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Was vernetzt ist, ist angreifbar: Wie Geheimdienste und Kriminelle uns im Netz infiltrieren Mikko Hyppönen
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Pneumologie für die Praxis: Akute und chronische Atemwegserkrankungen mit Besonderheiten im fortschreitenden Alter Thomas Hausen
This translation published under license with the original publisher »John Wiley & Sons, Inc.«
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Print ISBN: 978-3-527-51150-1
ePub ISBN: 978-3-527-84274-2
Umschlaggestaltung: Torge Stoffers (entsprechend dem Cover Design des englischen Originals)
Teil II: MALWARE – DAMALS, HEUTE UND IN NAHER ZUKUNFT
12 Die Geschichte der Malware
Viren auf Floppy Disks
Brain.A
Dateiviren
Makroviren
E-Mail-Würmer
Internetwürmer
Die Viruskriege
Webangriffe
Handyviren
Würmer in sozialen Medien
13 Smartphones und Malware
14 Malware für Strafverfolgungsbehörden
Fall R2D2
Passwörter knacken
Verschütteter Kaffee
15 Erpressungstrojaner
Die Geschichte der Erpressungstrojaner
Cryptolocker
Ehrliche Kriminelle
Notpetya
Der Fall Maersk
Wannacry
Meine Woche mit Wannacry
Gezielte Erpressungstrojaner
Erpressungstrojaner v2
Notiz
Teil III: DAS MENSCHLICHE ELEMENT
16 Die beiden Probleme
17 Der Bankraub
18 CEO-Betrug
Rundgang durch den Hauptsitz
19 Unternehmensnetzwerke schützen
20 Bug Bountys
21 WLAN-Nutzungsbedingungen
22 Mikkos Tipps
23 Mikkos Tipps für den Start-up-Unternehmer
24 Boot zu verkaufen
Teil IV: WAS IST, WENN DAS NETZ AUSFÄLLT?
25 Elektrische Netzwerke
26 Sicherheit in Fabriken
Eine Suchmaschine für Computer Slammer
27 Hyppönen-Gesetz
28 Dumme Geräte
29 Regulierung
30 Software-Updates für Autos
Teil V: PRIVATSPHÄRE IM INTERNET
31 Leben ohne Google
32 Mordanklagen verjähren nie
33 Lauscht Google?
34 Gorillas
35 Start-up-Geschäftslogik
36 Biometrik
37 Antisoziale Medien
38 Internetbeeinflussung und Wahlen
39 Die Privatsphäre ist tot
40 Vor und nach Gmail
41 Verschlüsselungstechniken
Perfekte Verschlüsselung
Unknackbare Verschlüsselung
Kriminelle Nutzung von Verschlüsselungssystemen
Notiz
42 Daten sind das neue Uran
43 Der Fall Vastaamo
Patientenregister
Technologien
Vastaamo.tar
Erpressernachrichten
Die Jagd nach der TAR-Akte
Unschuldige Opfer
Teil VI: KRYPTOWÄHRUNGEN
44 Der Wert von Geld
45 Blockchains
Blockchain-Anwendungen
Blockchains und Geld
46 Die Umweltauswirkungen von Bitcoin
47 Auf dem Markt mitspielen
48 Ethereum, Monero und Zcash
49 NFT
50 Bitcoin und Kriminalität
51 Grenzschutz vs. Bitcoin
Teil VII: TECHNOLOGIE, SPIONAGE UND KRIEGSFÜHRUNG IM INTERNET
52 Cyberwaffen
Mittagspause bei Google
53 Technologie und Kriegsführung
54 Unter falscher Flagge
55 Tarnbarkeit von Cyberwaffen
56 Der Nebel des Cyberkrieges
57 Der Fall Prykarpattyaoblenergo
58 Der Fall Pyeongchang
59 Regierungen als Urheber von Malware
60 Russland und China
61 Der Fall Stuxnet
62 Schadensabsicherung
63 Explosion im Weißen Haus
64 Mein Boykott von RSA, Inc.
Teil VIII: DIE ZUKUNFT
65 Künstliche Intelligenz
66 Vielfraße
67 KI wird uns die Arbeitsplätze wegnehmen
68 Intelligente Malware
69 Metaverse
70 Die Technologie der Kriegsführung
71 »Sie sind verhaftet wegen eines zukünftigen Mordes«
72 Wer sich anpassen kann, wird Erfolg haben
73 Tesla
74 Trends in der Technologie
Coda
Stimmen zum Buch
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Geleitwort von Jeff Moss
Das Internet ist zugleich ein vertrauter, behaglicher Ort und ein unergründliches unbekanntes Terrain, auf dem man sich leicht verirren kann. So war das Internet von Anfang an. Der Unterschied besteht heute darin, dass die Dimensionen und Konsequenzen geradezu unermesslich sind und dass es die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft auf die Probe stellt. Wenn du in den Internetspiegel schaust, hängt das, was dir gespiegelt wird, davon ab, wonach du suchst. Im Wesentlichen ist es ein Spiegelbild deiner Selbst geworden.
Wenn du eine Geschäftsperson bist, siehst du vielleicht endlose Chancen, neue Märkte, neue Lieferketteneffizienz, neue Wege, ein Produkt zu lancieren oder mit Designern zusammenzuarbeiten, zu denen du zuvor niemals Zugang gehabt hättest. Du würdest über die Kosten nachdenken, die Risiken des Online-Handels, welche Vorschriften du einzuhalten hättest und über die finanziellen Belohnungen.
Wenn du ein Forschergeist bist, siehst du vielleicht endlose Recherchemöglichkeiten, verschiedene Perspektiven, die zu betrachten sind, Online-Diskussionen, die geführt werden müssen, und bedeutsame Orte, die etwas zu deinen Bestrebungen beisteuern. All das kannst du unabhängig von deiner Rasse, deiner Volkszugehörigkeit, deinem Geschlecht, deinem Alter, deiner Orientierung oder Religion tun. Solch eine Freiheit!
Politische Entscheidungsträger sehen eine neue Domäne, die Kontrolle und Regulierung benötigt, damit das Internet die Werte und Ideale ihrer Regierungen widerspiegelt.
Regierungen sehen nicht nur einen Weg, mit ihren Bürgern zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten, sondern auch einen neuen Weg, sich gegenseitig auszuspionieren. Sie brauchen keinen James Bond, stattdessen einfach einen Einbruch aus der Ferne und schon können sie ihre E-Mails lesen, um herauszufinden, ob sie gegen einen Staatsvertrag verstoßen oder einen Angriff planen. Verschwörungstheorien gedeihen neben wissenschaftlicher Recherche und Fan-Fiction-Seiten, und Kriminelle sehen einen Weg, um mit Diebstahl oder Erpressung Geld zu verdienen, ohne sich selbst körperlich einem Risiko auszusetzen.
Was ist los?
Es heißt, dass im 18. Jahrhundert der Staatsdienst die höchste Berufung war und die besten und klügsten Köpfe anzog. Im 19. Jahrhundert gab es die industrielle Revolution und im 20. Jahrhundert zog es die Besten zur Wall Street. Heute haben das Internet und die damit verbundenen Branchen die kreative, finanzielle und emotionale Energie. Wie lange wird diese Phase wohl anhalten, bevor die Menschen weiterziehen zu Genetik, Nanotechnologie oder auch dem Weltall?
In den ersten Tagen des Internets ging es um den Aufbau: Infrastruktur wie Netzwerke und Seekabel, um die Server physisch zu verbinden. Dann ging es um größere Rechenzentren, schnellere mobile Technologien und Algorithmen, um die Konsumenten verstehen und ihr
Verhalten vorhersagen zu können.
Der Aufbau einer besseren Infrastruktur ermöglichte die Errichtung gewaltiger, globaler Plattformen. Ganz neue Geschäftsmodelle waren möglich! Die zuvor unmögliche globale Verfolgung der Bewegungen der Bevölkerung (Population Tracking) und InfluencerKampagnen waren möglich! In diesem Zeitabschnitt war das Internet wahrhaftig allgegenwärtig genug, um ein globales Gut und ein globales Risiko zu sein. Heute leben wir im Zeitalter der Konsequenz vom Internet, wo sich das, was geschieht, täglich auf Milliarden Menschen auswirkt und ihr Verhalten beeinflusst, und es gibt nur wenig Haftung.
Eins wurde deutlich: Internetprobleme sind globale Probleme und häufig größer, als dass eine Firma oder ein Land sie bewältigen kann. Es ist jetzt klar, dass diese globalen Probleme eine globale Antwort erfordern. Versuche, ein Botnet zu entfernen? Regeln für eine Social-MediaPlattform erstellen? Standards für die nächste Technologiegeneration festsetzen? In allen Fällen ist eine neue Art und Weise der Beteiligung an internationalen Foren und Koordination von Unternehmen und Regierungen, aber auch von der Zivilgesellschaft, Akademikern, Forschern und Nutzern, die mit der Welt, die wir erschaffen haben, leben müssen, erforderlich. Wir müssen nicht nur die Erbauer und Regulierungsbehörden, sondern alle Beteiligten zusammenbringen.
Das Internet, das ich beschreibe, entwickelt und verbindet sich ständig weiter. Es gibt eine Schwerkraft, eine Art unsichtbare Hand, die das Internet organisiert, damit es optimierter, komplexer, fragiler, zentralisierter und attraktiver für die Regulierung wird. Es besteht ein Zielkonflikt zwischen Effizienz und Resilienz, und die Effizienz siegt fast immer, weil sie kosteneffizienter ist. Aber Effizienz ist nicht immer das Beste für eine Gesellschaft. Die Folgen haben ein solches Ausmaß angenommen, dass heute offensichtlich ist, dass Regierungen ein berechtigtes Interesse an dem Online-Geschehen haben, und auf unkontrollierte Innovation folgt ausnahmslos Regulierung.
Es ist an uns, die wir die Technologie verstehen, um der Generationen willen, die das Internet erben werden, auf bessere politische Ergebnisse, faire und transparente Algorithmen und integrative und rechenschaftspflichtige Umgebungen hinzuarbeiten.
Jeff Moss,
Gründer der Black-Hat- und DEF-CON-Konferenzen
Vorwort
Das Internet ist das Beste und das Schlechteste, das uns je passiert ist. Die Wellen der digitalen Revolution sind überall in unserem Alltag unübersehbar. Das Netz bringt uns großartige Vorteile, aber auch abschreckende neue Risiken – Risiken, die zuvor nicht einmal möglich gewesen wären. Und diese Revolution steckt noch in ihren Anfängen.
Seit über 30 Jahren arbeite ich schon bei demselben Unternehmen. Zuerst bei Data Fellows, das sich dann in F-Secure umbenannte. Im Jahr 2022 hat sich F-Secure in zwei Unternehmen aufgesplittet: F-Secure und WithSecure. Ich arbeite jetzt als Chief Research Office für WithSecure und Principal Research Advisor bei F-Secure. Wir haben Unternehmen auf der ganzen Welt Sicherheitssoftware und -lösungen bereitgestellt, und ich habe diese Jahre damit verbracht, Online-Kriminelle zu jagen. Diese über 30 Jahre waren in der Geschichte der Technik bemerkenswert. Es war ein Privileg, mitten in dieser Internetrevolution zu leben. Ich bin nicht unvorstellbar reich geworden, aber ich habe die Gelegenheit gehabt, die Auswirkungen der Digitalisierung vom besten Platz im Haus aus selbst zu erleben. Ich war an Orten, die nur wenige Menschen aufsuchen. Ich habe Online-Täter Auge in Auge gesehen. Ich habe die Hauptquartiere verschiedener nationaler Streitkräfte und Behörden (wie zum Beispiel das Pentagon) und die Zentralen verschiedener Geheimdienste besucht. Ich habe an Meetings bei Microsoft, Google und Apple teilgenommen und Führungsteams der größten Unternehmen der Welt private Einweisungen gegeben. Ich habe mit verschiedenen Polizeibehörden an Fällen von Internetkriminalität gearbeitet und habe lange Tage bei Interpol und Europol verbracht. Ich bin mehr gereist, als ich eingestehen möchte; der Glanz des Reisens verblasst, wenn du ein Level von 140 Flügen pro Jahr erreicht hast.
Die Orte, an denen ich war, und die Menschen, die ich getroffen habe, machten mir deutlich, dass wir alle ungewöhnlich glücklich sind. Wir dürfen in einer Zeit leben, in der große technologische Revolutionen die Welt schneller verändern als irgendetwas zuvor. Ich beobachte diese Trends aus einem Labor für Cybersicherheit heraus. Durch die Analyse von Online-Angriffen und die Umkehrung von Malware-Samples erhalten wir einen einzigartigen Einblick in den Untergrund des Internets.
Was werden zukünftige Historiker über uns und unsere Zeit denken? Was wird in den Geschichtsbüchern der Zukunft über uns geschrieben stehen? Wir werden als das erste Volk, das online ging, in Erinnerung bleiben. Wir sind die erste Generation, die einen Teil ihres Lebens online und den anderen Teil ihres Lebens in der echten Welt lebt.
Die Menschheit hat diesen Planeten mehr als 100 000 Jahre vor dem Internet bewandert. Nun wird das Internet Teil unserer Zukunft sein, vielleicht für immer. Du und ich waren zufällig dabei, als dies geschah. Wenn sich also die Online-Welt manchmal fremd oder schräg oder schwierig anfühlt, dann ist das in Ordnung: Es wurde noch nie zuvor gemacht.
Das weltweite Netz bringt Informationen auf eine sehr konkrete Weise zu uns. In den 1990er
Jahren konnten wir Dinge einfach nicht so überprüfen oder bestätigen, wie wir es heute tun. Das fühlt sich auch heute noch fremd an. Wenn man sich an der Theke darüber stritt, wer bei den Olympischen Spielen in Los Angeles im Jahr 1984 die Goldmedaille im Marathon gewann, war es nicht leicht, die Antwort zu finden. Man konnte am nächsten Tag in die Bibliothek gehen und nachschlagen (Gold ging an Carlos Lopes aus Portugal). Heutzutage findet jeder die richtige Antwort in Sekundenschnelle auf seinem iPhone.
In diesem Buch geht es um das Internet und um uns. Das Internet hat sich von einer technischen Kuriosität zu einem nahtlosen Teil unseres Alltags verwandelt. Letzten Endes wird es unsichtbar sein, etwas, das selbstverständlich ist und von dem wir annehmen, dass es immer und überall verfügbar ist. Genauso war es beim Stromnetz.
In diesem Buch geht es auch um das, was die Zukunft des Internets bedroht: organisierte Internetkriminalitätsbanden, staatliche Überwachung und Zensur sowie der Kampf um die Kontrolle des Internets. Es geht auch darum, wie Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste im Internet agieren, wie Geld zu Daten wurde und dass wir alle einen Supercomputer in unseren Taschen tragen.
Mikko Hyppönen Helsinki, Finnland Februar 2022 @mikko
Saab 9000 Turbo
In meiner beruflichen Laufbahn habe ich mehr erreicht, als ich mir je hätte träumen lassen. Trotzdem ist es gut, bodenständig zu bleiben und daran zu denken, dass die Karrieren aller Experten durch Misserfolge gekennzeichnet sind.
In meiner ersten »richtigen« Stelle bei einem Softwareunternehmen wurde mir die Verantwortung für ein wichtiges Kundenprojekt übertragen. Ich war 21 Jahre alt und bei dem Kunden handelte es sich um eine Keramikfirma in meiner Heimatstadt Helsinki, Finnland. Ich schrieb ein Datenbankprogramm, mit dem den Arbeitern Anleitungen für unterschiedliche Keramikprodukte zur Verfügung gestellt werden sollten. Gemessen an den Standards von 1991 war diese Software schon recht fortschrittlich: Sie lief auf Windows 3.0 und hatte eine grafische Benutzeroberfläche. Sie enthielt sogar Bilder von unterschiedlichen in der Herstellung befindlichen Tassen, Bechern und Tellern.
Das Projekt war umfangreich und wurde im Laufe der Entwicklung immer größer. Pläne wurden immer wieder verschoben. Ich verbrachte den heißen Sommer damit, Tag und Nacht in meinem Studentenappartement zu kodieren, kam aber der Ziellinie kein Stückchen näher. Letzten Endes verlor der Chief Information Officer die Geduld und bat um ein Treffen, in dem ich den Fertigstellungsgrad des Projektes bestätigen und die Software demonstrieren sollte. Ich verbrachte einen hektischen Morgen mit dem Feinschliff der Software in unserem Büro, stopfte meine Unterlagen in meine Aktentasche und fuhr mit der Straßenbahn quer durch Helsinki zu meinem Treffen mit dem Kunden. Als ich eintraf, warteten der CIO und seine Assistenten in einem Konferenzraum mit einem Desktop-Computer und einem großen CRT-Monitor auf meine Vorführung.
Kaum hatte ich mich gesetzt und meine Aktentasche geöffnet, erkannte ich, dass ich meine Floppy Disk im Laufwerk meines Arbeits-PCs vergessen und die Software, die ich demonstrieren sollte, nicht bei mir hatte. Ich gestand es dem CIO, der daraufhin an die Decke ging. Tatsächlich war er sicher, dass die Software nicht einmal annähernd fertig war und dass es eine Ausrede war, um Zeit zu schinden. Ich versicherte ihm, dass ich die Software auf einer Floppy Disk im Büro hätte, und schlug ein weiteres Treffen am nächsten Tag vor. Nun noch verärgerter als zuvor, akzeptierte der CIO diesen Vorschlag nicht. Sie würden im Konferenzraum warten, während ich die fehlende Diskette holte. Ich erklärte mich einverstanden, warnte sie aber, dass die Fahrt mit der Straßenbahn durch Helsinki und zurück etwa anderthalb Stunden dauern würde. Der rotgesichtige CIO erwog die Situation, bevor er mir seinen Autoschlüssel und die Anweisung gab, seinen Pkw, einen Saab 9000 Turbo, frisch aus dem Verkaufsraum, zu benutzen. Voller Nervosität begab ich mich auf die Straßen von Helsinki – und fuhr sein Auto zu Schrott.
Als ich diese Geschichte auf Twitter erzählte, fragte einer meiner Follower, wie ich je einen anderen Job bekommen hätte. Ich war glücklich, antworten zu können, dass dies tatsächlich nie der Fall war. Das Produktkarten-Projekt, an dem ich im Jahr 1991 arbeitete, war meine
Aufgabe in einer kleinen Firma namens Data Fellows. Die Firma verzieh mir, wuchs über die Jahre und richtete ihren Fokus auf Datensicherheit. Heute, mehr als 30 Jahre später, bin ich immer noch dort beschäftigt.
Die Anwendung für die Keramikfirma wurde letztlich fertiggestellt und im Jahr 2005 immer noch genutzt.
Teil I
DAS GUTE UND DAS SCHLECHTE AM
INTERNET
Wir leben in einem Zeitalter der technologischen Revolutionen. Die Welt verändert sich schneller denn je. Das Internet hat die Welt für immer geformt, indem es viele geografische Grenzen gesprengt und uns einen erheblichen Nutzen gebracht hat. Es konfrontiert uns aber zugleich mit vollkommen neuen Risiken.
1
Prähistorisches Internet
Was ist das Internet? Es ist das Netzwerk der Netzwerke. Es ist ein Netzwerk, das aufgebaut wurde, um einen Atomkrieg zu überleben. Es ist ein Netzwerk, das älter ist als die meisten von uns – und das es immer noch geben wird, wenn es uns nicht mehr gibt.
Die Geschichte des Internets begann in den 1960er Jahren, als das amerikanische Verteidigungsministerium mit der Entwicklung eines neuen Informationsnetzwerks namens Advanced Research Projects Agency Network (ARPANET) begann. Internetnutzern kann der Name ARPANET auch heute noch begegnen. Bei der Suche nach den Quellen von Internetadressen stößt man gelegentlich auf »in-addr.arpa« oder »ip6.arpa«. Sie beziehen sich auf das Ursprungsnetzwerk, mit dem alles begann.
Der erste Router wurde im August 1969 angeschlossen. Da er das einzige Gerät im Netz war, konnte er keine Daten irgendwohin übermitteln. Das erste Datenpaket wurde am 29. Oktober 1969 übermittelt, als Wissenschaftler der University of California, Los Angeles (UCLA) und der Stanford University erstmals eine neue Verbindung testeten.
Die ersten Datenübertragungsprotokolle waren langsam und fehleranfällig. Diese Probleme wurden mit der Entwicklung von Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) und Ethernet im Jahr 1973 gelöst. Diese Netzwerkstandards bildeten die Basis des Internets. TCP/IP stellte sicher, dass Datenpakete vom Absender zum Empfänger übermittelt wurden, und Ethernet vereinheitlichte die Art und Weise, wie unsere Geräte diese Pakete empfangen. Häufig wurde gewitzelt, dass Ethernet in der Praxis besser funktionierte als in der Theorie, aber die Protokolle erfüllten ihren Zweck tatsächlich.
Die Welt änderte sich in den 1970er Jahren noch nicht, weil fast niemand Zugang zu Computern hatte. Großrechner waren nur für Universitäten und große Unternehmen zugänglich. In den 1980er Jahren kamen die 8-Bit-Heimcomputer wie Apple II und Commodore 64 auf den Markt, hatten aber keinen richtigen Netzzugang. Es fehlte noch eine weitere Komponente, die alles verändern sollte: ein offener, standardisierter Personal Computer. IBM, ein für seine Großrechner bekannter IT-Riese, brachte den IBM Personal Computer oder PC im August 1981 mit einer Central Processing Unit (CPU) von Intel und einem Betriebssystem von einem kleinen Start-Up namens Microsoft auf den Markt.
Und was am wichtigsten war: der IBM PC war offen – jeder konnte ihn programmieren. Schon bald bauten hunderte Hersteller kompatible Computer, die mit derselben Software laufen konnten. Das Betriebssystem des PCs war zwar nicht im eigentlichen Sinne quelloffen, aber dennoch offen genug. IBM selbst war vielleicht am meisten vom Erfolg des PCs überrascht, da andere PC-Hersteller wie HP und Dell bald an den Verkaufszahlen von IBM vorbeizogen.
Der PC war ein einzigartiger, zufälliger Erfolg im Hinblick auf Offenheit und
Standardisierung. Heutzutage halten wir es für selbstverständlich, dass Computer kompatibel und offen sind, aber da liegen wir falsch. Tatsächlich funktionieren die meisten unserer Geräte wie Autos, Kühlschränke, Spielekonsolen und Kameras in geschlossenen Ökosystemen. PCs bilden eine glückliche Ausnahme von dieser Regel. Durch sie entstand ein offenes Ökosystem, das eine frei entwickelte Software und Zubehör ohne Grenzen ermöglichte. Zum Zubehör zählten Modems und Netzwerkkarten, die Zugang zu lokalen Netzwerken oder Schwarzes-Brett-Systemen (Bulletin Board Systems/BBS) gewährten.
Die zunächst auseinanderdriftenden Wege der Internet- und PC-Revolutionen entwickelten eine Tendenz zur Annäherung. Es bedurfte noch einer weiteren Triebkraft für die Veränderung. Die Studie »Towards a National Research Network« aus dem Jahr 1988 weckte das Interesse des US-amerikanischen Senators Al Gore. Er startete eine Kampagne, um Bundesmittel in Höhe von 600 Millionen US-Dollar für die Forschung und Entwicklung von Applikationen für die Datenautobahn aufzubringen.
Ein Jahr später entwickelte Tim Berners-Lee das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) und die Hypertext Markup Language (HTML). Durch die Kombination aus diesen beiden entstand das World Wide Web oder kurz WWW. Der erste WWW-Server wurde von BernersLee, Ari Luotonen und Henrik Nielsen entwickelt.
Doch das Protokoll und die Server allein ermöglichten die Nutzung des WWW noch nicht. Die Nutzer benötigten einen Browser. Browser wie die aktuellen Beispiele Chrome und Safari existierten Anfang der 1990er Jahre einfach noch nicht. Einer der frühesten BrowserPrototypen wurde in der Technischen Universität Helsinki entwickelt. Er hieß Erwise. Tim Berners-Lee reiste nach Finnland, um das Team zu ermutigen, den Browser zur Produktreife zu bringen. Bedauerlicherweise kam das Projekt nie zum Abschluss. Einer der Programmierer aus dem Erwise-Team erklärte sich bereit, den Browser im Rahmen eines Sommerprojektes fertigzustellen, doch die Universität konnte sich keinen Praktikanten leisten. Der finnische Browser wurde nie fertig.
Der Mosaic-Browser wurde im Jahr 1993 fertiggestellt. Für viele Menschen – wie mich –war Mosaic die erste Software, die die Tür zum brandneuen World Wide Web öffnete. Mosaic verzweigte sich dann in einen noch beliebteren Browser, Netscape, von dem Firefox unmittelbar abstammt. Doch wer entwickelte Mosaic? Er wurde im National Center for Supercomputing Applications entwickelt, das von Al Gores Finanzpaket unterstützt wurde. Im Laufe der 1990er Jahre wurden Internetverbindungen alltäglich, und Online-Dienste und Online-Shops vervielfachten sich. Die ersten bekannten Mobiltelefone hatten keine Internetkonnektivität, doch durch deren Ergänzung wurden Telefone schnell zum gängigsten Mittel der Wahl für die Nutzung von Online-Diensten.
Durch das Internet schrumpften Entfernungen. Jungen Leuten mutet die Vorstellung von Ferngesprächen oder Auslandsgesprächen heute seltsam an. Dennoch ist es wahr: Vor Einzug des Internets kosteten Telefonate um so mehr, je weiter der Angerufene entfernt war. Heutzutage kosten die Teilnahme an einem Zoom-Meeting oder das Versenden einer Datei dasselbe, ganz gleich ob sich der andere Teilnehmer nebenan oder auf der anderen Seite der
Welt aufhält – selbstverständlich mehr oder weniger gar nichts. Es ist schwierig, sich ein Leben ohne Internet auch nur vorzustellen. Wir alle haben Zugang zu einem offenen und unbegrenzten Internet erhalten. Was für ein Internet wir zukünftigen Generationen hinterlassen, liegt an uns.
Die ersten Internetseiten
Die drei ersten Internetseiten weltweit gab es in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten und in den Niederlanden. Anfang 1994 gab es etwa 700 Internetseiten.
Inspiriert durch die grenzenlosen Möglichkeiten des WWW, erstellte ich im April 1994 eine Internetseite für unser Unternehmen mit der Adresse datafellows.ft. Finnland hatte nur knapp hundert Internetseiten, von denen die meisten Universitäten oder Netzwerkbetreibern gehörten. Heute wäre es unmöglich, alle Internetseiten aufzulisten. Es gibt allein knapp eine halbe Million .ft-Domains und über 150 Millionen .com-Domains.
Nachdem ich unsere Internetseite erstellt hatte, postete ich stolz Informationen über diese neue Dienstleistung in dem Internetforum comp.infosystems.www.announce. Dort beschrieb ich im Detail, wie man auf die Internetseite zugreifen konnte. Im Jahr 1994 unterstützte Windows das Internet noch nicht und stellte noch keinen Browser zur Verfügung. Die Anleitungen zeigen deutlich, welche Anstrengungen damals notwendig waren, um das Internet zu nutzen:
Um auf die Internetseite von Data Fellows zugreifen zu können, benötigen Sie Folgendes:
1. Internetzugang. Das kann eine direkte, eine SLIP- oder eine PPP-Verbindung sein. Einige Unix-Nutzer können auch eine Terminalverbindung verwenden.
2. Ein TCP/IP-Stack. PC-Nutzer benötigen einen Stack, der mit Windows Sockets kompatibel ist. Geeignete Produkte sind Microsoft Wolverine, FTP-Software PC/TCP, PC-NFS, SuperTCP, Trumpet Winsock etc.
3. Einen Browser. Das kann zum Beispiel NCSA Mosaic, Cello, WinWeb oder Lynx sein. Die meisten dieser Produkte stehen für eine Vielzahl von Plattformen zur Verfügung. Steht Ihnen kein Browser zur Verfügung, aber Telnet, so können Sie einen der textbasierten WWW-Gateways nutzen.
Die meisten oder alle benötigten Programme stehen auf FTP-Seiten kostenlos zur Verfügung.
Bei der Data-Fellows-Webseite handelt es sich um eine öffentliche Seite, und der Dienst wird kostenlos zur Verfügung gestellt: Ein Login ist nicht erforderlich.
Im Frühjahr 1994 waren Google oder Wikipedia noch nicht online. Microsoft, IBM und Apple mussten ihre Internetseiten erst noch erstellen.
Unsere Webseite lockte anfänglich nur einige wenige Besucher pro Tag an, doch die Zahlen stiegen. Als die Internetseite einige Monate alt war, zerstörte ich sie versehentlich. Ich wartete den Server und löschte das falsche Verzeichnis. Erst am folgenden Tag bemerkte ich, dass unsere Internetseite leer war. Beschämt musste ich den CEO anrufen und ihm erklären, dass ich unsere Webseite versehentlich aus dem Internet gelöscht hatte … und dass wir kein Back-up hatten. Glücklicherweise war der Dienst einigermaßen leicht wiederherzustellen.
Linux ist das wichtigste System der Welt
Linus Torvalds programmierte sein eigenes Betriebssystem, als er im Jahr 1991 an der Universität in Helsinki studierte. Das Betriebssystem hieß zunächst Freax (freak unix), doch der Server Administrator nannte das Verzeichnis Linux, als es auf den Markt kam, ein Name, der so gut war, das er hängenblieb.
Vor einigen Jahren unterhielt ich mich mit einem älteren Verwandten über Linux, der sein Bedauern darüber zum Ausdruck brachte, dass es nie die prophezeite Erfolgsgeschichte wurde, weil es nicht mit Microsoft konkurrieren konnte. Er kam mit seinem Auto, dessen Navigations- und Infotainmentsystem mit Linux liefen, zu unserem Treffen. Das AndroidHandy in seiner Tasche lief mit Linux. Ich weiß, dass er viel Zeit auf Facebook verbringt, das auf Linux-Servern läuft – genau wie Google, das er für E-Mails und Maps nutzt. Sein alter Desktop Computer lief mit Sicherheit auf einem Windows-Betriebssystem, aber in allen anderen Bereichen hinkte Windows weit hinterher. Linux ist mit Abstand das weltweit gängigste – und bedeutendste – Betriebssystem.
Die große Mehrheit der Webserver läuft auf Linux. Spezialeffekte in Hollywoodfilmen werden mit Linux erschaffen. Amazons Cloud-Services laufen mit Hilfe von Linux. Etwa 85 Prozent der Smartphones weltweit laufen mit Linux. Mit Linux laufende Chromebooks verkaufen sich besser als Apples Macbooks; und SpaceX-Raketen und Tesla-Pkw laufen ebenfalls mit Linux. Linux findet man sogar auf dem Mars!
Selbst Microsoft hat sich inzwischen den Tatsachen gestellt und unterstützt Linux. Bei Microsoft Azure Cloud-Diensten kann der Nutzer eine der sieben gängigsten LinuxDistributionen wählen. Im Jahr 2019 kündigte Microsoft an, dass das Windows-Subsystem für Linux das Ausführen von Linux-Software auf Windows ermöglicht, und entwickelte seine eigene Linux-Version. Linus Torvalds trat gegen Bill Gates an und gewann.
Linux kann weitaus mehr, als nur Webserver und Smartphones mit Strom zu versorgen. Es ist auch eine der weltweit gängigsten Plattformen für »Internet der Dinge«-Geräte (Internet of Things/IoT). Die beliebtesten Betriebssysteme für Smart TVs sind Tizen, webOS, Android, FireTV und Roku. Sie alle basieren auf Linux.
Doch Windows und Linux sind nicht die einzigen Betriebssysteme. In vielen Fahrzeugen läuft beispielsweise die Benutzeroberfläche mit QNX, einem Betriebssystem von Blackberry. Bei BSD handelt es sich um ein Unix-Betriebssystem, das in zahlreichen Varianten vorkommt, wobei die wichtigsten Apples macOS, iOS und iPadOS sind. In der Praxis bedeutet das, dass alle Smartphones entweder mit Linux (Android) oder BSD (iOS) laufen. Die kleinsten IoT-Geräte laufen mit ultraleichten Betriebssystemen wie Contiki, VxWorks, Nucleus und RIOT.
Linux hat die Welt verändert, und Linus Torvalds ist der großartigste Finne, der je gelebt hat.
Unsere anderen Nationalhelden sind Komponisten, Soldaten, Sportler oder Politiker – aber keiner kann Torvalds das Wasser reichen. Er hat mehr Werte und Geschäftsfelder erschaffen als jeder andere Finne – in nur wenigen Jahrzehnten. Torvalds ist nach wie vor die Hauptperson im Linux-Projekt. Der Quellcode ist offen und kostenlos und wird von tausenden Menschen auf der ganzen Welt weiterentwickelt, aber Torvalds überwacht und genehmigt Änderungen, die am Linux-Kernel vorgenommen werden.
Torvalds hat neben Linux noch ein weiteres bedeutsames Software-Projekt entwickelt: Git. Bei Git handelt es sich um ein System, das das Management von Content, der von verschiedenen Personen zur selben Zeit erstellt wird, ermöglicht. Die typischste Anwendung ist das Management von Software-Codes. Git wird aktuell verwendet, um die Quellcodes von Linux und Windows zu verwalten – eine beachtliche Leistung angesichts der Millionen Codezeilen in Systemen ihrer Größe.
Git war von so großer Bedeutung, dass es zur Gründung mehrerer neuer Firmen führte, wie zum Beispiel GitHub, Bitbucket und GitLab. Es hat heute zig Millionen Nutzer, was einer der Gründe ist, warum Microsoft GitHub im Jahr 2018 für 7,5 Milliarden US-Dollar gekauft hat.
Man beachte, dass Microsoft GitHub nicht von Torvalds gekauft hat. Torvalds erstellte das Konzept und den Quellcode für Git, damit jedermann es kostenlos nutzen konnte. Die Gründer von GitHub Inc. taten genau das und verkauften ihr Unternehmen später für mehrere Milliarden US-Dollar. Linux wurde auf ähnliche Weise zur öffentlichen Verbreitung freigegeben, und große Unternehmen wie Google, Amazon, Siemens und Boeing nutzen es und machen damit enorme Gewinne.
Linux wäre niemals eine weltweite Erfolgsgeschichte geworden, wenn es Lizenzbedingungen oder Beschränkungen unterworfen gewesen wäre oder wenn die Innovationen patentgeschützt gewesen wären. Die Zeitschrift Wired bezeichnete Torvalds einmal als den Führer der freien Welt.
Torvalds hat viel Anerkennung geerntet. Der Asteroid 9793 ist nach ihm benannt, und im Jahr 2000 bezeichnete ihn das Time Magazine als einen der 20 wichtigsten Menschen des letzten Jahrhunderts. Außerdem ist er einer von nur drei Finnen, die einen TED Talk gehalten haben.
iPhone versus Supercomputer
Das Tempo der technologischen Entwicklung ist verblüffend. Moderne Smartphones haben eine gigantische Rechenleistung. Tatsächlich ist ein iPhone schneller als der schnellste Supercomputer der 1990er Jahre.
Ende des vergangenen Jahrhunderts zählten der Cray-2, Thinking Machines CM5 und Paragon XP/S zu den schnellsten Supercomputern. Diese Riesentiere in Lieferwagengröße benötigten Wasserkühlungssysteme. Sie kosteten Millionen und verschlangen Strom, ermöglichten aber langfristige Wettervorhersagen und Festigkeitsberechnungen für Wolkenkratzer.
Heute, 30 Jahre später, hat jeder dieselbe Rechnerleistung in der Tasche.
Unsere Mobiltelefone verfügen nicht nur über eine ernstzunehmende Rechnerleistung, sondern sind auch noch internetfähig. Manch ein Leser wird sich an die Zeiten erinnern, in denen Mobiltelefone nur für Anrufe und SMS verwendet wurden. Im Jahr 2021 wurde schon mehr Web-Datenverkehr von Mobiltelefonen verschickt als von Computern. Finnland ist die weltweite Nummer eins in mobilen Daten: 4G- und 5G-Verbindungen sind in Finnland sehr schnell und günstig, und es gibt keine Datenobergrenze. Das Mobilnetz ist in vielen Einfamilienhäusern die einzige Internetverbindung und wird gemeinhin verwendet, um Filme auf Netflix in 4K-Auflösung zu schauen. Das wird schon bald überall Realität sein.
Online Communities
Jedes Jahr zeichnet das Time-Magazine die Person des Jahres aus. Im Jahr 2006 warst diese Person »du«. Soziale Netzwerke wie Myspace und Online-Dienste wie YouTube wuchsen, und das Time-Magazine spürte eine bevorstehende Revolution bei der Mediennutzung. Die Menschen waren nicht länger passive Empfänger, die Fernsehen schauten oder Zeitung lasen. Jetzt konnte jeder seine Meinung und Ansichten mit der Welt teilen.
Allerdings hatte diese Revolution auch Nachteile: Paranoide Spinner und Verschwörungstheoretiker hatten ebenfalls die Chance, gehört zu werden.
Das Internet war für Minderheiten transformativer als für die Mehrheitsbevölkerung. In den 1990er Jahren fühlte sich die einzige Transperson in einem kleinen Dorf sehr einsam. Indem sie online ging, konnte sie Unterstützung und Geborgenheit bei Gleichgesinnten finden. Für sexuelle Minderheiten kann das Internet eine Rettungsleine sein. Gleichermaßen kann jeder mit einem seltenen Hobby im Internet Unterstützung von Gleichgesinnten, Geborgenheit und Glück finden – Sammler von Dampfeisenbahnmodellen beispielsweise können mühelos weltweite Online Communities gründen. Das ist der Vorteil von Online Communities.
Doch Menschen mit destruktiven Fantasien, Selbstmordgedanken und Essstörungen – sogar potenzielle Täter von Schulmassakern – können ebenfalls Bestätigung im Internet finden. Das zeigt sich in den Verschwörungstheorien und Falschinformationen, die im Internet kursieren. Neue Gerüchte verbreiten sich schneller denn je von einem Land zum anderen und von einer Sprache in eine andere. Das Internet ist effizienter im Verbreiten von Informationen als irgendein anderes Kommunikationsmittel in der Geschichte. Informationen können nützlich oder auch schädlich sein, und wir können die Verbreitung schädlicher Informationen nicht verhindern.
Als das Internet allgemein zugänglich wurde, wirkte es eine Zeit lang fast utopisch. Wir hatten ein offenes und freies Netzwerk geschaffen, mit dem sich der ganze Planet kostenlos und grenzenlos verbinden konnte. Keine Entfernungen, keine Grenzen, keine Geografie: eine vereinte Welt.
Heute, nachdem wir das Online-Leben mehrere Jahrzehnte lang geführt haben, erkennen wir, dass das Internet kein Utopia ist. In vielerlei Hinsicht ist es eher ein Albtraum. Das Internet ist ein Spiegel der wirklichen Welt und ihrer Anteile an Bösartigkeit und Gier. Es ist zu einem Ort geworden, an dem sich Kriminelle Opfer auf dem ganzen Globus suchen können, wo Wahlen durch Internetbeeinflussung gewonnen und verloren werden und wo sich Fake News schneller verbreiten als Fakten. Unsere Konflikte und Kriege in der wirklichen Welt breiten sich auch online aus.
Geld ist Daten
Schon vor langer Zeit wurden Finanztransaktionen ins Internet verlagert. Bereits im Jahr 1990 bezahlte ich die ersten Rechnungen bei einer Internetbank mit Hilfe meines MS-DOSGeräts mit 386DX-Prozessor und eines 2400 bps-Modems, mit dem ich die textbasierten Bankdienstleistungen aufrufen konnte.
Die Verbraucher von heute sehen immer weniger Bargeld. Viele asiatische Länder wie Japan und Festlandchina sind Vorreiter beim Ersetzen von Bargeld. Selbst der kleinste Straßenverkaufsstand in Shanghai verfügt über das WeChat- oder Alipay-Zahlungssystem für mobiles Bezahlen.
In Europa war Schweden der Vorreiter. Angaben der Riksbank, Schwedens Zentralbank, zufolge macht gedrucktes Geld dort weniger als ein Prozent von Schwedens jährlichem Bruttoinlandsprodukt aus, verglichen mit acht Prozent in den Vereinigten Staaten. Schweden ging im Jahr 2020 sogar so weit, ein neues Gesetz zu verabschieden, mit dem die größten Banken aufgefordert wurden, die Verfügbarkeit von Bargeld sicherzustellen. Bargeld spielt nach wie vor eine große Rolle, insbesondere in Notlagen. Wie sonst soll man bezahlen, wenn das Internet oder Stromnetz ausfallen?
Ringsherum Codes
Heutzutage befinden sich auf fast jedem Produkt, das wir in Geschäften kaufen, Barcodes. Die in den 1950er Jahren entwickelten Barcodes basierten ursprünglich auf dem Morsealphabet. Die quadratischen QR-Codes wurden erst in den 1990er Jahren üblich. Der japanische Hersteller von Ersatzteilen, Denso Wave, entwickelte den Quick ResponseCode oder QR-Code im Jahr 1994, um seine Ersatzteilpakete zu kennzeichnen. Verglichen mit dem herkömmlichen Barcode ist der Hauptvorteil des QR-Codes, dass er alle beliebigen Daten enthalten kann: Text, Zahlen, Kontaktdaten, Login-Daten für einen WLANZugangspunkt oder Internetadressen. Der QR-Standard unterstützt QR-Codes bis zu 2.953 Bytes (zum Glück sieht man nie Codes in dieser Größenordnung). QR-Codes werden sogar in Grabsteine graviert.
Im Jahr 2007 verfasste der Programmierer Justin Watt in seinem Blog einen Artikel über QRCodes, wobei er ein Beispielbild mit seiner Internetseite justinsomnia.org verknüpfte. Im selben Jahr brachte Google ein Update der Bildsuche heraus. Das Bild in Justins Blog war das Top-Ergebnis bei dem Suchbegriff QR-Code. Das hatte überraschende Auswirkungen: Justins QR-Code erschien auf Postern, T-Shirts und in Fernsehwerbespots auf der ganzen Welt. Designer und Werbeagenturen, die ihren Produktionen einen QR-Code hinzufügen wollten, hatten den ersten QR-Code, den sie finden konnten, als Platzhalter für ihren Arbeitsabschnitt benutzt, das heißt denjenigen, der das Top-Ergebnis bei der GoogleBildersuche war. Weil aber Barcodes und QR-Codes für uns Menschen alle gleich aussehen, blieb der Platzhalter QR-Code bedauerlicherweise erstaunlich oft in der fertigen Werbung oder dem Poster erhalten (und führte so zu einer falschen Internetseite).
Das erlebten mehrere bekannte Unternehmen wie Nokia, PayPal und Blackberry. Justin verdiente daran, indem er den Werbetreibenden – gegen Gebühr – auf die richtige Seite weiterleite. Für den Werbetreibenden war das leichter, als tausende Poster noch mal neu zu drucken und zu verteilen.
Jahrelang wurden QR-Codes und das Scannen dieser Codes verspottet, doch durch die Corona-Pandemie und die Covid-Zertifikate wurden sie in vielen Teilen der Welt zu einem alltäglichen Werkzeug.
Selbst die Kreditkarten in deiner Brieftasche enthalten eine überraschende Bandbreite an Codes. In der Anfangszeit wurden die erhaben eingearbeiteten Kreditkartennummern bei Zahlung mit Hilfe von Kohlepapier und Druckern übertragen. Später ermöglichten ein Magnetstreifen, dann ein EMV-Chip und letztlich ein RFID-Kreis das kontaktlose Bezahlen. Viele moderne Kreditkarten verfügen über alle genannten Möglichkeiten, so dass neue Kreditkarten mit denselben »Knuckle-Buster«-Kreditkartendruckern kompatibel sind, die schon in den 1950er Jahren für den Zahlungsvorgang benutzt wurden.
Barcodes, QR-Codes und Kreditkartenbeschriftungen sind leicht erkennbar, aber wir sind auch von unzähligen unsichtbaren Kennzeichnungen umgeben, wie zum Beispiel den gelben Punkten, die von Druckern erzeugt werden, oder dem EURion-Symbol auf Papiergeld.
Praktisch alle Farbdrucker hinterlassen einen einzigartigen Fingerabdruck auf ihrem Ausdruck: Sie drucken nahezu unsichtbare hellgelbe Punkte auf jede Seite. Diese Punkte geben die Zeit des Druckvorgangs und die Seriennummer des Druckers an. Mit anderen Worten: Wenn du umstrittene Ansichten ausdruckst, könntest du im Prinzip aufgespürt werden.
Im Jahr 2017 gab es bei dem US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst National Security Agency (NSA) eine undichte Stelle. Ein NSA-Mitarbeiter hatte Informationen über Russlands Versuche, Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 zu nehmen, ausgedruckt, und diese Dokumente wurden an das Intercept-Magazin gemailt. Intercept scannte diese Papiere und veröffentlichte sie im Internet. Die gelben Punkte, die der Drucker hinterlassen hatte, waren auf dem Online-Material nur schwer zu erkennen, konnten aber verwendet werden, um die Kerninformation zu entschlüsseln: Der Informant hatte die als geheim eingestuften Informationen am 9. Mai um 6:20 Uhr mit dem Drucker 29535218 ausgedruckt. Die 26-jährige Reality Leigh Winner wurde kurz darauf von dem internen Ermittlungsteam der NSA festgenommen und zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Beim EURion-Symbol handelt es sich um ein Muster aus fünf Ringen, das sich seit 1996 auf den Geldscheinen vieler Länder befindet. Da es einer Konstellation ähnelt, ist dieses Symbol normalerweise inmitten anderer Kreise oder ähnlicher Symbole versteckt. Wenn man aber genau hinschaut, findet man es auf jedem US-Dollarschein, auf Euroscheinen, Pfundnoten, chinesischen Yuan und schwedischen Kronen.
Die meisten Bildbearbeitungssoftwares und Fotokopierer werden kein Bild verarbeiten oder kopieren, das das EURion-Muster enthält, wodurch Fälschen erschwert wird. Ich sprach einmal auf einer Hacker-Konferenz mit einem Mann, der sagte, er zöge in Betracht, sich das EURion-Muster ins Gesicht tätowieren zu lassen. Das würde es möglicherweise erschweren, Fotos von ihm zu verarbeiten.
Geld ist Daten. Früher war Bankraub ein größeres Problem. Banküberfälle, wo bewaffnete Räuber eine Bank betraten und Bargeld forderten, waren in den 1990er Jahren noch gang und gäbe auf der ganzen Welt. Heute sind sie Geschichte. Die meisten Bankfilialen sind verschwunden, und diejenigen, die übrig geblieben sind, halten nur Mindestmengen an Bargeld vor. Heute sind Online-Banküberfälle die Regel. Die Digitalisierung hat das Wesen des Bankraubs verändert – wie auch alles andere.
Geopolitik
Das Internet wird fest von den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Land der beliebtesten Dienste, kontrolliert. Menschen auf der ganzen Welt nutzen Dienste – wie Suchmaschinen, Cloud-Services und Social-Media-Dienste –, die in den Vereinigten Staaten aufgebaut wurden.
Dies widerspricht tatsächlich irgendwie der eigenen Intuition, da die Vereinigten Staaten seit einiger Zeit nach Benutzerzahlen nicht mehr zu den Hauptakteuren im Internet gehören. Über die Hälfte der Internetnutzer stammt aus Asien. Europa macht mit 15 Prozent der Nutzer den zweitgrößten Bereich aus. Afrika und Lateinamerika machen je zehn Prozent aus, während nur sechs Prozent der Nutzer aus den Vereinigten Staaten von Amerika kommen. Europa scheint in beinahe jeder Hinsicht ein größerer Akteur zu sein als die Vereinigten Staaten. Europas Bevölkerung ist fast doppelt so groß, und auf der Grundlage der Staatshaushalte ist Europa ein viel größerer Wirtschaftsraum. Wenn wir uns aber die Unternehmensbewertungen anschauen, könnten sich die Vereinigten Staaten von Amerika und Europa auf verschiedenen Planeten befinden. Der Marktwert aller börsengelisteten Technologieunternehmen in den Vereinigten Staaten übertrifft den Wert aller europäischen börsengelisteten Unternehmen zusammen. Im Jahr 2022 ist Apple allein größer als alle börsennotierten Unternehmen Deutschlands zusammengenommen.
Es ist nicht schwer, amerikanische Technologieunternehmen wie Google, Facebook, Microsoft, Amazon und Apple aufzulisten. Auch chinesische Technologieunternehmen werden bekannter: Huawei, Xiaomi, Alibaba, Tencent, Lenovo … Aber was ist mit Europas größten Technologieunternehmen? Das ergibt häufig eine Liste von verkauften europäischen Unternehmen wie Skype, Supercell und Mojang (Minecraft). Global Database (GDB) erstellte 2018 eine Liste der größten Technologieunternehmen Europas. Wie viele Namen kennst du?
1. Accenture
2. SAP
3. Capgemini
4. ATOS
5. T-Systems
6. Computacenter
7. Amadeus
8. Micro Focus
9. Spotify
10. Sopra Steria
11. Bechtle
12. Indra Sistemas
13. Dassault Systèmes
14. Agfa-Gevaert
15. Wirecard1
Mit den Jahren haben sich die USA an ihre konkurrenzlose Position in der Online-Welt gewöhnt, so dass die Umstellung darauf, nicht mehr alle Technologieplattformen zu kontrollieren, schwerfällt. Die USA haben keinen nennenswerten Hersteller von 5GNetzwerken, und die am häufigsten heruntergeladene mobile App stammt nicht mehr aus den USA.
Die USA müssen jetzt die Realität akzeptieren, mit der Europa schon länger lebt. Unsere Technologieplattformen und Applikationen kommen von weit her, und ihre Urheber haben wenig Interesse an unseren Wünschen, unserer Kultur oder unseren Regeln. In Zukunft wird das für die USA noch stärker gelten.
Bei mobilen Apps wird diese Verschiebung am deutlichsten. Die Beratungsfirma Sensor Tower führte die am besten verdienenden mobilen Apps für 2021 auf:
1. TikTok (China)
2. YouTube (Vereinigte Staaten)
3. Piccoma (Japan)
4. Tinder (Vereinigte Staaten)
5. Disney+ (Vereinigte Staaten)
6. Google One (Vereinigte Staaten)
7. Tencent Video (China)
8. iQIYI (China)
9. HBO Max (Vereinigte Staaten)
10. LINE Manga (Japan)
Wie wir sehen, stammt die Hälfte der erfolgreichsten mobilen Apps bereits aus Asien. Laut Amazons Internetdienst Alexa werden folgende Internetadressen am häufigsten besucht:
1. Google.com (Vereinigte Staaten)
2. Youtube.com (Vereinigte Staaten)
3. Baidu.com (China)
4. Facebook.com (Vereinigte Staaten)
5. Qq.com (China)
6. Taobao.com (China)
7. Zhihu.com (China)
8. Amazon.com (Vereinigte Staaten)
9. Yahoo.com (Vereinigte Staaten)
10. Tmall.com (China)
11. Wikipedia.org (Vereinigte Staaten)
12. Bilibili.com (China)
13. 163.com (China)
14. Weibo.com (China)
15. Zoom.us (Vereinigte Staaten)
16. Live.com (Vereinigte Staaten)
17. Sina.com.cn (China)
18. Sogou.com (China)
19. 360.cn (China)
20. Sohu.com (China)
China ist eine aufstrebende Internetmacht. Und das ist erst der Anfang. Chinas Bruttoinlandsprodukt wächst mit atemberaubender Geschwindigkeit. Es wird die Vereinigten Staaten in wenigen Jahren einholen und Europa kurz darauf überholen. China wird zum »King of the Hill«.2
Anmerkungen
1 Anm. zur Übersetzung: Wirecards Entwicklung ist hinlänglich bekannt. Auf so einer Liste von Top-Unternehmen würde es sich heute nicht mehr befinden. Im Juni 2020 meldete es nach einem Bilanzskandal Insolvenz an.
2 Anm. der Übersetzerin: »King of the Hill« ist eine satirische Zeichentrickserie.