Piz49 Das Dorf [il cumün]

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Sommer | Stà  2015

RENAISSANCE ODER AGGLODASEIN Unterschiedliche Zukunftsszenarien für die kleinen Orte

ENGAGEMENT FÜR DIE KULTUR

Freiwilligenarbeit bringt höhere Lebensqualität

MITTEN IM GESCHEHEN

Seniorinnen und Senioren wollen im Zentrum leben

[ il cumün]

Das Dorf



INHALT / CUNTGNU Editorial. Dorfleben im Wandel

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Die Renaissance des Dorfes. Köbi Gantenbein sieht fünf Zeichen und Gründe für die Renaissance des Dorfes in den Alpen.

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Angst, Hader und Agglodasein. Benedikt Loderer fürchtet, dass die Bergdörfer zu Schlafdörfern werden und zur Agglo­ meration der regionalen Zentren.

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Schau, was steht denn da! Über die Möblierung des öffentli­

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chen Raums in den Dörfern wird heftig diskutiert. piz hat sich im Unterengadin umgesehen.

Bräuche sind mehr als Tradition. Schaut man genauer hin, sind es oft die Mädchen, die das Sagen haben.

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Der Dörfer-Pfarrer. Christoph Reutlinger predigt in Ramosch, Vnà, Tschlin, Strada, Martina und Samnaun. Ein junger Pfarrer mit einem breiten Engagement.

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Engagement für die Kultur. Die Kulturveranstalterinnen und ­veranstalter leisten einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität. piz präsentiert einige der Institutionen.

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Mitten im Geschehen. Ältere Menschen wollen den Puls des

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Dorfs fühlen. Deshalb entsteht in Zernez ein neues Pflegeheim mitten im Zentrum.

Wie Kinder ihre Umgebung sehen. Die Jüngsten entdecken

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ihr Dorf, ihre Umgebung auf ihren eigenen Pfaden. piz bat dritte Primarschulklassen um Zeichnungen.

Angst und Vorfreude. Bis in drei Jahren sollte die Umfahrung

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Silvaplana eröffnet sein. Wie ist die Stimmung im Dorf? Und welche Erfahrungen haben andere Dörfer gemacht?

Neue Chancen fürs Gewerbe. Der Stopp des Zweitwohnungs­ baus und der teure Franken machen die Wirtschaftssituation schwieriger. Umso wichtiger werden andere Branchen.

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Den alten Römern auf der Spur. Welches sind echte Römer­

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strassen? Wie kamen die Waren über die Pässe? Tumasch Planta zeigt auf Exkursionen, was die Fuhrleute damals leisteten.

Bücher. Neuerscheinungen aus der Region.

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Pizzeria. Aktuelles und Kulturhinweise aus Südbünden.

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Vorschau. Impressum.

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Titelbild: Kirche, Häuser, Einkaufsladen und Brunnen – die typischen Elemente des Dorfes. Collage: Lea Olivia Giana Hummel. Foto rechts: Dorfbrauch «l'hom strom». Kinder sammeln Stroh und bauen daraus einen Strohmann, der später lichterloh brennt. Foto: Dominik Täuber.


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Dorfleben im Wandel Liebe Leserinnen und Leser – chara lectura, char lectur

S

üdbünden kennt keine Stadt. Lebensmittelpunkt aller Bewohnerinnen und Bewohner ist das Dorf. Dank Zuwanderung von Menschen

aus 130 Nationen blieb die Bevölkerungszahl in den

I

l center da la vita da tuot las abitantas ed abitants es il cumün. Grazcha a l’immigraziun da persunas da 130 differentas naziuns es, dürant ils ultims

ons, restà stabil il nomer da la populaziun in quista

Südbündner Orten in den letzten Jahren stabil. Doch

regiun. Ma l’immigraziun e l’emigraziun müdan

Zu- und Abwanderung verändern das Dorfleben und

cuntinuadamaing la vita da la cumünanza ed il pur-

die Dorfbilder stetig. Die Orte der Region – geogra-

tret dal cumün. Ils lös – as rechattond, vis dal punct

fisch am Rand der Schweiz – konnten sich auch dank

da vista geografic, a l’ur da la Svizra – s’han pudü svi-

der Solidarität innerhalb des ganzen Landes gut ent-

luppar bain eir grazcha a la solidarità interna. Qui-

wickeln. Eine Solidarität, die allerdings ins Wanken

sta solidarità cumainza però a ceder. In vista a la

gerät. Angesichts der unterdurchschnittlichen Leis-

forza da prestaziun innovativa dals cumüns da

EDITORIAL

tungs- und Innovationskraft der Bergdörfer braucht

muntogna, chi’d es suot la media, faja dabsögn dad

Urezza Famos

es diesen Ausgleich, auch innerhalb des Kantons.

avair quist’egualisaziun, eir a l’intern dal Chantun.

Zur Zukunft unserer Dörfer gibt es aus wirtschaftli-

A reguard l’avegnir da noss cumüns daja, guardà

cher Sicht ganz unterschiedliche Einschätzungen.

economicamaing, valütaziuns fich differentas. In

In dieser piz-Ausgabe schreiben dazu zwei bekannte

quista ediziun da piz scrivan lasupra duos auturs

Autoren: Köbi Gantenbein, der optimistische Berg-

cuntschaints: Köbi Gantenbein, optimist e pa-

liebhaber und Benedikt Loderer, der skeptische Stadt-

schiunà da muntogna e Benedikt Loderer, pessimist

wanderer. Lea Hummel hat dazu mit ihrer Kamera

e viandant da cità. Lea Olivia Giana Hummel ha re-

symbolträchtige Bilder eingefangen. Die Kontro-

alisà cun sia camera purtrets plains da significaziun

verse nimmt auch das Titelbild dieser Ausgabe auf,

simbolica. Eir il purtret da la cuverta da la revista te-

mit den abstrahierten, typischen Bauten, wie man

matisescha, culs fabricats abstrahats d’ün cumün,

sie in den Südbündner Dörfern findet. Viel farbiger

quista cuntraversa. Cun bler daplü culur vezzan uf-

sehen Kinder aus vier verschiedenen dritten Primar-

fants da quatter differentas classas primaras lur

klassen ihre nächste Umgebung. piz bat die Klassen,

strets contuorns. piz ha giavüschà a las classas dad il-

ihre Eindrücke festzuhalten, denn die Zukunft un-

lustrar lur impreschiuns, perquai cha’ls uffants deci-

serer Dörfer liegt in deren Händen.

dan davart l’avegnir da noss cumüns. La cultura po-

Volkskultur ist ein wichtiger Bestandteil des Zusam-

pulara es üna part importanta da la cumünanza.

menlebens. Aline Tannò sprach mit initiativen

Aline Tannò ha discurrü cun persunas in nossa re-

Menschen in der Region, die sich dafür einsetzen,

giun chi, cun lur iniziativas, s’ingaschan per cha la

denn ohne Kultur wäre das Leben in den Dörfern

vita culturala aint ils cumüns nu giaja a perder. Quai

um einige Facetten ärmer. Dies zeigt auch die Auto-

demuossa eir l’autura Romana Ganzoni chi dà ün

rin Romana Ganzoni, die hinter die Kulissen der

tschüt davo las culissas da las üsanzas. Quistas sun,

Bräuche schaut, Bräuche, die auf den zweiten Blick

a verer precis, bler daplü co be cuntinuar a scriver l’i-

weit mehr sind als das Fortschreiben von Traditio-

storgia da la tradiziun. Precis uschea esa eir cun qui-

nen – so wie ihnen diese piz-Ausgabe, die 49., einige

sta 49avla ediziun da piz chi spordscha diversas te-

Themen mehr anbietet als die hier erwähnten.

maticas implü co quellas manzunadas survart.

Wenn Ihnen piz gefällt, empfehlen Sie uns als Lek-

Scha piz As plascha, schi racumandai da leger nossa

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piz 49 : Sommer | Stà 2015

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BLÜHEN DIE DÖRFER AUF ODER STERBEN SIE AUS? Zwei pointiert formulierende Beobachter kommen zu unterschiedlichen Schlüssen: Während Köbi Gantenbein, Journalist und Präsident der Graubündner Kulturkommission, in den Dörfern eine Renaissance feststellt, sieht Stadtwanderer Benedikt Loderer die Zukunft nur als Schlafdörfer in der Agglomeration. Denn in den kleinen Orten fehlten die Arbeitsplätze. Anschliessend wirft piz einen Blick auf die gebaute Wirklichkeit in den Dörfern – auf die Möblierung des öffentlichen Raums.

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Die Renaissance des Dorfes In Lavin aus dem Zug, den Weg hinauf zu Fuss nach Guarda, dann der Höhe entlang nach Ftan – auf dieser Promenade hat man Musse, nicht nur Landschaft und Berge zu schauen, sondern fünf Zeichen und Gründe, die Renaissance des Dorfes in den Alpen zu sehen.

V

om Piz Chapisun donnerten vor der Zeit der

Doch Lavin, das Unterengadin, war eine Gegend,

Text: Köbi Gantenbein

Lawinenverbauungen die Schneebretter ins

wo die Menschen sich früh individuelle, bürgerli-

Fotos: Lea Olivia Giana Hummel

Tal. Das muss die Menschen schon im 12. Jahr-

che Kultur leisteten – nicht nur heuen und beten,

hundert geprägt und beeindruckt haben, denn sie

auch lesen. Man hatte gar eine eigene Druckerei,

nannten ihr werdendes Dörflein trotzig «Lawinis»,

weiter unten im Tal, in Strada. Forscher lesen aus

wie Urkunden aus dem Jahr 1150 bezeugen. Trotz

Zahlen, dass es selbst in Städten weniger Bücher pro

des dauernden Krawalls aus dem Gebirge blieben sie

Haushalt gab als hier. Und gesungen wurde auch.

da. Seit bald 900 Jahren. Weder der Bischof von

Wie es tönte, weiss ich nicht, aber es entstand nach

Chur, der sie als Feudalherr über Jahrhunderte

dem Untergang der Romgläubigen eine eigene Art

plagte und ausbeutete, noch die über hundert Jahre

des Gesangs, die bis ins Heute strahlt.

dauernden Verwundungen von Reformation und

Nebst hartnäckigem Dableiben wider die Unbill der

Gegenreformation und verheerenden Kriegszüge

Lawinen ist die Kulturgeschichte von Lavin, vom

konnten das Dorf auslöschen. Und selbst die alles

Unterengadin, von weiten Teilen des Alpenbogens

verändernde Neuzeit samt den Propheten von Ave-

eine Quelle für Zuversicht. Gegen die Zumutungen

nir Suisse nicht, die die Alpenbevölkerung mangels

der Machtspieler im ländlichen Raum gab und gibt

Rentabilität austreiben wollten.

es Aufbruch immer wieder in der Kunst. In Lavin ar-

Die lange Geschichte und der Trotz gegen die Lawi-

beiten Madlaina Lys und Flurin Bischoff an Blu-

nen sind eine Kräftigung gegen die Vermutung oder

men-, Keramik-, Brunnen- und anderen Kunstwer-

Hoffnung, es sei nun das Ende des Dorfes in den Al-

ken; in Guarda zeichnet der Architekt Urs Padrun

pen nah. Und donnern die Lawinen auf den, der von

anspruchsvolle Häuser; in Scuol gibt es mit piz eine

Lavin nach Guarda hinaufsteigt, so kann er hurtig

Kulturzeitschrift und mit Nairs ein Zentrum für

in ein Schutzhüttchen am Wegrand springen. Es ist

Kunst; in Sent den Architekten, Hausrenovierer und

das erste und ewige Zeichen der Renaissance: Kopf

Parkgestalter Duri Vital und dessen ab und an in der

einziehen, wenn die Rabauken kommen.

Welt herumfliegenden Bruder und Grosskünstler

Die Menschen leisteten sich früh Kultur Das zweite Zeichen spricht und klingt. Gewiss, es

Not Vital. Aus Tschlin stammen die «Fränzlis» – so schnell wird nicht in Trostlosigkeit untergegangen.

war wohl rau und hart, hier zu leben – mit dem Blick

Die Bahn als Entwicklungshelfer

dessen, der mit dem wohl gesättigten Körper im

Das dritte Zeichen sehe ich von Guarda aus unten

warmen Stübli sitzt, das nicht dauernd von irgend-

im Nachmittagslicht verschwimmen. Mein Gross-

welchen Rabauken geplündert wird, kann ich mir

vater war Schreinermeister in Jenaz. Als Bub beglei-

das nicht vorstellen. Aber die historischen Doku-

tete ich ihn auf den Holzhandel nach Ramosch, Re-

mente berichten nicht nur von dauernder und ende-

müs, wie er als Prättigauer sagte. Wir mussten um

mischer Armut. Die schönsten Fresken weit und

sieben Uhr auf den Zug und fuhren via Chur übers

breit mit einem dreiäugigen Heiland und einen

Albulatal nach Samedan und Scuol. Dreimal um-

prächtigen Altar gibt es in Lavins Kirche. Gewiss,

steigen. Übernachtet haben wir auf dem Rückweg

Kunst in der Kirche wurde den Bauern oft abgepresst

meist im Hotel Terminus in Samedan. Heute dauert

mit roher Gewalt und dem Verweis auf den Teufel.

meine Fahrt von Jenaz nach Lavin 49 Minuten,

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denn seit 1999 ist der Vereinatunnel eröffnet. Er

Schatz, das Messer lobend, das ich bei ihm erstand

kostete 812 Millionen Franken. Natürlich ging das

neulich und das zum besten meiner Küche aufge-

nur, weil der Kanton Graubünden und vor allem die

stiegen ist. Er ist nicht zu finden, er ist unterwegs als

Eidgenossenschaft wacker bezahlt haben. Es ist eine

Bauschlosser. Lampert kommt aus dem Basleri-

prachtvolle politische Leistung, wie die Geschichte

schen, war weit in der Welt unterwegs und hat die

der Schweiz seit 1848 ein Räderwerk eingerichtet

verwaiste Schmitte vor gut zehn Jahren geweckt. So

hat, das die Macht der wirtschaftlichen, gesell-

wie Hans Schmid aus St. Gallen kam und seit ein

schaftlichen und kulturellen Zentren mit Ansprü-

paar Jahren das Hotel Piz Linard in Lavin zu einer

chen der vielgestaltigen Randregionen im Jura und

wohlfeilen Adresse des Fremdenverkehrs macht.

in den Alpen verbunden hat. Aus Kalkül, nicht als

Oder Rebekka und Jürg Wirth, Bauer, Artischocken-

milde Gabe für die Armengenössigen.

gärtnerin, Staziunwirt und Schreiber von Lavin;

Mich beeindruckt, wie die Generation meines Va-

oder Christoph Rösch aus Baden, der als Architekt

ters dieses Räderwerk mit Bauten wie dem Vereina-

und Künstler Dreh- und Ankermann des Kulturzen-

tunnel geölt hat. Sie hat die ökonomischen und so-

trums Nairs ist; oder Angelo Andina, der viel Neues

zialen Grundlagen des Dorfes im Unterengadin

wollte und einiges erfunden hat, was heute mit «Bun

gestärkt. Ich stelle mir vor, wo das Unterengadin

Tschlin» erfolgreich wird; oder Urs Wohler, der

stünde, wenn der Tunnel nicht gebaut worden wäre.

mittlerweile wohl Dienstälteste alpenweit im sich

Mich tröstet, wie die Renaissance des Dorfes mit

schnell drehenden Karussell der Kurdirektoren.

gross angelegten Projekten für den öffentlichen Ver-

Viele andere sind herbeigekommen, aus vielfältigen

kehr beflügelt wird – nicht aber mit Strassenbauten

Gründen, die Renaissance des Dorfes als Unterneh-

wie der zweiten Röhre durch den Gotthard. Wo ist es

merinnen, Kellnerinnen, Architekten, Lehrer, Ärz-

trostloser als im Tal entlang der A3 durch Uri?

tinnen voranzubringen, weil sie das Fremde ins Tal

Gut gehts, wenn das Fremde begrüsst wird

Trotz der scheinbar genetisch bedingten Fremden-

Das vierte Zeichen steht an Guardas Dorfeingang.

skepsis derer, die schon lange da sind. Sie sind kei-

An einem Weglein, kurz und stotzig von der Land-

neswegs Pioniere, sie reihen sich ein in die Ge-

strasse abzweigend – die Dorfschmitte. Gerne halte

schichte des Dorfes der Alpen, dem es immer dann

ich kurz mit Thomas Lampert, dem Schmied, einen

gut ging, wenn es das Fremde begrüsste – die fremd

Im Rücken der bärtigen Figur in Rüstung, mit Helm und Schwert, auf dem MargnaBrunnen in Scuol lebt das Dorf: Hier wird viel gebaut.

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bringen.

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gewordenen Randulins, die Hoteliers im 19. Jahr-

Welch schöner Buchstabensalto, welch prickelnder

hundert, den Kraftwerksingenieur in den 1950er-

Zungenbrecher! Für dieses Schild lasse ich gerne ein

Jahren und die Fremdarbeiter in der Bauwirtschaft

Postauto fahren und sitze im Stuhl der Coiffeuse Sa-

und im Tourismus. Und all diese Menschen sind sel-

brina Morena Castellani, höre zu, wie sie, etwas über

ten Gesinnungstäter oder Aussteiger, sie sehen und

zwanzig Jahre alt, ihr eigenes Geschäft führt. Nein,

nehmen Möglichkeiten wahr, sie werden Kurver-

nicht nur Touristins Haare waschen, legen und

einspräsidenten oder Gemeinderäte.

schneiden – alle kämen, sagt sie. Ich krame meine

Lesen wir die Bevölkerungskurven über die Jahre, so

Ftaner Bekanntschaften zusammen. Jawoll, auch

sehen wir ein langschweifiges Auf und Nieder; einst

die und jawoll auch der, er sei schon alt, die Tochter

waren es Pest und Kriege, die dem Dorf die Leute

bringe ihn jeweils. Mein Haarkranz ist schnell ge-

nahmen, im 20. Jahrhundert war es das Drama, das

bändigt. 27 Franken. Zur Renaissance des Dorfes ge-

die Landwirtschaft auf den Kopf gestellt hat.Schauen

hört die Coiffeuse Sabrina Castellani mit ihrem hei-

wir über die Zahlen der letzten Jahre zwischen Zer-

teren Lachen. Fortgehen? «Nein, nie. Warum?»,

nez und Tschlin, so geht es da sanft gradaus, dort

kontert sie. Ich tadle mich, dass ich am Rand der

leicht aufwärts, nirgends aber dramatisch nieder.

Das ökonomische Getriebe funktioniert

Schweiz keinen Coiffeur erwartet habe. Aber in meinem stattlichen und reichen Dorf Fläsch gibt es schon lange keinen mehr. Sabrina verlangt keine

Das fünfte Zeichen der Renaissance des Dorfes war-

randständigen Preise. Sie ist ein wichtiges Rad im

tet am Ende meiner Wanderung. Die Verödung des

Getriebe der Solidarität, damit Lebensform und

Dorfkerns und die Brache des Dorfplatzes plagen

Ökonomie zwischen Zentrum und Rand balanciert

viele Dörfer landauf und landab. Der Dorfplatz von

werden, denn die Bodenpreise in Ftan gehören ja zu

Ftan lebt. Er ist kein Schmuckstück der Baukultur;

den teuren in Graubünden und eine Flasche Herr-

die grobe Hand des Verkehrsingenieurs, die Faust

schäftler kostet gleich viel wie in Zürich – und der

des tatkräftigen Tiefbauers und das Selbstbewusst-

Haarschnitt vier Franken mehr als bei meinem Coif-

sein des Postautos bestimmen seinen Charme. Doch

feur in Chur. Gut so.

es gibt hier allerhand – ein kleines Café, einen angenehmen Unterstand, wo man aufs Postauto warten

Diese Zuversicht bleibt nicht unkommentiert. Benedikt

kann, und ein Schild von «Cuafför haarMOnia».

Loderer sieht die Zukunft des Dorfes ganz anders.

Im Blickfeld der Brunnenfigur tut sich kaum etwas. Der Krieger blickt in den historischen Dorfkern von Scuol.

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Angst, Hader und Agglodasein Der Zustand in vielen Dörfern ist die Leere. Das macht Angst. Und wenn die Schneegrenze weiter steigt, wird die Bettenbelegung weiter sinken. Die Bergdörfer drohen zu Schlafdörfern zu werden – zur Agglomeration der regionalen Zentren.

Text: Benedikt Loderer,

Der Berglertrotz verdirbt das Augenlicht. Man sieht

bünden herrscht der Zustand, nicht die Hoffnung.

Stadtwanderer

nicht mehr alles. Selektive Wahrnehmung heisst

Zustand heisst: leere Dörfer mit leeren Häusern. Da-

Fotos:

die Krankheit. Wer davon befallen ist, entdeckt

ran ändert selbst die Sangesfreude der letzten Be-

Lea Olivia Giana Hummel

überall Renaissance. Auch die des Bündnerdorfs.

wohner nichts. Bei gleich vielen Einwohnern gibt es

Überall spriessen die zarten Pflänzlein der Hoff-

unterdessen zehnmal mehr Häuser. Die kann man

nung, aus jedem wird bestimmt bald ein starker

nie mit Einheimischen füllen. Die Leere ist gemacht,

Baum. Es stimmt: Diese Hoffnungspflänzli gibts.

nicht gewachsen. Doch ist sie nicht Elend, sie ist Lu-

Alle singen ihr Lob, jeder Kurdirektor macht auf sie

xus. Auch im Unterengadin. Man muss es sich leis-

aufmerksam. Die Nischen, in denen sie wachsen,

ten können. Hier haust das Geld. Zum Jammern

werden weichgezeichnet ausgeleuchtet. In ganz

gibts keinen Grund. Die Renaissance findet in der

Graubünden finden sich Leuchttürme der Volkskul-

Leere viel Platz zur Entfaltung.

tur, des beharrlichen Eigensinns, der ursprünglichen Handarbeit.

Schneegrenze steigt, Belegung sinkt

Warum merkt der bergwandernde Unterländer so

Zustand – in welchem ist das Dorf? Sicher nicht je-

wenig davon? Weil er die Wirklichkeit sieht und

des im selben. Vergröbernd lassen sich drei unter-

nicht die Leuchttürme. Anders herum, er macht eine

scheiden: die Angst, der Hader und das Agglodasein.

quantitative Betrachtung. Die stellt fest: In Grau-

Die Angst wohnt im Tourismusdorf. Das mit Grund. Die Schneegrenze steigt, die Belegung sinkt, der Franken erstarkt, Tirol verbilligt, die Karibik lockt, der Zweitwohnungsbau stockt; kurz: das Geschäft lahmt. Unterdessen reden alle von einem neuen Geschäftsmodell, doch niemand hat eines. Die Leere herrscht auch in den Köpfen. Die Monokultur wird sklerotisch. Da spriesst der Angsttrieb. Es gibt weniger, also brauchen wir mehr! Mehr Bahnen, mehr Umsatz, mehr Durchsatz! Der Markt schrumpft und alle rüsten auf. Das ist wie der Einsatz von Schnaps zur Bekämpfung des Alkoholismus. Der wurstige Optimismus schreit laut und bunt, die Verlustangst aber schweigt und bohrt. Während die Betreiber der Tourismusmaschine ihren Ausbau planen, spüren sie im Bauch: Die fetten Jahre sind vorbei. Das ist eine tiefe Kränkung. Weniger ist ungerecht. Die Fremden, die woanders hinfliegen, tun das den Berglern zu Leide. Renaissance hat es da schwer. Was ist eine Wiedergeburt wert, die mit Schrumpfen beginnt? Die wollen uns etwas wegnehmen! Wer? Die Gäste, die Unterländer, der Bund,

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alle, die nicht mehr bereit sind, ihr Geld hier auszu-

mehr. Das ist Verrat. Dagegen werden wir uns weh-

geben. Wir brauchen keine Wiedergeburt, wir brau-

ren. Mit Berglertrotz und Bauernschläue. Renais-

chen den Zustand, jenen von früher.

sance? Wir brauchen kein neugeborenes Dorf. Nötig

Keine Beiz, keine Post, keine Schule mehr Der Hader sitzt in den kleinen, abgelegenen Dörfern,

Leere Räume (links) und längst geschlossene Hotels (oben) lösen Angst und Hader aus.

ist nur, dem alten Dorf den Finanztropf zu garantieren, damit es überlebt. Uns genügt das.

den übriggebliebenen. Sie sind bedroht. Die letzte

Als Schlafdorf überleben

Beiz schliesst, die Post ist schon seit Jahren zu, die

Das Agglodasein ist der Zustand der Teilnahme – am

Schulkinder werden mit Bussen eingesammelt. Hier

allgemeinen Stadtleben. Ist das Dorf nah genug an

ist die Leere Auszehrung. Obwohl, eigentlich ist al-

den Arbeitsplätzen im Talboden, so taugt es zum

les da, was das Dorf braucht: Die wintersichere

Schlafdorf. Dann ist seine Zukunft rosig, denn der

Strasse, die Mehrzweckhalle, eine moderne Infra-

Pendler lebt gerne dort. Die Schule und der Volg

struktur, nichts fehlt – ausser die Arbeitsplätze.

können sich halten, Vereine blühen. Das städtische

Ein richtiger Arbeitsplatz ist ein sicherer, einer beim

Leben hat das Dorf erreicht und kolonialisiert. Das

Staat, bei der Bahn, beim Kraftwerk. Die in der Land-

Schlafdorf ist Agglomeration und die Agglomera-

wirtschaft zählen nicht, dort halten sich Selbstaus-

tion ist die neue Form der Stadt. Alle essen gleich,

beutung und Subvention mühsam die Waage. Was

kleiden sich gleich, kaufen beim gleichen Grossver-

daran erinnert, dass der naturgegebene wirtschaft-

teiler ein und starren in die gleiche Röhre. Die Ag-

liche Zustand in den Alpen die Armut ist. Das hiel-

glomeration reicht so weit, wie das Auto fährt.

ten die Schweizer bis 1960 für unveränderlich und

Das Schlafdorf lebt. Hier fand die Renaissance wirk-

gottgegeben. Bergbauernhilfe war für Notfälle ge-

lich statt: die Geburt des Schlafdorfs aus dem Geiste

dacht, nicht zur Förderung des Alpenwohlstands.

des Automobils. Hier entstand etwas völlig Neues:

Der kann nur erarbeitet werden. Mit richtigen Ar-

die Agglomeration. Zwar beharren die Pendler hart-

beitsplätzen. Die gibts da oben nicht.

näckig darauf, Dörfler zu sein, doch sind sie Benzin-

Doch der Hader weiss: Den Paritätswohlstand ha-

schweizer wie die andern Agglobewohner auch. Die

ben wir zugut, das hat uns der Finanzausgleich ver-

Einführung der Agglomeration im Kanton Grau-

sprochen. Der ist in Gefahr. Da wächst der Hader.

bünden, das ist die wahre Renaissance des Dorfes.

Die haben uns aufgegeben. Die wollen uns weghaben. Wir rentieren nicht. Die alpine Brache ist billi-

Blüht das Dorf oder ist es tot? Und wie präsentiert es

ger als wir. Die Solidarität bietet keine Garantie

sich? Was steht da alles herum?

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Schau, was steht denn da! Ob das Bergdorf zu neuer Blüte kommt oder ob es ausstirbt, darüber wird gestritten. Heftig diskutiert wird auch die Möblierung des öffentlichen Raums. Die Stiftung Terrafina hat auf dieses Thema aufmerksam gemacht – und piz hat sich im Unterengadin umgesehen.

Text: René Hornung Fotos: piz

W

egweiser-Monster in Sent (Bild 1), ein

einfacher. Dort «drückt» das Gewerbe weniger auf

Baumstrunk als Halterung für einen Ab-

Expansion. Dort fangen auch die Parkplätze die au-

fallkübel in Tarasp (Bild 2), der Brunnen

tofahrenden Gäste vor dem Dorf ab. Ein kurzer Spa-

auf dem Dorfplatz von Sent umstellt mit Betonklöt-

ziergang führt dann an Torsituationen vorbei ins

zen und Kübeln (Bild 3), achtlos abgestellte Contai-

«Zentrum». In Tschlin geht die Besucherin noch

ner in Lavin (Bild 4), Kunst als bewusst aufgestelltes

wirklich durch ein Tor.

Verkehrshindernis in Scuol (Bild 5) – Beispiele für

An fremden Orten brauchen die Autofahrerin und

achtlose Möblierung des öffentlichen Raums

der Wanderer einen Wegweiser. Auch die Moun-

könnte noch lange fortgesetzt werden. Da gibt es

tainbiker und die Kajakfahrer wollen wissen, wo es

lieblos reparierte Stützmauern und unterschied-

durchgeht. So wächst der «Täfeliwald» von Saison

lichste Bodenbeläge auf kleinstem Raum.

zu Saison. Und dann findet der Tourist vor lauter

Die Oberengadiner Stiftung Terrafina hat diesen

Zeigern den Weg doch nicht.

Frühling mit ihrer Broschüre – einem Fotoalbum mit dem Titel «Platz, Strasse, Raum» – auf die man-

Traumbilder und Wirklichkeit

gelnde Sorgfalt aufmerksam gemacht. Das Thema

Warum fahren Touristinnen und Touristen ins En-

ist nicht zuletzt ein touristisches: Der Fremdenver-

gadin oder in die Südtäler in die Ferien? Nicht zu-

kehr hat seit Jahrzehnten das Gesicht und den Cha-

letzt, weil sie eine andere Umgebung suchen. Wenn

rakter vieler Orte gründlich umgekrempelt. Und das

es rund um die Ferienwohnung gleich aussieht wie

Resultat: Man spürt kaum noch, dass man hier in

zu Hause, dann vermittelt das zwar den Eindruck

den Bergen ist, in Dörfern mit einer ganz spezifi-

des Bekannten. Doch ob dies der Ferienlaune dien-

schen Bautradition. Bald sieht es überall gleich aus

lich ist, ist fraglich.

wie in den Agglomerationen im Mittelland.

Ferienorte werben mit Traumbildern und mit Idyl-

Oft hilft wegräumen Platz, Strasse, Raum

Ein Fotoalbum zum Oberengadin – Ein Geschenk der Stiftung Terrafina

SELBER LESEN «Platz, Strasse, Raum», ein Fotoalbum zum Oberengadin. Bestellen bei: Stiftung Terrafina Oberengadin, Postfach, 7525 S-chanf info@terrafina.ch

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len. Die Realität sieht vielerorten anders aus. Die Stiftung Terrafina fordert – formuliert vom Bündner

Schaut man genauer hin, zeigen sich – nicht nur im

Kulturkommissionspräsidenten Köbi Gantenbein

Oberengadin – rasch die Unterschiede zwischen gu-

und dem St. Moritzer Architekten und Planer Robert

ter und achtloser Gestaltung. Bei den Plätzen plädie-

Obrist – in zehn Geboten die Planer, Behörden und

ren die Fachleute zum Beispiel oft fürs Wegräumen

Private dazu auf, das Typische nicht dem Durch-

von Bänken, Stelen, Abfalleimern und Blumenkis-

schnitt zu opfern. Sie fordern Gemeinsinn statt Pri-

ten. Denn der leere weite Dorfplatz wird zur wahren

vatinteresse. Sie verlangen, die Orte ohne Schnee zu

Perle der Architektur.

prüfen, denn die weisse Decke spende Trost. Sie for-

Wichtig sind auch klar definierte Dorfränder, Stel-

dern autofreie Zonen und sie erwarten von den

len, an denen man spürt: hier beginnt der Ort. Doch

Hausbesitzern, dass diese auch an den öfffentlichen

das Gewerbe braucht Flächen und die findet es meist

Raum rundum denken. Auf Tiefbauer zu hören, sei

nur hier. Fährt man mit dem Zug in Zernez oder

kein guter Ratschlag, es brauche einen Blick von au-

Scuol ein, kommt man zwischen Lagerplätzen an –

ssen und jemanden mit Überblick. Und zum Schluss:

von Ferienstimmung keine Spur. Die Dörfer auf der

Es braucht auch die Erkenntnis, dass gute Gestal-

Höhenterrasse, Guarda, Vnà und Tschlin haben es

tung etwas kosten darf.

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Bräuche sind mehr als Tradition Dorfbräuche sind mehr als das Fortschreiben von Traditionen. Schaut man genauer hin, welche Rituale sich dabei abspielen, verschaffen viele dieser Bräuche gerade den Jugendlichen einen Freiraum. Und oft sind es die Mädchen, die das Sagen haben.

Text: Romana Ganzoni Fotos: Dominik Täuber und piz

M

eine Kindheit und Jugend im Dorf verbinde

Pan Grond …

ich mit Menschen, wer sie für mich waren

Niemand hat das Ereignis, das Pan Grond sein

und sind, ich verbinde meine ersten zwan­

konnte, besser beschrieben, als Clo Duri Bezzola in

zig Lebensjahre mit ihren Namen, Hunderte Na­

seiner gleichnamigen Erzählung. Die Jungen der

men. Kein Autor könnte sie besser erfinden. Ein gut

Klasse ziehen mit Schlitten und Leinensack bewehrt

vergebener Name trudle nicht im Leeren, sagt Si­

durch das Dorf, klingeln der Reihe nach bei den

bylle Lewitscharoff 1 . Die Liste klingt wie ein langes

Mädchen der Klasse. Das Mädchen öffnet die Tür

Gedicht, das mich birgt, auch mein Name steht dort,

und reicht dem Jungen, den es am liebsten hat, den

ich habe meinen festen Platz im ABC der überblick­

Pan Grond, das grosse Birnenbrot. Manche Jungen

baren Gemeinschaft namens Dorf, cumün.

gehen dabei leer aus. Später schlendert die Klasse ge­

Manche Namen gehören zusammen, manche stos­

gen San Jon, die Geberinnen setzen sich zu den Be­

sen sich ab, andere machen träumerisch, erfreuen.

schenkten auf den Schlitten und fahren mit den üb­

Das Gedicht ist ein Text mit sanften, mysteriösen,

lichen Pannen (vielleicht ist ein Kuss dabei) zurück

grausamen Passagen. Gesten, Stimmen, die Kolora­

ins Dorf, wo die marenda winkt: Birnenbrot, finger­

tur des Lachens, Gerüche. Dann kommen Orte,

dick mit Butter bestrichen, dazu dampfender Kakao.

Schule, Schwimmbad, Friedhof, eingebettet in eine

Warten und Bangen, Scham, Freude, Enttäuschung,

Grundstimmung, die die Natur vorgibt, ihre Verste­

Bewegung, schreitend und fahrend, Kälte, dann

cke, das Wetter. Ich sehe Blumenwiesen, Lara, den

häusliche Wärme, diese seltsame Süsse (und ihr Ge­

Jagdhund des Nachbarn, einen Bach, die Chalzina,

genteil) im Herzen, Süsse auf der Zunge, nirgendwo

meine Baumhütte, Schnee, die eigene Bewegung da­

wird sie dauern – und deshalb ist der Augenblick,

rauf. Erst jetzt fliegt der Geist in der Erinnerung über

wenn er kommt, so kostbar und beglückend. Und

die Landschaft, ich sehe sie von oben, in der Mitte

das alles hat einen Rahmen, ein Datum. Dort darf

dieser Landschaft mein Dorf, Scuol, das ich im Kin­

«es» sein, passieren.

dergarten die Hauptstadt der Welt nannte, Häuser,

Das Lewitscharoff­Zitat stammt aus «Vom Guten, Wahren und Schönen». Suhrkamp, 2012 (S. 21)

1

14

Gassen, Brunnen, und das, was schon früh die klei­

… und Chalandamarz

nen Füsse aus dem Dorf führte: Brücken über den En,

Ähnlich funktioniert auch der bal da Chalandamarz.

Gondeln auf den Berg Motta Naluns, später Land­

Nach der Anstrengung, die der Tag abverlangt, nach

strasse und Rhätische Bahn.

Gesang und buntem Lärmen, folgt am Abend der

Das Dorf erdet den Körper und was darin wohnt, be­

Ball im Gemeindesaal, der aufputscht, Türen öffnet,

sonders in den ersten porösen Jahrzehnten. Die Ver­

die vielleicht zugeblieben wären. Verdichtung, In­

gegenwärtigung versinnlicht die Biografie, sie

tensivierung. Hierarchien verwischen sich, es ent­

spannt erotisch­libidinös auf der Haut, das Dorfle­

steht eine neue Ordnung. Sie drückt manchem eine

ben bleibt ihr eingeschrieben mit zwei Glanzpunk­

Karte in die Hand, die er gleich, am nächsten Tag

ten, einer im Frühling, einer im Winter. Höhen der

oder nach den Schulferien ausspielen kann.

Saison, der 1. März und der 26. Dezember, Chalan­

Das ist gut, denn wir sind bekanntlich eine Gesell­

damarz und Pan Grond, die zentralen Bräuche in der

schaft, die nicht vorbereitet auf die Begegnung der

Hauptstadt der Welt, die an diesen Tagen erzitterte

Geschlechter, die Einübung ist nirgends vorgesehen.

von der Nervosität der Schülerinnen und Schüler.

Möglich, dass sich das in den digitalen Jahren ver­

piz 49 : Sommer | Stà 2015


1

2

4

1 –3 L'hom strom – ein Brauch in Scuol. Am ersten Samstag im Februar sammeln die Kna­ ben Stroh und binden es auf dem Dorfplatz zu einem wuchtigen Strohmann. Am Nach­ mittag wird der «l'hom strom» in Gurlaina aufgestellt. Bis zur Dämmerung wird er vor Bu­ benstreichen durch Wachen beschützt. Doch wenn Jung und Alt versammelt sind, geht er beim Klang von Liedern in Flammen auf. 4 Chalandamarz: Die Buben geben nur vermeintlich den Ton an.

3 4


stärkt hat. Der Soziologe Kurt Imhof sagt zum Balz­

Umzug mit, ein paar Blumen an der brunzina, ein lä­

verhalten in hiesigen Breitengraden: Es gibt keine

cherliches Glöckchen, klamme Zehen. In der Karre,

klaren Handlungsmodi, Geselligkeit ist schwach nor­

die durchs Dorf gezogen wurde, sassen Knaben. Ich

miert, oft dient daher Alkohol als Enthemmungs­

fühlte mich nicht diskriminiert, ich hätte einfach

mittel. Risiken mindern soziale Einrichtungen: Be­

lieber zugeschaut.

ziehungsverbote, die Trennung der Geschlechter,

Der Ball aber glich alles aus, er war die reinste Part­

die Übergabe der Beziehungsanbahnung an Eltern,

nerbörse, prickelnd. Amüsant, die Kindergartenzeit,

Priester, Stammesälteste, an kommerzielle Organi­

das sagt ein Foto. Ich trug beim ballin schicke Lack­

sationen und Algorithmen.

schuhe und weisse Strümpfe, die meine fetten Bein­

Bräuche lassen den Jugendlichen Raum

einer Oranginaflasche kniend, am Röhrli saugend.

Im Engadin fungiert die Schule als Vermittlerin.

Die Mütter im Hintergrund sind alle gut frisiert. Es

Lehrer und Lehrerinnen sind behilflich, sie garan­

war auch ein Wettbewerb der Mütter: Welche

tieren Kontinuität, stellvertretend für die Commu­

konnte mit dem Lockenstab gekonnt hantieren?

nity. Die Schule als Institution, die mit der Beglei­

Hatte man die Kinder im Griff? Und sich selbst? Eine

tung der Bräuche über sich hinausweist, Rituale

Dorfgemeinschaft der sozialen Kontrolle, die an Fei­

begünstigt, die Anbahnung ermöglicht (wenn auch

ertagen überkocht.

nur der heterosexuellen Art, das mag man beklagen), und somit Überwindung von Scham und Angst. Alt­

Der Reiz des Brauches

modisch? Nein, in altem Kleid, modern, ja avantgar­

Sicher ist, Exklusivität und Ritualisierung erhöhen

distisch – und (mit der gemachten Einschränkung),

den Reiz des Brauches, gerade heute. In Samedan

durchaus emanzipiert.

fragt der Bub das Mädchen, ob es ihm die rösas, die

Die Tradition gibt Kindern und Jugendlichen eigene

Papierblumen herstelle, das Mädchen nimmt an

Feste. Da stehen sie nicht als Beschenkte, Gefoppte

oder nicht, je nach Beliebtheit, nach Benehmen des

oder Geherzte passiv im Zentrum, sie sind die Ak­

Jungen. Selektion und Zivilisierung liegt in ihrer

teure. Der städtische Zuschauer bezeichnet dies

Hand, in ihrem Blick. Er muss sich übers Jahr be­

gerne als etwas «Schönes», das unbedingt zu bewah­

währen, nur dann macht sie ihm die gewünschte

ren sei. Bräuche sind nostalgisch und moralisch auf­

Zahl rösas. In Celerina lädt das Mädchen zusätzlich

geladen, an Unterentwickelte ausgelagert, die sich

zum Mittagessen ein. Beim Ball trägt es seinen Hut,

herzig ausnehmen in ihrer Verkleidung? In einer

zusammen stampfen sie die mitternächtliche Polo­

Mischung aus Bewunderung und Belächeln stellt

naise. An beiden Orten singen die Mädchen tags­

sich beim applaudierenden auswärtigen Publikum

über zwar mit, aus qualitativen Gründen, mehr­

der «Jöö­» und Heile­Welt­Effekt ein.

heitlich stehen sie an der Strasse und beäugen die

Bräuche sind aber auch ideologisch aufgeladen, so

Jungs, die sich nicht blamieren wollen.

hört man, sie stützten die unemanzipierte Frau be­

Nach der Grösse der plumpas und talacs haben sie

ziehungsweise den patriarchalen Mann, verhinder­

sich am Chalandamarz aufgestellt. Sie zeigen, was sie

ten progressive Entwicklung. Anderseits – nicht

zu schleppen vermögen. Symbolisch schwingt ge­

minder ideologisch – sagen Traditionalisten: Hier

gossene Potenz um die Hüfte, ein unzweideutiges

im Dorf ist die Welt in Ordnung.

Zeichen der Jungen.

Jenseits von schön, böse und gut

16

chen betonten, ein rotes Kleid darüber, Locken, vor

Eine Zumutung war das Ansinnen, Mädchen sollten mit diesen stilisierten männlichen Genitalien das

Wie sieht es aus, jenseits von schön, böse und gut?

Dorf verschönern – so wie es vor einigen Jahren die

Im Zentrum stehen sinnliche Erfahrungen von

Freunde der falsch verstandenen Gleichstellung in

grosser emotionaler und körperlicher Spannung,

Samedan verlangten, gegen den Willen der Betrof­

gerade wenn Unterscheidung garantiert ist, wie

fenen. Es würde dem Brauch die einzigartige Kraft

beim Pan Grond oder beim Chalandamarz, wo meine

rauben. Nur weil die männliche Dorfjugend öffent­

Kinder mittun. Ein Tag im Jahr mit klarer Rollenver­

lich performt, heisst das nicht, dass sie regiert, es re­

teilung, wohltuende Beengung der eigenen Wege.

gieren nämlich vor allem die stolzen patrunas, die

Die Rolle, der Weg: aufgezwungen. Und das macht

Mädchen der 9. Klasse.

gerade in einer freien Gesellschaft Sinn, weil die

Brauchen wir den Brauch im Dorf? Nein. Wir brau­

Einübung einzigartig vergnügt und entlastet. In

chen ihn nicht. Wir zelebrieren, was man nicht

Scuol trottete ich am gemischten Chalandamarz­

braucht. Das ist die wahre Kunst.

piz 49 : Sommer | Stà 2015


CRYSTAL 'ENGIADINA


Der Dörfer-Pfarrer Christoph Reutlinger ist «Dörfer»-Pfarrer in Ramosch, Vnà, Tschlin, Strada, Martina und Samnaun. So wie einst Albert Anker den Dorfpfarrer im Bild festgehalten hatte, ist sein Job längst nicht mehr – er lebt nah mit den Menschen.

Text: René Hornung Foto: Lea Olivia Giana Hummel

W

enn ich bei den Chorproben oder den Feu-

der Vatikanstaat und Monaco zusammen», wie

Dörfern begegne, dann ergibt sich der Kon-

Christoph Reutlinger gerne vergleicht. Und trotz

takt ganz automatisch – auch ausserhalb der Kir-

der Grösse habe er deutlich mehr Zeit für seine Ge-

che.» Christoph Reutlinger – 34 Jahre jung – be-

meindemitglieder als eine Kollegin oder ein Kollege

schreibt damit, wie er seine Rolle als Dorfpfarrer

in der Stadt, die bis zu 3000 Menschen betreuen. In

sieht. Er, der Unterländer, der in Nürensdorf bei

einem so weitläufigen Gebiet die Menschen kennen

Winterthur aufgewachsen ist, hat viel getan, um die

zu lernen, sei allerdings eine Herausforderung. Und

Kontakte zu pflegen. In Rekordzeit hat er Vallader

er stellte rasch fest, dass es von Dorf zu Dorf erhebli-

gelernt. «Das ist doch völlig selbstverständlich, dass

che Unterschiede gibt. Nicht nur verschiedene Bräu-

man mit den Leuten in ihrer Sprache redet», stellt er

che, sondern auch Stimmungen – auch in den Kir-

klar. «Geht es um eine existenzielle Herausforde-

chen: Wann singt man in welchem Dorf was?

rung, reden wir immer in der Muttersprache», kontert er, wenn ihn rundum die Einheimischen be-

Im Chor und in der Feuerwehr

wundern, wie er das so rasch geschafft habe. Einer

Trotzdem: den Kontakt hat er schnell gefunden.

seiner Feuerwehrkollegen staunt trotzdem: Chris-

Nicht nur über seinen Einsatz bei der Feuerwehr. Er

toph habe sogar schon Sprachfehler in den romani-

singt auch in zwei Chören mit, im Chor Valsot (dem

schen Protokollen gefunden.

Zusammenschluss der früheren Chöre von Strada,

«Geholfen hat mir der pensionierte Dorflehrer von

Martina und Ramosch) sowie im Chor von Tschlin.

Tschlin. Er erteilte mir Einzelunterricht, und wir ha-

Ausserdem gibt es Kontakte über die Konsistoriums-

ben ein schon älteres Lehrmittel durchgearbeitet.

mitglieder, den Kirchenvorstand. So wurde er trotz

Dazu habe ich immer brav die Aufgaben gemacht

des grossen Einzugsgebiets rasch überall bekannt:

und auch weit mehr gelernt als nur die Sprache», be-

«Hier trifft man sich häufig, auch weil die Zivilge-

richtet Reutlinger. Er habe dabei viel über Kultur

sellschaft intakter und einheitlicher ist.»

und Geschichte der Region erfahren.

Weil er nicht Dorf-, sondern Dörfer-Pfarrer ist, reist

Aus Interesse an einem ganz neuen Ort Das Engadin kannte er von Ferien- und Schullagern,

18

che misst – «mehr als das Fürstentum Liechtenstein,

erwehrübungen den Menschen aus den

Christoph Reutlinger jeweils mit einer der beiden Organistinnen am Sonntag an zwei oder drei Orte «z'Predigt». Er erlebt dabei, wie jede der Kirchen ihre

«aber in Tschlin war ich vor meinem Bewerbungsge-

ganz eigene Atmosphäre hat, die sich auch auf die

spräch noch nie, und Romanisch konnte ich nicht»,

Gottesdienstbesucher überträgt. Auch wenn er

blendet Christoph Reutlinger zurück. Die periphere

dann dreimal die gleiche Predigt halte, komme sie

Lage und Vallader als Sprache schreckten ihn aber

doch jedes Mal sehr unterschiedlich an.

nicht, denn er ging bewusst und aus Interesse an ei-

«Als Pfarrer muss ich zwar nicht die Herzen der Men-

nen für ihn ganz neuen Ort, in eine andere Sprach-

schen erobern, aber es spielt eine grosse Rolle, wie

region. Es ist seine erste Pfarrstelle nach dem Vika-

man in den Dörfern wahrgenommen wird», defi-

riat, der praktischen Ausbildung. Zuvor hatte er in

niert er seine Rolle. Im Dorf sei ein Pfarrer immer

Zürich und Uppsala Theologie studiert.

noch eine wichtige Anlaufstelle. «Es gibt nach wie

Seit Herbst 2013 betreut er gut 700 Menschen und

vor Themen, die man lieber mit dem Pfarrer be-

predigt in sechs verschiedenen Kirchen: in Ra-

spricht als mit jemand anderem im Dorf. Gerade

mosch, Vnà, Tschlin, Strada, Martina und Samnaun.

weil alle wissen, dass in schwierigen Situationen das

Er ist also nicht Dorf-, sondern Dörfer-Pfarrer in ei-

Vertrauliche bei ihm bleibt.» Er müsse sich deshalb

ner Kirchgemeinde, die 216 Quadratkilometer Flä-

manchmal auf sehr schwierige Situationen einlas-

piz 49 : Sommer | Stà 2015


sen. Da gebe es gleichermassen traurige Situationen,

brechend voll. Und wenn die Tschliner Theater spie-

aber auch die Wunder des Alltags. «Wichtig ist, dass

len, kommen alle zuschauen. Christoph Reutlinger

der Pfarrer hilft, mitzutragen und auszuhalten».

hat auch gestaunt, was in so kleinen Orten alles ge-

Aber einen therapeutischen Auftrag habe er nicht.

boten wird: Zu den Matinadas-Bälle nach Neujahr

«Als Pfarrer müssen wir weniger Antworten parat

spielt Livemusik. «Wo im Unterland gibt es das

haben, als mit den Menschen zusammen die richti-

noch?», fragt er rhetorisch.

gen Fragen stellen.»

Wie sieht Pfarrer Reutlinger die Zukunft der Kirche

Die Dorfgemeinschaft fördern Ein Anliegen sind Christoph Reutlinger auch die

in den Dörfern? Die Kirche sei hier noch gut integriert. Hier sei es noch selbstverständlicher, sich konfirmieren zu lassen oder den Gottesdienst zu besu-

Kontakte über Generationengrenzen hinweg. Bis-

chen. «Klar, wir haben auch strukturelle Probleme,

her ist es allerdings bei Plänen für Schülerinnen-

aber andere als die Kollegen in der Stadt, wo die

und Schülerprogramme geblieben. «Allerdings hän-

Quartierstruktur mehr und mehr zerfällt. Hier oben

gen diese aber in unseren Dörfern auch nicht einfach

verhalten sich die Menschen noch nicht so indivi-

herum. Es gibt hier gut funktionierende Strukturen,

dualisiert, sie sind noch nicht so stark säkularisiert

wie die ‹Giuventüna› oder die Jugendmusik. In unse-

wie in der Stadt.»

ren Dörfern passiert viel – wir müssen es aber selber

«Man ist oben in Tschlin vielleicht manchmal allein,

an die Hand nehmen. Es kann deshalb nie genug

aber nicht einsam. Und die Menschen sind sehr of-

Leute geben, die mitmachen, egal ob der Pfarrer da-

fen», zieht er Zwischenbilanz. Komme dazu, dass

bei ist oder jemand anders», so Reutlinger. Mitma-

alle Aufgaben im Pfarrhaus zusammenlaufen: «Da

chen sei eine grosse Chance, aber auch eine Heraus-

gibts kein Sekretariat.» In den sechs Orten macht

forderung. Und die Dorfgemeinschaft ist dankbar,

Christoph Reutlinger alles selber. «Ein sehr vielfälti-

denn im Gegensatz zur Stadt ist die Konkurrenz an

ger Job, der kaum Bürozeiten kennt. Das kann man

Veranstaltungen nicht endlos. Wenn dann die Mu-

nur machen, wenn man den Job in den Alltag integ-

sikgesellschaft Tschlin und die Jugendmusik Valsot

rieren kann.» Die Stadt fehle ihm kaum, stellt der

zusammen auftreten, dann ist die Mehrzweckhalle

Unterengadiner Dörfer-Pfarrer fest.

piz 49 : Sommer | Stà 2015

IN SECHS KIRCHEN Christoph Reutlinger predigt in sechs, teils sehr alten, Kirchen: • San Plasch in Tschlin wurde 1515 auf den Grundmauern eines mittelalterlichen Gotteshauses gebaut. Die Wandgemälde zeigen die Verfolgung und Gefangennahme des heiligen Blasius (San Plasch). Die barocke Kanzel ist mit 1709 datiert, der Rokoko-Bibelschrank mit 1760. • Sonch Flurin, Ramosch, ist die zweitgrösste Kirche im Kanton Graubünden. In ihrer heutigen Form entstand sie 1522. Gewidmet ist sie Pfarrer Florinus, der im 7. Jahrhundert Wunder bewirkt haben soll. • Die Kirche von Vnà zeigt ein asymmetrisches Kirchenschiff auf. Der Chor ist mit einem filigranen Netzgewölbe überzogen. In den 1960er-Jahren wurden bei einer Restaurierung die alten Wandgemälde freigelegt. • Die Kirchen von Strada und Martina sind schlichtere Gotteshäuser aus dem 18. Jahrhundert. • In Samnaun leben nur noch wenige evangelische Gläubige. Für sie predigt Christoph Reutlinger – hier in Deutsch – in der Bruder-Klaus-Kirche.

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1

2

Engagement für die Kultur Die Kulturveranstalterinnen und -veranstalter im Engadin und den Bündner Südtälern leisten einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität in der Region. Gerade ausserhalb der Tourismussaison. piz präsentiert einige der Institutionen.

Text: Aline Tannò Fotos: zVg

S

ie organisieren in unzähligen Stunden Frei­

dass wir ausschliesslich Programme zeigen, die

willigenarbeit insgesamt über 40 Veranstal­

noch nicht im Engadin zu sehen waren», informiert

tungen im Jahr und erreichen damit um die

Campell weiter. Dazu gehören beispielsweise seit

7000 Besucherinnen und Besucher. Die lokalen Ver­

vielen Jahren die Auftritte der preisgekrönten Satiri­

anstalter leisten damit einen wichtigen Beitrag zum

kerinnen Nicole Knuth und Olga Tucek – selbstver­

kulturellen Schaffen und Leben. «In der Hochsai­

ständlich ausserhalb der Hauptsaison.

son gibt es ein grosses Angebot im Engadin, aber in

22

der Nebensaison gab es sehr wenig», berichtet Anna

Zukunftskonferenz zeigte das Bedürfnis

Serarda Campell, die gemeinsam mit Gianna Olinda

In Sent vermisste Gianna Bettina Gritti einen Ort

Cadonau Co­Präsidentin des Trägervereins von La

für kulturelle Veranstaltungen. Als 2005 die «Zu­

Vouta in Lavin ist. Deshalb habe ihre Mutter, Ladina

kunftskonferenz» nach Ideen zu einer nachhaltigen

Campell, 1997 zusammen mit einem grossen Team,

Ortsentwicklung suchte, packte sie die Gelegenheit

aber «ohne Businessplan» in den Kellergewölben

beim Schopf. Zusammen mit weiteren Interessier­

unter ihrer Wohnung Theater organisiert.

ten gründete sie eine Arbeitsgruppe zur Etablierung

Sie schrieben damals Leute aus dem ganzen Enga­

eines Kulturzentrums. Zunächst mieteten die Initi­

din an, um Mitglieder für den Trägerverein zu ge­

antinnen und Initianten die Pizzeria im Hotel Rezia,

winnen. «Auf einen Schlag waren rund 250 Men­

mussten dann aber nach dem Besitzerwechsel einen

schen im Verein», freut sich die Co­Präsidentin

neuen Veranstaltungsort finden. Seit letztem Jahr

noch heute. Der Schwerpunkt liegt noch immer

können die jährlich rund zwölf Lesungen, Ausstel­

beim Kleintheater. Dies auch wegen der architekto­

lungen und Konzerte im ehemaligen Tourismus­

nischen Gegebenheiten: Der Gewölbekeller ist rund

büro und in einem Privathaus durchgeführt wer­

90 Quadratmeter gross und die Bühne bietet bloss

den. An den Veranstaltungen nehmen mittlerweile

Platz für zwei, drei Künstlerinnen und Künstler.

fast mehr auswärtige als lokale Besucherinnen und

«Zusätzlich haben wir uns zur Bedingung gemacht,

Besucher teil. Das stört den fünfzehnköpfigen Vor­

piz 49 : Sommer | Stà 2015


3

4

stand aber nicht, im Gegenteil: «Wir freuen uns über

seither jeweils im Winterhalbjahr sechs bis acht Ver­

das Interesse der Gäste an unserer Kultur», so Gritti.

anstaltungen statt. Im Sommer gebe es ohnehin ein

Phil Benesch vom Openair Chapella sieht das etwas

relativ grosses kulturelles Angebot. Höhepunkt ist

anders. Ihm wären mehr einheimische Gäste lieber.

jeweils die Weihnachtsausstellung, an der aus­

Das Openair – vor 34 Jahren als Promotion für ein

schliesslich Kunstschaffende aus dem Tal ihre

Jugendzentrum in Chapella erstmals durchgeführt –

Werke zeigen. «Wir sehen uns auch als Vermittler

zählt mittlerweile fast ausschliesslich auswärtige

der romanischen Kultur», sagt Rodigari.

Besucher und Besucherinnen. Sie reisen aus dem Unterland, aber auch aus dem süddeutschen Raum

Hochkarätige Kunst im Bergell und in Nairs

an. «In Spitzenjahren in den Neunzigern hatten wir

Auch Luciano Fasciati fühlt sich der lokalen Kultur

1500 Besucher und Besucherinnen. Mittlerweile

verpflichtet. «Arte Hotel Bregaglia» sollte 2010 ein

sind es etwa 200 bis 250 und dazu viele Kinder.»

einmaliges Ereignis werden. Die Resonanz war so

Warum nur wenige Engadiner und Engadinerinnen

gross und positiv, dass daraus eine Ausstellungs­

ans Chapella Openair gehen, bleibt Benesch ein Rät­

reihe wurde. Zum zweiten Mal wird dieses Jahr der

sel. «Vielleicht liegt es daran, dass wir vom Organi­

Palazzo Castelmur in Coltura bei Stampa mit aktu­

sationskomitee mittlerweile nicht mehr im Engadin

eller Kunst bespielt. «Wir werden hier sehr wohlwol­

wohnen. Dadurch fehlt ein gewisser Bezug zur loka­

lend empfangen: Die Leute freuen sich, dass etwas

len Bevölkerung.»

geht», stellt Fasciati fest. Wohl auch deshalb, weil

Die Räume suchten die Kultur In Tschlin und Fuldera suchte nicht die Kultur nach

5

1, 2 Die Kirche San Niclà in Tschlin ist zum Kulturveranstal­ tungsort geworden. 3 Eine Walser­Lesung im Klein­ theater La Vouta in Lavin. 4 Chapella Openair – mit 34 Jahren Geschichte. 5 Kulturort Nairs, in der Nacht weitherum sichtbar.

sich die Kunstschaffenden jeweils mit dem Ort aus­ einandersetzen: «Dadurch kann auch eine Refle­ xion des Eigenen stattfinden.»

Räumen, sondern umgekehrt: Die Bevölkerung von

Die engste Synthese von Architektur und Kunst im

Tschlin wollte verhindern, dass die leerstehende

Kanton stellt wohl das Zentrum für Gegenwarts­

Kirche San Niclà in ein Ferienhaus umgebaut würde,

kunst der Fundaziun Nairs in Scuol dar. Zentrums­

und gründete eine Stiftung, um die Kirche zu erhal­

leiter Christof Rösch ist überzeugt, dass die Rettung

ten. Seit 1987 hauchen kulturelle, aber auch religi­

der historischen Kuranlagen in Nairs nur dank den

öse Veranstaltungen dem Center Cultural Baselgia

Kunstschaffenden gelingen wird: «Sie beleben den

San Niclà Leben ein. Besonders am Herzen liegt den

Ort.» Zugleich sind die hier entstehenden Arbeiten

Veranstaltern die Nachwuchsförderung. Regelmäs­

meist geprägt von Auseinandersetzungen mit dem

siger Gast ist der aus Ramosch stammende, inzwi­

Ort. In Nairs finden auch Kulturveranstaltungen

schen schweizweit bekannte Kabarettist Flurin Ca­

statt. Und es werden Strategien zur besseren Integra­

viezel. «Er zeigt jedes seiner Programme in San

tion von Kultur im Tourismusangebot ausgearbeitet.

Niclà», ist Stiftungsratspräsident Jachen Erni stolz.

«Wir wollen ortsspezifisch handeln, haben aber

In Fuldera stand nach der Zusammenlegung der

auch den Anspruch, den Ort international zu ver­

Schulen und Kindergärten im Münstertal das Schul­

netzen. Dazu gehören das Artists­in­Residence­Pro­

haus leer. «Wir wollten kein leerstehendes Haus mit­

gramm und die Funktion von Nairs als Kunsthalle»,

ten im Dorf», schildert der Präsident des Trägerver­

erklärt Rösch und sagt: «Kultur und Kunst sind Teil

eins, Aldo Rodigari. In der Chastè da Cultura finden

des Lebensraums, der Gesellschaft.»

piz 49 : Sommer | Stà 2015

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Fotos: ©Michael Wolf, Müstair

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«Säulenfresser & Stifterin»

Romanische Wandmalerei im Kloster St. Johann in Müstair Ab dem 14. Juni wird den romanischen Wandmalereien der Klosterkirche von Müstair eine Sonderausstellung gewidmet. Anlass bildet die seltene Gelegenheit, Malereifragmente der Kirche – heute im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums in Zürich – gemeinsam mit dem vor Ort befindlichen Bestand zu präsentieren. So können nach über 500 Jahren einige der Wandmalereifragmente zum ersten Mal wieder in der Klosterkirche bewundert werden.

D

as Kloster St. Johann in Müstair

dere wurden 1950 abgelöst, da sie Gefahr

wurde im 8. Jahrhundert gegründet

liefen, herabzufallen.

und liegt am östlichsten Zipfel der

Die Sonderausstellung «Säulenfresser &

Schweiz, ganz nahe an der Grenze zu Südtirol.

Stifterin» bietet nun die Möglichkeit den erzäh-

Aufgrund des grössten und hervorragend er-

lerischen Reichtum und die leuchtende Far-

haltenen Freskenzyklus aus karolingischer Zeit

benpracht der Romanik im Benediktinerinnen-

wurde das Kloster 1983 in die Liste der

kloster wiedervereint zu erleben. Der Besucher

UNESCO-Welterbestätten aufgenommen. Die

kann neben dem Programm der romanischen

romanischen Wandmalereien der Klosterkir-

Wandbilder, ihre Entstehung, die Zeiten ihres

che von Müstair zählen aufgrund der hohen

Vergessens, die Wiederauffindung und die

künstlerischen Qualität und des guten Erhal-

Erhaltungstechniken nachvollziehen. Der Titel

tungszustandes zu den wichtigsten Zeugnis-

deutet auf die Figuren des Säulenfressers und

sen der Kunst um 1200 im Alpenraum. Trotz-

der edlen Stifterin Friderun. Obwohl sie an

dem rücken sie angesichts der grossen

prominenter Stelle in der Klosterkirche darge-

Bedeutung der karolingischen Wandbilder oft

stellt sind, werden sie oft übersehen. Die

in den Hintergrund.

Sonderausstellung möchte sie wieder ins Licht

Die ursprüngliche, nach 775 gegründete

rücken.

Mönchsgemeinschaft verliert sich bereits im

Entdecken Sie den furchterregenden Säu-

10. Jahrhundert. Der neu angesiedelte Frauen-

lenfresser und die fromme Stifterin in der

konvent wird erstmals in einer Schenkungsur-

Klosterkirche Müstair und tauchen Sie ein in

kunde im Jahr 1163 erwähnt. Um 1200 wurden

die romanische Bildwelt!

die karolingischen Wandbilder der Ostwand durch ein neues Programm ersetzt, das sich in erster Linie an die Klosterfrauen richtet. Heute sind nur noch Teile der romanischen Wandmalereien an ihrem originalen Ort in den Apsiden zu bewundern. Manche gingen verloren, an-

Klostermuseum St. Johann, Müstair www.muestair.ch, T. +41 (0)81 851 62 28 Mai–Oktober: 9–12 h und 13:30–17 h, Sonn- und Feiertage vormittags geschlossen November–April: 10–12 h und 13:30–16:30 h, Sonn- und Feiertage vormittags geschlossen

Programm Sommer 2015 • 13. 6., 15 h: Vernissage Sonderausstellung «Säulenfresser & Stifterin. Romanische Wandmalerei in der Klosterkirche Müstair um 1200». Von 14. 6. bis 1. 11. ist die Sonderausstellung geöffnet. Führungen ab 6 Personen werktags um 11.30 h / sonn- und feiertags um 14.30 h. • 4. 7., 16.30 h: Vernissage «anima und Blütenzauber» – eine Installation und Bilder der Künstlerin Gertrud Anna Wyden 7. 8., 19 h: Klosternacht GRENZEN (nur mit Reservierung) Weitere Angebote und Veranstaltungen im Sommer 2015 finden Sie unter www.muestair.ch/aktuell/veranstaltungen/


Mitten im Geschehen Ältere Menschen wollen den Puls des Dorfs fühlen. Deshalb entsteht in Zernez ein Pflegeheim mitten im Zentrum. Und wo Heime früher peripher gebaut wurden, erobern die Alten die Dörfer auf Ausflügen zurück.

Text: Thomas Müller Illustration: dieeva.com

M

it einer bunt gemischten Schar von Ausflüg-

chen», erzählt Päivi Karvinen, die Geschäftsleiterin

lern im Kleinbus kurvt der Hauswart der

des regionalen Alters- und Pflegeheims «Chasa Punt-

«Chasa Puntota» in Scuol die steile Strasse

ota». Mindestens einmal pro Woche steht ein Aus-

nach Tschlin hinauf. Wie er die letzte Spitzkehre vor

flug in eines der Dörfer auf dem Programm, aus de-

dem Dorf nimmt, recken sich die Hälse, die Plaude-

nen die Bewohnerinnen und Bewohner stammen.

reien hinter ihm werden angeregter. Dass er bis zum

Wie rasch ist der Kleinbus jeweils ausgebucht? Gibt

«Plaz» mitten im Dorf fährt, wissen seine acht betag-

es Wartelisten? Karvinen lacht ob der Frage. «Das

ten Fahrgäste an diesem Dienstagnachmittag zu

läuft alles sehr spontan», sagt sie, «beim Frühstück

schätzen. Manche sind nicht mehr gut zu Fuss, das

frage ich, wer mitkommen mag, beim Mittagessen

zeigt ein Stock hier, ein Rollator da. Neulich, als die

erinnere ich nochmals an den Ausflug und am

Fahrt nach Ardez ging, war auch eine Frau im Roll-

Nachmittag stehen plötzlich noch ganz andere

stuhl mit von der Partie. Wie üblich traf man sich

auch bereit.» Sich auf einer Liste eintragen funktio-

dort nach einem Dorfspaziergang auf der Terrasse

niert nicht. Die meisten wüssten wohl am nächsten

des Hotels Aurora. Natürlich auch zu Kaffee und Ku-

Tag gar nicht mehr, dass sie ihren Namen hinge-

chen, doch das inoffizielle Haupttraktandum war

schrieben haben.

ein anderes: Sehen und gesehen werden.

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Darum geht es auch auf diesem zweistündigen Aus-

Erinnerungen wach halten

flug nach Tschlin. Schauen, was sich im Dorf tut. Ein

Gerade bei Anzeichen von Demenz ist es hilfreich,

Blick aufs eigene Haus, in dem nun andere wohnen.

sich in einer vertrauten Umgebung bewegen zu kön-

Ein Schwätzchen hier, ein Händeschütteln da. Was

nen. «Das Langzeitgedächtnis funktioniert oft aus-

trinken gehen mit Verwandten und Bekannten, sich

gezeichnet», sagt Altersforscher François Höpflin-

bezüglich Dorftratsch aufdatieren. Eine Frau geht

ger. Demenzkranke wissen zwar nicht mehr, was sie

mit Blumen hinauf zum Friedhof. «Vielen ist es ein

gestern getan haben. Sie erinnern sich aber häufig

grosses Anliegen, das Grab des Ehegatten zu besu-

bestens, wie sie als Kind am Dorfbrunnen spielten,

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wie es in der alten Dorfbäckerei duftete, wie wohl sie

Dazu bedarf es einiger Anstrengungen. Denn das

sich am Feierabend auf der Sitzbank unterm Ahorn-

1934 eröffnete Spital mit seinem später angeglieder-

baum fühlten. «Altvertrautes stimuliert und hilft,

ten Pflegeheim liegt in Sielva, einen Kilometer aus-

Restkompetenzen zu mobilisieren», sagt der emeri-

serhalb von Sta Maria an der Strasse nach Müstair.

tierte Soziologieprofessor der Universität Zürich.

Und in Scuol befindet sich das 1956 erbaute regio-

Auch vertraute Musik übernimmt diese Funktion,

nale Alters- und Pflegeheim am nördlichen Orts-

ein Gericht, das daheim häufig auf dem Speisezettel

rand, wo der Hang recht steil ist. Wer fit genug ist,

stand, und bei eingefleischten Eishockeyfans ist es

nimmt den Ortsbus ins Zentrum – die meisten sind

der Besuch eines Matches, wo es viele Bekannte zu

es nicht mehr. Die Lage war gewollt. So baute man

treffen gibt. Hinzu komme ein oft ausgeprägtes Be-

seinerzeit Alters- und Pflegeheime. Solche Einrich-

wegungsbedürfnis, ergänzt Höpflinger. Forschun-

tungen, glaubte man, gehören an den Dorfrand.

gen in Neuenburg hätten gezeigt, dass manche De-

Schliesslich wollen die älteren Mitmenschen ihre

menzkranke innerhalb des Heims nicht weniger als

Ruhe. Ausserdem war hier das Bauland günstiger.

zwanzig Kilometer pro Tag zurückgelegt hätten.

Beim Oberengadiner Alters- und Pflegeheim Pro-

Frohes Leuchten in den Augen

1980 nicht im Ort selbst, sondern auf der vom Dorf

mulins in Samedan ist es nicht anders. Es entstand

«Es geht unseren Bewohnerinnen und Bewohnern

abgewandten Seite der Bahnlinie gegen den Inn hin.

gut, wenn sie aus den Dörfern zurückkehren, sie

Das Bergeller Spital und Pflegeheim liegt zwar male-

sind zufriedener als sonst, glücklich über die Ab-

risch oberhalb von Promontogno, aber weit oben,

wechslung», sagt Päivi Karvinen. Dasselbe beobach-

wenn man nicht mehr gut zu Fuss ist.

tet auch Judith Fasser, die Direktorin des Center da sandà Val Müstair. «Es ist eindrücklich, diese Freude

Zernez geht neue Wege

mitzuerleben, wenn die Leute aus dem Pflegeheim

Und so siedelte der Gemeindevorstand von Zernez

in die Dörfer fahren», sagt sie, das frohe Leuchten

sein Projekt für ein Pflegeheim mit betreutem Al-

der Augen beim Wiedererkennen zeige, wie wichtig

terswohnen ebenfalls am Rand des Dorfs an, neben

solche Erlebnisse für das Wohlbefinden seien. «Wir

Feuerwehrlokal, Kunsteisbahn und Schule. Eine

gehen deshalb mit unseren Leuten vom Pflegeheim

Gruppe «65+» wurde zur Unterstützung des Projekts

regelmässig zurück in die Dörfer», betont Fasser.

angefragt. Diese vier Männer, fleissige Turner im lo-

Zwei Ausflüge pro Woche stehen vom Frühling bis in

kalen Turnverein, nahmen ihre Aufgabe ernst. Sie

den Herbst auf dem Programm. In Tschierv im alten

diskutierten mit der Bevölkerung, sammelten Mei-

Dorfteil die Blumenpracht bestaunen, in Sta Maria

nungen – und kamen zu einem völlig anderen

einen Abstecher ins Kriegsmuseum 14/18 und an ei-

Schluss: Die Alten sollen nicht an den Rand ge-

nem schönen Sommertag gehts auch mal nicht

drängt werden, sie gehören ins Zentrum.

bloss in ein Dorf, sondern gleich hoch auf die Alp.

An einer Gemeindeversammlung Anfang 2013 ob-

«Wir schauen, dass die Bewohnerinnen und Bewoh-

siegte das von dieser Basisbewegung lancierte Pro-

ner am Dorfleben weiterhin teilhaben können»,

jekt «Röven 8» mit einer 80-Prozent-Mehrheit. Es

umreisst die Direktorin des Center da sandà Val

kombiniert mitten im Dorf neun Pflegeplätze und

Müstair das Ziel der Aktivitäten.

fünf betreute Alterswohnungen mit einer Ärztege-

piz 49 : Sommer | Stà 2015

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meinschaftspraxis und Büroräumen. Zielgruppe für

ben des Orts teilhaben zu können, andererseits aber

die Wohnungen sind ältere Menschen, denen das

auch, weil eine zentrale Lage für Besuche der nach-

Haus oder die Wohnung zu gross und beschwerlich

folgenden Generation sowie für das Pflegepersonal

geworden ist, die aber nicht pflegebedürftig sind

praktischer sei, da mit öffentlichen Verkehrsmitteln

oder nur punktuell Unterstützung benötigen. Ge-

einfacher erreichbar. Gerade kleinere Ortschaften

tragen wird das Projekt von einer Genossenschaft,

seien zuweilen froh, mit einem Alterszentrum, kom-

die eine Liegenschaft im Baurecht übernehmen

biniert vielleicht mit Sitzungsräumen und einem

kann, den Altbau saniert, den Heustall ausbaut und

Café, ein neues Zentrum zu schaffen, das die verlo-

einen Zwischenbau zu einer Nachbarliegenschaft

rene Post, den einstigen Stammtisch oder das ge-

erstellt, wo ein älteres Haus ersetzt wird. Die Ge-

schlossene Lädeli als Begegnungsort ersetzen.

meinde beteiligt sich an den Kosten von 4,3 Millio-

Das Konzept wird auch im Münstertal diskutiert.

nen Franken mit einem zinslosen, innert fünfzig

Dort zeigt sich nämlich, dass sich die abgelegene

Jahren rückzahlbaren Darlehen. Noch wird gebaut,

Lage des Pflegeheims allein mit Ausflügen in die

die Eröffnung ist auf Anfang 2016 geplant. Das Pro-

Herkunftsdörfer der Senioren nicht aufwiegen lässt.

jekt setze ein Signal im Sinne einer Wiederbelebung

Das erfuhr eine Fokusgruppe «Älter werden im Val

des Dorfkerns, sagt «Röven 8»-Mitinitiant Jon And-

Müstair», als sie 2014 den Dialog mit der Bevölke-

rea Könz, selber 54-jährig.

rung aufnahm. Dabei wurde moniert, dass im Tal

«Röven 8» nimmt einen klaren Trend auf. Alters-

gut gelegene, betreute Wohnangebote ebenso ver-

und Pflegeheime würden schon seit einiger Zeit ver-

misst werden wie ein Café, in dem sich Senioren

mehrt mitten in den Zentren gebaut, hält Altersfor-

treffen können. Nun vertieft eine «maisa radonda

scher Höpflinger fest. Einerseits, um besser am Le-

Val Müstair» die Thematik.

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13. August 2015, 18.00 Uhr DR. CHRISTOPH BLOCHER Nationalrat und a. Bundesrat

as begeistert die Prominenten für diese Malerei, welche Beziehung haben sie dazu, was empfinden sie im Anblick von Segantinis Werken? Begegnen sie diesem Schaffen allenfalls auch kritisch und was sagen ihnen der Symbolismus und die Alpendarstellung Segantinis in der heutigen, globalisierten Welt? Die exklusiven «Gespräche über Segantini» werden von Konservator Beat Stutzer moderiert und finden im Kuppelsaal des Segantini Museums vor dem monumentalen Alpentriptychon «Werden – Sein – Vergehen» statt. Bei Angelika Overath geht es nicht um ein Gespräch; sie liest aus ihrem neuen Roman «Sie dreht sich um» vor Segantinis Gemälde «Frühmesse».

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27. August 2015, 18.00 Uhr HANSPETER MÜLLER-DROSSAART Schauspieler

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3. September 2015, 18.00 Uhr FLURIN CAVIEZEL Kabarettist und Musiker

8. Oktober 2015, 18.00 Uhr GIOVANNI NETZER Intendant und Leiter von Origen Festival Cultural


Wie die Kinder ihre Umgebung sehen Kinder und Jugendliche entdecken ihr Dorf, ihre Umgebung, auf ihren eigenen Pfaden. Was finden sie typisch am Ort, in welchem sie zur Schule gehen? piz bat dritte Primarschulklassen um Zeichnungen und zeigt hier vier ausgewählt Beispiele.

F

tan – die Kirche steht mitten im Dorf (unten).

In Vicosoprano ist der Salis-Turm aus Kindersicht

Die Ferienhäuser oben am Hang zeichnet die

der typische Bau im Dorf (nächste Doppelseite, links).

Schülerin Rezia nur symbolisch. Die Realität

Der Wohnturm – gezeichnet hat ihn Laura – stammt

sieht allerdings etwas anders aus.

aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.

Müstair, vor sechs Jahren die erste grosse Gemeinde-

In Samedan (nächste Doppelseite, rechts) sind es die

fusion eines ganzen Tals, ist in den Köpfen der Kin-

Predigerkirche, der Turm «La Tuor», das Gemeinde-

der ganz selbstverständlich ein Ort. Sofia zeigt uns

haus mit seinen Freitreppen – samt den Details der

das ganze Tal, vom Ofenpass oben bis hinunter nach

roten Schaukästen – sowie die Bahn, die den Blick

Sta. Maria (rechts).

der Schülerin Tara geprägt haben.


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Vorfreude, aber auch Angst Bis in drei Jahren sollte die Umfahrung Silvaplana eröffnet sein. Wie ist die Stimmung im Dorf? Herrscht Vorfreude oder Angst? Und welche Erfahrungen haben andere Dörfer mit ihren Umfahrungsstrassen gemacht?

Text: Jürg Wirth Illustration: Norbert Frei

«Wir machen jetzt mal weiter und schauen, wie es

Das Problem der dann wegfallenden «Fahrkund-

kommt», sagt Marion Fasciati. Zuversicht klingt an-

schaft» schätzt Bosshard als gering ein. Sein Hotel

ders. Marion Fasciati ist Besitzerin des Hotels Arlas

habe einzig während zweier Monate im Sommer

in Silvaplana. Ihre Zukunftsängste haben ihren Ur-

von durchfahrenden Passanten profitiert. In der üb-

sprung in der Umfahrungsstrasse. Nach langem Hin

rigen Zeit und vor allem im Winter würden die

und Her in der Planungsphase wird das 70 Millio-

Gäste jeweils weit voraus buchen. Zudem versuche

nen Franken teure Bauwerk Ende 2017 oder Anfang

Silvaplana mit diversen Aktivitäten wie beispiels-

2018 eröffnet werden. Zwar umfährt der Engadiner

weise dem Trödler- und Gauklermarkt neue Gäste

Durchgangsverkehr das Dorf schon seit Jahren,

ins Zentrum zu bringen.

doch all die Autos und Lastwagen, welche über den

Zuoz bekam 1984 seine Umfahrung, und auch dort

Julier wollen, müssen mitten durch Silvaplana. Im

gab es anfänglich Ängste, dass nun niemand mehr

Schnitt seien dies 3387 Fahrzeuge täglich, mit Spit-

ins Dorf fahren würde. «Zu Unrecht», wie sich Gian

zenwerten von 7000 respektive 824 pro Stunde,

Batist Valär erinnert. «Das Dorf Zuoz hat mit der

weiss Jan Kamm, im kantonalen Tiefbauamt zustän-

Umfahrung nur gewonnen», resümiert der Treu-

dig für den Bezirk Samedan.

händer. «Heute kann man sich gar nicht mehr vor-

Erst Angst, dann Erleichterung

die Ortsdurchfahrt ein Spiessrutenlauf, blendet er

Die Umfahrung Silvaplana ist das Bauwerk mit der

zurück. Denn die Passagen sind eng, und die Kolon-

Nummer zwanzig in der Liste. Fast überall gab es an-

nen hinter den Brummis waren lang.

fangs grosse Befürchtungen, vor allem bei den Hoteliers. Doch kurz nach der Eröffnung waren die

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stellen, wie das früher war.» Für die Lastwagen war

Präsidiale Vorfreude

Ängste jeweils rasch vergessen.

Dass sich Claudia Troncano auf die Eröffnung der

«In Ardez überquerte nicht mal eine Katze die Dorf-

Umfahrung freut, ist eigentlich selbstverständlich.

strasse, als die Umfahrung eröffnet wurde», erin-

Die Gemeindepräsidentin von Silvaplana sagt: «Ers-

nert sich Anna Maria Schorta, langjährige Hotelière

tens haben wir lange auf die neue Verkehrsführung

des Hotels Alvetern. Sie ahnte Schlimmes. Doch ge-

warten müssen, zweitens sehen wir dadurch touris-

kommen ist es nicht halb so schlimm. «Unser Hotel

tisch Chancen, uns als attraktives Dorf zu positio-

läuft gut und die Zustände vor der Umfahrung wa-

nieren.» Sie schätzt die Stimmung im Dorf mehr-

ren eigentlich unhaltbar. Immer herrschte ein riesi-

heitlich «pro Umfahrung» ein. Dies bestätigt auch

ges Verkehrschaos im Dorf.»

Kathrin Jehle, die Geschäftsführerin der Conrad's

Auch in Silvaplana teilen nicht alle die Befürchtun-

Mountain Lodge: «Die Silvaplanerinnen und Sil-

gen von Marion Fasciati. Daniel Bosshard, Chef des

vaplaner oder sicher die Mehrheit von ihnen sind

Hotels Albana, freut sich sehr auf den Tag, an dem

froh, dass sie endlich von diesen Lärmemissionen

die Umfahrung endlich eröffnet wird. «Für uns und

und den 40-Tönnern befreit werden.»

für Silvaplana ist dies eine riesige Verbesserung und

Apropos Lastwagen: Diese waren auch in Lavin ein

Qualitätssteigerung. Mit den Erneuerungsmassnah-

grosses Thema, als es dort noch keine Umfahrung

men im Dorfkern wird dieser stark aufgewertet und

gab. Jachen Gaudenz erinnert sich: «Wir waren da-

zu einem begehrenswerten Ort im Oberengadin.»

mals noch Kinder, aber für uns war der Verkehr ein

piz 49 : Sommer | Stà 2015


eigentliches Spektakel.» Vor der Umfahrung wälzte sich der ganze Verkehr durchs Dorf, geregelt wurde er durch zwei Lichtsignale. Diese schalteten im Drei-Minuten-Rhythmus, und oft stauten sich dann

UMFAHRUNGSSTRASSEN IM ENGADIN UND DEN SÜDTÄLERN

die Fahrzeuge durchs ganze Dorf. «Die grössten wa-

Ofenpass (Zernez – Müstair)

ren jene Lastwagen, welche damals die Bestandteile

1958 – Umfahrung Valchava

für das Innkraftwerk Pradella lieferten. Sie waren zu

1972 – Umfahrung Fuldera

hoch, zu breit und zu lang. Die Lastwagen rissen die Erker an den Häusern herunter», blendet Jachen

Unterengadin (Brail – Martina)

Gaudenz zurück. Die Laviner befestigten ihre Erker

1964 – Umfahrung Scuol

zwar wieder, doch nachfolgende Lastwagen verur-

1971 – Umfahrung Lavin

sachten neue Schäden. Auch in Lavin hatten die Ho-

1978 – Umfahrung Ardez

teliers vor der Eröffnung geklagt und befürchtet, es

1987 – Umfahrung Martina

kämen dann keine Gäste mehr. Nach der Eröffnung

1996 – Umfahrung Strada

sei es dann aber sehr schnell still geworden, denn die Gäste kamen und kommen weiterhin.

Vier weitere Projekte in Planung Während Silvaplana seine Umfahrung in gut zwei Jahren bekommen wird, gibt es noch Dörfer, die auf eine Verkehrsentlastung warten. Zum Beispiel Susch. Emil Müller, Präsident der fusionierten Gemeinde Zernez, zu der Susch gehört, wartet, bis der Kanton dem Projekt grünes Licht gibt. Aber in Chur liegen auch noch andere Studien und Pläne, etwa für die Umfahrungsstrassen von La Punt, Sta. Maria und der wintersichere Ausbau der Strasse zwischen Sils und Maloja. Die Planungen für Susch seien so weit vorbereitet, dass mit dem Bau theoretisch nach der Fertigstellung der Umfahrung Silvaplana begonnen werden könnte. Allerdings herrscht zurzeit eine Art Wettlauf zwischen den vier erwähnten Projekten. Während für Emil Müller eine Entlastung von Susch viele Vorteile bringen würde, gibt es auch hier Stimmen, die das wiederholen, was man vor Jahren in allen anderen Orten schon gehört hat: Befürchtungen und

Julier (Mulegns – Silvaplana) 2010 – Umfahrung Silvaplana (Spatenstich) Oberengadin / Maloja (Silvaplana – Castasegna) 1965 – Umfahrung Silvaplana 1975 – Umfahrung Borgonovo 1993 – Tunnel und Umfahrung Promontogno 1999 – Umfahrung Castasegna (ohne Zoll) 2004 – Zollanlage Castasegna Oberengadin (Silvaplana – Brail) 1965 – Umfahrung Silvaplana 1968 – Umfahrung Samedan – Bever 1975 – Vollanschluss Celerina 1978 – Umfahrung Champfèr 1980 – Umfahrung Celerina 1984 – Umfahrung La Punt – S-chanf Berninapass (Punt Muragl – Campocologno) 1965 – Umfahrung Pontresina

Ängste vor Umsatzeinbussen. piz 49 : Sommer | Stà 2015

37


piz : Publireportage «Gipfelstürmer», 1940, 40 x 50 cm

«Herbst bei Champfèr», 1926, 65 x 80 cm

«Feldarbeiterinnen», 1920, 65 x 80 cm

Jean Lehmann (1885–1969) Engadiner Landschaften Der Maler Jean Lehmann war ein Zeitgenosse vieler heute international bekannter Schweizer Künstler, seine Werke hingen an etlichen Ausstellungen neben den Gemälden unter anderem von Giovanni Giacometti. Er lebte und arbeitete zwischen 1912 und 1922 im Engadin, vor allem während dieser Zeit, aber auch in späteren Jahren entstanden unzählige Engadiner Landschaftsgemälde, Plakatentwürfe und Graphiken. Nun wird das Schaffen des etwas in Vergessenheit geratenen Künstlers in der Galerie von Auktionen St. Moritz AG zwischen dem 8. August und dem 19. September gezeigt.

A

Sommer-Ausstellung der Galerie von Auktio-

uktionen St. Moritz AG führt jeweils im

1922 in St. Moritz. In diesen Jahren entstanden

Februar eine Auktion mit Objekten der

zahlreiche Gemälde, Aquarelle, Tourismus-

nen St. Moritz AG werden vor allem Werke aus

alpenländischen Volkskunst, antiken

und

seiner Wirkungszeit im Engadin gezeigt.

Bündner Möbeln, historischen Fotografien

Werbe-Plakate,

hauptsächlich

mit

Landschaftsmotiven aus dem Oberengadin.

und Schweizer Kunst durch. Im Sommer

1922 übersiedelte Lehmann nach Dachau,

Halbjahr zeigt sie in Ausstellungen jeweils

und zeigte seine Werke unter anderem in den

Künstler, die im Engadin und der näheren

Ausstellungen der Münchner Sezession und

Umgebung ihre Wurzeln hatten oder hier

im Münchner Glaspalast. 1936 zog er nach

künstlerisch tätig waren. 2013 waren Werke

Zürich und besuchte wieder oft das Oberenga-

von Erich Erler zu sehen, der im Banne Se-

din. Hier entstanden Aquarelle, Pastelle und

gantinis stand, im vergangenen Sommer

Ölgemälde. Die Werke seiner späteren Schaf-

stellte die Galerie Clara Porges aus, die Male-

fensperiode signierte er stets mit JLLS – Jean

rin des Lichts. In diesem Sommer sind Werke von Jean Lehmann zu sehen, der seinen ersten grossen Erfolg mit einem Diorama erzielte: «St. Moritz

Lehmann, Luzern, St. Moritz. 1969 starb Jean

Der Maler und Bildhauer Jean Lehmann (1885 – 1969) in einem Selbstporträt. Seine Werke malte er grösstenteils in Öl. Er arbeitete aber auch mit Kreide, Kohle, mit Aquarell-Technik und fertigte Stiche an.

Lehmann nach kurzer Krankheit im 84. Lebensjahr in Zürich. In der Schweiz wurden seine Werke an vie-

im Winter» war 1914 an der Landesausstel-

len Ausstellungen zusammen mit Künstlern

lung in Bern ausgestellt. Jean Lehmann

wie Augusto und Giovanni Giacometti, Cuno

wurde 1885 in Dagmersellen LU geboren.

Amiet, Ferdinand Hodler, Edouard Vallet, Carl

Nach einer Lehre im Hotelfach besuchte er

von Salis, Gottardo Segantini, Max Alioth, Pe-

die Kunstgewerbeschule in Luzern. Der

ter Robert Berry, Anton Christoffel, Félix Vallot-

Künstler lebte und arbeitete von 1912 bis

ton und anderen gezeigt. In der aktuellen

Galerie von Auktionen St. Moritz AG Via Mezdi 3, 7500 St. Moritz 8. August – 19. September 2015 www.asteauktionen.ch


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23.04.2015 17:40:27


Neue Chancen fürs Gewerbe Im Engadin und in den Südtälern hat der Stopp des Zweitwohnungsbaus die Bauwirtschaft massiv getroffen. Gleichzeitig drückt der starke Franken auf das Tourismusgeschäft. Umso wichtiger werden andere Branchen.

Text: Ueli Handschin Fotos: Lea Olivia Giana Hummel

G

äbe es keine zahlenden Gäste, die Valli Engia-

der Kanton und die Rhätische Bahn investieren wei-

naun wären womöglich alpine Brachen, ent-

ter in die Infrastruktur.

völkerte Täler. Denn je nach Region werden 40 bis

Noch sind die Einheimischen von der Flaute in der

70 Prozent der Wertschöpfung mit dem Tourismus

Bauwirtschaft nicht unmittelbar betroffen, denn

erzielt. Direkt oder indirekt sind die meisten Ar-

gut die Hälfte der Beschäftigten stammt aus dem

beitsplätze vom Fremdenverkehr abhängig. Auch in

Ausland und wohnt nicht das ganze Jahr in Südbün-

der Bauwirtschaft, der zweitstärksten Branche.

den. Viele sind zudem Pendler oder Kurzaufenthal-

Rund hundert Unternehmen des Bauhauptgewer-

ter, die nur saisonal angestellt sind. Bleibt die Arbeit

bes sind in den Tälern tätig, vom Ein-Mann- bis zum

aus, wird ihnen als Erste gekündigt – die Arbeitslo-

Grossbetrieb. Die Baumeister haben schon 2014 Ar-

sigkeit wird exportiert.

beitsplätze abgebaut. Dem Baunebengewerbe geht

40

tätig sind, müssten sich wenig Sorgen machen, denn

dina, Bregaglia, Poschiavo, Müstair und Sam-

es noch besser. Schreinereien, Maler oder Elektroge-

Die Konkurrenz ist günstiger

schäfte haben erst wenige Stellen gestrichen.

Auch die Lage im Tourismus ist schwierig. Vor allem

Deutlich weniger Baukräne

2014/2015. Insgesamt gab es in der Branche jedoch

«Eine Fahrt durchs Tal genügt, um zu sehen, was ge-

keinen eigentlichen Einbruch. Die Aussichten seien

schehen ist», meint Beat Cantieni, der Präsident der

aber «nicht gerade rosig», drückt sich Andrea Gilli,

die Bergbahnen klagten über die Wintersaison

Sektion Oberengadin /Poschiavo/ Bregaglia des Grau-

der kantonale Regionalentwickler für das Unteren-

bündner Baumeisterverbandes. Gebaut wird zwar

gadin und das Münstertal, vorsichtig aus.

nach wie vor und allerorten. Aber es ragen weniger

Im Vergleich zur Konkurrenz im benachbarten Aus-

Kräne in die Höhe. In Celerina beispielsweise wur-

land «sind die Spiesse im Marketing bei uns viel kür-

den früher in der Zwischensaison schon bis zu

zer und die Hürden bei der Beschaffung von Geld für

18 Kräne gezählt, im Mai 2015 war es ein einziger.

Investitionen viel höher», stellt der Regionalent-

Bauunternehmer Markus Testa aus St. Moritz pro-

wickler fest. Dazu kommen die höheren Löhne, hö-

phezeihte schon im Herbst 2013 den Abbau der

here Preise und Liegenschaftskosten sowie die

Hälfte aller Stellen im Hauptbaugewerbe. Beat Can-

Wechselkursproblematik. Ferien in der Schweiz

tieni, der das Bauunternehmen Lenatti in Bever

sind für ausländische Gäste teuer geworden, Ferien

führt, schätzt den Personalabbau im laufenden Jahr

im Ausland für Schweizer billiger. Die Schweizer An-

insgesamt auf einen Drittel. Im Zweitwohnungsbau

bieter haben schlechtere Karten.

laufe fast gar nichts mehr.

Das kann nicht ohne Folgen bleiben. Andrea Gilli

Anfang 2016 sollen die Ausführungsbestimmungen

erwartet, dass die Zahl der Hotelbetten weiter sin-

zum Zweitwohnungsgesetz in Kraft treten. Sie las-

ken wird. Vor allem Beherbergungsbetriebe mit we-

sen zwar Erweiterungen bestehender Objekte zu,

niger als 50 Betten seien kaum überlebensfähig.

doch dies könne den Wegfall neuer Zweitwohnun-

Dazu kommt: Die Schneesportler werden weniger.

gen nicht kompensieren. Auch das Renovationsvo-

Seit Mitte der Neunzigerjahre sank die Zahl der Erst-

lumen sei «nie und nimmer gross genug», sagt Can-

eintritte in die Skigebiete landesweit um zehn auf

tieni. Nur Baumeister, die vorwiegend im Tiefbau

noch 24 Millionen pro Saison. Es mangelt an Nach-

piz 49 : Sommer | Stà 2015



wuchs. Die Älteren, die das Skifahren aufgeben, sind

Die Wirtschaft Südbündens wird vom Fremdenver-

zahlreicher als die Jungen, die damit erst beginnen.

kehr und von der Bauwirtschaft dominiert. Doch

Der Hype um die Snowboards und die Carvingski

auch die Branchen mit weniger Arbeitsplätzen

hat den Trend nicht stoppen können.

sind – besonders abseits der Zentren – von existen-

Viel Geld von Bund und Kanton

werksgesellschaften und Stromversorger Repower

Noch wird allerdings auf hohem Niveau geklagt.

und die Engadiner Kraftwerke oder das Bildungswe-

Auswirkungen haben die schwierigeren Zeiten aller-

sen mit den privaten Mittelschulen mit Internaten

dings schon jetzt. Victor Peer, Präsident der unters-

in Ftan, Zuoz und die Höhere Fachschule für Touris-

ten Engadiner Gemeinde Valsot, spürt die Franken-

mus in Samedan.

stärke in der Gemeindekasse. Die Steuern und

Gerade auch das Gesundheitswesen und die Spitäler

Abgaben des Einkaufszentrums Acla da Fans – auf

sind Arbeitgeber, die an Bedeutung weiter zuneh-

dem Weg nach Samnaun und auf Gemeindegebiet

men werden. Ein neueres Projekt verfolgt die Schaf-

gelegen – machen einen schönen Teil der kommu-

fung einer «Gesundheitsregion»: Unter dem Dach

nalen Einnahmen aus. Dieses Geld fliesst spärlicher,

der Stiftung Center da sandà Engiadina Bassa wer-

weil weniger Leute ins Zollfreigebiet reisen.

den Angebote gemeinsam vermarktet. Bei der Burn-

Von der Flaute in der Bauwirtschaft ist Valsot nicht

out-Klinik in Susch hat die Wirtschaftsförderung

stark betroffen, denn im untersten Engadin gab es

«Geburtshilfe» geleistet. Die Institution, eröffnet

nie einen Zweitwohnungs-Bauboom wie im Ober-

2010, ist ein Paradebeispiel: Erschlossen wurde ein

engadin. Und so lange in Ramosch und Tschlin die

schnell wachsender Markt. Zwei Jahre nach dem

Gesamtmelioration läuft, fliessen jährlich gegen

Start wurde das Haus bereits erweitert. Inzwischen

zwei Millionen Franken in Bauaufträge. Die örtli-

sind rund 80 Fachkräfte beschäftigt.

chen Firmen sind klein, die meisten beschäftigen vier oder fünf Mitarbeiter. «Die werden auch künf-

Keine Randregionen

tig Arbeit haben», meint Peer zuversichtlich.

Im November 2014 wurde das Projekt «Mia Engia-

Der Staat war stets ein verlässlicher Partner bei der

dina» gestartet, das den Bau eines Innovationszent-

Finanzierung von Vorhaben in den Regionen. «An-

rums mit moderner Informatik und Kommunikati-

gesichts der Probleme im Baugewerbe und im Tou-

onstechnik vorantreiben will – ein Projekt, das das

rismus ist es umso wichtiger, dass Kanton und Bund

geplante Glasfasernetz von S-chanf bis Valsot nut-

sich weiter im bisherigen Umfang engagieren»,

zen will. Federführend ist beim Glasfasernetz der

mahnt der fürs Oberengadin zuständige kantonale

Stromversorger Energia Engiadina.

Wirtschaftsentwickler Staivan Pitsch. Bund und

Schnelle Verbindungen seien entscheidende Argu-

Kanton haben in den letzten fünf Jahren ins Enga-

mente, um Unternehmen und Selbständige für den

din und in die Südtäler A-fonds-perdu-Beiträge von

Standort zu gewinnen. Und damit auch Arbeits-

total 12,5 Millionen und Darlehen von 5,3 Millio-

plätze zu schaffen, die nicht so sehr vom Tourismus

nen Franken vergeben.

Gesundheitswesen wird wichtiger

42

zieller Bedeutung. Dazu gehören etwa die Kraft-

abhängig sind. Intensivere grenzüberschreitende Vernetzung empfiehlt auch Volkswirtschaftsdirektor Jon Domenic Parolini, um die Wirtschaft anzu-

Bevor Jon Domenic Parolini Bündner Regierungsrat

kurbeln. Eine andere Sicht sei nötig: Das Engadin

wurde, war er 16 Jahre lang Gemeindepräsident von

und seine Südtäler seien keine Randregionen. Sie lie-

Scuol. Seit Januar führt er das Departement für

gen in unmittelbarer Nachbarschaft der wirt-

Volkswirtschaft und Soziales und ist für die Wirt-

schaftsstärksten Regionen Italiens und Österreichs –

schaftsförderung zuständig. Für die Entwicklung

nach Mailand ist es ist weniger weit als nach Zürich,

der Täler seien die Mittel der öffentlichen Hand aus-

in Innsbruck ist man schneller als in Bern.

schlaggebend gewesen, sagt der ehemalige Capo.

Weit wichtiger als alle Vernetzung bleibt jedoch für

Parolini nennt das Bogn Engiadina in Scuol, 1993

die Menschen, die das ganze Jahr in den Tälern woh-

eröffnet und zehn Jahre später erweitert. Oder die

nen, noch immer die Land- und Forstwirtschaft.

Bergbahnen Motta Naluns, die dank Investitions-

Denn ohne Bäuerinnen und Bauern, ohne Förster

hilfe eine neue Zubringerbahn und Beschneiungs-

und Forstarbeiter, welche die Landschaft pflegen,

anlagen bauen konnten. Im Oberengadin flossen

gäbe es nicht viel Tourismus. Nur Einsiedler, Aben-

vor der Ski-WM 2003 mehrere Millionen in die Inf-

teurer, Bären und Wölfe würden wirklich in einer

rastruktur der Bergbahnen.

Wildnis leben wollen.

piz 49 : Sommer | Stà 2015


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Ruth Michel Richter, Konrad Richter Wandern wie gemalt – Graubünden. Auf den Spuren bekannter Gemälde Mit zahlreichen Abbildungen und Fotos, Routenskizzen und Serviceteil 432 Seiten, Klappenbroschur, 2. Auflage 2015, 978-3-85869-594-9, Fr. 43.–

Engadiner Dorfgeschichte Die bekannte Lyrikerin Leta Semadeni legt ihren ersten Roman vor: »Tamangur« erzählt von dem stillen Kind und seiner lebenstüchtigen Großmutter in einem Engadiner Bergdorf, das »nur ein Fliegendreck auf der Landkarte« ist. Der dritte Stuhl am Tisch ist leer, der Großvater ist jetzt in Tamangur.

Kunstwandern 14 Wanderungen führen durch die vielfältige Landschaft Graubündens hin zu 22 Standorten bekannter Gemälde. Die Autoren laden ein zu Begegnungen mit prominenten Künstlern wie Giovanni Segantini, den drei Giacomettis, Ernst Ludwig Kirchner – aber auch zu überraschenden Entdeckungen. Den Bildern stehen aktuelle Fotografien gegenüber, was zu faszinierenden Einsichten führt.

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Pontresina


1

2

Den alten Römern auf der Spur Welches sind die echten Römerstrassen? Wie transportierten sie ihre Waren über die Pässe? Tumasch Planta hatte schon als Jugendlicher mit seinem Vater die Spuren erforscht. Jetzt zeigt er auf Exkursionen, was die Fuhrleute damals leisteten.

Text: René Hornung Fotos: piz

W

er die Wagenrampen und die tiefen Rad-

ten übernommen, ohne sie zu überprüfen. Armon

rinnen mitleidig belächelt, besitzt keine

Planta machte sich unter anderem auf der wichtigen

Fantasie.» Das schrieb Armon Planta (1917–

Nord-Süd-Route über den Julier- und den Maloja-

1986) in den 1970er-Jahren in einer seiner zahlrei-

pass auf Spurensuche. Und er war ernüchtert: Die

chen Abhandlungen über die Verkehrswege im al-

von Poeschel erwähnten Wege konnten nicht rö-

ten Rätien. Er war ergriffen von den Leistungen und

misch sein. Ein altes gepflästertes Strässchen – heute

Strapazen der damaligen Fuhrleute: «Sie leisteten

ein Teil des Sentiero Storico bei Löbbia im Bergell –

im Dienst des römischen Imperiums etwas, wozu

sei weder eine Römerstrasse noch jener Fahrweg,

ihre Nachkommen von sich aus nicht mehr fähig

den Jacobus de Castelmur angeblich im 14. Jahrhun-

waren, denn die fanden zum urgeschichtlichen

dert angelegt habe. «Beides stimmt nicht», schreibt

Saumverkehr zurück.»

Armon Planta: Die angebliche Römerstrasse stamme

Damit fasste Armon Planta – Lehrer, Dichter und Ar-

aus dem 18. Jahrhundert.

chäologe – zusammen, was eine seiner wichtigsten

44

Erkenntnisse war: Den urzeitlichen Passtransport

Einachsige Ochsenkarren

der Säumer entwickelten die Römer zu Karrentrans-

Armon Planta arbeitete mit Thesen: Eine davon lau-

porten weiter, doch im nachfolgenden Mittelalter

tete, dass die Römer – wenn sie mit zweiachsigen

wurden die Waren wieder auf den Rücken der Tiere

Wagen über die Pässe gefahren wären, deren vordere

geladen. Angestossen durch Aussagen in verschie-

Räder kaum lenkbar waren – die Alpenwege ohne

denen Geschichtsbüchern, unter anderem des be-

Kehren und enge Kurven gebaut hätten. Planta

rühmten Bündner Burgenforschers Erwin Poeschel,

suchte im Gelände, wo eine gerade Wegführung

startete Planta selber neue Untersuchungen. Poe-

möglich war. Zwar wurde er fündig, doch er konnte

schel hatte 1940 in seinem Buch über die Kunst-

später beweisen, dass die Fuhrleute zur Römerzeit

denkmäler des Kantons Graubünden unkritisch

mit einachsigen Ochsenkarren unterwegs waren.

frühere Aussagen zu den alpenquerenden Transpor-

Beim Ausmessen der entdeckten Spurrillen und der

piz 49 : Sommer | Stà 2015


3

4

Hindernisse kam Planta auch zu weiteren Erkennt-

zwischen Silvaplana und Sils entlang der steilen

nissen: Die Räder hatten einen Durchmesser von

Bergflanke am See war nicht, oder kaum, begehbar.

mindestens 1,2 Meter. So rollten sie auch auf holpri-

Tumasch Planta schildert auch, wie die Orte Sils und

gen Wegen. Und der Radstand war mit 1,07 Meter

Silvaplana lange um ihre Stellung als «Suste», als

immer gleich. Planta fand an allen Stellen der Julier-

Etappenort, konkurrierten. Zur Römerzeit war Sils

Maloja-Route dieses Achsmass – und es findet sich

wichtiger, ab dem 15. Jahrhundert wurde Silvaplana

auch auf den Römerstrassen im Jura.

zum bedeutenderen Ort.

In seinen vier Bänden über die Verkehrswege im alten

In gut drei Stunden Marschzeit führen die Touren

Rätien beschreibt Armon Planta detailliert jene Stel-

vom Julier nach Maloja mit vielen aufschlussreichen

len, die Teile der Römerstrassen sein müssen. Rund 15

römischen Spuren unterwegs. Als «Entdeckung

Jahre lang hatte er zusammen mit seiner Frau und den

schlechthin» bezeichnet Planta die steile Malögin-

Söhnen diese Spuren gesucht und freigelegt. Die Fa-

Rampe unterhalb von Maloja, über die heute der Sen-

milie hatte in den frühen 1970er-Jahren oft tagelang

tiero Storico führt. Hier sind zwischen den Radrin-

campiert und Geländeabschnitte freigelegt – aber

nen Treppenstufen ausgehauen. Mit Hilfe von

einmal erst in letzter Minute und im strömenden Re-

seitlichen Löchern konnte den Fuhrwerkern über

gen noch entscheidende Spuren gefunden. Unter an-

die steile Rampe geholfen werden, so Planta.

derem für diese Forschungen verlieh die Universität

Als die Karrentransporte später wieder aufgegeben

Bern Armon Planta 1986 den Ehrendoktor.

wurden und die Säumerei mit beladenen Pferden

Aktuelle Führungen

Wege angelegt. Die waren teils steiler und an schwie-

Die Forschung zu den Römerstrassen ist nicht ver-

rigen Stellen oft gepflästert – im Gegensatz zu den

gessen. Dafür sorgt unter anderem einer der Söhne,

römischen Karrenwegen mit ihren Spurrillen, die

5

1 Die Wege mit den Spurrillen sind gut zu erkennen. 2 Tumasch Planta mit dem Buch seines Vaters, der die Wege erforschte. 3 Der nachgebaute Karren zeigt, wie gross die Räder waren. 4 Planta gräbt nach Spuren. 5 Die Entdeckung schlechthin: die Malögin-Rampe.

und Maultieren erneut aufblühte, wurden neue

die damals bei der Suche mit dabei waren: Tumasch

durch die Reibung der Räder entstanden, Räder, die

Planta aus Scuol. Er hat sich als Landwirt inzwi-

nur vier Zentimeter breit waren.

schen weitgehend zur Ruhe gesetzt und zeigt bei Führungen (siehe Hinweis am Schluss des Textes) die Resultate der Wegforschung, die auf seinen Vater zu-

Auf R  merspuren

rückgehen.

Tumasch Planta führt diesen Sommer in vier

Als

brillanter

Geschichtenerzähler

schildert er, wie in römischen Zeiten auf dem Julier

Touren vom Julier- zum Malojapass:

ein Heiligtum stand – die beiden Säulenfragmente

So 28.6., Sa 18.7., Fr 14.8. und So 13.9.

beidseits der Strasse sind Zeugen davon. Die Säulen

Treffpunkt: jeweils 08.35 h, Post Silvaplana in

sind allerdings viel später am jetzigen Ort aufgestellt

Wanderausrüstung und mit Verpflegung. Mit dem

worden. Auf dem Julierpass fanden sich nahe bei der

Postauto fährt man auf den Julier. Die Wanderung

heutigen Strasse auf kleinstem Raum zahlreiche

endet in Maloja. www.chauenas.ch

Wegvarianten aus allen Epochen.

Reine Marschzeit: 3 Stunden.

Die Römer – so erfährt man unterwegs – nutzten

Kosten: 80 Franken/Person plus Bustickets.

aber nicht den Abstieg nach Silvaplana, sondern

Anmeldung bis zwei Tage vor dem Datum.

eine direkte Verbindung nach Sils, denn der Weg

Tel.: 081 864 90 71, planta.t@hotmail.ch

piz 49 : Sommer | Stà 2015

Warentransporte über die Alpen zu Zeiten der Römer: Die bis zu 45 cm tiefen Radrinnen im Fels bedingten einachsige Transportkarren mit hohen Rädern. Als Zugtiere benutzte man Ochsen (Randspalte rechts).

45


BUCHER Odolkönig zum Zweiten

Gedichte aus ersten Wörtern

St. Moritz einfach

Grossmutter, Jäger und Kind

Walter A. Büchi: «Karl August Lingner»,

Angelika Overath: «Poesias dals

Hans Peter Danuser: «St. Moritz einfach.

Leta Semadeni: «Tamangur»,

Edition Sächsische Zeitung, 220 S.,

prüms pled.», Verlag Klaus G. Renner,

Erinnerungen ans Champagner-Klima»,

Rotpunktverlag, 2015, Fr. 26.90

2015, Fr. 29.90

2014, Fr. 24.–

Somedia Buchverlag, 2014, Fr. 29.–

Vor neun Jahren hat

«Gedichte aus den

Hans Peter Danuser,

Eine Kirche, ein Schul-

Autor Walter A. Büchi

ersten Wörtern», so der

der ehemalige Kur-

haus, der Dorfplatz mit

seine erste Biografie

Titel von Angelika

direktor, zieht Bilanz:

der Lügenbank. Hier lebt

über den Odolkönig

Overaths neuem Buch.

«Es gibt nichts, was

das Kind zusammen mit

Karl August Lingner

Seit sieben Jahren

es in St. Moritz nicht

der Grossmutter. Der

(1861–1916) veröf-

wohnt die Autorin mit

gibt!» In gut zwei Dut-

dritte Stuhl am Tisch ist

fentlicht. Lingner hatte im Jahr 1900

ihrer Familie in Sent und hat in-

zend Geschichten schildert er

leer, der Grossvater, der Jäger war, ist

das Schloss Tarasp gekauft und es

zwischen Vallader gelernt. Im Zuge

Begebenheiten aus dem Zeitraum

jetzt in Tamangur. Für das Kind, das

ab 1907 zu dem ausgebaut, was es

des Sprachelernens hatte sie be-

1978–2008. Heidiland, Glacier-

immer davon träumen muss, wie sich

heute ist: Eine reiche Sammlung

gonnen, kleine Gedichte zu schrei-

Express, Polo, Alphorn-Reisen, die

der Körper des kleinen Bruders auf

von überall her zusammengetrage-

ben, und sie hat sie mit deutschen

Marke St. Moritz und die Story

dem Fluss Richtung Schwarzes Meer

nen Antiquitäten und Nachbauten.

«Annäherungen» auch selber über-

zum «Piz Matratz» sowie viel Promi-

entfernt, ist die Grossmutter ein

Jetzt hat Autor Büchi die neue Aus-

setzt, oft in mehreren Varianten.

nenz kommen vor. Er führt uns hin-

Glück. Sie hat ein grosses Herz. Auch

gabe des Buches ergänzt. Wir erfah-

Die Geschichte seien spielerisch

ter die Kulissen jenes Ortes, den er

für den Kaminfeger oder die selt-

ren mehr Details aus dem Leben

entstanden, schreibt die Autorin,

als «Extravaganz der Kulturge-

same Elsa, die manchmal Elvis Presley

Lingners und seiner Tochter. Das

aus Freude über den Klang, die Reime

schichte» bezeichnet oder als «Fest-

zum Abendessen mitbringt. Mit

Buch stellt auch das inzwischen teil-

und die Anschaulichkeit des Ro-

saal der Alpen auf dem Dach

Feingespür, Wärme und Humor, in

renovierte Lingner-Schloss in Dres-

manischen. Angelika Overath hat

Europas» mit seinem prickelnden

schnörkelloser, aber bildreicher

den vor. Auch neue Details zur Ta-

inwischen auch einen neuen Roman

Champagner-Klima und den

Sprache fängt Leta Semadeni die Welt

rasper Baugeschichte sind aufgearbei-

publiziert: «Sie dreht sich um». Da-

322 Sonnentagen pro Jahr. Danuser

der Grossmutter und des Kindes ein

tet, samt der Querelen zwischen dem

rin kommt eine Bahnfahrt durch den

schöpft in diesem Buch aus dem

und zeigt uns, wie sie sich gegenseitig

damaligen Architekten, den Hand-

Albula vor und es gibt ein Segantini-

Vollen und zeigt zum Teil bisher un-

am Leben halten. Ein freundliches,

werkern und den Einheimischen.

Kapitel in St. Moritz.

veröffentlichte Bilder.

TageinTagaus, aber immer ein Drama.

Porträts in Bild und Text

Tredeschin

Julieta Schildknecht, Jachen Curdin

Bettina Vital, Pia Valär: «Tredeschin –

Arquint: «Engiadina und Val Müstair»,

Ina praula engiadinaisa», Chasa

Scheidegger & Spiess, 2015, Fr. 39.–

Editura Rumantscha, 2014, 24 francs.

Wer sind diese Men-

En questa ediziun

schen, die in einem der

vegn la paraula dal

bekanntesten Täler der

tredeschavel uffant

Alpen wohnen und

d’ina famiglia en-

sich emotional, beruf-

giadinaisa raquin-

lich oder nebenberuf-

tada; il text è vegnì

lich mit Musik, Kunst, Literatur, Spra-

adattà da Bettina Vital, las illustra-

che, Tradition, Natur und Umwelt

ziuns ha Pia Valär creà da nov.

beschäftigen? Die Fotografin Julieta

La publicaziun d’ina paraula classica

Schildknecht und der Romanist

rumantscha, cun illustraziuns

Jachen Curdin Arquint porträtieren

finas e tschiffantas per s’approfun-

Menschen, die das Geistes- und

dar. Per uffants pitschens e gronds.

Kulturleben der «terra ladina» prägen.

E per creschids.

Die erste vollständige Sammlung der von Generation zu Generation überlieferten «Surnoms», der Spottnamen der Engadiner Dörfer und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Gesammelt und zum Teil neu geschrieben von Nicolò Men Gaudenz. Mit Illustrationen von Niklaus Heeb. Romanisch und Deutsch. Per la prüma vouta vegnan publichats quia ils surnoms da tuots noss cumüns in ün tom. Ramassats e per part scrits nouv da Nicolò Men Gaudenz. Illustrà ha Niklaus Heeb. Rumantsch e tudais-ch. Bestellung: 84 Seiten, Fr. 29.50 + Porto info@pizmagazin.ch, Edition piz, Schigliana 183, 7554 Sent stranglavachas KUHWÜRGER

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porchs SCHWEINE

tschiainders ZIGEUNER

Das Buch porträtiert 81 Persönlichkeiten in Wort und Bild. Allen gemeinsam ist, dass sie zu Hause rätoromanisch (rumantsch ladin) sprechen und nicht nur durch die Sprache eine enge Beziehung zur «terra ladina» haben. Der Band zeigt ein anderes, differenziertes Bild vom Innenleben der «muond rumantsch».

46

piz 49 : Sommer | Stà 2015


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PIZZERIA Video Arte im Palazzo Castelmur

Bregaglia bekommt den Wakkerpreis

Darin sind nicht nur die unbestrittenen architekto-

Zum zweiten Mal wird der

Der Schweizer Heimatschutz verleiht der Gemeinde

nischen Höhepunkte erfasst, sondern auch prägen-

Bergell den Wakkerpreis 2015. Damit wird das Tal für

de Elemente wie die zahlreichen Gärten samt ihren

die Pflege der wertvollen Baukultur und die intakte

Umfassungsmauern. Die offizielle Feier zur Übergabe

Kulturlandschaft gelobt. Gemeinschaftlich entwi-

des Wakkerpreises findet am 22. August statt.

Palazzo Castelmur in StampaColtura diesen Sommer zum Schauplatz zeitgenössischer Video-Kunst, in Kombination

ckelte Strategien, eine Sensibilisierung der Bevölke-

mit einer installativen und

rung und die frühzeitige Beratung am Einzelobjekt

einer malerischen Position.

ermöglichen mit geringem Aufwand den Erhalt der

An der Ausstellung – betreut

gebauten Identität und fördern hochwertige zeit-

wird sie von der Galerie Luciano Fasciati, Chur – sind ein Dutzend Kunstschaffende

genössische Architektur. Gelobt werden auch die gelebte Diskussionskultur und die Wettbewerbe für

beteiligt.

Neubauten. Das Tal zeichnet sich durch kompakte

Di-So 14–17 h;

Siedlungen aus, die Natur bleibt frei. Zur Sicherung

15.7.–15.9.: 11–17 h

und zum Erhalt des baukulturellen Erbes verfügt die

Montag geschlossen

Gemeinde über ein umfangreiches kommunales

Bis 18.Oktober 2015 www.palazzo-castelmur.ch/

Denkmalpflege-Inventar und präzise Schutzzonen.

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Günstige Wohnungen im teuren Engadin

Mühle Ftan ist jetzt eine Stiftung

Bezahlbare

Wohnungen

über 400 Jahre alte Mühle in Ftan, um sie zu erhal-

sind vor allem in den

ten. Jetzt gehört sie der lokal verankerten Fundaziun

Tourismusgebieten

des

Muglin da Ftan. Auch unter der neuen Obhut werden

zu

weiterhin Führungen angeboten. Finanziert haben

finden. In verschiedenen

die neue Trägerschaft die öffentliche Hand, das lo-

Orten gibt es Bestrebungen, die Situation zu ver-

kale Verkehrsbüro und der bereits zuvor bestehende

bessern. In Samedan konnte die Genossenschaft

Verein. Weiterhin aktiv dabei ist Cilgia Florineth, die

«Wohnen bis 25» inzwischen ein Mehrfamilienhaus

die ehemalige Müllerfamilie in fünfter Generation

realisieren, das Wohnungen für junge Menschen an-

vertritt und die in den letzten Jahren mindestens

bietet. Schreinermeister und Architekt Ernst Huber

2000 Besucherinnen und Besucher durch die histo-

hatte sich dafür eingesetzt, nachdem er schon früher

rische Anlage mit dem Wasserrad geführt hat.

Oberengadins

kaum

Vor 45 Jahren kaufte der Schweizer Heimatschutz die

Foto: Heimatschutz

ein Lehrlingshaus erstellt hatte. Die Gemeinde unterstützte das Vorhaben mit einem günstigen Baurechtszins. Finanziert wurde der sieben Millionen teure Bau mit Anteilscheinen und Privatspenden sowie mit zinsgünstigen Darlehen und Bürgschaften. Rund 60 ausschliesslich junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren sind in den 27 Wohnungen inzwischen zu Hause. www.wohnenbis25.ch A5 Flyer15_RZ.qxp_Layout 1 29.04.15 16:50 Seite 1

Strada–Turich retuorn

retuorn» zeigt, wie diese Musik in den 1920er-Jahren

Die aktuelle Sonderausstellung in der Stamparia Stra-

als neu, «lüpfig», exotisch und gleichzeitig urchig

da trägt auf Deutsch den Titel «Strada-Zürich retour».

galt. Bis vor den Zweiten Weltkrieg kannte die

Sie zeigt die Geschichte der in der Stadt populär ge-

Ländlermusik keine Berührungsängste mit anderen

wordenen Ländlermusik sowie ihre Wechselwirkung

Stilrichtungen. Erst mit Beginn des Krieges wurden

mit der Engadiner Volksmusik. Die Ausstellung ist in

Ländler als identitätsstiftend empfunden. Sie wurden

einen historischen und einen musikalischen Teil ge-

Teil des Mythos der Schweizer Nationalmusik und

gliedert und erweitert die letztjährige Sonderausstel-

Element der geistigen Landesverteidigung. Erst viele

lung «Ferm tabac!...» über Volksmusik und Blasmusik

Jahrzehnte später erreichte die Ländlermusik das

zusätzlich Donnerstag 15–17 h

im Unterengadin – die meistbesuchte Ausstellung in

Engadin und die Anstösse aus den Bergen führten zu

www.stamparia.ch

der Geschichte der Stamparia Strada. «Strada-Turich

einer Erneuerung des Stils.

Strada– Turich retuorn

Zürich–Strada und zurück

Wie Engadiner Musik nach Zürich und Ländlermusik ins Engadin kam Sco cha la musica engiadinaisa e gnüda a Turich e la musica populara in Engiadina

Buchdruckmuseum Stamparia Exposiziun annuala, Stamparia Strada | Sonderausstellung Stamparia Strada

mai–october 2015 | www.stamparia.ch |

Stradun, 7558 Strada Samstag 15–17 h, Juli/August

48

piz 49 : Sommer | Stà 2015


PIZZERIA Hotel Waldhaus, Sils-Maria Sommerprogramm 2015

22.7. Wasserzeichen auf dem Floss bei der Halbinsel Chasté mit dem Bläserquintett Roberto Gander.

Details und Ergänzungen: www.waldhaus-sils.ch

26.7. Festival Origen mit Absolventen der Scuola Teatro Dimitri zu Gast, 16.30 h.

26.6. Hugo Ramnek liest Prosatexte und Gedichte aus den letzten Büchern von Jürg Ammann.

27.7. Hut ab! – Edition Suisse, die Brüder Gernot und Wolfram Bohnenberger mit einer

29.6. Stummfilm: «Der Rosenkavalier» in einer

Comedy-Zauber-Show für die ganze Familie.

Fassung mit Musik der Staatskapelle Dresden. 3.7.

«Êch läbä noch»: Gedichte von Anna Maria

29.7. Wasserzeichen: Fränzlis da Tschlin auf dem Floss bei der Halbinsel Chasté.

Bacher und Kompositionen von Martin Derungs, Thürig Bräm und Ulrich Gasser. 6.7.

Journalist Peter Gysling erzählt von seiner Arbeit in Moskau.

7.7.

31.7. Dokumentarfilm von Roland Fornero über 2.8.

Choräle. Ein Abend mit Theologe Niklaus

3.8.

und Klaus Henner Russius mit einer humor-

5.8.

Fiona Albek (Klavier) und Ambra Albek

Wasserzeichen: Bozen Brass Quintett auf dem

und von wilden Blumen am Strassenrand. Subtil verarbeitet sie Stoffe, Gemaltes und Papiere, verbindet diese mit Stichen, durch Übermalen und Besticken. Textilkunstgalerie Art Textil

Flurin Caviezel & the red shoes orchestra:

Stron 277, 7554 Sent.

mit dem Philosophen / Mathematiker Markus

Valeria Zangger (dr), Luca Sisera (b), Pius

Ausstellung: 19.9.– 4.10.2015,

Huber und dem Psychologen / Künstler-

Baumgartner (sax, cl). Ein Abend mit viel

Di-So 12-18 h.,

Philosophen Martin Kunz.

Musik und etwas Kabarett.

Vernissage: Sa 19.9., 14 h

«Dans les jardins d’Hamilcar» présentées par

www.beatrice-lanter.ch

Philippe Boucheny et des comédiens français.

www.casholmestextiles.co.uk

16./18./21.7. Drei philosophische Abendgespräche

19.7. Sinfonieorchesters Engadin mit Werken von Bach, S. Barber und Tschaikowsky in der Alpenarena auf Clavadatsch/Fex (Matinee). 20.7. Noëlle Grübler (Violine), Graziella Rossi

7.8.

gen, an denen wir oft achtlos Vergänglichkeit allen Lebens

Floss bei der Halbinsel Chasté.

vollen Hommage an Autor Urs Widmer.

spiriert von den kleinen Din-

Blanche Kommerell liest aus Thomas Manns

Brahms und Bizet.

13.7. «Widmer!» René Ander-Huber, Helmut Vogel

Textilkünstlerin. Sie ist in-

vorübergehen, von der

(Violine / Bratsche). Werke von Schubert,

Peter und Musiker Rudolf Lutz.

Cas Holmes ist eine englische

die Arbeit eines Alphirten im Emmental. «Tristan».

«Oh du meine Seele, singe». Christliche

Subtile Textilarbeiten

9.8.

14.08. Film und Vortrag über den Tänzer Vaslav Nijinsky (Französisch).

(Erzählerin) und Helmut Vogel (Chronist) über Paganinis Musik.

Weitere Termine auf www.waldhaus-sils.ch

Werbung

Kinder auf der Alp Die drei Kinder Braida (8), Marchet (6) und Jon (3) verbringen den Alpsommer auf knapp 2000 Meter auf der Alp Gün im Safiental. Die Eltern sind Forstingenieure und passionierte Älpler. Die Mutter, eine

Gepflegte

<Websites> Nur ein aktueller OnlineAuftritt ist ein gutes Aushängeschild für Ihr Angebot!

Engadinerin, hütet, melkt und macht Butter. Der dig. Eine Alpgehilfin packt überall an. Da die Eltern viel arbeiten, müssen sich die Kinder zu beschäftigen wissen. Auf der Alp kann es langweilig sein, aber die Kinder erfahren ein naturnahes Leben und erledigen kleinere Arbeiten mit den Tieren. Kreativ und

Meine Leistungen: Webdesign und Programmierung, Update bestehender Websites, E-Mail Newsletter & Online Marketing

beherzt begegnen sie den Herausforderungen des

piguetweb.ch

Tier und Natur. Die Filmemacherin Susanna Fanzun

Webpublishing aus dem Engadin Jon A. Piguet, Via Sura, CH 7554 Sent Telefon +41 81 860 31 81

Pisoc Pictures präsentiert

Vater, Tessiner, melkt und ist für das Käsen zustän-

Ein Film von Susanna Fanzun

KÜHE, KÄSE UND 3 KINDER

Alltags. Sie müssen Verantwortung übernehmen,

JON, MARCHET E BRAIDA AD ALP

Fotograf

Produktion Pisoc Pictures Scrl · Montage Manfred Zazzi · Regie Kamera Produktion Susanna Fanzun · Ton Markus Graber · Curdin Schneider Alessandro Della Bella · Musik Nadia Braito · Giuseppe Grillo Della Berta · Mischung Manfred Zazzi · Peter von Siebenthal · Bildbearbeitung Redsmoke Kulturförderung Graubünden · Lia Rumantscha · Naturpark Beverin · Biblioteca Engiadinaisa · Bäuerinnen und Bauern aus dem Safiental

Ängste überwinden und Gefahren abschätzen. Sie beeindrucken mit ihrem Wissen im Umgang mit aus Scuol hat den Fokus auf die Kinder gerichtet

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PISOC PICTURES SCRL

Gemeinde Safiental

Jon, Marchet e Braida – Kühe, Käse und 3 Kinder. Ein Film von Susanna Fanzun.

und lanciert damit indirekt zu einem Aufruf an Er-

Seit 11. Juni im Kino sowie

wachsene, den Kindern die Türen zur Welt und zur

an verschiedenen Festivals.

Selbständigkeit zu öffnen.

www.3kinder.ch

piz 49 : Sommer | Stà 2015

49


VORSCHAU / PREVISTA

IMPRESSUM

Lassen Sie sich überraschen ! | As laschai surprender !

Autorinnen und Autoren, Fotos | auturas ed auturs, fotografias

Sie halten die piz-Ausgabe mit der Nummer 49 in der Hand. Da

Norbert Frei, *1968, Illustrator, lebt und arbeitet in Barcelona.

ist klar, was folgen wird: Die Jubiläumsausgabe mit der Nummer 50.

Köbi Gantenbein, *1956, Präsident der Kulturkommission des

So wie wir Geburts- und Hochzeitstage, Namenstage und allerlei

Kantons Graubünden und Chefredaktor von «Hochparterre», der

Jubiläen feiern, wird auch das piz-Magazin mit der nächsten Ausgabe

Zeitschrift für Architektur und Design. Er lebt in Zürich und Fläsch.

seinen Geburtstag feiern. Ein bisschen stolz sind wir schon, dass

Romana Ganzoni, * 1967, freie Autorin. Aufgewachsen in Scuol, lebt

das Magazin all die Jahre die Berichterstattung aus dem Engadin

sie heute in Celerina.

und den Südtälern kontinuierlich gepflegt hat. Manchmal kriti-

Ueli Handschin, *1953, freier Journalist in Feldis.

scher als es einigen recht war, aber immer die Dinge beim Namen

René Hornung, *1948, Redaktor des piz-Magazins und freier Journa-

nennend und im weitestens

list und Produzent im Pressebüro St. Gallen.

pflichtet. Das wollen wir

Sinn der regionalen Kultur verauch in der Jubiläumsaus-

gabe weiterführen.

Lea Olivia Giana Hummel, *1988, Gestalterin und Fotografin mit Studien der Kunstgeschichte, Szenografie und Innenarchitektur. Sie lebt und arbeitet in Basel. Benedikt Loderer, *1945, Stadtwanderer und Gründer von «Hochparterre», der Zeitschrift für Architektur und Design. Er lebt und arbeitet in Biel-Bienne. Thomas Müller, *1965, freier Journalist in Zürich. Aline Tannò, *1982, Kommunikations- und Marketing-Fachfrau und freie Journalistin. Jürg Wirth, *1969, Wirtschaftsingenieur, Journalist und Landwirt in Lavin, www.schurnalist.ch

Stampa-Coltura · 7. Juni bis 18. Oktober 2015 Di bis So · Mo geschlossen 7. Juni bis 18. Oktober 14–17 Uhr 15. Juli bis 15. September 11–17 Uhr www.palazzo-castelmur.ch

Ev el in a Ca ja co b r fr öl ic he r I bi et en ha deka s B ardi ll G ab ri el a G er be r & Lu Zi lla Le ut en eg ge r M an fr ed A lo is M ay r Yv es N et zh am m er U rs ul a Pa lla Pa tr ic k R oh ne r Se ba st ia n St ad le r O lg a Ti tu s

Magazin für das Engadin und die Bündner Südtäler Magazin per l'Engiadina ed il Grischun dal süd

N° 49, Sommer | Stà 2015. Erscheint zweimal jährlich. Auflage: 23’000 Ex., www.pizmagazin.ch Abonnemente: Edition piz, Schigliana 183, CH-7554 Sent. Zweijahresabonnement: Fr. 35.– (exkl. Versandkosten und Mehrwertsteuer). Das Abonnement ist mit einer Frist von zwei Monaten vor Ablauf kündbar. Ohne schriftliche Kündigung erneuert es sich automatisch um zwei Jahre. info@pizmagazin.ch Nächste Ausgabe: Dezember 2015: Für unverlangt eingesandtes Text-, Bildund Tonmaterial übernimmt der Verlag keine Haftung. – Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Herausgeberin | editura: Edition piz, Urezza Famos, Schigliana 183, 7554 Sent, Tel. +41 (0)79 610 48 04, info@pizmagazin.ch, www.pizmagazin.ch Redaktion | redacziun: Urezza Famos, René Hornung, redaktion@pizmagazin.ch Anzeigenverkauf | inserats: E. Deck Marketing Solutions, Edmund Deck, Via Giovanni Segantini 22, 7500 St. Moritz, Tel. +41 (0)81 832 12 93, e.deck@bluewin.ch Produktion | producziun: René Hornung, Eva Lobenwein Artdirektion, Grafik | grafica: Eva Lobenwein, Innsbruck, www.dieeva.com Bildredaktion | redacziun da las illustraziuns: Urezza Famos Bildbearbeitung | elavuraziun grafica: TIP – Tipografia Isepponi, Poschiavo Korrektorat | correctorat tudais-ch: Helen Gysin, Uster Copyright: Edition piz, Scuol Druck | stampa: AVD, Goldach (SG)


Einziehen. Ausatmen.

Park Quadratscha, Samedan Exklusive Zweitwohnungen im Herzen des Oberengadins Der «Wohnpark Quadratscha» bietet an unverbaubarer Lage in der schönsten Ferienregion der Schweiz eine einmalige Wohnsituation, die keine Wünsche offen lässt. Eine äusserlich markante Architektur, die traditionelle Baumaterialien mit den Ansprüchen moderner Formensprache verbindet. Im Innern erlauben moderne, flexible Wohnungsgrundrisse eine individuelle Gestaltung der persönlichen Raumbedürfnisse. Grosszügige Fensterflächen geben den Blick auf die imposante Bergkulisse frei und sorgen für helle, lichtdurchflutete Räume. Neben der überzeugenden Grundrissgestaltung sorgen hochwertige Apparate und Materialien für ein erstklassiges Wohngefühl. Der Ausbaustandard darf als hochwertig bezeichnet werden. Der Verkauf umfasst sieben 2½-, 4½- und 5½-Zimmer-Wohnungen im Rohbau. Somit können Ihre Ausbauwünsche optimal berücksichtigt werden.

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Lazzarini AG Grossbruggerweg 1 CH -7000 Chur T. +41 81 286 97 97 verkauf @lazzarini.ch www.lazzarini.ch

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