finden, das sich verkaufen ließ. Kinder wühlten sich den ganzen Tag durch den Müll. Zehntausende Menschen lebten zusammengepfercht in Räumen, die viel zu eng für sie waren, und das in extrem heruntergekommenen Wohnblocks. Eine harte, triste Existenz.

Ezbet Bekhit war ein typisches Viertel in Garbage City. Familien hier mussten mit weniger als fünfzig Dollar pro Monat auskommen. Es fehlte an Kochgelegenheiten und sanitären Einrichtungen. Es gab keinen Strom und sehr wenig Trinkwasser. Ein hoffnungsloser Ort, auf dem die Armut schwer lastete, aber dennoch war sein lautes und hektisches Treiben ungebrochen.

Es war ein hervorragender Ort, um sich zu verstecken, wenn man Bomben bauen wollte.

Das Leben im Slum war schon schwer genug, aber da ein Sandsturm von der Wüste hereinfegte, war es im Verlauf der letzten zwölf Stunden noch härter geworden. Die Sichtweite hatte sich auf zwanzig, dreißig Meter verringert, und das Atmen fiel in dieser Luft schwer. Eine dicke Sandschicht hatte sich über alles gelegt, und die Strahlen der Sonne waren zu einem ungesunden gelben Leuchten verkümmert.

Der Bombenbauer hieß Ahmed, und er hatte sich als einer der geschicktesten Techniker der Hamas einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Er

lieferte das Material für die Al-Qassam-Brigaden, den militärischen Flügel der Organisation, deren Ziel die Vernichtung des Staates Israel war. Sein Spitzname war al-Muhandis, was sinngemäß der Mechaniker bedeutete. Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet ging davon aus, dass die Bomben des Mechanikers für den Tod von über dreihundert israelischen Soldaten und Zivilisten verantwortlich waren. Er war ein hochrangiges Ziel, und als ein Überläufer seinen Aufenthaltsort verraten hatte, waren zwei der gefährlichsten Agenten des Mossad geschickt worden, um ihn zu eliminieren.

Die beiden Agenten waren Avi Bachman und Uri Naim. Ihre Aufgabe bestand im Wesentlichen darin zu töten, sie waren Mörder im Staatsdienst. Sie hatten nicht den Auftrag, mit Ahmed zu verhandeln. Sie hatten kein Interesse, ihn festzusetzen, nicht einmal wegen der Informationen, die sie womöglich bei einem Verhör aus ihm hätten herausholen können. Sie waren in Kairo, um ihn zu töten, ein Exempel zu statuieren, das einmal mehr aufzeigen sollte, dass Israel internationale Grenzen weder als Hindernis beim Schutz seiner Bürger ansah noch als Schutzschild gegen seinen Zorn.

Bachman war durchschnittlich groß und schwer, ein Mann, der praktisch nirgendwo auffallen und Aufmerksamkeit erregen würde. Er trug eine traditionelle ägyptische Dschallabija , ein langes, weites und bis zu den Knöcheln reichendes Gewand. Darüber trug er einen langen Kaftan, auf dem Kopf eine Kufiya und ein helles, kariertes Halstuch, das er zum Schutz vor dem treibenden Sand über Mund und Nase hochgezogen hatte. Bachman kam der Sturm gelegen. Für ihn und Naim war es ein enormer Glücksfall, der ihnen den perfekten Vorwand lieferte, um zu verschleiern, wer sie waren.

Außerdem bedeutete es, dass die Einheimischen viel zu sehr damit beschäftigt waren, diese missliche Lage durchzustehen, statt besonders wachsam zu sein.

Was aber noch wichtiger war, zumindest soweit es Bachman betraf: Für den Mossad würde es so erheblich schwieriger, die unmittelbar bevorstehenden Ereignisse präzise zu verifizieren.

Es würde ein Attentat geben, ja, aber es war nicht der Mord, den man in Tel Aviv geplant hatte.

Bachmans Partner Naim war ähnlich gekleidet. Sie saßen auf den Vordersitzen eines Nissan, den sie bei einem Händler in Bab al-Louq gekauft hatten. Es war ein altes Auto, dem man die Jahre ansah: die Karosserie war zerkratzt und verbeult, die Seitenscheibe auf der Fahrerseite war zerschlagen und das Loch mit einer Plastiktüte verschlossen worden, die mit Klebeband

am Rahmen befestigt war; der hintere Kotflügel war mit Draht festgebunden. Hier im Viertel sah das Auto völlig normal aus, nicht besser oder schlimmer als die anderen Autos, die sich die Straße voller Sand hinauf- oder hinunterquälten. Sie parkten hinter einem roten Chevrolet-Pritschenwagen, der überladen mit Müll war. Kinder waren bereits auf die Ladefläche geklettert und hatten angefangen, die Last zu durchkämmen, Gegenstände auszusortieren, die sie verkaufen konnten, und von solchen zu trennen, die keinerlei Wert besaßen, doch der Sturm hatte sie wieder ins Haus gezwungen. In den Rinnsteinen stapelten sich große Müllsäcke und Bündel von recyceltem Papier. Ein paar Einheimische waren noch unterwegs, aber die meisten suchten Schutz vor dem Wind und Sand.

„Bereit?“, fragte Bachman.

Naim nickte. „Viel Glück, Avi.“

„Danke.“

Bachman stieg aus. Sofort fegte der Wind um seinen Körper, und winzige Sandkörnchen bearbeiteten erbarmungslos alle ungeschützten Hautpartien. Er setzte eine alte Pilotenbrille auf, schob sie zum Schutz der Augen zwischen Halstuch und Kufiya .

Er öffnete die hintere Tür – sie klemmte, und er musste kräftig an ihr reißen – und griff auf den Rücksitz. Dort lag ein schwarzer Rucksack auf dem abgewetzten Polster. Er war schwer, und Bachman spürte das Gewicht in seinen Sehnen, als er ihn aus dem Wagen hob. In dem Rucksack befand sich eine YM-II-Mine, die typischerweise im Iran und Irak Verwendung fand. Es war eine Kopie der chinesischen nicht-metallischen Typ 72Panzersprengmine. Das Kunststoffgehäuse enthielt eine Hauptladung aus 5,7 Kilogramm Composition-B-Sprengstoff. Bachman hatte die Mine von einem Mossad-Sayanim erhalten, der in Kairo operierte.

Knapp zwanzig Meter vor dem Chevrolet stand ein weiteres Auto, ein unauffälliger, olivgrüner Renault, genauso klapprig wie ihr eigenes Fahrzeug. Ahmeds Auto.

Bachman spürte die Belastung in seinem Arm, als er den schweren Rucksack trug. Er hatte in der vergangenen Nacht, als Naim schlief, einige Veränderungen an der Mine vorgenommen. Jetzt war sie viel geeigneter für den Zweck, für den er sie einzusetzen plante.

Er überquerte die vom Sand gepeitschte Straße und ging weiter.

MEIR SHAVIT LIEß den Motor des gelben Volkswagen-Kombis an. Bis er ihn an diesem Nachmittag gestohlen hatte, war der Wagen zur Auslieferung von Gasflaschen an Restaurants in den besseren Teilen der Stadt benutzt worden. Er zeigte entsprechende Gebrauchsspuren und fiel hier nicht auf. Keiner der Menschen, die dumm genug waren, sich bei diesem Sturm im Freien aufzuhalten, schenkte ihm groß Beachtung.

Shavit fädelte sich in den wenigen Verkehr ein und gab Gas. Er hatte die beiden Autos observiert, die auf beiden Seiten der Straße vor ihm standen: den Nissan, mit dem Bachman und Naim gekommen waren, und den Renault, der dem Bombenbauer gehörte. Er wusste, dass der Mann, Ahmed, mutmaßlich hier seine Werkstatt hatte, doch das interessierte Shavit kaum.

Ahmed war nicht das Ziel dieser Operation.

Er fuhr an dem Nissan vorbei und sah Naim auf dem Beifahrersitz. Er bremste, stellte den Motor ab und ließ den Kombi ausrollen. Der Volkswagen stand jetzt geradezu perfekt, versperrte Naim den Blick.

Shavit schaute geradeaus und sah Bachman. Er hatte den Renault erreicht.

Er ließ den Motor wieder an und würgte ihn absichtlich sofort wieder ab. Dieses Theater wiederholte er zwei weitere Male. Shavit sah nach links, als Naim die Beifahrertür öffnete und ausstieg, wütend gestikulierte, seine Worte vom Wind weggerissen und unverständlich. Er schüttelte den Kopf, zuckte die Achseln und deutete auf die Motorhaube.

Naim kam herüber.

Shavit sah wieder nach vorn.

Bachman war jetzt auf der anderen Seite des parkenden Renaults, auf dem Bürgersteig zwischen ihm und den Gebäuden, vor denen er abgestellt worden war.

Er war in Stellung.

BACHMAN UMRUNDETE das Auto des Mechanikers. Der Wind war stärker geworden, der Sand fegte gegen die Seiten der Gebäude, darunter das Lagerhaus, in dem laut Informationen des israelischen Geheimdienstes der Mann seine Bomben baute. Zwischen dem Lagerhaus und dem Gebäude daneben gab es eine Gasse. Sie war sehr schmal, fast als hätten die Bauarbeiter einen Fehler gemacht, als sie die Gebäude hochzogen, und

anschließend einfach vergessen, die Lücke aufzufüllen. Man hätte die Wände auf beiden Seiten berühren können, ohne die Arme ausstrecken zu müssen, und Müll, der hineingeworfen worden war, versperrte teilweise den Durchgang.

Bachman und Naim hatten am Vorabend die Gegend ausgekundschaftet, waren ein einziges Mal vorbeigefahren, bevor sie wendeten und in die andere Richtung zurückfuhren. Sie waren weniger als fünf Minuten da gewesen, aber das hatte genügt: Naim hatte gedacht, dass sie in Vorbereitung der Operation die Gegend auskundschafteten. Bachman ließ ihn in diesem Glauben. In Wahrheit hatte er sich vergewissert, dass die Umgebung ihm einen Fluchtweg bot.

Und er war überzeugt, dass es so war.

Er drehte den Kopf und sah den Volkswagen, der die freie Sichtlinie zwischen ihm und Naim versperrte. Er sah Shavit hinter dem Steuer. Er wusste, dass er nicht viel Zeit hatte, also beeilte er sich. Er stellte den schweren Rucksack auf den Bürgersteig und manövrierte ihn mit dem Fuß so, dass er unter dem Benzintank des Autos zu liegen kam. Dann lief er, ohne sich noch einmal umzudrehen, über den Bürgersteig zur Einmündung der Gasse.

Der Sturm heulte, als er in seiner Tasche nach dem Funksender griff.

Er drehte das Gerät in der Hand, bis er den gerippten Auslöser unter dem Daumen spürte. Er erreichte die Gasse, bog darin ein und drückte.

DIE MINE DETONIERTE. Die erste Explosion hob das Heck des Renaults von der Straße. Nur eine Millisekunde später folgte eine zweite Explosion, als der Benzintank barst. Das Benzin darin verstärkte den Brand und schleuderte den Renault fünf Meter in die Luft. Der Wagen drehte sich um neunzig Grad und stürzte dann zurück zur Erde, die Schnauze wurde bei dem Aufprall auf den Asphalt eingedrückt.

Meir Shavit wusste, dass die Explosion kommen würde, und er beugte sich in dem Moment hinter dem Steuer nach unten, als Bachman den Auslöser drückte. Er war knapp zehn Meter von der Explosion entfernt, die Druckwelle erfasste den Kombi, drückte die Windschutzscheibe aus dem Rahmen und ließ einen Schauer messerscharfer Splitter über ihn

niederregnen. Shavit war unterhalb des Armaturenbretts geschützt und entging so dem vermutlich sicheren Tod. Als er sich wieder aufsetzte, wischte er Glassplitter von seiner Kleidung. Das Polster seines Sitzes, ohnehin bereits abgewetzt und durchgesessen, war völlig zerfetzt.

Er schaute aus dem Loch, wo sich die Windschutzscheibe befunden hatte.

Der Renault war bei der Explosion zerstört worden. Das Heck war vom Rest des Fahrzeugs abgetrennt, die Karosserie geschwärzt und verkohlt, mit Ruß überzogen. Es brannte lodernd, das Feuer nährte sich von allem, was brennbar war: dem Polster, dem Plastikarmaturenbrett, den Gummireifen. Eine dicke schwarze Rauchsäule stieg auf, wurde sofort vom Sturm nach unten gedrückt und die Straße hinuntergetrieben.

Shavit rutschte über die Glassplitter auf dem Sitz, um Uri Naim und den Nissan besser sehen zu können. Der Agent lag auf dem Rücken. Er war um den Wagen herumgegangen und hatte sich damit schutzlos der Druckwelle ausgeliefert, war von ihr hochgerissen und nach hinten geschleudert worden.

Shavit öffnete die Tür und ließ sich auf die Straße fallen.

„Mit Ihnen alles in Ordnung?“

Der Wind und das Prasseln des Brandes waren ohrenbetäubend.

Er ging zu ihm.

„Sir? Alles in Ordnung?“

Der Mann hatte eine stark blutende Platzwunde, die sich von der rechten Schläfe quer über den Schädel zog. Ein Granatsplitter. Shavit ergriff sein Handgelenk, suchte nach einem Puls, fand einen. Er konnte von Glück reden, dass er noch lebte. Shavit überlegte kurz, ihn zu erschießen, aber es gab Zeugen auf der Straße, und er wollte keine Spuren hinterlassen, die im Widerspruch zu der Geschichte standen, die er und Avi sich ausgedacht hatten: Das hier war ein Auftrag, der schiefgegangen war, eine fehlerhafte Bombe, die zu früh detoniert war.

Er ließ die Pistole im Holster, griff stattdessen hinunter, schob die Hände unter die Schultern des Mann und zog ihn von den Flammen fort. Naims Lider flatterten, öffneten und schlossen sich sofort wieder.

„Sir?“

Er stöhnte vor Schmerzen.

„Sir, alles in Ordnung mit Ihnen?“

Der Mann setzte seine Füße auf und drückte sich weg. Er senkte eine Hand auf den Boden und rappelte sich mühsam auf. Er sah Shavit an, die Verwirrung deutlich auf seinem blutverschmierten Gesicht, sagte aber kein

Wort, während er zu dem Nissan stolperte, sich hineinschob und den Wagen zurücksetzte.

Shavit wusste, was der Agent dachte. Naim war ein israelischer Killer tief im Herzen Kairos, gefangen im Nachspiel eines Attentats, das nicht wie geplant verlaufen war. War Ahmed tot? Sein Partner? Unmöglich zu sagen, aber bleiben, um diesen Fragen nachzugehen, konnte er auch nicht. Jetzt gefasst zu werden, würde einen internationalen Zwischenfall auslösen. Entdeckung war etwas, das der Mossad nicht in Erwägung ziehen konnte.

Das alles wusste Shavit. Er war General der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte IDF und kannte Avi Bachman seit zwanzig Jahren. Als Bachman ihn um Hilfe gebeten hatte, hatte er sie ihm gern gewährt. Bachman war für ihn wie der Sohn, den er selbst nie hatte haben können. Er hätte alles für ihn getan. Er hörte die Sirenen, ihr an- und abschwellendes Geheul deutlich vernehmbar, als der Sturm leicht nachließ. Er musste hier weg. Er ließ den Wagen stehen, wo er war, und während das Sirenengeheul immer lauter wurde, brach er auf.

AVI BACHMAN LIEF die Gasse hinunter. Er war geschützt vor dem Wind und seinem Heulen, wodurch er die Sirenen hören konnte. Es lag mehr Müll herum, als er erwartet hatte, und während sich der Durchgang um die Rückseite der Lagerhäuser schlängelte, musste er sich an einigen Stellen durch Berge von Plastiksäcken arbeiten, die aufgerissen worden waren, der übelriechende Abfall darin ein Festschmaus für Ratten. Seine Beine waren schon bald mit einem faulig stinkenden Schleim bedeckt.

Er hatte sich jetzt festgelegt. Es gab kein Zurück mehr. Er musste darauf bauen, dass Uri Naim durch Meir Shavits Volkswagen und den Sturm keine freie Sicht auf ihn gehabt hatte und dadurch nicht bestätigen konnte, was passiert war. Was würde er mit Sicherheit sagen können? Dass die Mine frühzeitig explodiert war.

Bachman hatte nicht die Absicht, gefunden zu werden. Er hatte die Operation seit Monaten geplant und auf die perfekte Gelegenheit gewartet. Das jetzt war es gewesen. Der Mossad würde keine Möglichkeit haben, die Explosion zu untersuchen. Wie könnten sie ihre Ermittler hierherschicken? Sie würden nicht bestätigen können, was ihm zugestoßen war. Er hoffte, dass

sie die offensichtliche, einfache Schlussfolgerung ziehen würden: er war tot, hatte bei einem tragischen Unfall das Leben verloren.

Schließlich endete die Gasse. Sie führte auf eine andere Straße, sehr ähnlich derjenigen, von der er geflüchtet war: heruntergekommene Gebäude auf beiden Seiten, ein Lastwagen mit einer fünf Meter hohen Ladung aus Müllsäcken, die auf seiner Pritsche festgebunden waren, hoch oben zwischen den Häuser aufgespannte religiöse Dekorationen zur Feier des Ramadan. Der Wind packte ihn wieder, als er aus dem Windschatten der Gebäude trat; er zog das Halstuch über seinem Mund zurecht, damit er müheloser atmen konnte.

Er griff mit der rechten Hand unter seine linke Achsel und spürte die Glock, die er in einem verborgenen Holster trug. Er glaubte nicht, dass er sie benötigen würde, aber es war beruhigend zu wissen, dass sie da war.

Er machte sich in südlicher Richtung auf den Weg. In Nasr City wartete ein Auto auf ihn. Er würde nach Westen bis El Salloum fahren, die Grenze nach Libyen überqueren und seinen Weg durch Tunesien und Algerien fortsetzen, bis er schließlich Marokko erreichte.

Der Gedanke an sein Ziel erfüllte ihn mit Vorfreude. Lila erwartete ihn dort. Ihre Beziehung war der Grund für dies alles. Sie war Palästinenserin, und er wusste mit absoluter Sicherheit, dass ihr Zusammensein gefährlich war. Falls Victor Blum, der Direktor des Dienstes, ihr Geheimnis herausfand, würde er sie beide töten lassen.

Damit blieben ihnen genau zwei Möglichkeiten: entweder sich damit abzufinden, einander nie wiederzusehen, oder aber zu fliehen.

Die erste Option stand nicht zur Debatte. Bachman würde sie nie in Erwägung ziehen.

Sie würden fliehen.

Er hatte den Plan entwickelt. Sie würden eine Woche in Tanger bleiben und dann, nachdem Shavit ihm die aktuelle Lage durchgegeben hatte, mit der Fähre nach Algeciras übersetzen. Sie würden sich einen Wagen nehmen und durch Spanien und Frankreich nach Norden fahren, bis sie schließlich Paris erreichten. Dort warteten neue Identitäten auf sie, zusammen mit einem Termin bei einem Facharzt für plastische Chirurgie, der Bachmans Aussehen verändern würde. Wenn das alles erledigt war, würden sowohl der Chirurg als auch der Fälscher, der ihnen die neuen Papiere lieferte, erschossen. Nichts würde Bachman und Lila noch mit den Menschen in Verbindung bringen können, die sie einmal gewesen waren.

Soweit es den Mossad betraf, war Avi Bachman tot.

Er hatte bei einer gescheiterten Liquidierungsoperation in den Slums von Kairo das Leben verloren.

An seiner Stelle würde Claude Boon das Licht der Welt erblicken.

Der Anwalt verließ um acht Uhr morgens sein Büro in Baton Rouge. Es waren sechsundfünfzig Meilen bis zur Louisiana State Penitentiary. Es würde etwas mehr als eine Stunde dauern, sofern die Interstate frei war, aber wegen der Hauptverkehrszeit kalkulierte er zwei Stunden ein. Der Mann, den er besuchte, würde nicht weglaufen, allerdings wollte er auch nicht zu spät kommen. Sein Mandant war ohnehin schon furchterregend genug, und er wollte ihn keinesfalls durch Unpünktlichkeit verärgern.

Der Anwalt hieß Reed Scott, und er war einer der Partner in der Kanzlei Renwick Chase Scott. Scott war seit dreißig Jahren in den Vereinigten Staaten, seit er mit seinen Eltern aus Israel ausgewandert war. Er hatte eine amerikanische Frau und zwei kleine Kinder. Er ging mit seinem Sohn zu den Spielen der Saints. Er engagierte sich in seiner Gemeinde und war im Justizsystem von Louisiana angesehen und respektiert. Normalerweise gehörten Strafsachen nicht zu seinem Tätigkeitsgebiet, daher waren seine Kollegen durchaus überrascht, dass er sich von dem mutmaßlichen mehrfachen Mörder, der zurzeit im Gefängnis auf seinen Prozess wartete, Anweisungen geben ließ.

Auf den Ausfallstraßen von Baton Rouge herrschte weniger Verkehr als in der Gegenrichtung, und so kam er gut durch. Er blieb auf dem Martin Luther King Highway bis zum Highway 61 North, wo er die Ausfahrt nach Natchez nahm. Von dort waren es weitere einundzwanzig Meilen bis nach St. Francisville. Nachdem er die West Feliciana High School passiert hatte, bog er links auf den Highway 66 ab. Der zwanzig Meilen lange Highway endete vor dem Tor der Louisiana State Penitentiary, auch bekannt unter dem

Namen Angola.

Die normalen Mandanten von Reed Scott waren Männer und Frauen, die in Downtown Baton Rouge arbeiteten. Er war auf Körperschaftsrecht spezialisiert: Fusionen und Übernahmen, Umstrukturierungen und Arbeitsrecht. Er war Hochhäuser und glänzende Büros gewohnt, teure Marmorfoyers und gepflegte Konferenzräume, die aus über dreißig Metern Höhe prächtige Panoramen über die Stadt boten.

Angola? Das war eine ganz andere Nummer. Er bezweifelte, dass es einen schlimmeren Ort auf der Welt gab.

Man nannte es auch „die Farm“. Vor hundert Jahren war es eine Sklavenplantage gewesen, und die Strafanstalt lag im Zentrum eines über achtzig Quadratkilometer großen Gebiets. An drei Seiten wurde es vom Mississippi begrenzt, und auf der vierten Seite von vielen Meilen unbewohnten Waldlands. Die Zahl der Männer, denen eine Flucht aus Angola geglückt war, lag knapp im zweistelligen Bereich. Über fünftausend Männer verbüßten hinter NATO-Draht ihre Haftstrafen. Die meisten von ihnen würden dort sterben.

Am Eingang befand sich ein kleines gelbes Torhaus, das durchaus auch den Zugang zu einem Nationalpark hätte markieren können. Scott fuhr durch, bemerkte das Museum und – eine skurrile Ergänzung – den Souvenirshop. Er war bereits einmal in dem Laden gewesen und hatte das Warenangebot gesehen: unter anderem von den Insassen hergestellte Marmelade, Postkarten und Spielzeughandschellen.

Witzig, oder? Daran erinnerte er sich jetzt und musste leise lachen. Es lenkte ihn von der Nervosität ab, die sich wie eine kalte Faust in seinem Bauch eingenistet hatte. Dieses Gefühl hatte er immer vor Gesprächen mit diesem speziellen Mandanten. Der Mann hatte diese besondere Wirkung.

Er fuhr weiter, bis er das Hauptgebäude des Gefängnisses erreichte. Es war von hohen Zäunen umgeben, deren NATO-Draht in der Sonne glänzte. Er stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz ab und ging zum Torhaus.

Eine kleine Schlange von Leuten wartete darauf, in das Gefängnis eingelassen zu werden. Er stand vor dem Scanner an, übergab dem Wärter seine Aktentasche, damit er sie durchs Röntgengerät schicken konnte.

„Kommen Sie“, sagte der Wärter auf der anderen Seite der Sicherheitskontrolle und winkte ihn durch.

Scott trat durch den Bogen des Sicherheitsscanners. Das Gerät gab keinen Ton von sich. Er lächelte den Wärter an. Der Mann schaute ausdruckslos,

gelangweilt und ein wenig unfreundlich zurück. Scott nahm seine Aktentasche und schloss sich der Schlange vor dem Schalter an.

Er trat vor das Fenster.

„Ihr Name, Sir?“

„Reed Scott.“

„Warum sind Sie hier?“

„Ich möchte einen Insassen besuchen.“

„Name des Gefangenen?“

„Claude Boon.“

Die Frau gab den Namen in ihren Computer ein und kratzte sich am Kopf, während sie auf die Ausgabe der relevanten Informationen wartete.

„In welchem Verhältnis stehen Sie zu Mr. Boon?“

„Ich bin sein Anwalt.“

„Ausweis, bitte.“

Scott nahm seinen Führerschein und schob ihn durch den Schlitz unterhalb der Trennscheibe.

Die Frau warf einen Blick auf den Führerschein, sah dann auf ihren Bildschirm. Sie nickte zufrieden. „Genau, hier sind Sie ja. Zehn Uhr, richtig?“

„Richtig.“

„Sie wissen, wie’s läuft?“

„Ja, Ma’am, das weiß ich.“

Sie griff nach unten, um einen Knopf zu drücken, und mit dem Summen eines Elektromotors öffnete sich die Tür rechts neben dem Schalter. Reed schluckte, bedankte sich mit einem Nicken und betrat das Gefängnis.

Scott setzte sich, legte seine Aktentasche auf den Tisch, nahm die Unterlagen heraus und breitete sie vor sich aus. Es war fünf vor zehn. Er wusste, dass sein Mandant pünktlich sein würde. Claude Boon war professionell und motiviert. Und wohin sonst sollte er auch schon groß gehen?

Scott schaute zu der Überwachungskamera in der Ecke des Raumes auf. Er hatte das Gefühl, beobachtet und taxiert zu werden, und fühlte sich wie üblich verwundbar. Er wusste, dass seine Tarnung hervorragend war.

Eigentlich war es mehr als nur eine Tarnung. Denn immerhin war er ja tatsächlich Rechtsanwalt, und das schon sein gesamtes Erwachsenenleben. Aber er war mehr als das.

Scott arbeitete für den israelischen Nachrichtendienst. Den Mossad. Er war ein Sayan . Der Dienst hatte Männer und Frauen wie ihn überall auf der Welt, ortsansässige Agenten, die völlig unerkannt ein normales Leben führten, bis sie gebraucht und dann aktiviert wurden. Die leitenden Feldagenten des Mossad, auch Katsas genannt, benötigten Unterstützung, wenn sie im Ausland Operationen vorbereiteten. Diese Unterstützung erhielten sie von den Sayanim . Unabhängig von ihrer Loyalität gegenüber ihrem jeweiligen Land war jeder Sayan zutiefst loyal gegenüber Israel und würde alles tun, um es vor seinen Feinden zu schützen.

Sayanim erfüllten viele Rollen. Ein Fahrzeug-Sayan , der einen Autoverleih betrieb, konnte einem Katsa Transportmittel zur Verfügung stellen. Ein mit Immobilien arbeitender Sayan konnte kurzfristig und ohne Kosten für Unterkunft sorgen. Ein Sayan innerhalb einer Polizeibehörde

konnte nützliche Informationen zu laufenden Ermittlungen liefern, und ein Sayan -Arzt konnte Verwundungen behandeln, während er gleichzeitig die Identität des Patienten geheim hielt. Sayanim erhielten lediglich die reinen Kosten ihrer Arbeit erstattet, aber sie führten ihre Aufgaben aus, weil sie ihre geistige Heimat liebten, nicht weil sie eine Vergütung erhalten wollten. Katsas wiederum konnten ohne sie nicht operieren. Der Dienst selbst war vollkommen auf sie angewiesen.

Scott hörte das Rasseln von Fußschellen draußen auf dem Korridor und versteifte sich unwillkürlich. Sein Mandant gehörte zu der Sorte Mensch, die einen schon allein bei dem Gedanken an sie nervös machen konnte. Ihm wurde siebenfacher Mord angelastet, und im Verlauf der drei Monate, die er nun in Angola saß, hatte er es geschafft, einen andern Häftling zu töten und zwei weitere schwer zu verletzen. Er saß in Isolationshaft. Diese Maßnahme war weder als Strafe noch zu seinem Schutz erfolgt.

Claude Boon war ins Loch gesteckt worden, um die anderen Häftlinge zu schützen.

Die Tür ging auf. Der Mann, der jetzt den Raum betrat, war nicht besonders beeindruckend. Er war fünfundvierzig Jahre alt und offensichtlich in ausgezeichneter körperlicher Verfassung. Er war auch vorher schon fit gewesen, aber da er jetzt kaum etwas anderes zu tun hatte, als zu trainieren, war er durch und durch muskulös. Er hatte grau meliertes Haar und war auf konventionelle Art gutaussehend. Er trug den normalen orangefarbenen Overall des Louisiana Department of Corrections. Sein richtiger Name war Avi Bachman, aber innerhalb des amerikanischen Rechtssystems hießt er Boon.

Die Tür schloss sich, und Scott war mit ihm allein.

„Claude“, sagte der Anwalt.

„Komm mir nicht mit ‚Claude‘, als wären wir zwei beste Freunde. Was geht ab? Was geht gottverdammt ab?“

„Ich weiß, ich bin –“

„Wir haben uns vor zwei Wochen das letzte Mal gesehen.“

„Ich weiß. Und es tut mir auch schrecklich leid, aber es ist nicht gerade trivial, worum Sie mich gebeten haben. Das ist Ihnen doch sicher bewusst?“

„Ausreden interessieren mich nicht. Ich bin jetzt seit drei Monaten hier. Ich habe dir gesagt, was passieren wird, wenn du mich hier nicht rausholst. Glauben die vielleicht, ich bluffe?“

Scott hob flehend die Hände. „Nein, Claude, das tun sie nicht. Sie

glauben Ihnen.“

Boon schlug beide Handflächen auf den Tisch. „Wieso bin ich dann noch hier?“

Instinktiv drehte sich der Anwalt zur Tür, aber es gab keinerlei Hinweis, dass jemand Boons erhobene Stimme gehört hatte. „Bitte, beruhigen Sie sich.“

Boon beugte sich über den Tisch, seine Fesseln rasselten. „Erzähl mir nicht, ich soll mich beruhigen.“

„Lassen Sie mich Ihnen bitte ein paar Dinge in Erinnerung rufen. Sie befinden sich hier in einer Hochsicherheitseinrichtung. Man wird Sie wegen mehrfachen Mordes vor Gericht stellen, dabei ist der Häftling noch nicht eingerechnet, den Sie hier getötet haben. Der zuständige Staatsanwalt möchte demnächst wiedergewählt werden. Er hat offiziell verlauten lassen, dass Ihre Verurteilung ganz oben auf seiner Prioritätenliste steht. Er hat Sie also wirklich auf dem Kieker. Er wünscht sich für Sie nichts mehr als die Todesstrafe. Die wissen, wie gefährlich Sie sind, Claude. Wenn Sie das alles berücksichtigen, können Sie vielleicht nachvollziehen, dass es sich hierbei nicht um einen Sonntagsspaziergang handelt, nicht einmal für uns.“

„Wer ist uns ?, habe ich gefragt, und bislang hast du mir keine Antwort gegeben. Wer weiß noch Bescheid?“

„Der Direktor.“

„Blum?“

„Er hat persönlich die Leitung übernommen. Glauben Sie mir, er will Sie hier herausholen, mindestens so sehr wie Sie selbst.“

Er lachte bitter. „Das bezweifle ich.“

„Es ist die Wahrheit, Claude. Ich berichte ihm direkt.“

„Hör endlich auf, mich dauernd Claude zu nennen“, sagte er gereizt. „Wir sind keine Freunde.“

„Tut mir leid, Mr. Boon.“

Scott lehnte sich wieder zurück. Er beging den Fehler, Boon direkt in die Augen zu sehen, und wünschte sich sofort, es nicht getan zu haben. Es waren die Augen eines Mörders. Da war keinerlei Empathie, nichts, was darauf hindeutete, dass er irgendetwas empfand. Es waren leere Spiegel. Sie jagten ihm einen unbehaglichen Schauer über den Rücken. Sie weckten in ihm die Frage, wie viele Männer und Frauen um Gnade bittend in diese Augen geschaut hatten, unmittelbar bevor er sie exekutiert hatte.

„Wie behandelt man Sie?“

„Geht so. Das hier ist nichts verglichen mit dem, was ich früher kennengelernt habe. Ich bin im Bangkok Hilton gewesen.“ Er gestikulierte über den Raum. „Das hier? Fünf-Sterne-Luxus-Kategorie verglichen damit.“

In Angola gab es einen Straftrakt bekannt als Camp J. Scott wusste das eine oder andere darüber. Es diente ausschließlich der Isolationshaft und beinhaltete regelmäßige Züchtigungen der Männer, die das Pech hatten, dorthin verlegt zu werden. Normale Besuche waren verboten und Selbstmordversuche, oft genug erfolgreich, keine Seltenheit.

Camp J war Boons Aufenthaltsort.

„Natürlich“, sagte Scott.

Er schob seine Unterlagen zurecht und sah sich dann mit einer übertriebenen, wissenden Bewegung um. Das Recht auf Vertraulichkeit zwischen Häftling und Anwalt war unantastbar, aber er war nicht so naiv zu denken, dass es ausgeschlossen war, belauscht zu werden.

„Mr. Boon, hören Sie mir jetzt bitte genau zu. Sie haben morgen eine wichtige Anhörung.“

Boon hob eine Augenbraue. „Was für eine Anhörung?“

„Es ist eine vorbereitende Geschichte. Wir legen dem Richter Beweismaterial vor.“

„Wann?“

„Morgen früh.“ Er stählte sich, Boon direkt in die Augen zu sehen, um sich zu vergewissern, dass er verstand, was er ihm sagte. „Die Deputy Sheriffs werden Sie nach Baton Rouge bringen. Sie werden gegen acht oder neun Uhr fahren.“ Er starrte ihn an und nickte. „Wir sehen uns dann im Gerichtsgebäude.“

Boon verstand das Zeichen. „Muss ich irgendwas tun?“

„Sie müssen einfach nur da sein. Um alles andere werde ich mich kümmern.“ Während er sprach, nahm der Anwalt seinen Füllfederhalter vom Tisch und schraubte die Kappe ab. Ein kleines Gerät fiel heraus auf den Tisch. Es hatte etwa die Größe eines Croûtons. Boon sah es und legte sofort seine Hand darüber.

„Noch irgendwelche Fragen, Mr. Boon?“

„Nein. Ich denke nicht.“

Reed erhob sich, sammelte die Papiere vom Tisch und schob sie in seine Aktentasche.

Boon stand auf, seine Fesseln rasselten. „Ich bin geduldig gewesen. Drei Monate bedeutet Geduld. Aber ich bin immer noch hier, und er ist immer

noch dort draußen.“ Er spuckte das Wort aus. „Der Gedanke daran, nach allem, was er getan hat … “ Sein Zorn brannte den Rest der Worte nieder.

„Das verstehen wir, Mr. Boon, wirklich. Haben Sie Geduld. Wir haben alles unter Kontrolle.“ Er hob seine Stimme. „Wärter!“

Er ging zur Tür, brachte seinen Körper zwischen sie und Boon. Er beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Boon die Hand zum Mund hob.

Die Tür öffnete sich, der Wärter kam herein.

„Sind Sie fertig?“

„Das bin ich, vielen Dank.“ Er wandte sich noch einmal in den Raum um. „Auf Wiedersehen, Mr. Boon. Schlafen Sie gut. Morgen ist ein großer Tag.“

Sie hatten zwei sichere Häuser. Das erste befand sich in Merrydale, nördlich von Baton Rouge. Beide Immobilien waren zwei Monate zuvor von einem Vorausagenten des Mossad angemietet worden, der mit einem ortsansässigen Sayan zusammenarbeitete. Ein solches Haus wurde Moaz beziehungsweise „Stützpunkt“ genannt. Es war ein unscheinbarer Bau in einer Mittelschichtsstraße. Man hatte ihn ausgesucht, weil er völlig durchschnittlich war und weil diese Wohngegend für einen hohen Anteil an vorübergehend dort lebenden Menschen bekannt war. Ein Ort, an dem Neuankömmlinge praktisch nicht auffielen. Perfekt für das, was sie vorhatten.

Zwei Agenten waren seit drei Tagen im Land. Ihren Papieren zufolge waren sie Mr. und Mrs. Rabin, ein junges Paar aus Tel Aviv, das in Louisiana Urlaub machte. Sie waren in New Orleans gelandet, hatten dort in einem Hotel eingecheckt, waren lange genug dortgeblieben, um vom Personal registriert zu werden, und dann waren sie weiter Richtung Westen gezogen.

Malakhi und Keren Rabin waren zwei der effektivsten Kidon des Mossad. Das Wort bedeutet „Bajonett“ auf Hebräisch, und die Abteilung Kidon des Mossad war für gezielte Tötungen zuständig. Die Einheit bestand aus achtundvierzig Männern und Frauen. Alle waren zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt, alle achteten penibel auf maximale körperliche Fitness und Leistungsfähigkeit. Sie lebten und arbeiteten außerhalb des Hauptquartiers des Mossad in Tel Aviv in einer abgeschirmten Militärbasis im Herzen der Negev-Wüste.

Die Rabins arbeiteten oft zusammen. Ihr Status als Ehepaar hatte sich

schon oft als hervorragende Tarnung erwiesen. Ihren letzten Auftrag hatten sie in Paris gehabt. Auch hier hatten sie sich als Touristen ausgegeben und einen prominenten iranischen Waffenhändler ausgeschaltet, der mutmaßlich die Hisbollah mit den Katjuscha-Raketen ausgestattet hatte, die zum Beschuss von Nord-Israel verwendet worden waren. Sie hatten ihre Befehle ausgeführt und waren wieder mit dem Hintergrund verschmolzen, nur ein weiteres Touristenpärchen, das die Gastfreundschaft der Stadt des Lichts genoss.

Das Haus in Baton Rouge war für ihre Ankunft vorbereitet worden. Die für die Operation benötigte Ausrüstung wartete unter den Bodendielen im zweiten Schlafzimmer. Da waren sechs Beretta 70 für Kaliber .22-Munition. Sie hatten Munition mit der Hälfte der normalen Treibladung sowie Schalldämpfer, um die Waffen so leise wie möglich zu machen. Da waren vier Tavor-Sturmgewehre mit ausreichend Munition. Häufig waren sie mit Uzis ausgerüstet, aber obwohl die Uzi eine hervorragende Waffe war, verschoss sie Neun-Millimeter-Munition, und wenn man Fahrzeuge unter Beschuss nehmen wollte, war Munition, die eher für Handfeuerwaffen gedacht war, weniger gut geeignet. Glas und Metall konnten die Projektile ablenken, ein Problem, das die 5,56-Millimeter-HochgeschwindigkeitsMunition des Tavor nicht kannte. Da war eine aufgerollte Nagelsperre mit sechseinhalb Zentimeter langen Dornen aus einer Metalllegierung. Die soliden Dorne hatten drei geschärfte Kanten bei einem Durchmesser von anderthalb Zentimetern an der Basis. Schließlich gab es noch ein kleines Netbook, auf dem die Software vorinstalliert war, mit deren Hilfe die Position des GPS-Senders überwacht werden konnte, den der Mann erhalten hatte, den sie sichern sollten.

Der Vorausagent hatte weiterhin zwei Autos und einen Transporter für die Operation angemietet. Der Transporter und eines der Autos standen auf dem Langzeit-Parkplatz am Flughafen. Das Fahrzeug für die Rabins war ein 2013er Honda Accord. Er war über Nacht zu dem Haus gebracht und die Schlüssel in den Briefkasten geworfen worden.

Sie luden ihre Ausrüstung vor Tagesanbruch in den Kofferraum des Wagens, als noch niemand auf der Straße war. Sie nahmen ein üppiges Frühstück ein, da sie nicht wussten, wann sie das nächste Mal essen konnten, und telefonierten danach, um sich zu vergewissern, dass die Operation immer noch lief.

Was der Fall war.

Sie schlossen das Haus ab, stiegen in das Auto und fuhren los.

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