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interview mit Olaf Scholz: hat die SPD genug Bodenhaftung, herr Scholz? ������������
Wie oft habe ich an Info-Ständen die Klage gehört: „Um einen wie mich geht‘s ja nicht.“ Doch! Wir machen Politik für dich! Das ist der Grund, warum ich überhaupt in der Politik bin.
leben. Was aus der Perspektive der jeweils Betroffenen der richtige Weg ist, kann nur vor Ort sachgerecht entschieden werden.
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Sie haben sich mal als „Sehr-gut-Verdiener“ bezeichnet. Die „KiPPe“ aus Leipzig fragt, ob Leute wie Sie höhere Steuern zahlen sollen? olaf scholz: Ja, unbedingt! Diejenigen, die sehr viel verdienen – und dazu zähle ich –, sollen mehr Steuern zahlen, um Leute mit mittleren und niedrigeren Einkommen zu entlasten. Wir brauchen ein faires und gerechtes Steuersystem.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellte 2014 fest, dass die 45 reichsten Haushalte hierzulande so viel Geld haben wie die ärmere Hälfte aller Haushalte zusammen. Dieses Ungleichgewicht nimmt jetzt noch zu; die Regierungs-Bazooka sieht etwa für Hartz-IV-Empfänger bloß eine Einmalzahlung von 150 Euro vor. Wieso wächst die soziale etwas platt. Gerade in der Pandemie hilft der Staat sehr umfassend allen Bevölkerungsschichten. In allererster Linie geht es um den Schutz von Leib und Leben von uns allen. Und es geht um den Schutz von Beschäftigten und Unternehmen, die unter den massiven Beschränkungen zu leiden haben, die wir ergreifen mussten, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Wir setzen Milliarden ein, um durch die Kurzarbeits-Regel Arbeitsplätze zu retten. Das macht uns gerade ganz Europa nach. Familien unterstützen wir mit dem Corona-Kinderbonus, der auch Familien in Grundsicherung zukommt und bald zum dritten Mal ausgezahlt wird. Und mir ist klar, was nach dieser Krise nicht passieren darf: Wir dürfen den Sozialstaat, der uns gerade ganz gut durch diese Pandemie bringt, hinterher nicht kaputtsparen. wenn der Regelsatz auf 600 Euro ansteigen würden. Gehen Sie da mit? olaf scholz: Die Corona-Krise hat eins gelehrt: Plötzlich sind Bürger*innen in eine unverantwortete fi nanzielle Krise
geraten, die zuvor nie damit gerechnet hätten. Das hat uns allen gezeigt, wie wichtig es ist, dass der Staat helfend zur Seite steht und nicht noch Steine in den Weg legt. Darin liegt eine große Chance für unser Bürgergeld: Fördern, fördern, fördern – ohne mit nickeligen Sanktionen auszubremsen. Wenn etwa ein Selbständiger Grundsicherung in Anspruch nimmt, muss er sich deshalb nicht einen neuen Job suchen, sondern kann sein Geschäft wieder auf den richtigen Weg bringen. Er muss auch nicht aus seiner Wohnung und darf seine Rücklagen behalten. Der US-Philosoph John Rawls hat mal treffend gesagt: Wenn eine Gesellschaft neu konstruiert wird – und das wollen wir mit dem Bürgergeld –, möge man bedenken, dass man nicht weiß, ob man künftig arm oder reich sein wird. Bitte Butter bei die Fisch‘: Hartz IV auf 600 Euro anheben, ja oder nein? olaf scholz: Klar ist: Bei den Regelsätzen gibt es Steigerungsbedarf. Um die Schwächsten vor politischer Willkür zu schützen, darf der Regelsatz aber nicht auf Zuruf – auch nicht via Interviews – festgesetzt werden, sondern muss sich aus den dahinterliegenden Regeln ergeben.
Statt eines bedingungslosen Grundeinkommens will Ihre Partei das Recht auf Arbeit einführen. Wo kann man dieses Recht dann einklagen? olaf scholz: Unser Land steht vor Weichenstellungen, die entscheidend sein werden für unsere Zukunft. Die Frage ist: Schaffen wir es, den Klimawandel er folgreich einzudämmen und gleichzeitig technologisch in der Weltspitze zu bleiben und weiterhin über gut bezahlte Arbeitsplätze zu verfügen? Das geschieht nicht von allein, darum muss man sich kümmern. Beispielsweise indem wir die Erneuerbaren Energien viel stärker ausbauen als bislang geplant, in dem wir in die Wasserstoff-Forschung investieren, damit wir über saubere und verlässliche Energie verfügen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint. Denn wir werden viel mehr grünen Strom brauchen, damit CO2-neutrales Wirtschaften in der Stahl-, Chemie- und Automobilindustrie möglich wird. Die Industrie-Unternehmer wissen das, die Politiker*innen von CDU/CSU eher nicht.
Und warum kein bedingungsloses Grundeinkommen? olaf scholz: Weil ich den Verdacht nicht loswerde, dass es vor allem dazu führt, Leute abzufi nden, statt sich um sie so zu kümmern, dass sie in Arbeit kommen.
Was bringt das Recht auf Arbeit? olaf scholz: Es formuliert einen Anspruch des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft. Die Bundesagentur für Arbeit muss zu einer Arbeitsversicherung ausgebaut werden, die aktiv dafür sorgt, dass man mit einer neuen Qualifi kation auch einen neuen Beruf aus-
üben darf. Ich bin dafür, dass auch eine 40-Jährige oder ein 50-Jähriger nochmal einen komplett neuen Job erlernen kann und dass es darauf einen Rechtsanspruch gibt.
Ihre Partei will eine Welt ohne Atomwaffen, der Genosse Außenminister hat sich dagegen jüngst gegen den Atomwaffenverbotsvertrag ausgesprochen. Deutschlands „nukleare Teilhabe“ ist freilich auch teuer: Allein die nachfolger für die alten Atomwaffenträger vom Typ Tornado kosten rund zehn Mrd. Euro. Wo stehen Sie: Werden Sie die Atomwaffen hierzulande abschaffen und das Geld für Bildung, Soziales, Gesundheit und das Klima einsetzen? olaf scholz: In den Haushalten, die ich als Bundesminister der Finanzen aufgestellt habe, haben die Investitionen in Bildung, Soziales, Gesundheit, Verkehr und Klimaschutz ein Rekordniveau erreicht. 2020 waren es insgesamt mehr als 50 Milliarden Euro. So will ich es als Regierungschef beibehalten. Zugleich braucht Deutschland eine verlässliche Bundeswehr, die fest in der NATO verankert ist. Ein starkes, souveränes Europa erfordert dies. Und wir setzen uns für Rüstungskontrolle und Abrüstung ein. Unser Ziel ist eine atomwaffenfreie Welt.
Ein Finanzskandal aus Hamburg verfolgt Sie: Kürzlich wurde bekannt, dass der Chef der Warburg Bank einen Bettelbrief, den er Ihnen im November 2016 übergeben hatte, auf Ihre Anregung hin auch an den damaligen Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher schickte. Wenige Tage danach hat die Finanzbehörde entschieden, Ansprüche auf 47 Millionen Euro verfallen zu lassen – Gelder, die sich die Bank via Cum-Ex-Geschäfte erschlichen hatte. Wie erklären Sie diese zeitliche nähe? olaf scholz: Die Kurzfassung: Es hat keinerlei politische Einfl ussnahme auf die Entscheidung des Finanzamtes Hamburg gegeben. Dieses Interview ist teil einer Serie, mit der Straßenzeitungen demokratische Parteien im Bundestag vor der Wahl zu so zialen Fragen hören will� Die teilnehmenden Magazine: abseits (Osnabrück), asphalt (hannover), Biss (München), bodo (Dortmund), die straße (Rostock), Donau strudl (Regensburg), draußen (Münster), DRaUSSEnSEitER (Köln), drObs (Dresden), fiftyfifty (Düsseldorf), Guddzje (Osnabrück), hempels (Kiel), hinz&Kunzt (hamburg), Jerusalemmer (neumünster), KaRUna Kompass (Berlin), KiPPE (leipzig), RiSS (augsburg) und trottwar (Stuttgart)� Für die nächste ausgabe hat Christian lindner, Bundesvorsitzender der FDP, bereits zu gesagt�
Sie haben den Deutschen gerade zehn Millionen Covid-19-Impfdosen pro Woche versprochen, Sie haben Hamburg mal den G20-Gipfel als eine Art Hafengeburtstag verkauft. Zocken Sie gerne? olaf scholz: Sie werden sicherlich genau hingehört haben: Ich habe darauf hingewiesen, dass wir wohl bald den Punkt erreichen werden, an dem wir mehr Impfstoff haben werden, als wir mit unseren jetzigen Kapazitäten verimpfen können. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Ab April werden wir mehrere Millionen Impfungen pro Woche machen müssen, bis Ende Juni werden es bis zu zehn Millionen Impfdosen sein – so habe ich es gesagt. Ich möchte nicht erleben, dass wir Impfstoff auf Halde haben statt in den Oberarmen der Patienten.
Zuletzt eine Frage, die wir schon Robert Habeck gestellt haben: Was würden Sie als erstes tun, wenn Sie Bundeskanzler würden? olaf scholz: Einen Mindestlohn von 12 Euro einführen.
Und was werden Sie tun, wenn Sie nicht Kanzler werden? olaf scholz: Ich werde Kanzler.

lieBlinGsschuhe Immer in Bewegung bleiben ...
„Schuhe machen glücklich“, heißt es doch. Auf den Kölner Fotografen Georg Valerius trifft das in jedem Fall zu. In seinem Atelier in Ehrenfeld türmen sich Stöckelschuhe, Stiefel und Sneakers auf und unter dem Tisch, und auch im Schaufenster der ehemaligen Fahrschule werden einzelne Stücke präsentiert.Was bedeuten ihm all diese Treter? Und von wem stammen sie? Warum beschäftigt sich der Sachverständige für Foto- und Filmrecht seit vielen Jahren mit dem Schuh an sich und in Zeiten der Pandemie ganz besonders? Für uns hat er einen alltagsphilosophischen Spaziergang mit der Kamera unternommen und dabei laut über dieses Phänomen nachgedacht.

TEXT UND FOTOS VON GEORG VALERIUS

Foto: Camila Damasio, unsplash�com S ind Schuhe Teil einer Rüstung? Uniform oder Werk- Während der einfache Rekrut wie selbstverständlich grobe zeug? Manchmal nur Accessoires? In erster Linie Stiefel trägt, hat der Ordonnanz-Offi zier feine, bis unters Knie sicher eine Art Transportmittel. Auch Standesobjekt? reichende Schaft stiefel – so werden schon seit Generationen Helfer des Fortschritts? Rekordbringer? Glücklichma- Klassen- und Standesunterschiede defi niert. Um Schönheit cher? All das können Schuhe sein. Sie sind jedenfalls mehr als ging es da weniger. ein Stück aus Leder, Textil oder Synthetik. Natürlich sind Schuhe heute auch für Männer modische Je mehr jemand unterwegs ist, desto wichtiger ist es für ihn, Accessoires: Man hört, dass für Jung-Banker im Herzen von dass sein Fuß beschützt und umsorgt ist und dass das London auf Maß gefertigte Pferdelederschuhe das Höchste aller
Schuhwerk ihn noch möglichst lange Dinge sind und man da gerne bereit ist, tragen wird. Damit transportieren auch bis zu 12.000 Euro auszugeben.
Schuhe nicht nur den Träger, sondern »Wer auf der Straße lebt, Arbeitskleidung war auch schon mal auch Absichten, Pläne, Visionen. Eine Vision kann sein, unterwegs zu sein, hat ja kein Budget für erschwinglicher: Viele erinnern sich sicher noch an die sogenannten Serviererinum irgendwo anzukommen. Ein ande- Luxusartikel. Dennoch: Gutes nen-Schuhe, die die Kellnerinnen in den rer möchte einfach irgendwo verwei- Schuhwerk, eine passable Alte-Tanten-Cafés trugen. Diejenigen, die len, sesshaft werden. Dass ein guter Matratze und ein warmer den Beruf des Flößers ausübten, bevorzug-
Schuh eine gute Investition ist, trifft auf Schlafsack gehören, meiner ten mit Spikes bewehrte Lederschuhe, um beide zu. Und dafür muss man nicht immer viel Geld in die Hand nehmen. Meinung nach, zur Grundauf den Holzstämmen besser hantieren zu können. Bauarbeiter verfügen über Sicherausstattung.« heitsschuhe mit nagelsicherer Sohle und Seit Jahren beschäftige ich mich Stahlkappen, die mögliche Verletzungen sowohl mit rahmengenähten Klassi- vermeiden können. Und privat? Privat kern als auch mit zeitgemäßen Sneakers und habe trägt man hierzulande Sneakers. All überall. häufi g feststellen müssen, dass Preis und Ob von Robotern in Fabriken gefertigt oder von 12-jährigen Qualität nicht immer viel miteinander zu unterbezahlten Lohn-Sklaven in Myanmar oder Kambodscha tun haben. Auch, wenn ich kein Anhän- zusammengeklebt - in der Herstellung zwischen drei und sieger der Wegwerf-Kultur bin, muss ich ben Euro kostend -, werden sie weltweit zu einem Preis zwizugeben, dass die 11-Euro-Schuhe bei- schen 50 und 900 Euro verkauft und können sogar als gediespielsweise von Primark hinsichtlich genes Spekulations- und Sammelobjekt herhalten: Für mein Fertigungstechnik und Qualität kaum aktuelles Buch „Sneakers – Modelle-Storys-Statements“ habe einen Deut schlechter sind als manche ich u.a. Studierende fotografi ert, die ihr Grundstudium mit Luxus-Sneakers, die durchaus unvernünf- Hilfe von Spekulation mit Sneakers als Kultobjekte verdient tige 600 Euro und mehr kosten können. Solan- haben. Außerdem begegnete ich einem Sammler, der ebenso Schuhe können ge jemand bereit ist, Geld dafür auszugeben, Firmenbeteiligungen sammelt wie Sneakers und eine Sammhelfen, das eigene Selbstverständnis werden die wohl auch hochpreisig bleiben. Sta- lung von über 1400 limitierten Modellen – kein Paar unter zu defi nieren. Man tistisch gesehen sind es übrigens vornehmlich 1000 Euro – sein Eigen nennt. Ein je nach Standpunkt durchfühlt sich durch sie im Frauen, die Schuhe kaufen: Auf einen verkauften aus als genialisch zu bezeichnendes Marketing der Industrie wahrsten Sinne des Herrenschuh kommen ungefähr acht verkaufte unterstützt den Kult gern durch ein
Wortes getragen� Damenschuhe. Man kann also davon sprechen, künstlich verknapptes Angebot. So dass sich die Anschaffung von Schuhen bis heu- heißt es in der Werbung: „Von te genderspezifi sch unterscheidet und – auch historisch diesem Schuh kommen nur bedingt – sicher auch aus einer unterschiedlichen Motivation ganze 1.000 Exemplare passiert: War doch für Männer als Kriegstreiber der Schuh in nach Deutschland …“ erster Linie Rüstung und Uniform. Der Fuß des Ritters wurde Begehrlichkeiten in Form eines metallenen Schuppen-Schuhs vor den piepsigen werden umso mehr
Lanzen des Gegners geschützt. Für den Soldaten bedeutet sein geweckt, in dem
Schuhwerk gleichfalls eine Zuordnung zum jeweiligen Rang: man „Releases“ von
Durch die Schuhe, die man trägt, fühlt man sich heute einer Gruppe zugehörig: Man möchte so zeigen, wer man ist�

Foto: Ben Weber, unsplash�com

neuen, limitierten Modellen ankündigt und sie bereits zwei Wochen vor dem erst Verkaufstag in der Glasvitrine präsentiert. Nicht selten campieren bereits Tage vor Verkaufsstart Jugendliche vor den Geschäften, um sicher zu gehen, einen der begehrten Schuhe zu bekommen.
Übrigens: Auch in Europa – sogar bei uns in Deutschland – gibt es nach wie vor Manufakturen, die zu durchaus guten Preisen Sneakers produzieren. Die Sohlen dieser Schuhe sind oft nicht nur geklebt oder angespritzt, sondern genäht. So kann man ihn auch besser reparieren. Besucht habe ich das Werk Brütting, das seinen Sitz in Oberfranken hat, und Tisza in Ungarn. Apropos Reparatur: Liebt man seine Schuhe, will man sie so lange wie möglich bewahren. Genauso wie die Erneuerung von Bremsbelägen kann man also auch die Sohlen seiner Schuhe erneuern lassen. Ein guter Schuh-Schaft kann 30 Jahre halten oder länger. Meine Lieblingstreter sind maschinengefertigt, stammen aus dem Jahr 1994 und sind bald bereits zum fünften Mal neu besohlt. Auch, wenn die Industrie in erster Linie Schuhe neu verkaufen möchte, ist es natürlich auch nachhaltiger, einen Schuhmacher zu fi nden, der in vernünftig handwerklicher Arbeit sogar Sneakers neu besohlen kann. Die Schuhmacherei Münch in Köln-Neuehrenfeld beispielsweise nimmt zwischen 25 und 35 Euro, um Schuhe neu zu besohlen. Das hat ja auch etwas damit zu tun, seinen Lieblingstretern den Respekt zu erweisen, den sie sich verdient haben.
Mit den sichtlich zerlaufenen „Germina“-Schuhen, einer alten DDR-Marke, lief der Schriftsteller Jurij andropowitsch in 15 Jahren mehr als 40�000 Kilometer und durchquerte nahezu alle Kontinente dieser Erde� Die Schuhe stehen heute im Sport- und Olympiamuseum� Yilmaz hält sich häufi g am lenauplatz in neuehrenfeld auf� Sneakers sind seine Sommerschuhe, die ihm gute laune machen: „ich habe Frühlingsgefühle, da will ich anständig aussehen� Der Winter soll weggehen, der war lang genug, und dieses blöde Corona sowieso…�“
● ● ● INFO
Das Buch SNEAKERS – Modelle-Storys- Statements (ISBN 978-3-7415-2521-6) ist im Buchhandel erhältlich oder bestellbar – signierte Exemplare gibt es direkt im Atelier von Georg Valerius, Subbelrather Str. 200, 50823 Köln.
email@georg-valerius.de
GeorG Valerius’ aPPell: Passt auf eure Füße auf, sorgt gut für sie. Sie tragen euch euer ganzes Leben lang, wohin ihr wollt, falls ihr ein Ziel habt. Falls ihr keins habt, auch gut, auch wer viel stehen muss, dem helfen vernünftig angeschaffte Schuhe. Und Anschaffung muss beileibe nicht immer „neuer Schuh“ heißen. Es gibt zum Glück Leute, die ihre Schuhe zu klein oder zu groß gekauft haben und diese dann auf den entsprechenden Online-Portalen anbieten, mit erheblichen Abschlägen. Ich selbst habe bereits acht Paar Laufschuhe, die ich nicht brauche, um damit zu „glänzen“, sondern zum Joggen. Übrigens gehe ich seit mehr als 20 Jahren mit vornehmlich gebraucht gekauften Schuhen joggen.


Minimal beschuht unterwegs in Ehrenfeld: hanna schnürt ihre Wildlinge�
MiniM alschuhe
Stärkere Fußmuskeln und bessere Bodenhaftung
VOn MARKUS DüPPEnGIESSER
Hanna te Heesen ist Lehrerin in Elternzeit, an zwei Tagen in der Woche arbeitet sie momentan in einem Unverpackt-Laden. „Als ich noch unterrichtet habe, bin ich zwei- oder dreimal im Monat eineinhalb Stunden früher aufgestanden und zur Schule gelaufen“, sagt sie. Von Ehrenfeld bis Weiden: immerhin acht Kilometer. „Wenn ich die Wahl habe, ist mir Zufußgehen noch lieber als Radfahren.“ Warum das so ist, kann sie gar nicht so genau sagen.
Und dass sie inzwischen fast nur noch Minimalschuhe trägt, das hat ganz andere Gründe. Zwei Dinge kamen im Sommer 2017 zusammen: Einerseits hatte die heute 39-Jährige beim Gehen immer wieder Fußschmerzen, andererseits las sie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ einen Artikel über den Schuhhersteller Wildling. „Klang für mich nach einer interessanten Alternative.“ Minimalschuhe engen den Fuß nicht ein, man hat ziemlich direkten Kontakt zum Boden. „Das ist erst einmal ungewohnt, weil die Federung fehlt.“ Bald aber bekam sie deutlich stärkere Fußmuskeln, die Schmerzen waren weg. „Inzwischen habe ich sechs Paar und trage gar nichts anderes mehr – außer bei feierlichen Anlässen oder zum Joggen.“
Mittlerweile hat sie die ganze Familie überzeugt: Auch Gatte Christoph Kleene (46), ebenfalls Lehrer, Tochter Hilde (5) und die siebenjährigen Zwillinge Fenja und Rasmus ziehen gerne Minimalschuhe, häufig auch Barfußschuhe genannt, an. „Rasmus trägt sie fast immer, auch beim Fußballspielen auf dem Bolzplatz.“ Fenja fällt ein wenig aus der Reihe. Zum Klettern im Baum zieht sie ihre Barfußschuhe an, am liebsten ist sie aber bei Wind und Wetter komplett barfuß unterwegs. Ihre Meinung: „Socken sind der Weltuntergang!“
Eigentlich sehen es Christoph Kleene (rechts) und hanna te heesen (2� v� l�) gar nicht gern, wenn ihre Kinder (von links: Fenja, hilde und Rasmus) im Garten die Mauer hochklettern� aber für diese Fotos drückten sie nicht nur ein auge zu, sie balancierten auch selber auf den ganz schön schmalen Vorsprüngen herum�
Fotos: Markus Düppengießer