ZAK IV

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ZEITSCHRIFT FÜR ALLGMEINEN KULTURPESSIMISMUS Hrsg. von Marschall von Pytz, Robin Lambrecht & Antonin U. Trébut

Ausgabe des Ersten Kollektivs der Imachinerie

Autoren: Barefooted In Alaska; Janja Josipa Perkovic; Mena Phila; Bernard Rieux; Sam Takttreppe; Antonin U. Trébut.

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INHALT VORWORT

S. 3

EIDGENÖSSISCHE LYRIK: Vergissmeinnicht (Breton/Soupault) Der Tod: Die Korkmauer (Desnos) Ich habe so sehr von dir geträumt (Desnos)

S. 4 S. 9 S. 10

INVESTIGATIVE REPORTAGEN & REISEBERICHTE: Of exile, sunrise & horses (AUT)

S. 12

LITS ET RATURES: Die Methoden LSD II (AUT) Noten zu Breton, Soupault, Desnos (AUT) Huldigung: Barefooted In Alaska (AUT) Kulturpessimismus – Ein Essay (BIA)

S. S. S. S.

GEBURTEN & TODESFÄLLE: Erstes Kollektiv der Imachinerie (AUT) Plaster Wolf (AUT)

S. 23 S. 24

WERKE DER BEWEGUNG: Goethe und Schiller (ST) Le vol perpétuel (MP) Traumdämmerung (JJP) Tagtraumwache (JJP) Übermensch, tragisch (BR)

S. S. S. S. S.

UNWISSENSWERTES: Aphorismen der Woche

S. 31

AUTOREN & KOLLABORATEURE

S. 31

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Vorwort Marburg, den 07/09/2012 Sehr geehrte Damen und Herren, ein gutaussehendes junges Fräulein wendete sich kürzlich mit folgenden Worten an mich: Ich arbeite hier für diesen Laden1, du darfst drinnen nicht rauchen! Ich antwortete darauf: Ich arbeite für die Revolution, und zwar überall. Sie ließ mich rauchen. Da die besagte Revolution immer noch nicht stattgefunden hat, und wir außerdem nicht einmal hoffnungsvoll zu äußern wagen, wir befänden uns an ihrem Vorabend, muss die ZEITSCHRIFT FÜR ALLGEMEINEN KULTURPESSIMISMUS leider weiterhin erscheinen. Diese Ausgabe vermeldet als kleinen Schimmer eines Morgens die Geburt des ERSTEN KOLLEKTIVS DER IMACHINERIE, welchem die ZAK in Zukunft als Sprachrohr dienen wird. Eingeleitet wird die IV. Ausgabe durch einen dadaistischen Sketch André Bretons und Philippe Soupaults, der nun erstmals in einer deutschen Fassung vorliegt. Ihm folgen zwei weitere aus dem Französischen übertragene Texte, zunächst eine so essayistische wie lyrische Auseinandersetzung Robert Desnos' mit dem Tod, welcher eins seiner grandiosen Gedichte folgt. Es schließt sich eine Reisegeschichte älteren Datums an, welche amüsant genug erschien, um aufgenommen zu werden – immerhin spenden wir hier und da auch leichte Kost für die geistig Armen. Ihr folgt ein Definitionsversuch des Wortes IMACHINERIE – er wird nicht der einzige bleiben. Nach kurzen biographischen Notizen zu den Herren Breton und Soupault verbeugen wir uns vor einem genauso großartigen wie unbekannten Musiker, welcher uns freundlicherweise auch seine Ansichten zum Thema Kulturpessimismus zukommen ließ. Vor der unvermeidlichen Präsentation verschiedenster Texte unserer Produktion tritt eine Textkategorie ins Leben, welche neue Entdeckungen im künstlerischen Sektor zum Inhalt hat, sowie – sollte es nötig werden – Ausschlüsse aus der Bewegung aufgrund konterrevolutionären Verhaltens. Ich wünsche den werten Lesern keine Freude, aber Gewinn bei der Lektüre unseres imaschinistischen Fachblattes. Antonin U. Trébut

1 Ein Tanzschuppen, dessen Name nichts zur Sache tut, auch wenn ich ihn noch so gerne diskreditieren würde.

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Vergissmeinnicht Personen: Regenschirm Schlafanzug Nähmaschine Ein Unbekannter I Regenschirm, Schlafanzug Schlafanzug: Gehen wir, gehen wir, oder? Wohin du willst. Sag mal: Wer war nochmal dieser Baum, dieser junge Leopard, den ich gestern abgeschleppt habe? Regenschirm: Mit einem weißen Hut, anderthalb Hüten. Wie ich die Fahrradfahrer feier', die um diese Zeit durch die Frühlingspfützen schießen! S. legt ihm die Hand auf die Schulter: Wer war nochmal dieser Baum, dieser junge Leopard, den ich gestern abgeschleppt habe? R.: Nachsicht, Papa Schlafanzug, gibt‘s was Schöneres als Nachsicht? Denk mal erst an die Späße des Körpers: eine Erfahrung gewinnt immer, nämlich die Falten und die ergrauenden Haare. S. öffnet das Fenster und schreit: Wer war nochmal dieser Baum, dieser junge Leopard, den ich gestern abgeschleppt habe? R.: Du erkältest dich noch ohne Decke. Was für eine scheiß ungemütliche Reise. Die Wege und Sirenen ziehen mit Wolfschritten vorbei, was sich doch die Zeiten geändert haben! Ich sag’s dir: eine kamillenfarbene Himmelsschale ist nicht so süß wie der Blick deiner Nichte. Jemand klopft. S.: Der Tisch ist nicht reserviert. II Dieselben, Nähmaschine Nähmaschine: Was für’n Wetter! Regenschirm, die Sonnenstrahlen sind sinnlos. Zu A. Bist du da, Schatz? S.: Wer war nochmal dieser Baum, dieser junge Leopard, den ich gestern abgeschleppt habe? N. bleibt in der Mitte der Bühne stehen. R. flüstert N. ins Ohr: Ist diese Jungfrau geliehen? Nichts kann mir die Stimmung der Laternen weißmachen, wenn die gelben Margeriten, diese Lotterieblumen herumwirbeln, anstatt dass sich Augen schließen. N.: verschränkt die Arme: Willst du ‘nen Bindfaden oder

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Orangen? Mein hübsches Äffchen hat mir ein Paar Hosenträger geschenkt und das war nicht mal alles. Die Elefanten in den Porzellanläden sollen mal mit ihren großen Lampen herkommen. Die Sonne ist noch nicht untergegangen. Abendkleid! Bist du da, Schatz? S. sucht irgendetwas. R.: Du hast was verloren. Was ist eine Akazie? Ein unter einem Schrank krepiertes Tier. Diese Kreisel sind Kindheitserinnerungen, aber was fällt ihnen ein zu schnarchen? Welche Stecknadel wird er noch zwischen den Dielen glitzern sehen? S.: Was? N.: Halt die Klappe, Hase. Regenschirm, hör mal zu. Ich hab dir nichts zu sagen. Du bist schön, du bist dumm, du bist… Regenschirm. Hast gesehen was draußen abgeht? R.: Montparnasse hat seine friedliche Physiognomie bewahrt, mit seinen Künstlern, seinen Philosophen, deren weiße Haare unter den hohen Hüten hervorschauen. Im Quartier Latin trifft man manchmal noch in schöne Bücher und Briefmarken verliebte Träumer. Montmartre ist immer noch so laut und die Rue de Rivoli mit den Louvre-Souvenirgeschäften ist wieder das reinste Touri-Viertel geworden, mit all den Neureichen der Luxuskollekte und den klassischen Milchbrillen. Bewegt die Arme. Schmeiß mir mal einen Krümel Brot rüber, du weißt doch, dass ich ein Zugvogel bin. N.: Putz mal deine Brille, Regenschirm. Du hast gar nicht gesehen, wie schön ich heute bin! Meine Haare wehen über den Fluss und meine Lippen sind lange giftige Fische. Der Schöpfer… S.: Was? N.: Schnauze, du roter Gauner. Der Schöpfer hat mir gesagt, wo man die ganzen Sterne findet, die am Himmel fehlen. Rate mal in welcher Hand ich die Unschuld halte, die Unschuld, die man jeden morgen verliert und abends unter im Unterholz der Sonne wiederfindet. R.: Bevor wir den Tag an die gezähmte Knarre verschwenden wird das Leben die Gefühle aushöhlen wie Muschelschalen. Es ist schwer und blau, mit einem Gewitter in seinen Händen, aber Ende ist es kein nerviger Greis. N.: Schöne weiße Tage, Halsketten bei Nacht, weit entfernte Wolken und Blumen der Langeweile. S.: Was? N.: Nichts als Mechanik des Sonetts. Ruhe. R. geht an die schwarze Tafel und führt folgende Rechnung durch: 1111111111 x 0,000000009 …..…9999

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R.: Hier haben wir die Frösche. N.: Du hüpfst doch bei Vollmond. R.: Die Situation ist dieselbe wie gestern. N.: Das ist doch keine Aussage, Regenschirm. R.: Es ist meine Rolle, keine Aussage zu haben. Auf dem Tisch liegen Tabak, eine Pfeife, Handschuhe und mein Hut. S.: Was kann man sich mehr wünschen? N. zu R.: Hat dieser Quatsch bald mal ein Ende? Ich rede vollen Ernstes zu euch und ihr zuckt mit den Schultern. R.: Ich weiß, Liebling, du willst sagen, dass du Kohle brauchst, wenn’s dir dein Stolz erlaubt. N.: Du kennst Fahne, oder? Du weißt, dass er nichts vergibt. Wenn ich ihm in die Hände falle, bin ich verloren. S.: Wie viele Wiedergefundene? R.: Was soll ich schon machen? Ich bin vierundzwanzig und trage eine Brille. S.: Und ich viele Haare und zehn Finger. N.: Feigling! Du willst, dass ich dir zu Füßen krieche! S.: Ja, ja. N.: Der Stolz einer Frau, sagt dir das nichts? S.: Was ist schon Stolz? Ein unter einem Schrank krepiertes Tier. N.: Immer gehe ich, ohne irgendwas erreicht zu haben. R.: Bleib hier, Nähmaschine. Was willst du denn draußen. Hier ist’s schön. N. flehend: Regenschirm, du bist doch gut. S.: Besser. N. zu S.: Du bist auch gut, aber du kannst es nicht wissen. Du bist unfähig, die Nacht und das Meer zu erkennen. S.: Ich danke aus tiefstem Herzen. Die Nadel, die die Träume eint, das Temperament und die Wut der Babys, was sind sie schön, was sind sie doch schön! R.: Das Gute ist ein Mädchen für alles, das Gute eines Schatzes, was bringt’s, Maschine? Lassen wir diesen alten Geizhals, wir sind, aber wir sind keine Millionenerben. S.: Christus sagte fährt mit der Hand über den Bauch: Seit gut mit den Tieren. R.: Abendkleid, wollen wir in den Keller gehen? N.: Aus Spinnfäden macht man noch keine guten Flaschen. S.: Diese Geschichten sind nichts für Kinder. N.: Regenschirm, schau mich an. Ich trage die Namen aller Parfums, die verduften, wenn ich singe. Ich bin an schönen Sommertagen immer allein und kann nur entweder mein rosa oder mein blaues Kleid tragen, wenn du meine Hüfte berührst und mir die Sportnachrichten zurufst. R.: Du bist auf jeden nicht schlecht. S.: Das kann man schlecht bestellen. N.: Immer das Wetter, warum denn das Wetter? Daher kommt dein Unwohlsein.

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S.: Was ist die Zukunft? Ein unter einem Schrank krepiertes Tier. N.: Manchmal machen mir die gestreiften Vergissmeinnicht mit Nagelscheren in unserem Schlafzimmer Angst beim Aufwachen. Regenschirm, bitte antworte mir doch. Wo waren wir mit dem Wetter stehen geblieben? R.: Wechselhaft. Kommt zu sich. Ungetrübt. N.: Du liebst mich. Ein Unbekannter schiebt ein Fass das hintere Ende der Bühne entlang. Er trägt Hemdsärmel und eine weiße Schürze. R.: Wirklich? N.: Und wenn du mich nicht hättest? Dein Auge würde am Fenster kleben und es würde dich ankotzen, der Schildkröte zeigt auf S beim Fressen von Fliegen zuzuschauen. Ich kenne dich, geh ruhig, du bist nicht der Erste. Ruhe. Was sagt man seiner Schwiegermutter? Ruhe. Regenschirm setzt sich. Sie bindet ihm die Krawatte neu. Hast du die Glocken gehört? Sag mir doch irgendetwas, Regenschirm. Ich würde alles tun, um dir zu gefallen. Denk doch daran, was wir noch alles vor uns haben; es ist nutzlos, mir ein Band in die Haare zu flechten. Im Garten der Präfektur gibt es einen Reifen mit Musik, der sich alleine dreht. Der Hampelmann der blühenden Bäume hat den Kopf verloren. Wir müssen aufpassen, was wir sagen, die Zeit ist rum. Sie hebt etwas Unsichtbares. Gerettet! Das hübsche Boot, das Schiffbruch erleiden wird, hat abgelegt. S.: Bringt mir mal wer eine Tüte mit diesem rosa Rauch, den man Bart à la Papa nennt? N.: Ihr Männer wisst alleine wirklich nicht zu überleben. Eines Tages wird alles neu beginnen, ohne dass ihr es wüsstet, und ihr werdet nicht vor Schreck sterben. Ihr schaut auf eure zufällig stehengebliebene Uhr. Die Chimären lassen ihren Ballast fallen und flattern davon. Regenschirm, Schlafanzug, ihr wisst zu viel. Nehmt dieses Medikament. Sie spielt Himmel und Hölle. Jetzt aber Waffenstillstand, wählt zwischen dem Hanf und mir. Die Idee ist nichtig: Es gibt keinen so schönen Schmetterling, dass man ihn unter einem Hut zappeln sehen will, keinen so feinen Stoff, dass der Goldstaub nicht hindurch fliegt. Prost! Schreit. Das letzte Blumenzipfelchen, das letzte Lied auf dem Hof, das den Abriss des Hauses überlebt, sollte für die Seifenwerbung aufgehoben werden. Sie verfällt der Hysterie. Spricht. Dies sind die Windengewächse, die man sich in die Haare stecken sollte, dies die Wegelagerer, die mit euch reden. Sechsunddreißig davon wachsen um den Blitzableiter herum. Ladet doch die Diebe hierher ein. Euer Wille geschehe, im Himmel wie auf Erden. Ruhe. Zehntausend Euro für den, der die erste Taubenlaterne in die Luft jagt. Ruhe. Die Wollust! R. und S. erheben sich. S.: Nähmaschine, meine Ohren dröhnen. Bitte sei doch ruhig.

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R.: Das hat lange genug gedauert. Verzieh‘ dich. Beide: Ich kann den Lärm dieser Dampfmaschine nicht länger ertragen. N. entfernt sich Stück für Stück: Ich verstehe. Ihr schmeißt mich raus. S.: Korrekt. N.: Was ihr für Barbaren seid. R.: Meine Geduld ist nicht so ausdauernd wie deine Zunge. N.: Erklär’s mir, Regenschirm, dann geh‘ ich. S.: Keine Erklärungen heute. N.: Ich weiß nicht mehr ein noch aus. R. und S.: Sie wird noch ‘ne Stunde labern! Es ist unerträglich. N.: Ich wollte dir doch nicht zur Last fallen, Regenschirm. Jetzt sehe ich, wie traurig du bist, mein Gott, was habe ich getan? S.: Oh! Jetzt reicht’s! Stopf ihr das Maul, Regenschirm! Und wenn sie nicht geht, schmeiß sie raus! N.: Lasst mich noch ein Wort sagen! S.: Das Zimmer wird aus allen Nähten platzen, wenn du auch nur noch ein Wort hinstellst. Verpiss dich und rede mit den Bäumen oder den Laternen, aber lass uns in Gottes Namen in Frieden, du Kreisel. N.: Kreisel!?! Ab, das Wort Kreisel wiederholend. III Dieselben, ohne N.

Man hört ein Lied (Melodie: Mariacron. R. bekommt vom Unbekannten eine verstimmte Gitarre gebracht, S. trommelt auf dem Fass. Der Text wird zweimal gesungen.): Böhmischer Kristall Böhmischer Krista-ha-hall Find ich gut, find ich gut! Vergissmeinnicht (Vergissmeinnicht) Vergissmeinnicht (Vergissmeinnicht) Vergissmeinni-hi-hicht Vergissmeinnicht! Heute geht die Sonne Strahlend wieder auf-auf-auf Find ich gut, find ich gut! Sonne geh‘ auf! (Sonne geh‘ auf!) Sonne geh‘ auf! (Sonne geh‘ auf!) Sonne geh‘ auf-auf-auf! Son-ne geh‘ auf!

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R. steckt die Hände unter die Achseln wie jemand, der friert. Nach mehreren Versuchen gelingt es S., den großen Zehn am Kinn zu platzieren. R.: Ich erinnere mich gerade sehr lebhaft an einen Besuch auf einem der Loire-Schlösser, den ich vor einem Jahr gemacht habe. Ich war zwei Stunden dort. Ich kann den Rundgang immer noch im Kopf nachgehen: Ich trete durch eine riesige Pforte ein, gehe die Innenhöfe der Reihe nach ab, so wie die Säle, Räume sowie die darüber liegenden Kapellen, ich sehe die Fresken und Täfelungen, ich kann mich bis zum Ausgang gut im Gewirr der Gänge des Schlosses orientieren, aber die Vorstellung, dass dieser Besuch mit den zwei Stunden deckungsgleich ist, die während dessen verstrichen, ist mir unmöglich. S. kniet sich zum beten hin. Vorne auf der Bühne weht R. eine rote Bahnwärterfahne. Vorhang. André Breton/Philippe Soupault – Vous m’oublierez (übertragen aus dem Französischen von AUT)

Der Tod: Die Korkmauer Er ist das ungebrochen von der Mauer lächelnde Baby der Cadum-Seifenwerbung, er ist der sublime Satz Robespierres: Wer die Unsterblichkeit der Seele leugnet, richtet sich selbst; er ist der zu Füßen einer absichtlich unvollendeten Säule verwelkende Lorbeer, er ist der Regenschirm, der an einem Regentag aus dem fünften Stockwerk betrachtet wie ein Seeungeheuer aufblitzt. Hast du an die Unsterblichkeit der Seele geglaubt, verlorener Tribun? Wenig bedeutet mir etwas; alle Selbstsicherheit ist vergebens. Allein die Rastlosigkeit verspricht ein wenig Erhabenheit. Die Immoralität übrigens ist widerwärtig. Allein die Ewigkeit verdient Beachtung. Es ist unerträglich, dass die Mehrheit der Menschen das Problem des Todes mit dem Gottes in Verbindung bringt. Ob letzterer ein fragwürdiger himmlischer Metzger, ein an einen poetischen Fetisch geknüpfter Aberglaube (Halbmond, Kreuz, Phallus oder Sonne) oder ein absolut respektabler Glaube an die unendliche Abfolge von Räumen ist, ich werde seine Einmischung in den Tod immer für einen der Willenlosigkeit der Menschen geschuldeten Betrug halten. Wer die Nichtexistenz Gottes nicht bezweifelt, legt Zeugnis seiner untragbaren Ignoranz ab, denn das Wissen um die spirituellen Ebenen ist ein spontanes. Jene, die an Gott glauben, sind fast ausnahmslos Feiglinge und auf die körperliche Präsenz gepolte Materialisten. Der Tod ist ein

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physisches Phänomen. Gott dort ins Spiel zu bringen bedeutet ihn zu materialisieren. Der Tod des Geistes ist Unfug. Ich lebe in der Ewigkeit, trotz der Lächerlichkeit einer solchen Erklärung. Ich glaube zu leben, also bin ich unsterblich. Die Vergangenheit wie die Zukunft dienen nur dem Materialismus. Das geistige Leben sowie die Ewigkeit finden sich in der Gegenwart. Wenn der Tod mich ergreift, dann nicht meine Gedanken, meinen Geist, welche den schönsten Leichenwagen nicht zu fahren wüssten, aber meine Sinne. Ich weiß mir die Liebe nicht ohne den Beigeschmack des Todes vorzustellen, nebenbei frei von jeder Sentimentalität und Traurigkeit, welche damit verbunden sein könnten. Ihr wunderbaren Sensationen des Blicks und der Berührung, nur durch eure Einmischung treten meine Gedanken in Kontakt mit dem Tod. Der flüchtige Charakter der Liebe ist auch der seine. Wenn ich zur Lobrede auf den einen ansetze, halte ich jene auf den anderen. Oh geliebte Frauen! Ihr, die ich gekannt habe, ihr, die ich kenne! Du flammende Blonde, von der ich seit zwei Jahren träume, du von geweihten Pelzen bedeckte Brünette, und du, von der ich mir in den Kopf gesetzt habe dich zu treffen und dir wo auch immer hin zu folgen, der du an meinen Gedanken zweifelst, ohne ihnen schon zuzustimmen, und du Frau von dreißig Jahren, du Mädchen von zwanzig und all die anderen, ich lade euch alle zu meiner Beerdigung ein. Eine Beerdigung, wie sie sich gehört, reichlich grotesk und lächerlich, mit gelben Blumen und den steifen, wie Uhus dreinschauenden Totengräbern! Wenigstens von da an... Der flüchtige Charakter der Liebe ist auch der des Todes. Robert Desnos – La mort : La Muraille de Chêne , aus: La Révolution Surréaliste No.2, 15. Januar 1925; übers. aus dem Frz. von AUT.

Ich habe so sehr von dir geträumt Ich habe so sehr von dir geträumt dass du deine Wirklichkeit [verlierst Bleibt noch Zeit diesen lebenden Körper zu erreichen Und jenen Mund zu küssen die Quelle Der Stimme die mir teuer ist? Ich habe so sehr von dir geträumt dass meine Arme, gewohnt Nach deinem Schatten zu haschen Um sich auf meiner Brust zu kreuzen, sich nicht mehr schließen

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Um die Linien deines Körpers, wohl möglich. Und dass ich vor der echten Erscheinung dessen was mich [verfolgt Und mich seit Jahr und Tag steuert Ein Schatten werde zweifelsohne Oh Waage der Gefühle. Ich habe so sehr von dir geträumt dass mir zweifelsohne Nicht die Zeit bleibt zu erwachen. Ich schlafe stehend, meinen Körper Allen Erscheinungen des Lebens Der Liebe und dir aussetzend, der einzigen Die heute für mich zählt; Ich kann deine Stirn deine Lippen Weniger berühren als die erstbesten Lippen Die erstbeste Stirn. Ich habe so sehr von dir geträumt, bin so weit gelaufen, habe [so viel gesprochen Mit einem Phantom geschlafen Dass mir wohl möglich nichts bleibt, Dennoch, als Phantom zu sein Zwischen den Phantomen und hundertmal mehr Schatten Als der Schatten, der spaziert Und munter spazieren wird auf der Sonnenuhr deines Lebens. Robert Desnos – J'ai tant rêvé de toi, aus: Corps et Biens, übers. aus dem Frz. von AUT.

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Of exile, sunrise and horses Unterwegs von Lüneburg bis Cavalière & nach Freiburg zurück. Exile on main st. Da ist er wieder, der Sonnenaufgang. Drei Jungs stolpern über ihre Füße in Lederschuhen, tanzen Schamanengleich im Kreis und das alte Kassettendeck brüllt mit aller verbliebenen Kraft Run, run, run! aus den Tiefen des samtenen Untergrunds der späten, LSD-geschwängerten 60er. Time is on my side; der Zug rollt nach Süden und die aufsummierte Zahl der wachen Stunden hat schon längst ein Maß erreicht, für welches ein Nickerchen und selbst eine durchgeschlafene Nacht auch keine Lösung mehr darstellen. Bald wird sich auch der Magen der Essensaufnahme nach zweitägiger Überbelastung mit bayerischem Buffet verweigern und dann fällt man eben einfach da um, wo man steht. Wenn das Licht zurückkommt, muss man sich die ewigen AlkoholVerdächtigungen der Passanten und des eventuell anwesenden Rettungsdiensts anhören und schmeißt sie mit einer wegwerfenden Handbewegung davon und nuschelt dehydriert, ein Klassiker. Das Leben ist kein Film, und die Bahnhofsrolltreppe herunterzuschmieren höchsten halb so cool, wie es mit Nico im Ohr erscheinen mag. Dieser ewige Sauf- und Absturzhedonismus ist ja inzwischen auch schon längst Mainstream, so dass man gerne mal Leute erlebt, die quasi pretending alcoholics sind. Frittenbude liefert bei den weniger Versierten den Soundtrack, bei jenen, die den Tod der Politik immer noch nicht akzeptiert haben und nachts davon träumen, Dutschke zu sein, dann eben Egotronic. Wie dem auch sei, der stilvolle bohème des wahrscheinlich überflüssigsten Jahrhunderts des Überflusses steht auf den entsprechenden alten Scheiß, früher war alles besser, wie Opa zu sagen pflegte, um ihn einmal unqualifiziert zu paraphrasieren. Man gehört zu der Gruppe der zu-spät-Geborenen und manche reklamieren diese Ungerechtigkeit mit einer Penetranz, dass man sich nicht wundern würde, wenn der Weltgeist sie zur Strafe ihre Jugend statt in Woodstock in den 40er verbringen lässt und sie auch im Schlamm robben, aber eben in Russland. Wir sind die happy few, nörgeln auf unerreicht hohem Niveau und können uns selbst in der vielzitierten Krise noch jedes Wochenende unseren Hass auf die ewige Langeweile wegsaufen, kostet ja nix. Unsere Eltern und Großeltern halten uns ob unserer Möglichkeiten und dessen, was wir draus machen, für maßlose Waschlappen und wir würden diese Welt am liebsten doch vorne und hinten anzünden, nicht 40er-Style sonder mehr à la light my fire, nur damit mal was Neues passiert, denn seit der

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bescheidenen Postmoderne gibt es ja weder Neues zu Schreiben, zu Musizieren oder was da noch an Kunst existiert. Die ewige Wahl, ob man lieber 60’s-like, im feinsten britischen IndieZwirn oder in den optischen Beleidigungen der 80er Jahre herumläuft, frisst uns sukzessive auf und irgendwann boykottieren wir wirklich H&M und die ganzen freshen Onlinequellen für billig handgefertigte asiatische Markenkleidung. Kein vernünftiger Mensch zweifelt doch mehr an, dass die ganze Alternative-Schiene schon längst der Mainstream ist und viele wären insgeheim ziemlich erleichtert, wenn ihnen endlich mal wieder jemand sagen würde, wo’s langgeht. Die Bachelor-Studis der neusten Generation protestieren auch mehr aus Spaß an der Freude oder eben Langeweile, in manchen Fällen aus einem Moment heraus, welches oben schon im Zusammenhang mit Egotronic umrissen wurde. Wir lieben work & travel, wer noch nicht in Thailand war ist auch ein Idiot, Südamerika ist tot. Nach postabituriellem Reisejahr, 2 angefangenen Studiengängen, 12 Auslandreisen und 3 Semestern in Barcelona wundert man sich schon, warum der Sohnemann von Schreiner Schmidt, der mysteriöser Weise die Schule schon mit 16 beenden konnte, mit 22 Geselle und ziemlich zufrieden ist, wenn die Kunden mal zahlen. Manchmal sitzt man dann im Plenum des Studienprotestes neben einem Kumpel, der genauso wie man selber studierende Geschwister hat, 500 für‘s Semester zahlt und 600 pro Monat am Start hat und nageln verbal die bösen Eliten ans Kreuz, eben die, die grade noch mehr haben, was mir relativ gesehen fast schon als Kunst erscheint. Am Fenster gegenüber wringt eine Oma symbolisch ihr Taschentuch aus über die Abreise der Enkelin und, nach physiognomischen Kriterien, ihres Schwiegersohns, der einen Style aus gebleichten Jeans mit Jeansjacke im selben Farbton, T-Shirt und Sportsonnenbrille aus dem Ständer an der Kasse im Drogeriemarkt hat, der noch nie in war. Gestern noch saß ich mit meinem Cousin in einem Restaurant an der Ilmenau; er bestellt nach den sehr faden Scampi noch ein Schnitzel und ich eben Currywurst mit Pommes und wir deklarieren es als Solidarisierung mit der arbeitenden Klasse und schmeißen mal kurz im Scherz die berühmte Faust nach oben. Eigentlich sind wir nicht halb so dekadente Schweine, wie es scheinen mag, doch im Kontext dieser Geschichte passte eben das am besten, dass wir beispielsweise über die mangelnde Anpassungsfähigkeit von Chinesen in europäisch geprägte Gesellschaften diskutierten, wäre eben unpassend gewesen; schon eher, dass selbst der Onkel Dendemanns Stumpf ist Trumpf feierte, gewissermaßen eine Art Hymne des Jahres. Dessen Stilbewusstsein – so es eines ist – kann man nur als unübertroffen betrachten: Wo jedermann guten Fisch und anderes edles Essen bestellt und seriöse Gespräche vor

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herrlicher Kulisse führt, bestellt eben er Pommes-Schranke mit Currywurst mit dem trockenen Ton eines Nordlichts. Sehr guter Mann. In einer Welt, in der selbst Zivildienstleistende ausschließlich Crianza und Tempranillo namhafter Weingüter trinken, ist solch eine tatsächliche Anti-Attitude doch erbauend, aber er kommt eben aus Berlin, da ist jeder Tag eine Übung zur eigenen Profilierung ohne Rücksicht auf Inhalte und Kompetenzen, was ich jenem Onkel allerdings nicht vorwerfe. Die Stones singen let it loose und meinen wohl ihre legendären Aufnahme-Sessions in Nellcôte und den Aufgang des drogenwankenden, bluesspielenden Musikgenius einer Band in die seelenfreie Welt des reinen Kapitalismus. Sie spielen noch – wer dem Teufel seine Seele schenkt, lebt länger – aber der Blues ist sowas von weg. Jimi war da konsequenter, Jim und Janis auch. Sie hatten recht, denn irgendwo haben wir alle den Blues, aber die main street ist das schlimmste Exil von allen. Anscheinend ist der Blues eine ausschließliche Sache, entweder tötet man ihn oder er tötet dich, in seltensten Fällen überleben beide, John Lee hat es noch mit Ende 70 bewiesen, dieser alte Analphabet, Sklavensohn und coolster Mensch der Welt. Wer sein Leben lang spielt und nie einen Heller dafür sieht und dann, am Ende des Lebens, noch in den Goldregen gerät und sich halb blind und ohne Führerschein noch 5 Cadillacs aus den 50’s kauft, eben jene, die ihm damals verwehrt wurden, ist eine solche coole Sau. I’m bad like Jesse James. Heard he was goin‘ round town, tellin‘ everybody he got my wife. Than I gets mad, I goes to the cat, said ‘I warn you just one time, next time I gonna use my gun’. That’s where it’s at.

Wild horses …we’ll ride them some day. Nach all dieser selbstmitleidigen Nörgelei und unerträglichen Klugscheißerei unsere Tage und eben auch mir wäre etwas Hoffnungsvolles wohl angebracht, und das ist dieses we’ll ride them some day. Nach unserem Exil und dem ewigen Run, run, run! muss ich wohl erst mal runterkommen und widme mich am besten das ganze Semester nur der Uni und verlege die ausstehenden Exzesse auf Frankreich, außer Saufen und Ficken macht man bei Erasmus ja wohl nichts und das ist die größte Erfindung der europäischen Union, denn wo man früher mit 08/15 und Stahlhelm hin marschiert ist kennt man jetzt schon Louise, Murielle und wie sie alle heißen und die kleinen Tode auf weingetränkten Wiesen: so lässt sich wirklich kein Krieg führen. Die neuste Ruhrpott-Weisheit, die mich vom Stuhl geworfen hat, war das wohl allgemein bekannte woanders isset och scheise, was von sehr viel Humor zeugt und deutschland-,

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nein europa-, wenn nicht sogar weltweit verbreitet werden sollte. Denn genau dann merkt man, dass es das nicht ist, und darum bleiben die Leute ja auch überhaupt im Pott. All die Frittenbuden und toten Industriestädte haben ja sicher auch was, wahrscheinlich hat man sowas wie den Eindruck der ersten Generationen nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs; die Eltern waren noch beteiligt und jetzt ist alles im Arsch und man weiß so halb, woran es liegt und weiß mit der anderen Hälfte, dass es den eigenen Horizont bei weitem übersteigt.

D 237 Nach fast 24 Stunden auf dem Parkplatz einer ScaniaWerkstatt und dem Flip-Flop-Stelzen durch den ölgetränkten und von Sägespänen verminten Boden derselben ist die D 237, auf welche wir nicht wollten, unsere Erlösung. Das ewige Gekringel lässt und luftlinientechnisch vielleicht nur 10 Kilometer in der Stunde machen, aber wen kümmert’s, wenn man die Maut spart und endlich das Urlaubsgefühl sucht. CCR sehen the bad moon rising, aber irgendwann sind wir an dem in den Jura-Passwegen in weiter Ferne geglaubten Grenoble vorbei und hau’n uns hin; Gutedel singt das Nachtlied und ein guter Mond ist aufgegangen. Diese Nacht haut mich völlig raus, ich erwache schweißgebadet in dem Glauben, eine Ratte säße auf meinem Gesicht und sacke im Fünf-Minuten-Takt in diesen Albtraum zurück.

Le sun sept Wir hassen Cannes, denn wenn man uns ein mittelmäßiges Heineken für 7€ verkaufen will, flüchten wir lieber in die Pampa und trinken einen 24er bière blonde für 3,90€. Lidl hat die Vororte der Stadt lange vor uns erreicht und so bleibt ein 20-minütiges Warten an der Kasse nicht aus; ein Araber in den 60ern in scheinbar feinem Zwirn, aber auch mit Badelatschen meint, mit der Kassiererin über den Preis eines Sixpacks Wasser diskutieren zu müssen. Le sun sept ist nicht über dem Meer, sondern über den gleichförmigen Häusern der Stadt, die sich mit Gucci-Läden schmücken wie sich zu Geld gekommene Arbeiter mit Goldketten; diese Stadt stinkt nach Materialismus. Selbst der leichte Wind aus der Bucht zieht sich beschämt zurück, als besoffene jugendliche Franzosen zwei russische Touristinnen mit Mutter anzumachen versuchen, in dem sie sich in den Schritt greifen und unzweideutige Hüftbewegungen vollführen – go somewhere else! Nach zu langem Warten am Bahnhof können wir dieses Etwas, das sich eine Stadt schimpft, endlich verlassen – unseren inmitten des Molochs erkämpften Parkplatz konnten wir mit Glück halten; hier herrscht mental Krieg. Es versucht uns

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mit nach Rasierwasser stinkenden Typen in Prada, erbärmlichen Proletenteenies und unpassierbaren Brückenunterführungen loszuwerden und es gelingt. Hier zelebriert sich also die Elite des Films; was für ein verwahrloster Haufen muss das sein? Die ganze Pracht der mit künstlich hier angepflanzten Palmen gesäumten Uferstraßen ist vernichtet, zugestellt mit Hotels, Buden und Yachten, der erbärmlichsten Schwanzverlängerung noch weit vor dem Porsche Cayenne. Die alten, steinernen Häuschen verstecken sich tief beschämt so gut es geht – was hat euch bloß so ruiniert? Diese Stadt ist nun hinter uns, irgendwann auch St. Tropez und man kampiert am Meer zwischen Bambusbüschen, die wie Fliegertarnungen aussehen. Das ist genau der Grad an Freiheit, den sich auch Otto Normalbürger leisten kann und will, also verwundert es nicht, dass die Plätze an der Côte d’Azur von mehr deutschen Wohnwagen wimmeln als die Normandie ’44 von deutschen Panzern; irgendwie werden die uns eben nie los, die armen Franzosen. Die Briten, die im Ausland wohl noch britischeres Englisch reden als auf ihrer seltsamen Insel sind die Einzigen, die es im Grad der Anti-Subtilität im Auftreten mit den Deutschen aufnehmen können und diskutieren dementsprechend lange und laut das Problem des schlechten Geschmacks französischen Eistees in 0,33er-Dosen. Die französische Jugend gibt einen Scheiß darauf und rappt am Strand zu hässlichem Techno aus einem Kassettenrecorder; dagegen waren die Marburger Indienasen mit Velvet Underground im Gepäck die reinsten Stilwunder. Ich werde nie wieder American Spirit-Tabak für einen Urlaub kaufen, da ich jeden Satz zwei Mal unterbrechen muss, um meine Selbstgedrehte wieder anzuzünden, diesen auch. Ich bewahre trotzdem Haltung und bewundere die zwangläufig in Frankreich gemachte Erfindung des günstigen Weinkanisters.

Oh Hyères! Es war die beste Idee der Welt, die elende Hauptsaison zu meiden und so der touristischen Hölle zu entfliehen, die jedes Jahr das tatsächlich azurblaue Wasser der französischen Mittelmeerküste verseucht. In aller Ruhe am Strand zu verbraten und abends den Geschichten eines holländischen Frührentners aus seinen wilden 70ern zu lauschen, der uns im Weinkonsum um nichts nachsteht und als großzügiger Mäzen der Tabakwaren auftritt, ist Leben wie Gott in Frankreich. Die Hitze lässt unsere Bewegungswut zusammenschmelzen und so residieren wir drei Tage in Sicht- und – das ist am schönsten – Hörweite des Meeres. Gerade weil ich schon jetzt, zwei Tage später, kaum noch Erinnerungen außer weniger Details habe, ist alles perfekt gewesen, denn nur das Leben im Moment kann perfekt sein. Diese Entspannung lässt auch St. Tropez für

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eine Visite herrlich werden und die mit gemahlenem Kaffee aufgebrühten Pseudo-Espressi der Franzosen gut schmecken. Ein Café als Kunstaustellung ist genau die Art der bohème, die es zu leben gilt und die unendliche Einfachheit und Plastizität von aus Draht gebastelten Bücherstapeln vor unseren Füßen ist die reine Kunst für diesen Moment. Auch Concorde-Reisenden muss es gewährleistet sein, in solchen Stunden Hut und Hemd in petto zu haben und zu flanieren. AUT (2010)

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Die Methoden LSD II IMACHINERIE. Es ist stets der Moment, der uns Neues gebiert, denn er ist der Kumulationspunkt all dessen, was oder wer wir sind. Genauso stand im Bruchteil einer Sekunde die IMACHINERIE vor uns, ohne das wir uns bewusst gewesen wären, sie gerufen zu haben. Dieser antitechnische Apparat wird von zwei Machinisten bedient: Robin Lambrecht und Antonin U. Trébut. Es folgt eine von vielen Definitionen des Worts: Imachinerie; ein unmotivierter geistiger Automatismus, der insofern rein ist, als er der absoluten Beeinflussung durch sämtliche Elemente des Seins unterliegt. Hinter dieser treten alle rationalen, psychischen sowie ästhetischen Mittel-ZweckRelationen zurück. In Ermangelung eines definierbaren Auslösers sowie eines Ziels dient die Imachinerie nicht, sondern stellt in sich selbst die Auflösung der Mechanismen dar, mit welchen der Mensch das Sein durch Routine substituiert. AUT André Breton (1896 – 1966). Als grand écrivain malgré lui war er der Katalysator der Surrealistischen Bewegung. Zwar steht sein Name heute hinter jenen der Selbstverkäufer wie Man Ray und vor allem Salvador Dalì (den er zu Recht in Avida Dollars umbenannte) zurück, dennoch gebührt ihm die Ehre, das bedeutendste Magnetfeld künstlerischer Produktion im 20. Jahrhundert geschaffen zu haben. Er verkörpert den absoluten Selbstwiderspruch: ein Schriftsteller klassischer Begabung, der diese der Erneuerung aller kreativen Methoden opferte, ein Aufbegehrender wider den modernen Fatalismus in Form von Staatsbürgerlichkeit und -Ordnung, welcher seine Provokationsmittel selbst zum orthodoxen Dogma erklärte, ein erklärter Feind des gescheiterten Rationalismus, der die dialektische Logik mit dem animalischen Unterbewusstsein versöhnen wollte. Nichts von alldem erfand er selbst: Er war der steinzeitliche Sammler, welcher bei den deutschen Romantikern genauso wilderte wie bei den Revolutionären der Kunst, seien es Lautréamont, Rimbaud, Apollinaire, Picasso oder Duchamp – und nicht zuletzt bei den Entdeckungen Freuds, denen er klugerweise die Pseudowissenschaftlichkeit nahm, um sie für die Kunst nutzbar zu machen. Sein maßloser Egozentrismus, namentlich sein Unfehlbarkeitsanspruch als Anführer der Surrealisten, führte sowohl zur Abspaltung ihrer talentiertesten Mitglieder als auch zur Inflation der surrealistischen Idee. Gerade weil Breton diese Bündelung an

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Genie in voller Konsequenz sowohl selbst antrieb als auch zerstörte, gebührt ihm der höchste Respekt. Wer dieser Tage – ob in Werbung, Kunst, wo auch immer – psychedelische Anleihen entdeckt, wer sieht, wie sich die kleingeistigen Opfer des Individualisierungszwangs zwecks Profilierung gerne selbst als etwas verrückt darstellen, der trifft auf die weitesten Ausläufer des breton’schen Genies – so sehr er dieses auch geleugnet hätte. Philippe Soupault (1897 – 1990). Neben seiner großartigen Prosa ist Soupault vor allem die Entdeckung des Phänomens Lautréamont anzurechnen. Er war von Anfang an Mitstreiter Bretons, deren Zusammenarbeit wir die Champs Magnétiques verdanken. Auch er trennte sich im Streit von der Bewegung. Seiner Ehe mit Ré Soupalt ist es zu danken, dass viele wichtige Werke der Surrealisten ins Deutsche übertragen wurden. Robert Desnos (1900 - 1945); siehe ZAK III.

Huldigung: Barefooted in Alaska Wenn wir hier auf ein Album zu sprechen kommen, dass sowohl schon über zwei Jahre alt als auch in einschlägigen Kreisen berühmt ist2, dann nicht, um seiner weiteren Verbreitung Vorschub zu leisten. Es geschieht vielmehr, um dem wunderlichen Schöpfer dieses Werkes auf die Nerven zu gehen, der glaubt, nichts mehr zu wollen, als die poetischmusikalischen Anteile seines Lebens unter dem Schmutz proletarischen Sports und divenhafter Verleugnung des eigenen Talents zu begraben. Wir hingegen haben Lust und Laune, ein wenig zu buddeln. Das Werk trägt den Titel I Can't Find; auf weitere Details wie einzelne Songtitel soll nicht eingegangen werden, denn wer will, kann sie sich selbst anhören3. Unser lieber Freund, dessen Pseudonym auf ein Missverständnis zurückzuführen ist, da er sich eigentlich Barefooted Ass Guy zu nennen gedachte, hat seine Songs nach eigenen Angaben in kürzester Zeit aus den Ärmeln seiner Lederjacke geschüttelt, um sie dann mit Hilfe eines mittelmäßigen Mikrophons und einer heruntergekommenen Konzertgitarre (sic!) im atmosphärischen Zimmer eines Freiburg Studentenwohnheims aufzunehmen. Die verwendeten 2 Hat ein Album, dass du, ich und einige unserer Freunde kennen, etwa nicht das Recht, berühmt genannt zu werden? 3 http://www.jamendo.com/de/artist/364409/barefooted-in-alaska.

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Tunings und Anschlagstechniken sind selbst versierten Gitarristen wie dem Autor ein völliges Rätsel geblieben. Auf der Ebene des Zeichens strotzt I Can't Find also vor abgrundtiefer Verachtung für die Konventionen musikalischer Manifestation, und dies nicht etwa aufgrund von hipsteristischer Alternativ-Idiotie, sondern aus der richtigen Erkenntnis, dass die Songs von solcher Qualität sind, dass die Art ihrer Präsentation wirklich scheißegal ist. Hinter dieser an Ignoranz grenzenden Ablehnung der Notwendigkeiten von Kommunikation aber entdeckt der Hörer den letzten Romantiker im Wortsinne4: Alles erzeugt den Eindruck höchster Natürlichkeit, oder gar Improvisation; diese Musik ist auf ihre Intensität reduziert und daher in sich perfekt. Es ist außerdem beeindruckend, wie diesem vielfach totgesagten Klischee von Ein-Mann-mit-Gitarre tatsächlich noch etwas entspringen kann. Gefühlsmusik, ja, denn Musik kann nur Gefühl sein, aber keine gewollte, sondern gekonnte. Kein sentimentales Frauenversteher-Gejammer à la Bon Iver, auch nicht das zu weit getriebene Vertrauen in die Einzigartigkeit der eigenen Stimme wie beim Tallest Man On Earth seit dem Dreamer, der zusammen mit Leonard Cohen wohl seinen Haupteinfluss ausmacht. Als sinnbildlich für diese Art zu musizieren kann das einzige Konzert des Künstlers gelten, bei welchem der Autor anwesend war (es war möglicherweise auch das einzige, dass der Mann alleine bestritten hat). Wieder die völlige Ablehnung von Zeichen und Technik in Form eines rückkoppelnden Mikros und einer stark verstimmten Gitarre, sowie die ständigen Beteuerungen, nicht spielen zu wollen. Des Weiteren kein hohles Gesäusel mit dem Publikum oder auch nur ein Wort des Dankes, er verachtete die Zuhörenden ehrlich und zu Recht. Er spielte auf die einzige ihm mögliche Art: leise. Leise, nämlich die Steigerung seiner Musik nicht plump durch die Effekte schneller und lauter erzeugend, sondern innerhalb des Songs und seiner Lyrik. Das Publikum war, bis auf wenige Eingeweihte, der Verachtung würdig. Laute Gespräche während eines Songwriter-Konzerts sind erbärmlich, aber es ist wohl nicht mehr zu erwarten von Menschen, deren emotionaler Zugang zu Klangkunst von dem computergenerierten beats per minute abhängt. Dementsprechend fühlte sich der Musiker in seinen Ansichten bezüglich der Hörerschaft bestätigt und beendete seine Never Beginning Tour stehenden Fußes. Abschließend sei erwähnt, dass es dem Autor egal ist, 4 Womit keine volkstümliche Schmierenopern oder ein Charaktermatsch à la Hollywood gemeint sind, sondern die Sentimentalisten und Subjektivisten der Kunst.

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ob die hier gelobte Musik weitere Verbreitung oder Zustimmung erfährt oder nicht. Um auf die Paraphrase dessen zu verweisen, was Baudelaire über Bertrands Gaspard de la Nuit schrieb5, nämlich dass die Quantität für die Rezeption von Kunst irrelevant ist, sei festgestellt, dass die eigentliche Leistung von I Can't Find, egal, ob es Barefooted in Alaska weiterhin gibt oder nicht, darin besteht, der kleinen Hörerschaft etwas bewiesen zu haben: Wer wissen will, was genau, höre den American Song. AUT

Kulturpessimismus – Ein Essay

5 In dem an seinen Verleger Arsène Houssaye gerichteten Vorwort des Spleen de Paris, siehe 2.

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BIA

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Die Geburt des Ersten Kollektivs der Imachinerie Wir vermelden mit einigem Stolz die Geburt des Ersten Kollektivs der Imachinerie6, welches sich die Unterstützung aller menschenmöglicher Ausdrucksformen zum Ziel gemacht, die uns keinen Mehrwert, aber die weitere Öffnung unser geistigen Pforten versprechen. Daher verschreibt sich das Kollektiv notwendigerweise der Revolution – jedoch der geistigen; nur sie kann Fundament für alles Weitere sein. Folgendes darf als grundsätzlich für unser Tun gelten:

Le seul mot de liberté est tout ce qui m'exalte encore. {…} Parmi tant de disgrâces dont nous héritons, il faut bien reconnaître que la plus grande liberté d'esprit nous est laissé.7 Je dis qu'il faut être voyant, se faire voyant. Le poète se fait voyant par un long, immense et raisonné dérèglement de tous les sens.8 Transformer le monde, a dit Marx; changer la vie, a dit Rimbaud: ces deux mots d'ordre pour nous ne font qu'un.9 Das Kollektiv zeigt sich u.a. verantwortlich für die Organisation von Konzerten10 verbunden mit der Produktion von Take-Away-Shows sowie für die Herausgabe der Zeitschrift für allgemeinen Kulturpessimismus. Als Mitglieder werden (bisher) geführt: Robin Lambrecht Marschall von Pytz Kathrin Slawik Antonin U. Trébut 6 http://www.facebook.com/pages/Imachinerie/106345706179440. 7 Breton, Premier Manifeste du Surréalisme: Das kleine Wort Freiheit ist alles, was mich noch begeistert. {…} Zwischen all unserer ererbten Ungnade muss man anerkennen, dass uns die größte geistige Freiheit gegeben ist. 8 Rimbaud, Brief an Paul Demeny, 15. Mai 1871: Ich sage, dass man ein Sehender sein muss, sich sehen machen muss; der Dichter macht sich sehend durch eine lange, unermessliche und systematische Verwirrung all seiner Sinne. 9 Breton, Rede auf dem Congrès international des écrivains pour la défense de la culture; Paris 21. Juni 1935: Die Welt umformen, sagte Marx; das Leben ändern, sagte Rimbaud. Diese beide Losungen sind für uns eine einzige. 10 http://www.facebook.com/groups/346123302127405/.

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Über weitere Aktivitäten sowie die Aufnahme von Mitgliedern wird das Kollektiv spontan und ohne jede basisdemokratischen Anklänge entscheiden. Regelmäßige Sitzungen, allgemeine Satzungen sowie programmatische Zusammenhänge lehnen wir als konterrevolutionär ab.

We don't care about any-TING – A obeisance to PLASTER WOLF11 Lately, my friend Robin Lambrecht invited me to a soirée that was meant to be organized spontaneously by our IMACHINERIEcollective in Freiburg, but I had to work, so he did it on his own and told me that a yet unknown Belgian band was to show up. I considered it as a good after-work activity to listen to some live music and went there without the tiniest prejudice – in the proper sense of the word: neither positive nor negative. They went on stage in this small room and I guess everybody did expect them to play some bluesy or jazz-like stuff, maybe even a little cheesy sort of that. There were three guys, Rob on acoustic guitar, Samuel on the electric one, and the singer Guillaume. Did they have support? No. Microphones? Neither. Not even a drummer. The music started playing softly while the audience was still talking loud. What a surprise as Guy raised his voice! Immediately, everybody was quiet, except for some people yelling yeah! in admiration. It seemed absolutely incomprehensible how this little boy could sing that loud and intense. I was asked later how they sound like and I must admit that I didn't know how to answer. It might be silly to compare these guys with Kyuss or the Doors, because they neither have the loud Metal-element of the former nor the brutal way of playing blues of the latter group. But what they have in common with these legends is that they know how to play slow with an overwhelming groove. Their music isn't elaborated in a technical sense, more a psychedelic kind of blues. No lead guitar masturbation nor jazz-player posing; they to put all they got into the intensity, much like the ancient blues players in the States used to do. Two days later they went to Switzerland to play in Zurich first and then in Basel, where I joined them to open

11 http://www.facebook.com/PlasterWolf; http://vi.be/VLAT-7956-CUP.

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for their little gig in a flat. They've been playing at a riverside the day before. Admirably, they didn't care about where they were playing, in flats, in little concert halls, or at the aforesaid riverside. They just wanted to play, and even though the wish to play seems natural for a musician, it's rare to meet someone doing that with honest regard to the music, and not to his degree of fame. Rob is their mastermind, I guess he wrote the main part of their material. Yet he's playing his chords in a subtle way, he's giving their sound a foundation. He's this kind of rhythm guitar player making the difference between a average and a excellent band, because anyone can play guitar in the technical sense, but if you write extraordinary songs and make the other play it like Plaster Wolf do, that's where it's at. It would be ridiculous to jump to the conclusion that Samuel and Guy are embellishment to Rob's music. Samuel in his way of playing can be compared to Robby Krieger, he pretty much knows how to make his guitar gently weep. Guy on the other hand reminded me of John Garcia, even though he doesn't sing that harsh. His vocals are not much about melodies, he's all about rhythm, he's pronouncing poems. I've to mention that his lyrics are impressive, unlike most of the lead singers nowadays who care more about their singing and self-exposition to the audience than about what they say. Everybody in the audience just smiled bright when he sang

We don't care about any-ting We're here for the violence Don't care about all the songs you sing We just can't stand the silence in their most remarkable song Hypocrisy Blues, pronouncing any-ting like all our beloved black blues players did. And for sure we know how hypocritical, or let's say ironic that was, because these folks do care a lot. That's why, ever since I went back from Switzerland collapsing sleep-deprived in a train due to dancing a whole night through listening to Velvet Underground's Run, Run, Run, I must admit: I can't stand the silence. Chapeau, my friends. AUT

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Goethe und Schiller in einer packenden ThrillerPfeife (Eine Drehbuchskizze) Johann Wolfgang trifft Friedrich auf dem Arbeitsamt. Friedrich ist Stürmer beim 1. FC Köln, der gerade in der 4. Liga spielt, Johann Wolfgang hat einfach einen ziemlichen Drang. Die beiden entscheiden sich eine Gay-Bar zu eröffnen und bedrängen einander stürmisch im Nackt-Tanzkäfig. Alles was Drang und Namen hat zieht es in diesen literarischen Puff. Der Eintritt kostet 5 Mark – nach Jahren gelten Jo und Fred als totale Klassiker. Da bietet ihnen der SM-Teufel MeFISTo plötzlich einen Plattenvertrag an. ST

Le vol perpétuel Quel est le secret de la jeunesse? La capacité spontané? L'attitude légère sans soucis tout en croyant avoir compris le sens de la vie pour le moment? Tenir l'équilibre entre l'enfance et la sagesse? L'espoir et la volonté de pouvoir tout faire? Ou de simplement rien faire du tout? De chercher les détails futiles pour essayer de les préserver plus longtemps? Savoir reconnaître quand il y a des plantes bidimensionelles qui poussent sur les murs internes? De pouvoir croire en ses tentatives inachevables? Savoir profiter - tout simplement profiter des moments qui nous se présentent? D'attraper, d'absorber, d'écouter, d'interner, de focaliser tout et rien? De sentir avec ses doigts, sa langue, ses oreilles, ses yeux les couleurs sonores? De voir les mélodies dans l'âme de l'autre? L'odeur de la liberté qui nous remonte du ventre par le nez jusqu'au dernier coin de notre cerveau clair mais ombragé... Pourquoi? Pour qui? Pour toi ou moi - je ne sais pas! MP

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Traumdämmerung ES GIBT EINEN MOMENT Der Brücken bindet und jede Möglichkeit Vereint im fahrenden Mauerwerk deines Seins Es ist Glas und Scherbe und Licht wird Darin scharf geschnitten immer gebrochen und mündet uferlos-doch-geborgen. Strahlen fallen durch dein Ohr in alle Münderaugen und du sprichst im einzigen. Jeder Tag wird zum Augenblick Abende sind Morgenhorizonte in aus Laufende Äste des Metapherflusses im spielenden Wasser du bist im Meer deiner Haut inmitten der TRAUMDÄMMERUNG

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Tagtraumwache ES GIBT EINE TAGTRAUMWACHE aus Vogelgewölbe im erstreckten Himmel der Treppen hoch – und aus – führt sich auch horizontal erstreckt Menschlichkeit sei darin gedacht und groß sich immer ausbreitend das Gefühl ist feierlich und durch Sybillen podestiert. Es ist der Ort der uns schöpft in Klarheit Du läufst auf ihr während sie dich in dir aus breitet beim Licht deines Nachtmorgenfeuers dieses Gold ist deine Fingerspitze und dein tiefes Auge dein trommelnder Schritt auf Allen Seilen dieser Tagtraumwache JJP

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Übermensch, tragisch Tagwerk schafft mir Unbehagen, Fühl es tief im Innern nagen; Dämon flüstert leis mir ein, Auserwählter soll ich sein. Spür es gären, Flammen nähren… Tiefer graben, tiefer schürfen. Denkend Grenzen sprengen dürfen – Diese Spannung in der Brust; Diese Hitze, diese Lust – Doch In der Stille Wächst mein Wille. Kalt und eisern abgemessen Muss ich diese Bestien pressen In den Käfig, streng sie richten Denn sie drohn mich zu vernichten; Spür es hämmern Götterdämmern… Dich, manìa, muß ich zwingen Euch, Ideen, niederringen, Bringt mein Leben in Gefahr, Stellt seine Gefährdung dar – Doch Du, mein Eros Strebst zum Chaos. Schicksalsatem, Urgewitter, Rausch, Ekstase, Funken, Splitter, Aus der schlaffen, siechen Hülle In die grenzenlose Fülle Aus der Tiefe steil empor Steig Ich – Schöpfer, Meteor Meinen Hymnus auszusingen Und – mich weitend – zu zerspringen! Noch im Blühen Muss ich glühen; Kann nur spasmisch überwallen, Kann nur sinken, kann nur fallen Und – ein Schrei ins Nichts – verhallen. Fortgerissen,

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Willenlos, Stürz ich In der Erden Schoß: Außerordentlich Und Groß. BR

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Aphorismen der Woche Lieber widerlich als wieder nicht. Freunde, die Liebe ist tot... Du bist Teil meiner Irrealität. ...es lebe die Liebe. All das lässt uns glauben, dass ein gewisser Moment des Geistes existiert, an dem das Leben und der Tod, die Realität und die Imagination, die Vergangenheit und die Zukunft, das Sagbare und das Unsagbare, wo oben und unten aufhören, als gegensätzlich wahrgenommen zu werden. (André Breton, Zweites Manifest des Surrealismus) Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben. Momentaner Gesundheitszustand gemessen in Mikrowatt: die totale Zerstörung jeglicher Gehinreste. Robinskij Lambrechtowitsch is telling you the truth.

Autoren & Kollaborateure Barefooted In Alaska; geboren am Stampede Trail, letzter ernst zu nehmender Songwriter nach der Verabschiedung des Tallest Man On Earth in die Rente. Amélie Blanc; geboren in Yeah, irrealistische Photographin. Ihr verdanken wir das Cover. Maria Blonde; geboren in Bonn, hauptberufliche Muse, Begründerin des Literaturkreises Dumm & Schlank, quantitative Photographin und Entdeckerin des völligen Kommunikationszusammenbruchs (Richter’sche Methode). Robinskij Lambrechtowitsch; geboren in Bangkok, Künstler vor und nach dem Herrn, Erfinder der Schnöselei, Photograph, Dichter und auf vielen CDs zu hören. Janja Josipa Perkovic; geboren im Pays de la Magie, Malerin und Dichterin, hat den Zaun zwischen Zeichen und Inhalt abgerissen. Mena Phila; geboren in Mulhouse, rheinüberschreitende Schriftstellerin. Marschall von Pytz; geboren im Harz, Geschichtenerzähler erster Güte, Generalfeldmarschall a.d. der Roten Armee und Träger des großen muttersprachlichen Ordens. Bernard Rieux; geboren in Maribor, erster echter Poet nach dem Untergang des Abendlandes, lehnt den Neodadaismus rundherum ab und wird daher gegen seine Willen hier publiziert. Sam Takttreppe; geboren in Mühlheim, neodadaistischer

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Dichter erster Stunde. Seine hochelaborierte Prosa gilt als wegweisend für die Bewegung. Antonin U. Trébut; geboren in Budapest, Dichter & Verfasser des Ersten und Einzigen Manifests des Neodadaismus.

Die ZAK ist das propagandistische Organ des Kollektivs der Imachinerie und sowohl parteiisch als auch überpolitisch. Ihre Vertretung ist das Tautologische Seminar Eschholzstraße 90 79115 Freiburg. die-zak(at)gmx.de

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