7
8
7 Die zottigen Highland-Kühe
grossen Fenster der chascharia hinausblickt, sieht er
mit ihren imposanten Hörnern.
rechts ein grünes Haus: «Zu verkaufen». «I vegn glieud
den vergangenen Jahrzehnten unter anderem ein rotes
Die relativ leichten Tiere
e glieud», es kommen Leute, Leute – die Interessenten
Architektenschulhaus. Heute steht es leer.
schonen das Gelände.
geben sich die Klinke in die Hand.
rosig. Doch mit dem Geldsegen leistete man sich in
Men Notegen, der Gemeindepräsident, der nächstes
Highlanders und Whisky
8 Sgraffiti und Wandmalereien
Jahr wegen der Amtszeitbeschränkung zurücktreten
Auch die ehemalige Milchkammer der Janetts stand
aus allen Jahrhunderten
muss, weiss genau, welche Neuzuzüger er will: junge
leer. Statt drei zusätzliche Kühe hineinzustellen, taten
prägen das Dorfbild von Tschlin.
einheimische Familien mit Kindern, das höchste Gut
Erika und Jon das, was sie schon seit Jahren tun: etwas
in Dörfern wie Tschlin. Darum lancierte die Gemeinde
anderes als die anderen. Die Janetts haben gleich ne-
Anfang 2000 eine Reihe von konkreten Anreizen. Sie
ben ihren Kühen eine Whiskybar eingerichtet. Die
zahlte 100’000 Franken an einen Hausbau, 50’000 für
Schankerlaubnis haben sie sich schon besorgt, diesen
den zusätzlichen Bau einer Ferienwohnung und zins-
Winter gehts los. «Experten? Die brauchen wir nicht,
lose Darlehen für Investitionen in der Industriezone
die sind wir selber», zwinkert Jon Janett seiner Frau zu.
unten am Inn. Sieben neue Häuser und zu viel ausge-
Seit Jahren fahren sie immer wieder nach Schottland,
gebenes Geld – so lautete 2005 die Bilanz der Aktion.
haben nicht nur Land und Leute kennen gelernt.
Der Geldstrom fliesst
Jon und Erika bewirtschaften ihren Hof biologisch.
Tschlin, spotten die Nachbarn, habe keinen Grund
Auch sie sind bei Bun Tschlin dabei, obwohl sie schon
zum Jammern, die Gemeinde sei ja finanziell auf Ro-
vorher wahre Meister im Direktverkauf via Internet
sen gebettet. Das sieht man auch: Alle Strassen sind
waren. Seit Jahren gehen die Pakete mit dem Fleisch ih-
neu gepflästert, die alten Brunnen liebevoll restauriert
rer Rinder ins Unterland. Die Kunden kennen ihre Lie-
und sogar der Zeiger am Wasserreservoir hoch über
feranten persönlich – im Stall sind zwei Webcams ein-
dem Dorf funktioniert wieder. Die Infrastruktur in der
gerichtet. Auf dem Hof leben auch 19 schottische
75 Quadratkilometer grossen Gemeinde verschlingt
Highland-Kühe. Zottige, rotbraune Tiere mit imposan-
Unsummen – in neun Jahren rund 15 Millionen Fran-
ten Hörnern, die mehr können als gut aussehen und
ken. Aber Tschlin muss tatsächlich weniger jammern,
schmecken: «Unter dem vielen Fell sind sie recht leicht.
denn zum Gemeindegebiet gehört das Val Sampuoir,
In unserem steilen Gelände verursachen sie keine
und das gehört zur Zollfreizone von Samnaun. In die-
Trittschäden und fressen dort, wo man nicht mehr mä-
sem hintersten Winkel Tschlins steht das Einkaufszen-
hen kann.» Dass sie langsam Fleisch ansetzen, nehmen
trum «Acla da Fans». Schon vor dem Bau versprach des-
Janetts in Kauf.
sen Erfinder, Cla Famos, der Gemeinde einen Anteil
In dieser Höhe reift die Natur langsamer – aber das
am Gewinn. Es wurden im Laufe der Jahre Millionen.
nachhaltig Gewachsene hat mehr Gehalt.
Bun Tschlin funktioniert aber nicht wegen dieses Geldes. Zwar bekommt das Projekt fünf Prozent der Steuereinnahmen der Acla da Fans, aber das reiche nicht, betont Men Notegen. Rund 50’000 Franken seien das, gerade genug für einige Werbeausgaben. Die Gemeindefinanzen präsentieren sich heute wieder eher rot als 8
Schottland schliesst Tschlin nicht aus, im Gegenteil.
piz 40 : Winter | Inviern 2010/2011