Das Programm der Vorarlberger Grünen (Langfassung)

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wahre kritische Gegenmacht. Von der bilden die Intellektuellen“ – ebenso wie die KünstlerInnen fügen wir hinzu – „einen Bestandteil, und zwar einen ersten Ranges.“ (Pierre Bourdieu) Die „Legitimierung“ von Kunst als Wirtschaftsfaktor, etwa über Umwegrentabilität für den Tourismus, lehnen wir ab, denn sie spielt einem ohnehin schon hegemonialen Diskurs in die Hände, der letztlich „alle demokratiepolitischen Potentiale dem Markt unterordnet“ (Marchart). Die Kulturpolitik des Landes soll die Dynamik der kulturellen Öffentlichkeit aktiv unterstützen, damit die Bürgerrolle anreichern, ein nachhaltig offenes, pluralistisches Klima schaffen, im geistigen wie im materiellen Sinn. Sie hat Diskursräume zur Auseinandersetzung mit der Geschichte – insbesondere des 20. Jahrhunderts – zu öffnen. Zur Lage der Kultur in Vorarlberg In den letzten Jahrzehnten hat sich Vorarlberg kulturell stark verändert. Die ersten beiden Nachkriegslandeshauptleute behielten die Kulturpolitik als Ideologieressort bei sich. Mitte der siebziger Jahre setzte eine Öffnung ein, die durch die Internationalisierung der Wirtschaft – kulturelle Infrastruktur als weicher Standortfaktor – gefördert und von zahlreichen KünstlerInnen und Kulturinitiativen getragen wurde. Die Konfrontationslinien, die die Kulturdebatte der 70er Jahren geprägt haben – hie Hochkultur, dort Alternativkultur – entsprechen nicht mehr der Wirklichkeit. Ein beträchtlicher Teil der Initiativen aus der Gegenkultur-Szene hat sich etabliert und/oder kommerzialisiert. Das Land hat eine Reihe von Künstlerinnen und Künstler von überregionalem und internationalen Format hervorgebracht. Die Kulturpolitik des Landes nimmt ihre Verantwortung für Kunst und Kultur nicht ausreichend wahr. So wurde über viele Jahre verabsäumt, für gewisse landeseigene Einrichtungen klare künstlerische Konzepte einzufordern, an Hand derer Erfolg bewertet werden könnte. Die Politik begnügt sich mit der Verwaltung von Kunst und Kultur. Sie begünstigt, was politisch genehm und angepasst ist, antipodische und kritische Positionen zu gesellschaftlichen Themen – wie z.B. die Wehrmachtsausstellung – stören. Politisch unangepasste Kulturarbeit wird selten geschätzt. Die Kunst- und Kulturförderung ist gekennzeichnet durch mangelnde Transparenz in den Zielen und in der Vergabe. Zwar listet der „Kulturbericht“ des Landes die subventionierten Projekte mit den Förderungssummen auf, es fehlen jedoch Vergabekriterien wie auch Bewertungen. Der Gendergerechtigkeit wird nicht der notwendige Stellenwert eingeräumt. Eine breite öffentliche Kulturdebatte findet nicht statt. Mit der Novellierung des mehr als 30 Jahre alten Kulturfördergesetzes wurde eine langjährige Forderung der Grünen umgesetzt. 62


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