Magazin der EB Zürich Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Nr. 28 – Winter 2010/2011
Medienkompetenz: Von analog zu digital – auch beim Lernen? Fiona Daniel: Zu urban fürs Jodeln.
EDITORIAL
BILDER LESEN In unserer Welt sind wir immer mehr von Bildern umgeben: Fernseher, Plakate, Zeitschriften. Dazu kommen visuelle Zeichen und Piktogramme aller Art: Jeder Automat, jedes Gerät, ja sogar die Bedienungsanleitungen sind mit Symbolen versehen. All das zu entziffern, ist nicht immer einfach. Viele Orientierungssysteme verwirren mehr, als sie erklären. Wenn Sie schon mal «dringend» vor Toilettentüren gestanden sind, bei welchen die Männlein-Weiblein-Piktogramme von einem besonders kreativen Kopf gestaltet wurden, dann wissen Sie, wovon ich rede.
EB KURS Nr. 28 – Winter 2010/2011 Magazin der EB Zürich, Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Zürich, Riesbachstrasse 11, 8090 Zürich TELEFON 0842 843 844 FAX 044 385 83 29 INTERNET www.eb-zuerich.ch E-MAIL marketing@eb-zuerich.ch HERAUSGEBER Serge Schwarzenbach (für die Geschäftsleitung) REDAKTION Christian Kaiser, Fritz Keller (silbensilber, Zürich) GESTALTUNG Giorgio Chiappa MITARBEIT Kati Dietlicher, Jürg Fischer, Lea Gottheil, Guido Stalder, Fritz Franz Vogel FOTOS Philipp Baer, Roger Canali, Eva Koenig, Miriam Künzli, Reto Schlatter ILLUSTRATIONEN Andy Fischli, Eva Kläui DRUCK Ringier Adligenswil AG TITELBILD Eva Koenig
Die Zürcher Fotografin Eva Koenig hat die Bildstrecke des Hauptartikels ab Seite 8 gestaltet. Im Artikel geht es um die Frage, wie sich der Übergang vom analogen ins digitale Zeitalter auf das Lernen auswirkt. Eva Koenig hat ein Verwirrspiel inszeniert und die beiden Welten visuell vermischt. Können Sie die Bilder alle lesen und verstehen? Und wie ist Ihre persönliche Lernstrategie bei Konfrontation mit neuen Zeichen und Symbolen? Genau hinschauen, lohnt sich. Viel Vergnügen wünscht Ihnen Serge Schwarzenbach Herausgeber
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INHALT 5 PORTRÄT Nicole Amacher hat Rinder gehütet, in New York gelebt – jetzt setzt sie Management-Know-how im Parteisekretariat ein. 6 EVENT An der EB Zürich entsteht Literatur – schon seit zehn Jahren. Jetzt wurde sie fünf Stunden lang an einem Lesefest vorgelesen.
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8 MODERNE MEDIEN Digitale Ureinwohner und digitale Immigranten lernen anders. Was bedeutet das für die Lernformen und die Lehrenden?
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18 PERSÖNLICH In der Kunst der Chinesisch-Kursleiterin Sylvie Xing Chen dreht sich alles um Bewegung: in Bildern, Tänzen und Gedichten. 22 KURSFENSTER Lustvoll Sprachen lernen kann man im Sprachencafé – Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch.
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24 IM GESPRÄCH Fiona Daniel hat mit 22 schon ihren ganz eigenen Stil. Die junge Musikerin vertraut aufs Improvisieren und Experimentieren.
KURZSTOFFE 22
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Gesehen, gehört WeiterBILDung Rätsel «Wortquadrat» Kolumne Auskunft Vogelschau Kultur Tipps und Tricks Agenda So finden Sie uns
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GESEHEN, GEHÖRT
LERNEN FÜR KLEIN UND GROSS Spannend. Wie lernt ein Hund? Wie lernen wir? Im «Kulturama – Museum des Menschen» an der Englischviertelstrassse 9 in Zürich ist noch bis am 20. Februar 2011 die Ausstellung «Wie wir lernen» zu sehen. Sie zeigt wissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch Kurioses und Anregendes zum Thema. Ein Zeitband etwa, welches die in den ersten 20 Menschenjahren erlernten Fähigkeiten zeigt, aber auch eine Sammlung der Irrtümer der Menschheit. Zahlreiche interaktive Stationen und Experimente ermöglichen das Selber-Ausprobieren und das Erleben. Dabei kommen Gross und Klein auf die Rechnung, so dass sich ein Besuch mit der ganzen Familie aufdrängt. www.kulturama.ch
YOGA GANZ GEMÜTLICH Entspannt. Die EB Zürich lanciert immer wieder ansprechende neue Kurse im Bereich Gesundheitsvorsorge. Eine der Kursleiterinnen, Barbara Kündig, hat soeben ein Buch herausgebracht: In «Yoga Nidra» vermittelt die Autorin die Grundlagen dieser vergleichsweise jungen, aber sehr populären Art von Yoga. Es ist eine besondere Form der Tiefenentspannung, die einfach zu erlernen und ohne Anstrengung zu praktizieren ist. Barbara Kündig hat sich ganz dieser effektiven Entspannungsmethode verschrieben, die sich gerade auch in der hektischen Bürowelt gut einbauen lässt. Barbara Kündig, «Yoga Nidra» mit Übungs-CD, Windpferd Verlag 2010, Fr. 27.50
n wesentliches mal pro Jahr g austauschen mit fliesst
Lernen heisst vernetzen
ntlichen Insti-
Donnerstag, 18. November 2010 09.00 – 17.00 Uhr Bildungszentrum für Erwachsene BiZE Grafik: Ulrich Stelzl & Christian Hänig (Karte des menschlichen Protein-Netzwerks)
sich an Dis-
e Teilnehmen-
halte des
Bildungszentrum für Erwachsene Riesbachstrasse 11 8008 Zürich www.bize.ch
ZUHÖREN UND NETZWERKEN Vernetzt. «Lernen heisst vernetzen». So lautete das diesjährige Thema des Schweizerischen Forums für Erwachsenenbildung SFE am 18. November 2010 im Bildungszentrum für Erwachsene BiZE. Bekannte Referierende präsentierten ganz unterschiedliche Sichtweisen: Die Dirigentin Graziella Contratto verglich schalkhaft Führung mit der Beziehung zwischen Puppenspieler und Marionette, Moshe Rappoport von IBM zeigte auf, wie die digitalen Immigranten eine neue Heimat finden. Regula Fecker, Werberin des Jahres 2010, führte ins Thema ein, Boris Widmer moderierte quer durch. Alle Beiträge sind in einer Broschüre in Kurzform zusammengestellt. Bestellmöglichkeit: www.swissadultlearning.ch
ZUSAMMEN ARBEITEN UND AUSSTELLEN Verpasst? Am 11. November 2010 feierte das Lernfoyer der EB Zürich sein fünfjähriges Bestehen mit einer Werkschau für die Öffentlichkeit. Die Beteiligten zeigten, zu welchen Resultaten sie mit Hilfe der Lernform des Ateliers gelangen konnten: Webseiten, Drucksachen, Literarisches, fotografische Arbeiten oder Lernprojekte im Bereich Blended Learning. Die Besucherinnen waren von der Vielfalt und der Professionalität der gezeigten Arbeiten beeindruckt. Für diejenigen, die es verpasst haben: Auf der Moodle-Plattform der EB Zürich stellen die verschiedenen Ateliers sich und einige der an der Werkschau präsentierten Projekte vor. http://moodle.eb-zuerich.ch
Werkschau Ateliers 5 Jahre Lernfoyer EB Zürich
Bildkommunikation Literarische Texte Web gestalten und programmieren Blended Learning Drucksachen gestalten 9 Computerpraxis
Weiterbildung – wie ich sie will
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PORTRÄT
Weiterbildung zur rechten Zeit Neue Ideen. Nicole Amacher, 38, kann sich für vieles begeistern. Am wichtigsten ist ihr aber der Umgang mit Menschen in einem lebendigen Umfeld. Soeben hat die Parteisekretärin der SP Basel-Stadt den Bildungsgang «Management in Nonprofit-Organisationen» mit dem Diplom abgeschlossen und setzt das Gelernte nun um.
ganz und gar eingetaucht in diese Stadt. Ich liebe solche Gegensätze, die Berge genauso wie die Grossstadt.
AUFGEZEICHNET Kati Dietlicher BILD Roger Canali
Im Herbst 2009 habe ich den Bildungsgang ‹Management in Nonprofit-Organisationen› begonnen. Mir schien dies der richtige Zeitpunkt für eine umfassende Weiterbildung zu sein. Meine Kinder sind inzwischen zehn und zwölf Jahre alt. Organisatorisch war es recht anspruchsvoll, Familie, Arbeit und Studium unter einen Hut zu bringen. Doch mein Umfeld hat mich wunderbar unterstützt. Insbesondere die Hilfe der Grosseltern bei der Kinderbetreuung war und ist unglaublich wertvoll. Und auch die Kinder haben die strenge Zeit ganz toll mitgetragen.
«Ich habe sehr profitiert von dieser Ausbildung. Sie hat mich inspiriert und motiviert für meine Arbeit und mein berufliches Selbstvertrauen gestärkt. Zu Beginn meiner Arbeit als Parteisekretärin war ich in erster Linie für die Administration verantwortlich. Mit der Zeit habe ich aber mehr und mehr auch politische Aufgaben übernommen – Gremienarbeit, Kampagnen, Projektleitungen. Das war Learning by Doing. Meine Vorgesetzten ermutigten und unterstützten mich dabei immer. Schliesslich hatte ich aber doch das Bedürfnis, mir weitergehende Kompetenzen anzueignen. Meine Grundausbildung habe ich an der Handelsmittelschule erworben. Es war damals schwierig, eine Stelle zu finden. So sammelte ich nach meinem Abschluss vorerst Erfahrungen ausserhalb der kaufmännischen Welt. Ich habe in der Gastronomie gearbeitet, auf einer Alp im Glarnerland Rinder gehütet und längere Zeit in New York gelebt. Dort habe ich Kinder betreut, in einem Bike-Shop gejobbt, Tanzkurse und Fotoworkshops belegt – und bin überhaupt
Zurück in der Schweiz absolvierte ich eine Zweitausbildung zur Bewegungspädagogin. Nachdem ich mein erstes Kind bekommen hatte, übernahm ich eine Stelle in einem Verlag. So bin ich schliesslich doch noch in der Bürowelt angekommen.
Im Bildungsgang war mir vor allem wichtig, Kommunikationswerkzeuge zu bekommen sowie die kaufmännischen Fächer aufzufrischen, um zum Beispiel sicher ein Budget zu erstellen, Bilanzen zu lesen und zu verstehen. Wir hatten hervorragende Lehrkräfte, die den Stoff sehr anschaulich vermittelten. Überhaupt habe ich das Lernklima an der EB Zürich als sehr angenehm empfunden, unterstützend und wohlwollend. Spannend war auch der Austausch mit den anderen Teilnehmenden. Es war interessant zu erfahren, wie sie arbeiten und wie andere Nonprofit-Organisationen funktionieren. Jetzt bin ich voller Ideen, die ich in meinem Arbeitsfeld umsetzen möchte.» EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
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EVENT
10 Jahre literarisches Virus Lesefest. Eine geballte Ladung Literatur: Teilnehmende aus zehn Jahren Bildungsgang «Literarisches Schreiben» trafen sich zum Jubiläumsfest. Und servierten dem Publikum eine Fülle von Veröffentlichtem und Unveröffentlichtem in allen Variationen. TEXT Guido Stalder BILD Philipp Baer
Den Anfang machen die Neuen. Zu acht sitzen sie vorne in einer Reihe und lesen ihre Texte in bunt wechselnder Reihenfolge. Mal sitzend, mal stehend, dann inszenieren drei gemeinsam ein experimentelles Werk: rhythmisch, lebendig, farbig. Eine Mundart-Geschichte folgt, moderne Lyrik, eine Erzählung. Die Neuen, das sind Teilnehmende aus dem aktuellen Bildungsgang «Literarisches Schreiben», dem achten. Ihre Gemeinschaftslesung findet kräftigen und langen Applaus, und der hat Bedeutung: Im Publikum sitzen unter anderen ihre Kollegen und Kolleginnen aus den früheren Bildungsgängen. Eigene Sprache finden. Eine Teilnehmerin aus dem ersten Jahrgang, Krystyna Zbojnowicz, hat damals als blutige Anfängerin begonnen und musste sich das Schreiben von Grund auf aneignen – nicht ohne Mühe: «Ich bin manchmal lange vor meinem leeren Blatt geblieben, als andere schon eine halbe Seite gefüllt hatten.» Aber sie hat durchgehalten, fasziniert auch davon, wie unterschiedlich die Teilnehmenden dieselbe Aufgabe lösten. 6
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Martina Bredemeyer, die eben mit der Gruppe der Neuen auf der Bühne war, bestätigt das breite Spektrum: «Es gibt solche, die schon weitgehend ihre eigene Sprache gefunden haben, und andere, die noch weniger weit sind.» Sie selber sieht sich am ehesten im epischerzählerischen Bereich. «Aber ich bin auch schon an meine Grenzen gestossen. Ich will sie ausweiten und gleichzeitig mir treu bleiben.» Indirekter Nutzen. Was bringen die drei Semester Bildungsgang eigentlich? Peter Morf, Gründer und Leiter seit zehn Jahren, in seiner Begrüssungsrede: «Nicht, dass ein Zertifikat in literarischem Schreiben eine Lohnerhöhung mit sich brächte oder dass eine Garantie auf Veröffentlichung von Büchern gegeben wäre.» Der Nutzen sei indirekt, aber auch sehr nachhaltig. Man beschäftige sich mit der Sprache, «einem wunderlichen Stoff, der sich formen, gestalten, ja kneten, drehen, brechen und neu arrangieren lässt». Da stelle man sich manchmal ungewöhnliche Fragen: «Wie schmeckt die Sehnsucht neben der Angst auf einem Flughafen im afrikanischen Nirgendwo? Wo hört die Kindheit auf? Und wie riecht der 1. September 1984?» Es entstehen Texte aller Art, Entwürfe, Übungstexte, Etüden zwischen Pflicht und Kür. Farbige Leseinseln. Das Publikum hat sich auf vier Orte im Bildungszentrum verteilt. Da sind jeweils Leseorte mit einigen Stuhlreihen eingerichtet, jeder Ort in ein farbiges Scheinwerferlicht getaucht: die rote, gelbe, grüne und blaue Leseinsel. Hier lesen Abgängerinnen und Abgänger der früheren Jahre
EVENT
aus ihren Werken. Stolze vierzig haben zugesagt, von gut hundert, die den Bildungsgang bisher absolviert haben. Carlo Sauter, Mitbegründer und Dozent für Experimentelles Schreiben, ist berührt davon, wie viele den Mut aufbringen, Grenzen zu durchbrechen, «ungehörte und unerhörte» Sätze zu bilden: «Die neuen Formen haben mich sehr glücklich gemacht.» Das habe für ihn eine befreiende, durchaus auch politische Bedeutung: Wer die Sprache aus ihren Grenzen löse, eröffne neue Möglichkeiten der Kommunikation. Der liebe Markt. Zwischendurch wird auf dem Podium diskutiert, unter der Leitung von Daniel Rothenbühler, Dozent am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. Bei ihm sitzen drei Teilnehmerinnen von früheren Bildungsgängen, die «es geschafft» haben. Sabina
Altermatt und Lea Gottheil haben Romane veröffentlicht, Jolanda Fäh einen Gedichtband. Ihre Einstellungen zu Beginn der Ausbildung waren äusserst unterschiedlich: Während Sabina Altermatt heimlich am Sonntagmorgen schrieb, war für Lea Gottheil das Berufsziel Schriftstellerin gesetzt. Einig sind sich aber alle drei, dass der Austausch im Bildungsgang sehr viel gebracht habe, mit Dozierenden und Teilnehmenden. Sie hätten die drei Semester auch nicht als Schule erlebt, sondern als Ort für unkomplizierte Kreativität. Lea Gottheil: «Manchmal habe ich beim Mittagessen die wichtigsten Dinge erfahren.»
In einem zweiten Punkt sind die Autorinnen gleicher Meinung: Beim Schreiben auf den Markt zu schielen sei unsinnig. Aber wenn man ein Werk nachher veröffentlichen wolle, müsse man sich schon mit den Verlagen beschäftigen. Langzeitwirkung. Der Lese-Marathon auf den Inseln geht weiter, mit erzählerischen, lyrischen, dramatischen, experimentellen Texten. Peter Morf ist beeindruckt von der Fülle der Arbeiten und auch davon, wie viele frühere Teilnehmende drangeblieben sind und sich weiterentwickelt haben: «Offensichtlich ist es uns gelungen, ein literarisches Virus einzupflanzen, das weiterwirkt.»
WEITERE INFOS – Infoabend des nächsten Bildungsgangs «Literarisches Schreiben» (Beginn Frühling 2011): Montag, 6. Dezember 2010 von 18 bis 19 Uhr, Zimmer 215 – Finissage des aktuellen Bildungsgangs: Samstag, 26. März 2011, 14 bis 19 Uhr, voraussichtlich in der Aula der EB Zürich
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MODERNE MEDIEN
Aussicht in neue Lernlandschaften Bits und Bytes im Unterricht. Aufgewachsen mit Computer, Internet und Facebook: Junge Menschen wollen auch in der Weiterbildung nicht auf die neuen Medien verzichten. Was ändert sich dadurch beim Lernen? Umstellen müssen sich auf jeden Fall die Lehrenden. TEXT Fritz Keller BILDER Eva Koenig
Sind Sie nach 1982 geboren? Ja? Dann sind Sie ein «Digital Native»; wenn nicht, gehören Sie zu den «Digital Immigrants». Diese Unterscheidung machte der amerikanische Autor Marc Prensky in seinem Buch «The Digital Natives», das 2001 auf den Markt kam. Prensky griff mit dieser einfachen Zweiteilung in eine Diskussion ein, die in Fachkreisen seit einiger Zeit intensiv geführt wurde: Was verändert sich bezüglich des Lernens, ob man nun ohne Computer, Internet und Mobilkommunikation gross geworden ist oder mit. Vieles, war Prenskys Antwort. Sprachproblem. «Digital Natives» sind laut Prensky junge Menschen, die mit den neuen Medien aufgewachsen sind und deshalb bestens damit umgehen können. Sie sind in diesem Land, in dem Computer und andere elektronische Geräte «regieren», zur Welt gekommen und sprechen deshalb auch dessen Sprache problemlos. Vor 1980 geborene Menschen wohnen zwar auch in diesem Land, sie kommen aber gewissermassen von aussen, sind Immigranten. Sie werden die Sprache der neuen Medien immer mit einem Akzent sprechen und darin nie ganz heimisch werden. 8
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So argumentiert Prensky. Das aber führe dazu, dass die Lehrenden von heute die «digital natives» mit ihrer Sprache gar nicht mehr erreichten: «It’s very serious, because the single biggest problem facing education today is that our Digital Immigrant instructors, who speak an outdated language (that of the predigital age), are struggling to teach a population that speaks an entirely new language», schrieb Prensky. Frei übersetzt: Ältere Lehrende erreichen jüngere Lernende gar nicht mehr, weil sie eben nicht die gleiche Sprache sprechen. Das ist provokativ gesagt und gibt Stoff für heftige Auseinandersetzungen. Hat Prensky recht? Bei genauerem Hinsehen tauchen Einwände auf. Viel vor dem Bildschirm. Vor und nach Prensky gab es andere, die versuchten, die Generation der nach 1980 Geborenen mit ihrem speziellen Medien- und Lernverhalten zu fassen zu kriegen. Neben «Digital Natives» tauchten Begriffe auf wie «Millenial Learners», «Generation @», «Net Generation» («Net Gener»), «Screenager» und andere mehr. Allen Begriffen ist gemein, dass sie sich implizit oder explizit daraus ableiten, wie hoch die Mediennutzung der jungen
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Menschen im Alltag ist. Zahlreiche Studien in verschiedensten Ländern zeigen ein ähnliches Bild, das nicht weiter überrascht. Jugendliche und Personen mittleren Alters nutzen das Internet wesentlich länger als ältere Semester, die dafür mehr Fernsehen schauen. Das zeigt eine Studie des Marktforschungsunternehmens GFS in Zürich aus dem Jahre 2009 (siehe Grafik). In etwa gleich verteilt ist der Zeitungskonsum. Dass es beim Lesen von Büchern keine signifikanten Unterschiede nach Altersgruppen gibt, überrascht schon eher. Wichtig ist vor allem, wie viel Zeit jemand vor dem Bildschirm verbringt. Auch da zeigen die jungen Nutzerinnen und Nutzer Spitzenwerte. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des britischen Ofcom, dem Pendant zum schweizerischen Bundesamt für Kommunikation, kommt zu Schluss, dass 16- bis 24-Jährige dank Multitasking täglich neuneinhalb Stunden Medien
in sechseinhalb Stunden konsumieren (http://stakeholders.ofcom. org.uk). Sie setzen sich also durchaus mal mit dem Computer vor den Bildschirm, sind im Chatroom und schauen sich gleichzeitig eine Serie an. Positiv oder negativ? Positiv müsse man das sehen, sagen die Befürworter im Gefolge Prenskys. Junge Leute seien nicht nur viel fixer im Umgang mit neuen Medien, sie seien auch selbstbewusster. Ihre Multitasking-Fähigkeit, das sogenannte «Parallel Processing», lasse sie schnell arbeiten. Beim Lösen von Problemen würden sie vermehrt auf eine Trial-and-Error-Strategie setzen und dadurch selbständiger zum Ziel kommen. Neben den höheren Selbstlernkompetenzen zeichneten sie sich auch durch höhere Sozialkompetenzen aus, weil sie ihr Wissen immer auch weitergäben. – Andere sehen in der erhöhten Mediennutzung von Ju-
gendlichen vor allem Gefahren. So befürchten sie Vereinsamung vor dem Bildschirm, beklagen steigende Nervosität und nachlassende Aufmerksamkeitsspanne – dafür wurde mit «Attention Deficit Disorder» auch schon ein Krankheitsbegriff gefunden. Und hinter die angebliche Zunahme an Selbstlernkompetenz setzen sie ein grosses Fragezeichen. Der hohe Medienkonsum der Jugendlichen sei eher Fluch als Segen. Differenzierung tut not. Rolf Schulmeister, Pädagogik-Professor an der Universität Hamburg, hat in seiner online veröffentlichten Arbeit «Gibt es eine ‹Net Generation›?» die ganze Diskussion rund um diese Generation verfolgt und kommentiert. Man folgt seinen Schlussfolgerungen gerne, wenn er dazu auffordert, die Sache differenzierter zu sehen. Erhöhter Medienkonsum allein bedeute nicht, dass sich Einstellungen, Sehn-
TÄGLICHE MEDIENNUTZUNG IN SOZIODEMOGRAFISCHEN UNTERGRUPPEN Alter 65–84 Jahre 40–64 Jahre 18–39 Jahre
Zeitung
SRG TV
Ausland TV
SRG Radio
Lokalradio
Bücher
Zeitschrift
Internet
67 63 54
71 57 43
63 60 53
37 23 14
30 29 32
18 19 20
27 16 13
12 35 51
Quelle: Univox – Bericht «Kommunikation und Medien» 2009
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süchte und Wünsche gegenüber früheren Generationen geändert hätten. Insbesondere aber könne es nicht angehen, alle Jungen in einen Topf zu werfen. Schulmeister wirft den Verfechtern der «Net Generation» vor, «… , dass sie mit dem Klischee der Generation die fundamentalistische Diversität der Jugend bzw. der Lernenden zukleistern und damit genau jene Lernercharakteristika verdecken, die für Erzieher und Pädagogen, für Lehrer und Hochschullehrer essentiell sind.» Gleichmacherei bringt nichts. Auch für die Professorin Sabine Seufert vom Swiss Centre for Innovation in Learning SCIL in St. Gallen ist klar, dass man nicht alle Jungen über den gleichen Leisten schlagen darf. In ihrem Beitrag zum Arbeitsbericht «Kompetenzentwicklung mit Web 2.0» sagt sie deutlich: «Es gibt nicht den ‹Net Gener›. Differenzierungen sind schwierig, aber notwendig.» Trotzdem hält Seufert an der Frage fest, was die Konsequenzen für zukünftiges Lernen sind, wenn Junge in die Hochschulen und in die Weiterbildung drängen, die aufgrund ihrer (Medien-)Sozialisation spezielle Lernerwartungen mitbringen. 10
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Qualität steigern. Potenzial sieht Seufert auf verschiedenen Ebenen. Zum einen geht es ihr um die Medienkompetenz. Wenn Junge viele Stunden vor dem Bildschirm sässen, heisse das keinesfalls, dass sie auch kritisch-konstruktiv mit den Möglichkeiten des Computers umzugehen wüssten. Auch da brauche es Schulung und Unterstützung. Die St. Galler Professorin spricht dabei von einer «Media literacy for life long learning». Diese meint die Fähigkeit, sich über das Netz Wissen anzueignen und mit anderen zu teilen. Mit dazu gehört aber auch die Fähigkeit zur ständigen Reflexion über das eigene Vorgehen. Das gilt zum Beispiel bei der Einordnung von Suchresultaten auf Google. Dafür muss man wissen, wie Google und auch andere Suchmaschinen die Hierarchie aufbaut. Jugendliche lassen sich da manchmal zu schnell blenden. Grundsätzlich aber eröffnen die neuen Technologien laut Seufert Möglichkeiten, die das selbstgesteuerte und vernetze Lernen ideal unterstützen. Sie erlauben den interaktiven Austausch mit anderen Lernenden. Solche Vernetzungen sind dann hilfreich, wenn es
zum Beispiel darum geht, (Zwischen-)Resultate zu präsentieren oder bei Schwierigkeiten Hilfe einzuholen. Lernen wird so über vielerlei Grenzen hinweg möglich. Seufert fordert, dass künftige elektronische Lernsysteme noch stärker auf eine lernerzentrierte Perspektive setzen. Die Amerikaner Jafari, Mc Gee und Carmean haben vor ein paar Jahren das Konzept eines solchen Lernsystems präsentiert, das sie wegen seiner Vielseitigkeit mit einer «Swiss Army Knife Toolbox» vergleichen (Educase Review [www.educause.edu], Vol 41). Fünf Kriterien müsse ein solches Lernsystem erfüllen: 1. Lebenslang: Das Lernsystem ist für den Lernenden ein Leben lang vorhanden, er «zügelt» es immer mit. Solche Lernsysteme müssen lernendenzentriert sein und nicht institutionenzentriert. 2. Outgesourct: Das Lernsystem wird im Netz zur Verfügung gestellt und ist deshalb kostengünstig. 3. Global: Das Lernsystem ermöglicht das Networking und die Zusammenarbeit über Institutionengrenzen hinweg und biete damit zusätzliche Lern-, Lehrund Forschungsmöglichkeiten.
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4. Umfassend: Das System bietet alle notwendigen Tools für alltägliches Lernen und Lehren, das heisst ein Learning oder Content Managing System, E-Portfolios, Blogs, Podcastings, privates und geschäftliches Networking, Peer-Review, Prüfungen, Speicherplatz sowie verschiedene Kommunikations- und Kollaborationstools. 5. Intelligent: Das Lernsystem unterstützt die Nutzenden, indem bestimmte Prozesse automatisiert werden. Das System muss dafür die Fähigkeit aufweisen, zu lernen, zu denken, Schlüsse zu ziehen und entsprechend zu handeln beziehungsweise zu reagieren. Jafari und seine Kollegen formulierten Idealvorstellungen. Solche persönlichen Lernsysteme lassen sich aber schon im ganz Kleinen realisieren, das beginnt mit einem elektronischen Lernjournal oder mit einen regelmässigen Lernblog. Mit welchen Tools sich Lernende ihre persönliche Lernumgebung zusammenbauen, ist letztlich sekundär. Es muss für sie selber funktionieren.
Selbst gesteuert. Persönliche Lernumgebungen dienen dazu, die Autonomie der Lernenden zu stärken. Sie können ihr Lernen zunehmend selber steuern und dafür auch die Verantwortung übernehmen. Sie setzen eigene Schwerpunkte gemäss ihren Bedürfnissen und Voraussetzungen. Statt Wissen einfach vorgesetzt zu bekommen, holen sie sich, was sie für eine ganz bestimmte Aufgabe brauchen. Das hat einschneidende Konsequenzen für die Rolle der Lehrpersonen. Der Anteil der reinen Wissensvermittlung wird abnehmen, wenn sich Lernende irgendwelche Fakten mit ein paar Klicks auf den Bildschirm holen können. Eine andere Geschichte ist es dann, diese Fakten einzuordnen und in einen Kontext zu stellen. Da sind Lehrpersonen als Beraterinnen und Berater gefragt, die Lernende dahingehend unterstützen, ihr Wissen sinnvoll zu verwalten und einzusetzen. Anstatt bestimmte Inhalte vorzugeben, reagieren moderne Lerncoaches auf Bedürfnisse und Fragen der Lernenden. Mit dem Ausspruch «From Sage-on-the-Stage to Guide-by-theSide» (Vom Weisen auf der Bühne zum Begleiter an der Seite) haben die amerikanischen Pädagogen EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
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Stinson und Milter diese neue Rolle auf den Punkt gebracht. Dass das ein Umdenken bei Lehrenden erfordert, versteht sich von selbst. Erfahrungen in der Praxis. Ein Blick in die Bildungslandschaft zeigt, dass Veränderungen am Laufen sind, und zwar in der Grundschule wie in der Erwachsenenbildung. Aufsehen erregt hat zum Beispiel das iPhone-Projekt an einer Schule in Goldau im Kanton Schwyz.
Im Rahmen eines zweijährigen Versuchsphase erhalten alle Kinder einer 5. Klasse persönliche Smartphones (Modell: Apple iPhone 3G), die sie nach einer Einführungszeit auch nach Hause nehmen und ausserschulisch nutzen dürfen. Damit haben die Kinder jederzeit und überall ein Gerät zur Verfügung, mit dem sie lesen, schreiben, rechnen, zeichnen, fotografieren, Musik und Töne hören und aufzeichnen, telefonieren sowie im
Internet surfen und kommunizieren können. Die Kinder sollen das Gerät innerhalb und ausserhalb der Schule als Teil ihrer persönlichen Lern- und Arbeitsumgebung nutzen und damit emanzipiert und kritisch mit zukünftig immer verfügbarer Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) umgehen lernen. Es wird sich zeigen müssen, wie sich das Lernen der Kinder entwickeln wird. Das Projekt allein zeigt, dass selbst be-
Das Internet als «Technologie der Vergesslichkeit» «Macht uns Google dumm?» Im Juli 2008 veröffentlichte der amerikanische Journalist Nicholas Carr ein Essay mit diesem Titel in der Zeitschrift «Atlantic Monthly». Die heftigen Reaktionen zeigten Carr, dass er den Finger auf einen wunden Punkt der neueren Technologieentwicklung gelegt hatte. In der Folge veröffentlichte er das Buch «The Shallows – What the Internet Is Doing to Our Brains». Nun liegt das Buch in deutscher Sprache vor. Carr geht es nicht spezifisch ums Lernen. Sein Fokus liegt auf der Frage, 12 EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
wie wir mit Informationen respektive mit Wissen umgehen. Das Fazit ist eindeutig: Wenn wir uns zu sehr auf die moderne Computertechnologie und das Internet verlassen, dann laufen wir Gefahr, das zu verlieren, was uns als Menschen ausmacht, nämlich unser Denk- und Urteilsvermögen. Nicht verwunderlich, dass diese radikale Aussage je nach Standpunkt Zustimmung oder Kopfschütteln auslöst. Carr stützt sich in seiner Argumentation auf Einsichten aus der Gehirnforschung. Für diese besteht seit einiger Zeit kein Zweifel mehr, dass
das menschliche Gehirn plastisch ist, will heissen, sich an ein verändertes Umfeld anpasst, beziehungsweise anpassen kann. Das Internet mit seinen mannigfaltigen Vernetzungsmöglichkeiten via Hyperlinks verleitet laut Carr zu einem oberflächlichen Denken, das unkonzentriert zwischen all den Möglichkeiten hin- und herspringt. So verstärken sich jene Teile im Gehirn, die diese Flexibilität aufweisen, geschwächt werden aber längerfristig jene, die uns eine dauerhafte Konzentration ermöglichen.
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stimmtes Lernen mit elektronischen Hilfsmitteln schon in der Grundschule ein Thema ist. (www. projektschule-goldau.ch/das-iphoneprojekt) Hochschulen als Vorreiter. Eine grosse Verbreitung haben elektronische Plattformen an Universitäten gefunden. Mitgespielt haben sicher auch Effizienzgründe: Unterlagen für 500 Studentinnen und Studenten lassen sich einfacher
Wenn wir schneller lesen, werden kürzere Texte entstehen. Das Aufkommen von SMS-Romanen ist für Carr ein Hinweis dafür. Und mit der Digitalisierung von ganzen Bibliotheken werde einer Tendenz Vorschub geleistet, die ein Buch nicht mehr als Ganzes sehe, sondern nur noch als eine Folge von Bits und Bytes, die beliebig unterbrochen werden könne. Damit verloren gehe das konzentrierte lineare Lesen, wenn Bücher nur noch in «Schnipseln» konsumiert würden. Das werden sich auch die auf Erfolg erpichten Autoren merken müssen und ihren Schreibstil entsprechend anpassen.
verteilen, wenn alle das Skript in einem elektronischen Briefkasten abholen müssen und sich auf dem Heimdrucker ausgeben lassen. Die Ziele aber sind höher gesteckt. An der pädagogischen Hochschule St. Gallen dokumentieren in ausgewählten Lehrveranstaltungen die zukünftigen Junglehrer/innen ihre eigenen Lehr- und Lernerfahrungen als Reflexions-, Präsentationsund Career-Portfolio in einem elektronischen Portfolio, dem E-Port-
Carr zeigt eindrücklich, wie das Internet mit all seinen Möglichkeiten unser Leben und Denken nachhaltig verändern wird. Er ist vorsichtig genug, nicht einfach schwarzweiss zu malen, weil auch er anerkennt, dass es kein Zurück gibt. Und ein Rezept, was man aus dieser Situation machen könnte, hat er auch nicht. So endet denn sein Buch mit dem beinahe schon zynischen Satz: «Wir heissen die Hektik in unserer Seele willkommen.»
folio. Später sollen die Kinder in der Grundschule von diesen Erfahrungen profitieren. Noch besteht für Projektleiter Martin Hofmann viel Handlungsbedarf und er konstatiert, dass wir in der Schweiz im Vergleich mit den angelsächsischen und nordischen Ländern im Rückstand sind. Das werde sich fast automatisch ändern müssen, schreibt er in seinem Blog. «Es ist allerdings anzunehmen, dass die fortschreitende
Nicholas Carr Wer bin ich, wenn ich online bin … … und was macht mein Gehirn solange? Blessing Verlag; München 2010 Fr. 34.90
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DIE BILDER: AUS ANALOG WIRD DIGITAL «Das Selbstverständliche des Denkens und Lesens wird verschwinden, und an seine Stelle wird das Unselbstverständliche treten.» Das schreibt der Publizist Frank Schirrmacher im Vorwort zu Nicholas Carr’s Buch (siehe Seite 12) über den Wandel von der analogen Welt zur digitalen Welt. In den Bildern der Zürcher Fotografin Eva Koenig zeigt sich etwas von diesem scheinbar Verständlichen, das zum visuellen Stolperstein werden kann.
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Digitalisierung der Wissensgesellschaft unweigerlich auch in der Schweiz dazu führen wird, dass wir uns vermehrt mit E-Portfolios und E-Portfolio-Kompetenzen der Lernenden auseinandersetzen müssen.» (http://eportfolio-phsg.ning. com; http://e-portfolio.kaywa.ch) (K)eine Generationenfrage. An der EB Zürich wird in vielen Lernveranstaltungen für die Lernenden mit einer speziellen Software eine elektronische Lernplattform eingerichtet, zu der die Teilnehmenden freien Zugang haben. Auf der Plattform können Dateien abgelegt und deren Inhalte mit Kommentaren versehen werden. Wikis erlauben das gemeinsame Arbeiten an bestimmten Inhalten. In Chaträumen können sich die Lernenden zeitgleich unterhalten. Und wie reagieren die Teilnehmenden auf dieses Angebot? «Jüngere probieren schneller mal etwas aus und zeigen das auch gerne den Mitlernenden. Ältere zögern manchmal, machen erst voll mit, wenn von der Nützlichkeit einer Anwendung überzeugt sind», sagt Miriam Fischer, Projektleiterin für das Lernen mit modernen Medien an der EB Zürich. Wichtig sei, dass Lernende im digitalen Dschungel nicht allein ge-
lassen würden, das gelte aber für alle Altersgruppen. Die EB Zürich hat deshalb in den letzten Jahren das Beratungsangebot stark ausgebaut. Lernende können sich so für ihre speziellen Anliegen online oder vor Ort Unterstützung holen, ohne gleich einen ganzen Kurs besuchen zu müssen. Vielerorts wird ausprobiert. Und die Praxis zeigt, dass es entgegen den Prophezeiungen von Prensky keineswegs nur die Jungen sind, die sich mit diesen Möglichkeiten auseinandersetzen. «Für mich ist der Unterschied zwischen ‹Digital Natives› und ‹Digital Immigrants› nicht entscheidend», sagt Miriam Fischer. «Bei Jung und Alt werden sich jene Möglichkeiten durchsetzen, die ein lustvolles und effizientes Lernen ermöglichen.» Nicht der Zugang oder das technisch Machbare werden der Massstab sein, sondern die Frage, ob die Lernenden – gleich welchen Alters – auch einen Nutzen für ihre eigenen Ziele sehen.
WEITERBILDUNG
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WAAGRECHT (I = J = Y) Saisongerechter Anlass, keinen guten Faden am Käse zu lassen Weckt nicht etwa Emotionen, sondern mischt in der Küche alles durcheinander 12 Weshalb Träumer an Realitätsverlust leiden 13 Gewissermassen ein Liegestuhldrang 14 Macht den Muskelmann erst so richtig drahtig 15 Vornehme Innenräume 18 Ist nur vor Wert einen Gedanken wert 23 Sorgt für mediterrane Geräuschkulisse 24 Wie Descartes seine Erkenntnis verband 25 Gehört zur Finnlandesansprache 27 Angehöriger des Bleifussvolks 29 Wird auf Neudeutsch medial verbreitet ... 30 . . . beziehungsweise in Knochenarbeit ausgeführt 31 Werden von Romantikern voll ausgelebt 4 9
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SENKRECHT Brutzelt sie in der Pfanne, war am Anfang Huhn, nicht Ei Des Mädchens Name lässt auf königlichen Stand schliessen Schmilzt in Österreich auf hohem Niveau, steht ausserdem für ausserdem Damit endet im Gourmetlokal das Mehrgangmahl Macht im Knopfloch gute Figur Folgt auf Schellen und ist doch keine Eichel Verstärkt den Zorn auf der Richterskala Was Federer möglicherweise hat, aber sicher nicht ist Ein Hindernis für Leichtathleten 19 senkrecht ohne Parkplatz ist morgenaktiv Relativ junges Land, gewissermassen verlängertes verkürztes vereinigtes Königreich Brettsport im Schweizervolksmund Wortreiches Erzählkunststück Das Rätsel im Rätsel Poseidons Berufskollege Gehört, verkürzt, ins Parterre Ist im Mutterland daheim Anziehungskraftquelle
LÖSUNGSWORT
Schicken Sie das Lösungswort, das sich aus den grauen Feldern ergibt, an raetsel@eb-zuerich.ch. Einsendeschluss: 21. Dezember 2010. Die Lösung findet sich ab dem 27. Dezember 2010 auf www.eb-zuerich.ch/blog. Unter den richtigen Einsendungen werden 5 Preise verlost. Erster Preis ist ein Bildungsgutschein der EB Zürich im Wert von 100 Franken. Zweiter bis fünfter Preis ist eine EB-Zürich-Tasche.
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KOLUMNE
Lea modernisiert sich Bevor ich aber meine Turnschuhfüsse in diesen Laden setzte, stand ich davor und las sie alle noch einmal. Alle Grussbotschaften, die sich auf meinem Telefon in den letzten zwei Jahren gesammelt hatten. Das Telefon konnte eben nicht viel mehr als telefonieren und die Grussbotschaften empfangen, verschicken. Die Tastatur war erbleicht, der kleine Bildschirm verklebt und grau. Glückwünsche zum Geburtstag, Buch, Sohn. Ich starrte in eine der Baugruben, die den Laden umrahmten. All diese Botschaften würde ich nicht retten können, eroberte ich mit dem neuen Wunderkasten das Universum. Ich versuchte, sie mir auf irgendeine Art zu merken, ihnen einen Platz in mir zu schaffen, der leuchtete, wenn ich mich verlassen fühlen sollte. Jetzt fühlte ich mich genug stark, diesen kleinen glänzenden Palast zu betreten. Hier war alles poliert, sortiert, gut möglich, dass man den Menschen hinter den Tresen mit der Fingerkuppe über den Mund wischen konnte und sie begannen zu sprechen. Das wusste ich über mein Gerät, welches für mich reserviert war. Fingerkuppe drüber und schon kannst du dies und kannst du das, kannst du eigentlich ALLES. Du darfst dir keine Zweifel anmerken lassen, sonst hängt er an dieses Ding lauter kostspielige Unnützlichkeiten dran, dachte ich.
Immer gerade stehen und klar formulieren. Man hatte mir gesagt: Dein Leben wird sich mit dem Kauf des Wunderkastens vollkommen verändern. Wer machte sich da keine Gedanken? Zuhause legte ich mein neues ALLES auf unser bestes Möbel, kochte mir einen Tee und strich mir Brote. Ich wollte in meinem Buch weiterlesen und hielt inne. Das Gerät spie Radiosendungen, Zeitungsberichte und Songs aus, dass es für unendlich viele Leben reichte, aber nicht für mein kleines Dasein. Ich wusste nicht, ob ich die Lücken finden würde für all die politischen Diskussionen, literarischen Besprechungen, Blogs, Podcasts, I-blis und I-blas, mein Herz klopfte schnell und ich schwitzte auf meiner Nase. Das besserte sich nicht, als sich das Ding meldete, Xylophonklänge, mach etwas mit mir! Fingerkuppe! Ich strich mit der Fingerkuppe über einen Kasten, der mir befahl: Entriegeln! Entriegelte und da war die sonore Stimme meines Liebsten und ich sagte, ja, ich habe ihn und bin
glücklich, aber ich muss eine Menge lernen, ich kann ja noch gar keine Botschaften schicken, niemanden anrufen, ich bin verloren, ich hätte es nie kaufen sollen, ich stand da in meiner alten Jacke und die haben es mir viel zu teuer verkauft, weil die gespürt haben, dass so ein Gerät nicht zu mir passt und Bücher werde ich jetzt auch nicht mehr lesen. Mein Liebster hat ein bisschen gelacht und gesagt, ich soll die Bedienungsanleitung lesen, dann fühlte ich mich sicher gleich besser. Es ist ein wenig wie früher, als ich ausladende Taschen mit mir herumgetragen habe. Zeitung, kleiner Duden englisch-deutsch, Fahrplan, Stadtkarte, Postkarten mit lieben Grüssen. Bloss, dass ich jetzt alles im Wunderkasten drin habe. Aber es ist nicht nur das … irgendwie habe ich plötzlich das Gefühl, ein Mensch meiner Zeit zu sein. Das ist gar nicht mal schlecht.
LEA GOTTHEIL, 34, ist Autorin in Zürich. Für ihre Kurzgeschichten und Gedichte hat sie im In- und Ausland Auszeichnungen erhalten. Der im Arche-Verlag erschienene Roman «Sommervogel» ist u.a. mit dem Buchpreis Hirzen ausgezeichnet worden. Von Mai 2002 bis Juli 2003 hat Lea Gottheil an der EB Zürich den Bildungsgang «Literarisches Schreiben» besucht.
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PERSÖNLICH
Tänzerin zwischen den Welten Grenzen abbauen. Die Künstlerin und Chinesisch-Kursleiterin Sylvie Xing Chen sucht und wagt auf jedem Gebiet den Brückenschlag: zwischen Kulturen, künstlerischen Metiers, Epochen, Menschen, Muttersprachen. Taoismus und Zen-Buddhismus sind die Quellen für ihr Schaffen. TEXT Christian Kaiser BILDER Sylvie Xing Chen
«In der Bewegung liegt die Kraft», heisst es hier oder auch: «Stillstand ist der Tod». Die Chinesen sagen: «Das Leben ist Bewegungen.» Ganz besonders scheint das für Sylvie Xing Chens Leben zu gelten. Leichtfüssig bewegt sie sich zwischen künstlerischen Welten hin und her: Kalligraphie, Malen mit mineralischen Pigmenten, Fotografie, Installationskunst, Poesie oder Tanz-Performances. «Kunst kennt keine Grenzen», lautet ihr künstlerisches Leitmotiv, und so strebt sie mit ihrem Kunstschaffen nach nicht weniger als der Symbiose zwischen der traditionellen chinesischen Kunst und der modernen westlichen – und will dafür gleich noch alle künstlerischen Disziplinen miteinander verbinden. Am liebsten führt sie dabei auch noch Schweizer Künstlerinnen und Künstler mit chinesischen zusammen.
Tanzbilder. Sylvie Xing Chen schafft das mit ihren 28 Jahren tatsächlich. Das zeigte sich etwa in diesem Sommer bei ihren künstlerischen KulturaustauschAktivitäten in ihrer Heimatstadt Guangzhou: Höhepunkt war die von der Schweizer Botschaft unterstützte Ausstellung «Dancing Images from East and West» in der Fei-Gallerie. Die grosszügigen weissen Gallerieräume bildeten die Kulissen für Sylvies Xing Chens moderne, abstrakte Kalligraphiebilder, ihre Fotografien in Farbe und Schwarz-Weiss, ihre in alten Techniken gemalten Mineralbilder und ihre raumgreifenden Installationen aus verschiedenen Materialien. Körpermalen. Die edel inszenierte Ausstellung selbst wiederum bildete die Bühne für «Tanz-Kalligraphien»: Sylvie Xing Chens Körper zeichnete allein oder gemeinsam mit befreundeten Tanzpartnern aus Zürich Formen in Schwarz und Rot in den weissen Raum, und die Tänzer traten mit den ausgestellten Objekten in einen Dialog (zum Beispiel in dem von Ursula Berger choreografierten Stück «Edge of Red»). Sylvie Xing Chens Kunst ist Bewegung pur, die Bewegung beim Machen spiegelt sich in den Bildern, die Bilder an den Wänden tanzen, die Performance-Künstler tanzen Bilder in den Raum, alles tanzt. Leere bringt Fülle. Ohne dass einem dabei schwindlig wird, denn Sylvie Xing Chen strebt auch nach Ruhe und Stille, nach einem harmonischen Gleichgewicht zwischen Geist und Körper. In Zürich gibt sie neben Kalligraphie-Kursen auch Einführungen in die Zen-
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PERSÖNLICH
Meditation. «Der Geist führt unseren Körper, und die Bewegungen können unseren Geist zu Veränderungen führen», sagt sie. Ihre Philosophie ist eine Mischung aus Taoismus und Zen-Buddhismus. Ziel des Zen ist, dass der Geist durch physische Übungen in der Ruhe bleibt. Und ein zufriedener Geist ist für Sylvie Xing Chen Voraussetzung dafür, dass der Körper sich auf äussere Veränderungen einstellen kann. Das Streben nach innerer Leere und einem Gleichgewicht zwischen den gegensätzlichen Polen Yin und Yang, nach welchen der Taoismus trachtet, sind für sie die Quelle für Kreativität und künstlerischen Ausdruck. Kunst als Heimat. Auch Kalligraphie ist Bewegung und Ruhe zugleich, Meditation und impulsiver Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Die vierte der vier wesentlichen chinesischen Künste (neben Musik, Malerei und Go-Spiel) wird in China seit über tausend Jahren gelehrt, Sylvie hat schon mit fünf angefangen sie zu erlernen. Später hat sie an der Kunsthochschule Guangzhou traditionelle chinesische Kunst studiert: Neben Kalligraphie auch Tuschemalerei und Malerei mit Mineralfarben. Mit zwanzig wollte sie weg aus China und zog nach Paris. Dort, in der europäischen Künstlerstadt, hat sie sich in Tanz und Theater weitergebildet und ein Masterdiplom in Kulturmanagement und Kulturvermittlung erworben. Seit 2007 lebt sie in der Schweiz.
Oder schreibt und choreografiert ihre eigenen Stücke. Ihr Gedicht «Sin Frontera» (Ohne Grenze) etwa erzählt die Geschichte eines Liebespaars im Schicksalskreis zwischen Einsamkeit, Anziehung, Vereinigung, Trennung und erneuter Einsamkeit. In diesem Jahr hat Sylvie Xing Chen «Sin Frontera» gemeinsam mit ihrem chilenischen Tanzpartner in Paris und China als Tanz-Performance aufgeführt (siehe Bild). Die Vorführung unter freiem Himmel war der chinesischen Obrigkeit offenbar etwas zu freizügig, ihr Tanzpartner und der mitgereiste Fotograf wurden während zwei Stunden von der Polizei verhört. Annäherung. Nicht nur über die Kunst, auch über die Sprache will Sylvie zwischen den Kulturen vermitteln. «Viele Konflikte entstehen aus einem Missverständnis der kulturellen Unterschiede heraus», gibt sie zu bedenken. Indem sie in ihren Kursen in die chinesische Kultur und Kunst einführt, will sie dazu beitragen, dass man sich gegenseitig besser schätzt. In «Chinesisch zum Ausprobieren» an der EB Zürich arbeitet sie mit der Theatermethode, damit sich die Teilnehmenden rasch spielerisch einen Basiswortschatz aneignen können. Viel Bewegung garantiert. www.sylviexingchen.com
Getanzte Poesie. Hier tanzt sie Tanztheater, Ballett, Tango, insgesamt rund zehn Stunden pro Woche. EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
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Weiterbildung – wie ich sie will Weiterbildung – wie ich sie will www.eb-zuerich.ch www.eb-zuerich.ch
AUSKUNFT
Mail an die Expertin Grüezi Frau Giannakopoulos Verena F. Birkenbihl hat mal ein Buch mit dem Titel «Freude durch Stress» geschrieben. Gibt es den positiven Stress, der Freude macht, überhaupt? Ja. Es gibt den guten (Eustress), der uns mobilisiert und fordert, sowie auch den schlechten Stress (Distress), der in sich den Keim des Unbewältigbaren trägt. Der Stress kann sowohl Triebfeder als auch Bremse sein. Wir bewegen uns das ganze Leben über mehr oder weniger gefährlich in einem Balanceakt zwischen Reizen; die Umwelt verändert den Menschen, der Mensch verändert die Umwelt usw. Die geglückte Reaktion auf Stress besteht in der Anpassung. Durch geistiges und körperliches Training können wir den schlechten in guten Stress umwandeln. Was sind nach Ihrer Erfahrung die schlimmsten, verbreitetsten Stressquellen? Ängste, Selbstzweifel und Grübeln – sie sind Selbstmord in Raten. Dabei schüttet man ständig Stresshormone aus wie auf der Flucht, ohne sie wieder abzubauen: Denn dafür braucht unser Körper Bewegung. Stattdessen liegen wir lieber auf dem Sofa und grübeln weiter, bis wir dann, voll mit Stresshormonen, nicht einschlafen können. Am nächsten Morgen geht der Stress weiter wegen Müdigkeit, Unkonzentriertheit und neuen Zweifeln. Ein Teufelskreis. Diese inneren Stressoren sind viel stärker als die äusseren wie ständige Erreichbarkeit, Lärmimmissionen usw. Welches sind aus Ihrer Sicht die hilfreichsten Methoden, um Belastungen durch Stress wieder loszuwerden? Pauschalrezepte gibt es nicht, da das Stressgeschehen auf drei Ebenen wirkt: 1. Äussere Stressoren wie Lärm, Termindruck, launischer Chef; 2. Persönliche Stressverstärker wie negative Denkmuster, Ängste, Perfektionismus usw.; 3. Stressreaktionen wie Kopf-, Magen-, Herzschmerzen, Einschlafprobleme, nervöses Verhalten, Depression usw. Wenn Sie gezielt die entsprechende Ebene mit einer Übung oder Strategie trainieren, kommen Sie gleich wieder ins Gleichgewicht. Wieso sind einige Menschen stressresistenter als andere? Das hängt zusammen mit der subjektiven Wahrnehmung, den eigenen Ressourcen und Kompetenzen, individuellen Werten und persönlicher Haltung, auch von Täter- oder Opferrollen. Leute, die mit positiver Einstellung, bewusster Lebensweise und Dankbarkeit durchs Leben gehen, sind meist stressresistenter. Sie sind selbstbestimmt statt fremdbestimmt und veränderungsbereit. Kann jeder lernen, wie er seine persönliche Stressresistenz erhöhen kann? Ja. Stressregulationstrainern stehen Techniken zur Verfügung, die Berufsleute mühelos und ohne viel Zeitaufwand in ihren Alltag einbauen können. Diese Techniken helfen Ihnen, den Alltag stressresistenter und mit mehr Lebensfreude zu erleben.
EVI GIANNAKOPOULOS ist Inhaberin von «stress away» in Zürich. Die dipl. Stressregulationstrainerin SZS und Ausbilderin mit eidg. Fachausweis hält Vorträge, Workshops sowie Einzelcoachings zur Stressbewältigung. An der EB Zürich unterrichtet sie seit 2008. 2-TÄGIGER KURS: «ERFOLGREICHES STRESSMANAGEMENT» Mit dem selbst erstellten Trainingsprogramm können Sie das Gelernte nach dem Kurs weiterüben und Ihre Lebensgewohnheiten langfristig verändern: Samstag, 22. und 29. Januar 2011 Samstag, 19. und 26. März 2011 Jeweils 9 bis 17 Uhr.
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KURSFENSTER
Von Füchsen, Google und Sarkozy Fremdsprachen lustvoll lernen. Das Sprachencafé ist speziell: Hier gibt es keinen Stoffplan, kein Wörterbüffeln, man darf essen oder trinken, später kommen und früher gehen, es wird gelacht und getratscht. Und die Teilnehmer lernen mehr als anderswo. TEXT Guido Stalder BILD Philipp Baer
Locker, entspannt, spontan, lustvoll: Diese Stichworte kommen immer wieder, wenn man jemanden auf das Sprachencafé anspricht. Tatsächlich wirken die Gesprächsrunden in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch alles andere als verbissen. Angestrengte Mienen und nach Kopfschmerzen rufendes Stirnrunzeln sieht man hier nicht. Dafür gibt es jeweils donnerstagabends im Lernfoyer viel Bewegung und manchmal einen beachtlichen Lärmpegel.
Leicht moderiert. Die SpanischGruppe – «Tertulia con café» genannt – erhält heute wohl Zuwachs. Ursina Schmid schaut das erste Mal rein. Sie lernt Spanisch ohne beruflichen oder familiären Grund, einfach so aus Freude an der Sprache. Sie zweifelt noch, ob sie mithalten kann. Gefordert ist ein Sprachniveau B2, also ein fortgeschrittener Stand. Die Gruppe nimmt die Neue freundlich auf, und Moderator Diego Rodríguez Montero meint, das mit dem Sprachniveau sehe man bald.
GÜNSTIG UND UNKOMPLIZIERT Das Sprachencafé findet jeweils Donnerstag von 18 bis 21 Uhr im Lernfoyer der EB Zürich statt, in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Gefordert ist Sprachniveau B2 (fortgeschrittene Kenntnisse). Der Einstieg ist jederzeit möglich, drei Monate kosten Fr. 250.– Es besteht keine Pflicht, regelmässig teilzunehmen oder die ganzen Abende zu besuchen. Die Gesprächsthemen der kommenden Woche sind jeweils auf der Website angegeben (www.eb-zuerich.ch/lernfoyer).
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Heute steht das Thema Familie auf dem Programm. Diego Rodríguez Montero, professioneller Spanischlehrer mit baskischen und kolumbianischen Wurzeln, listet einige Wörter auf, die zum Thema passen, und lanciert damit das Gespräch. Nachher greift er nur noch ab und zu ein, um einen klaren Fehler zu korrigieren. «Wenn die Leute plötzlich übers Essen reden, ist das egal», erklärt er: «Hauptsache, sie reden.» Locker und engagiert. Die DeutschGruppe hat sich ins Bistro im Dachgeschoss abgesetzt, auf dem Tisch sind Süssigkeiten und Getränke. Gerade ist Karolina OrzolekJagielska zur Gruppe gestossen. Sie hat bis sieben gearbeitet, aber wollte unbedingt für den zweiten Teil des Abends noch kommen. Sie ist Polin und mit einem Deutschen verheiratet. Zuhause sprechen sie Englisch, jetzt will sie endlich richtig Deutsch lernen. Marijana Stojanovic aus Serbien bestätigt, dass Zugezogene im Alltag häufiger Englisch als Deutsch sprechen, «sogar mit der Frau am Kiosk». Erst zum zweiten Mal dabei ist heute Jukka Nyström aus Finnland, er will aber auch die kommenden Donnerstage mit von der Partie sein. Es sei gefährlich, völlig ohne Anleitung, Deutsch zu sprechen, findet er: «Wenn wir ein
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Wort nicht kennen, erfinden wir einfach eines.» Damit dies nicht passiert, moderiert Michael Wenziger die Runde und gibt neue Impulse, wenn das Gespräch verstummt. Ihm gefällt neben der lockeren Stimmung auch der bunte Mix der Teilnehmenden: «Das ist Kulturaustausch in Reinform.» Alles kann Thema sein. «Wenn draussen ein Fuchs vorbeigeht, dann reden wir eben über den Fuchs», sagt Eva Schaeffeler, Hauptinitiantin des Sprachencafés und in der Englisch-Gruppe im Einsatz. Heute wird bei ihr darüber diskutiert, wie sehr Google in die Privatsphäre der Leute eindringen darf. Auch die Französisch-Mode-
ratorin Ghislaine Rebsamen ist flexibel, was das Gesprächsthema anbelangt: «Wenn wir nichts Anderes haben, dann nehmen wir einfach Sarkozy. Sarkozy zieht immer.» Menschliches, Allzumenschliches. Oft treffen sich Leute auch ausserhalb des Schulhauses, gehen ins Museum, schauen einen Film oder gönnen sich einen Fondue-Abend. Einzelne sind dicke Freundinnen geworden, treffen sich etwa zweimal wöchentlich zu langen Spaziergängen. Weniger Glück hatte ein jüngerer Teilnehmer der Französisch-Gruppe: Er war auf der Suche nach einer
Freundin und musste zu seiner Enttäuschung feststellen, dass die Teilnehmerinnen allesamt deutlich älter als er waren. Diese zeigten sich aber sehr freundlich und gaben ihm Tipps, wo und wie er fündig werden könne. Inzwischen ist es kurz vor 21 Uhr, die Schreibblöcke werden verstaut, Gläser und Teller weggeräumt, fröhlich plaudernd – jetzt auch wieder in der Muttersprache – machen sich Grüppchen auf den Heimweg. Und von der SpanischGruppe kommt frohe Kunde: Ursina Schmid kann mit dem Sprachniveau mithalten und hat den Abend genossen. Sie bleibt.
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IM GESPRÄCH
«Ich begann, die Noten zu vergessen» Eigenwilliger Weg. Die Zürcher Musikerin Fiona Daniel war erst 22, als sie diesen Frühling mit ihrem feinsinnigen Debütalbum «Drowning» grosses Aufsehen erregte. Ein Gespräch über unkonventionelle Methoden, sich die Sprache der Musik anzueignen. INTERVIEW Markus Ganz BILDER Miriam Künzli
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Fiona Daniel, im Juni konnten Sie an der Weltausstellung in Schanghai mit der chinesischen Band «HXSH» ein Programm ausarbeiten und aufführen. Das war wohl ein spezielles Erlebnis ... Es war ein Abenteuer, da ich nicht wirklich wusste, was mich erwartete. Die Organisation des Projekts war etwas chaotisch, letztlich aber war der Aufenthalt in China eine sehr gute Erfahrung. Ich und meine beiden Mitmusiker fanden schnell einen Draht zur Jazzszene in Schanghai, da wir in einer Jazzschule probten. Deshalb konnten wir neben den Konzerten im Swiss Pavillon auch noch in einem Jazzclub in der Stadt auftreten. Wie war die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern von «HXSH», die Improvisationsmusiker aus dem Jazz sind, während Sie jeweils lange an Ihren eher poppigen Songs tüfteln? Wir hatten nur gerade drei gemeinsame Proben und mussten dann auf die Bühne. Die chinesischen Kollegen improvisierten wie üblich und schufen Übergänge zwischen meinen Stücken, in denen sie auch mitspielten. So verwob sich ihre Musik mit meiner. Und gegen Ende des Konzertes improvisierten auch wir aus der Schweiz.
IM GESPRÄCH
Dieser Auftritt hat sich also stark von Ihren üblichen unterschieden? Ja, denn ich bin nicht die Musikerin, die mit ständig wechselnden Begleitern spielt. Bisher konnte ich mich in meinen recht konstanten Formationen stärker auf meine Mitmusiker einlassen. Aber dieses Konzert war eine gute Erfahrung, weil ich mich mehr öffnen musste. Ich merkte, wie spannend es sein kann, wenn alle Musiker einen starken Input bringen. Sie zeigten mir neue Wege auf, auch was die Interpretation meiner Lieder betrifft. Der Pianist etwa spielte auf seinem Synthesizer Passagen, die mir neue Welten eröffnet haben. Nach typisch chinesischer Musik klingt dies nicht. Gab es trotzdem einen kulturellen Austausch auf einer eher traditionellen Ebene? Die Musiker von «HXSH» brachten einige chinesische Elemente in die Zwischenteile hinein – und ich jodelte zwischendurch, was ich an einem Konzert von mir in der Schweiz nicht tun würde. Beide Seiten liessen sich gewissermassen auch auf ein Experiment mit ihren eigenen Wurzeln ein. Wie war es, eine Art von Musik vorzuführen, die in Ihrem Leben wohl kaum eine Rolle spielt? Es war nicht wirklich ungewohnt, denn ich habe früher oft gejodelt. Vielleicht würde ich heute in einem Jodelklub mitwirken, wenn ich nicht in der Stadt aufgewachsen wäre. Gewisse Arten von Jodeln interessieren mich immer noch. Aber in meine Lieder fliesst dies nicht ein, da ich einen sehr unterschiedlichen Musikstil pflege. Ihre Songs zeigen Einflüsse von US Folk über skandinavischen Pop und britischen Bluesrock bis zu Kammer-
musik. Interessiert Sie an der Musik gerade deren immense Vielfalt? Bei meinem Debütalbum wollte ich all die Einflüsse festhalten, die mich geprägt haben. Faszinierend an der Musik finde ich aber auch, dass sie trotz ihrer riesigen Vielfalt einen als Hörer bewegt oder eben nicht, egal wo und wie sie gemacht wurde. Es kann mich berühren, wenn jemand auf der chinesischen Kniegeige spielt, obwohl ich mit dem Musiker nicht sprechen kann und dieses Instrument selber nicht spiele. Sie deuten es an: Musik ist auch eine Art von Sprache. Wie haben Sie dies entdeckt und selbst zu nutzen gelernt? Es ist wohl bei den meisten Menschen ähnlich: Man interessiert sich für Musik oder eben nicht, man spielt ein Instrument oder eben nicht; das entscheidet sich vermutlich schon früh. Mich hat Musik schon als Kind in den Bann gezogen. Ich musste alle verfügbaren Instrumente ausprobieren – und wir hatten einige zuhause, obwohl wir keine Musikerfamilie waren. Das geschah zunächst spielerisch, doch im Alter von etwa neun wollte ich ein Instrument spielen lernen. Weil Sie merkten, dass reines Klimpern begrenzt ist? Nein, das war nicht wirklich überlegt, ich konnte in der Schule Musikunterricht nehmen. Ich lernte dann das Cello zu spielen, hörte aber auch recht bald wieder auf, weil ich gar nicht der Typ bin, der Stunden nimmt. Wieso nicht? Ich habe bereits damals lieber improvisiert, als etwas nachzuspielen. Ich musste leider viel üben
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IM GESPRÄCH
Welche Rolle spielte dabei das «FeMale funk project», wo Sie lange Gesangsstunden nahmen? Es war sehr wichtig. Mit elf, zwölf Jahren liess ich das Cello liegen und suchte einen Ausbildungsort für Gesang, wo ich mich wohl fühlte. Beim Opernhaus, wo ich einmal hineinschaute, war dies nicht der Fall, beim «FeMale funk project» hingegen sehr. Ich sammelte dort sehr viele Erfahrungen. Ich konnte schon früh mit meiner eigenen Musik auf die Bühne, obwohl ich zuvor geglaubt hatte, ich würde nie eigene Stücke komponieren können. Wir musizierten sehr viel zusammen; es war eine Art Knotenpunkt für Kontakte zu anderen Musikern, die ich teilweise bis heute pflege. Mit etwa 17 hörte ich dort auf, weil es zu einer Art behütetem Nest wurde. Erst danach wagte ich ernsthaft, eigene Songs zu schreiben und auch ausserhalb des «FeMale funk project» auf die Bühne zu stehen. FIONA DANIEL wurde 1987 in Wetzikon geboren. Sie studiert zurzeit Englisch und Geschlechter-Forschung an der Universität Basel. Auf ihrem Debütalbum «Drowning» (Kuenschtli.ch/Irascible), das sogar in die Schweizer Hitparade gelangte, präsentiert sie ebenso fragile wie filigrane Songs. Kurz nach der Veröffentlichung im April wählten sie die Pro Helvetia und das Montreux Jazz Festival für das «Artists in Residence»-Programm an der Expo in Schanghai aus. Live tritt sie meist mit Ronja Rinderknecht (Cello und Gesang) und Fred Bürki (Schlagzeug) auf (www.fionadaniel.com).
Haben Sie dazu Kurse in Songwriting genommen? Nein, ich habe es selbst ausprobiert, bis die Basis eines Stücks jeweils so tönte, wie ich sie mir vorgestellt hatte, und das ging meist sehr schnell. Etwas Musiktheorie habe ich am Gymnasium mitbekommen, die nutze ich bis heute intuitiv. Wenn mich etwas interessiert, etwa das Open Tuning eines Gitarristen, dann treibt mich das an, herauszufinden, wie er das macht.
und begann stets irgendwann, die Noten zu ignorieren und irgendetwas zu spielen. Mich so der Musik anzunähern, hat sich bis heute gut bewährt.
Wäre es nicht sinnvoller, eine breite Ausbildung, etwa an einer Jazzschule, zu machen? Für mich ist sinnvoller, dass ich mir nur das herauspicke, was ich persönlich benötige. Ich war einmal im Vorkurs einer Jazzschule und fand dann, diese Zeit könne ich für mich besser nützen. Mir bringt es nicht viel, wenn ich einen Nachmittag in die «Rhythmik» gehe und dort durchaus auch Spannendes lerne, zu dem ich aber keinen Bezug habe.
Muss man nicht gewisse Techniken wie den Bogenstrich beherrschen, damit man sich künstlerisch entfalten kann? Klar, aber beim Erlernen eines Instrumentes muss für mich das Verhältnis zwischen der Theorie, der Spieltechnik und der eigenen Kreativität, die keine Grenzen kennen sollte, ausgewogen sein. Ich hatte keine Lust mehr, nur fremde Kompositionen zu spielen, wollte etwas Eigenes schaffen, mich selbst ausdrücken. Meine heutige Musikausrichtung und die Art, wie ich meine Lieder schreibe, lassen diese Balance zu. Wie haben Sie denn Gitarre und Klavier spielen gelernt? Piano habe ich selbst gelernt, für die Gitarre zeigte mir eine Nachbarin ein paar Griffe, danach machte ich selbst weiter. Ich wollt einfach die Basis haben, wie man diese Instrumente spielt, damit ich mit ihnen Songs komponieren kann. Am wichtigsten ist Ihnen aber Ihre Stimme. Haben Sie deshalb Gesangsunterricht genommen? Mir war zunächst wichtig, dass ich viel singen konnte. Dann wollte ich meine Stimme bilden und lernte Atemtechniken, auch um meine Stimmbänder nicht zu schädigen. Ich hatte viele unterschiedliche Gesangslehrer, weil ich immer wieder wechselte, sobald ich das Gefühl hatte, dass ich bei jemandem nichts mehr lernen konnte. 26
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Haben Sie Angst, dass Sie durch eine übliche Schulung in vorgespurte kreative Bahnen geraten könnten? Schon etwas. Einige Musiker haben mir erzählt, dass ihnen ihre Ausbildung in gewissen Aspekten zum Problem geworden sei. Dass sie den spielerischen Ansatz etwas verloren hätten. Oder dass sie nicht mehr unbewusst etwas machen können, etwa Regeln brechen. Wenn ich in einer musikalischen Frage unsicher bin, kann ich immer noch in einem Buch nachsehen oder mich bei einem befreundeten Musiker erkundigen. Können Fehler für Sie auch Inspiration sein? Ja, Musik ist für mich etwas, bei dem man nicht zu fest nach Regeln verfahren sollte, sonst bleibt sie im Rahmen dessen, wie man sie allgemein formuliert. Ich finde, man soll zuerst einmal drauflosspielen. Es können unglaublich interessante musikalische Ansätze entstehen, wenn man bei einem Instrument oder irgendeinem Gegenstand nicht nur die Funktionen sieht, die man gelernt hat, sondern einen Klangkörper, den es zu entdecken gilt.
Populärfotografie, 1990, 9 × 13 cm, Sammlung FFV
VOGELSCHAU
Der Dino Eine Begegnung der freundlichen Art scheint dieser Handschlag zwischen Klein und Gross. Der Junge kennt keine Angst im Nacken angesichts des metallenen Ungetüms, das so freundlich im Mischwald haust. Die Dinomanie ist zwar wieder etwas abgeflaut, seit der Film «Jurassic Park» (1993) nicht mehr en vogue ist, obwohl das zentrale Moment, die Erdzeit zum Leben zu bringen, Kinder wie Erwachsene fasziniert. Im Laden gibt es Triops-Eier, die sich binnen eines Tages mittels destilliertem Wasser lebendig machen lassen. Nach nur einer Woche tummeln sich vergnügt fünf Zentimeter lange dreiäugige Urzeitkrebse, die exzellente Rückenschwimmer sind und sich fast täglich häuten. Ist doch nicht schlecht, wie sich 200 Millionen Jahre Erdgeschichte aktualisieren lassen. Fritz Franz Vogel
Der Bilderforscher und Bildersammler Fritz Franz Vogel ist Kursleiter an der EB Zürich im Bereich digital gestalteter Drucksachen. Für EB Kurs verfasst er Bildkolumnen über inszenierte Fotografie, eines seiner zentralen Forschungsgebiete.
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KULTUR
Kursleitende und Mitarbeitende der EB Zürich geben Tipps zu interessanten Büchern, CDs und Filmen.
Emily Dickinson Gedichte Hanser, 2006
Lesen
Arvo Pärt Alina ECM Records, 1999
Hören
Ruedi Gerber Breath Made Visible 2010
Sehen
Scheu. Kopfkissenbücher enthalten Geheimnisse und müssen nicht, wie jene der japanischen Hofdamen, selbst verfasst sein. Eines von ihnen enthält das Werk einer zierlichen, weiss gekleideten Frau, die im Neuengland des 19. Jahrhunderts lebte, scheu, zurückgezogen, und dabei fast 1800 Gedichte schrieb, von deren Veröffentlichung ihr jedoch abgeraten wurde. Was für ein Glück, dass sie in der Übersetzung und mit einem klugen Nachwort von Gunhild Kübler zweisprachig erhältlich sind. Flügelleichte, mystische Gebilde, die in ihrer Rätselhaftigkeit und Brüchigkeit den Lebenshorizont der Dichterin weit überschreiten und, experimentierfreudig in Reim und Rhythmus, die Moderne ankündigen.
Schön. Es sind meine Ruheinseln im Alltag: Die Fahrten im Zug zwischen Fotoaufträgen. Ich sitze im Speisewagen, vor mir ein Cappuccino, neben mir gleitet die Schweiz vorbei und in den Ohren lässt der estnische Komponist Arvo Pärt mit seinen präzise gesetzten Tönen innere Saiten anklingen, die seelische und gedankliche Räume öffnen, als hätte er diese Musik genau für mich und für diese Fahrt mit dem Zug durch die Schweiz geschrieben. Auf der CD «Alina» findet man eine Art Ursprung des scheinbar minimalistischen Klassik-Musikstils, für den Pärt bekannt geworden ist. Pärt sagt dazu: «Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird.»
Bewegend. Jede und jeder kann tanzen, ein Leben lang. Das bringt der Film «Breath Made Visible» über Anna Halprin, Tanzpionierin und Choreografin aus San Francisco, anschaulich zum Ausdruck. Tanz und Bewegung aus Lust, um Grenzen mit dem eigenen Körper zu durchbrechen, aus Rebellion, für soziale Gerechtigkeit. Dies ist ein Leben lang möglich, allein und in der Gruppe. Der biografisch aufgebaute Dokumentarfilm des Schweizer Filmers Ruedi Gerber zeigt dies anschaulich anhand des Lebens von Anna Halprin. Ein Film als Energieschub für länger werdende Wintertage.
BEATE ROTHMAIER Autorin und Kursleiterin Literarisches Schreiben
RETO SCHLATTER Kursleiter Fotografie, Fotograf EB Kurs
EVA MÜLLER-KÄLIN Ausbilderin und Coach Validierung, Projektleiterin Bildungsgang Nachhaltigkeit
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EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
www.breathmadevisible.com
TIPPS UND TRICKS
Vielleicht? Ja. Nein. Doch!
Entscheidungen fällen. Goethes Faust machten um 1800 zwei Seelen in der Brust das Entscheiden schwer. Karl Kraus war gut hundert Jahre später pragmatischer: «In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.» Wie das geht, kann gelernt werden. TEXT Fritz Keller, Susanne Mouret ILLUSTRATION Eva Kläui
Entscheiden heisst, eine Wahl zu treffen aus zwei oder mehreren Möglichkeiten. Wir entscheiden uns x-mal pro Tag – bis 100 000-mal ist zu lesen – meistens unbewusst, immer mal auch bewusst. Das beginnt am frühen Morgen: Soll man nun dem Ruf des Weckers folgen oder doch noch etwas weiterschlafen. Duschen ja/nein? Weisse Bluse, rote Bluse? Tee oder Kaffee? Und sich dann noch auf ein Ferienziel festlegen. Solche Dinge zu entscheiden, kann manchmal schwierig sein. Aber wir schaffen das, normalerweise. Komplizierter wird es, wenn die Entscheidungen grössere Konsequenzen nach sich ziehen und nicht so leicht rückgängig zu machen sind: eine neue Stelle annehmen, eine Familie gründen, eine lebensverlängernde Therapie ablehnen. Solche Dinge wollen gut überlegt sein, das Für und das Wider ist sorgfältig abzuwägen. Was aber, wenn das Resultat nicht eindeutig ist? Keine Entscheidung treffen? Das ist nur in den wenigsten Fällen eine gute Lösung. Also weitersuchen! Aber wie? Rat holen kann man sich bei Spezialistinnen und Spezialisten. Bei Maja Storch zum Beispiel. Die Mitbegründerin des Zürcher Ressourcen Modells (ZRM) pocht darauf, stark auf das eigene «Bauchgefühl» zu
hören. Das Limbische System, also der Teil im Hirn, in dem starke Emotionen verarbeitet werden, muss mit der Entscheidung einverstanden sein, ansonsten wird diese vom eigenen System aus ständig sabotiert. TIPP 1: Auf die ersten Impulse hören und diese in die Entscheidungen miteinbeziehen. Und weiter? Der deutsche Psychologe Friedemann Schulz von Thun ist überzeugt davon, dass nicht zur zwei Seelen in jedes Menschen Brust schlagen, sondern mehrere. Von ihm stammt das Konzept des «inneren Teams». Alle Mitglieder dieses inneren Teams haben eine eigenen Meinung, aber keinem kann gekündigt werden. Eine Entscheidung kann deshalb nur als Konsens all der verschiedenen Meinungen gefällt werden, will sie dauerhaft sein. TIPP 2: Die inneren Stimmen kennen und ernst nehmen. Noch etwas? Für Kursleiterin Susanne Mouret ist wichtig, sich beim Entscheidefällen nicht selbst zu behindern. «Das komme nur zu oft vor», sagt sie, «indem man ungeliebte innere Stimmen oder Strömungen an sich selbst nicht akzeptieren will oder kann.» Wer aber diese Stimmen verdrängt, muss sich nicht wundern, wenn sie sich bei anstehenden Entscheidungen durch die Hintertür wieder einmischen. Also doch besser vorsorgen. TIPP 3: Sich annehmen, damit man sich nicht die grössten Steine selbst in den Weg legt. KURSE ZUM THEMA – Stimmige Entscheide treffen – Selbstmanagement mit dem ZRM Weitere Infos und Anmeldung unter www.eb-zuerich.ch
EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
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AGENDA
Vormerken! Informationsveranstaltungen zu Bildungsgängen und Kursen im Bildungszentrum für Erwachsene BiZE, Riesbachstrasse 11, 8008 Zürich
Ausstellung «BizArt10»: Kunst als zweites Standbein Das Bildungszentrum für Erwachsene BiZE ist auch ein Kunstraum. Regelmässige Besucherinnen und Besucher des BiZE im Zürcher Seefeld werden die wechselnden Ausstellungen in den Nischen sicher schon bemerkt haben. Über den Jahreswechsel präsentieren diesmal nicht externe Künstlerinnen und Künstler ihre Werke, sondern kunstschaffende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von EB Zürich und KME selbst. Die Idee hinter der «BizArt10», der zweiten Ausstellung dieser Art: Bühne frei für das verborgene, private Schaffen des Personals – die berufliche Tätigkeit, mit der die Mitarbeitenden sonst in Erscheinung treten, bleibt für einmal im Hintergrund. Nicht selten engagieren sich die Mitarbeitenden privat in künstlerischen Projekten, fotografieren, malen, schaffen Skulpturen oder drehen Videos. Das ist oftmals ein Ausgleich zum Brotverdienst, aber auch Inspirationsquelle und Zweitberuf. Und viele sind dabei auch mit beachtlichem Erfolg unterwegs. Einige der ausstellenden Künstlerinnen und Künstler hat EB Kurs bereits porträtiert, beispielsweise das Künstlerduo ALMA (Frei/Hofstetter), Regula Michell oder Elena Schaidl. Die BizArt wird so zu einem Panoptikum der individuellen Kreativität der Menschen, die hinter der EB Zürich und der KME stehen. Insgesamt haben sich in diesem Jahr 23 Kunstschaffende um Ausstellungsplätze beworben, 18 geben nun Einblick in ihr Schaffen: Objekte, Installationen, Malerei, Fotografie, Skulptur. Die Auswahl getroffen haben die drei Kuratoren Fritz Franz Vogel (siehe Seite 27), kreativer Tausendsassa und Kursleiter an der EB Zürich, Peter Pfister, Fachlehrer für Bildnerisches Gestalten an der KME, sowie Serge Schwarzenbach, Marketing-Leiter und Herausgeber von EB Kurs. Wo: Bildungszentrum für Erwachsene, BiZE, Riesbachstrasse 11, 8008 Zürich Wann: 23. November 2010 bis 28. Januar 2011 Öffnungszeiten BiZE: Montag bis Freitag, 8–21 Uhr, Samstag, 8–17 Uhr. 30 EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
Persönlichkeit und Management Bildungsgang «Kommunikation» Bildungsgang «Management und Leadership» Bildungsgang «Leadership kompakt» Bildungsgang «NPO-Management» Bildungsgang «Projektmanagement» Bildungsgang «Werbung, PR und Marketing» Bildungsgang «Textpraktiker/in» Bildungsgang «Mediation im interkulturellen Umfeld» Bildungsgang «Journalismus» PR-Fachfrau / PR-Fachmann – in Zusammenarbeit mit KV Business School Bildungsgang «Weiterbildung in der Familienphase» Die aufgeführten Bildungsangebote werden gemeinsam vorgestellt: Mittwoch, 19. Januar 2011, 18–19.30 Uhr Bildungsgang «Weiterbildung in der Familienphase» zusätzlich am Dienstag, 18. Januar 2011, 16.30 Uhr
Anwendungen am Arbeitsplatz Kurs «ECDL»-Start Kurs «Informatik-Anwender/in I SIZ» und «ECDL-Start» Kurs «Informatik-Anwender/in II SIZ» Bildungsgang «ICT Power-User SIZ» Publishing und Digitale Medien Bildungsgang «Web-Publisher EB Zürich» Bildungsgang «3D-Visualisierung und Animation» Programmieren und Systeme Bildungsgang «WebProgrammer PHP» 2.0 Bildungsgang «Java (Sun Certified Java Programmer)» Bildungsgang «Microsoft MCTS Web Applications» Kurs «Linux-Systemadministration Basis (LPIC-1)» Kurs «Linux-Systemadministration Aufbau (LPIC-2)» Die aufgeführten Bildungsangebote werden an folgenden Abenden gemeinsam vorgestellt: Mittwoch, 15. Dezember 2010, 18–19.30 Uhr Montag, 24. Januar 2011, 18–19.30 Uhr
Didaktik und Bildungsmanagement SVEB, Eidg. Fachausweis Ausbilder/in und Eidg. Diplom Ausbildungsleiter/in Donnerstag, 20. Januar 2011, 18.30–20 Uhr
WEITERE INFORMATIONEN www.eb-zuerich.ch/agenda
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EB Zürich Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Bildungszentrum für Erwachsene BiZE Riesbachstrasse 11 8090 Zürich
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Beruflich weiterkommen mit der EB Zürich Mit jährlich 16 000 Kundinnen und Kunden ist die EB Zürich die grösste von der öffentlichen Hand getragene Weiterbildungsinstitution der Schweiz. Weiterbildung liegt im Interesse des Wirtschaftsstandortes Zürich und muss darum für alle zugänglich sein – unabhängig vom finanziellen oder sozialen Status. Seit über 35 Jahren unterstützt die kantonale Berufsschule für Weiterbildung deshalb Berufsleute aus allen Branchen und Bildungsschichten dabei, beruflich am Ball zu bleiben; Lehrabgänger und Akademikerinnen, Handwerker und kaufmännische Angestellte, Kader und Berufseinsteigerinnen lernen neben- und miteinander. In über 400 Kursen und Lehrgängen können sie (fast) alle Fähigkeiten erwerben, die sie brauchen, um ihren Berufsalltag erfolgreich zu meistern.
sse tra s h Für jedes Kompetenzniveau. Das lic öh attraktiven EinProgramm reichtFrvon
steigerkursen bis hin zu professionellen Lehrgängen auf höchstem Niveau. Ob Informatikanfänger oder -crack, Illettrist oder professionelle Texterin, Englisch-Einsteigerin oder Proficiency-Anwärter – an der EB Zürich finden alle ein passendes Angebot. Die Zukunft gestalten. Die über 350 Erwachsenenbildnerinnen und -bildner sind nicht nur fachlich, sondern auch in Didaktik und Methodik auf dem neusten Stand. Die EB Zürich verfolgt die Trends in Wirtschaft und Gesellschaft genau und entwickelt laufend neue Konzepte und Inhalte, die auf die kommenden Bildungsbedürfnisse ausgerichtet sind.
Der persönliche Weg zum Ziel. Der Weg zum Lernerfolg ist individuell. In Weiterbildungs- und Lernberatungen werden die Ziele geklärt und geeignete Lernmethoden und -formen aufgezeigt. In Frage kommen auch verschiedene Formen des eigenverantwortlichen Lernens, wie sie im Lernfoyer zur Verfügung stehen. Nicht nur Privatpersonen, sondern auch immer mehr Personalchefs und Weiterbildungsverantwortliche vertrauen darum auf den Slogan der EB Zürich: «Weiterbildung – wie ich sie will»
Partnerin der Wirtschaft. Die EB Zürich fungiert als die Weiterbildungsstufe für all jene Berufstätigen, welche den «klassischen» Weg der Berufsbildung beschritten haben. Auch zahlreiche KMU und Institutionen mit und ohne eigene interne Weiterbildungsabteilung vertrauen auf die jahrzehntelange Erfahrung in der Erwachsenenbildung. EB Kurs Nr. 28 – Winter 2010/2011
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Weiterbildung – wie ich sie will
Kantonale Berufsschule für Weiterbildung W Bildungszentrum für Erwachsene BiZE Riesbachstrasse 11, 8090 Zürich Telefon 0842 843 844 www.eb-zuerich.ch lernen@eb-zuerich.ch