Lauter kloans zuig - Teil 1

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ANNI KRAUS

TIROLER MUNDARTGEDICHTE



TRIGGERWARNUNG Dieses Buch enthält auf einigen Seiten Szenen mit Gewalt, welche mit einem Sternchen gekennzeichnet sind. Das bedeutet, dass es beschriebene Handlungen gibt, die manche Kinder als traurig oder beängstigend empfinden könnten. Wenn du dich unwohl fühlst oder darüber sprechen möchtest, bitte deine Eltern oder eine Vertrauensperson um Hilfe. Wenn dir einige Situationen bekannt vorkommen, zögere nicht, die Kinder und Jugendtelefonnummer der Young+Direct - Die anonyme Jugendinformations- und Beratungsstelle anzurufen: 0471 1551551. Dort stehen Menschen bereit, um dir zuzuhören und zu helfen.


06-23

24-43

’s Büabl Der weite Weg ’s erste Zahndl ’s Lullele Im Bettstattl Wenn’s Zeit isch ’s erste Schrittl Schutzengele Der Daumenlutscher ’s Hannele Der Luller Der Winter Die Rodl

Da Wöituntagong D’ Schuach ’s Poppele ’s Wegkreuz ’s Mariedl Der Poppnwagn ’s Joggele ’s Nasei ’s Fackl Versteckelets Der Lötze ’s Kennzoachn Die kloane Flötnspielerin ’s Tröpfl


44-47

48-52

’s Vaterunser Der Facklzug Unta Geschwista

Drei Küahlan und a Hüaterbua Palmlattn Es brinnt ’s Ballele Da’ Bua

53-61

Nachbarskinder Der Jüngste ’s Schüachal Hansele im Gras Hollermandl ’s Dianai

62-69

’s Füxl Die Schürpn Der Lehrer Die Hetz Der Lehrbua Alle nicht besonders gekennzeichneten Gedichte sind in der Innsbrucker Mundart verfasst.


’s Büabl ’s Büabl baut a Haus in der Loahmgruabn hintnaus. Es baut an’ Kuahstall und a Scheun, setzt Türn und Fenster überall ein, es baut an’ Gartn und a Mauer und macht aus Loahm an’ richtign Bauer.


Es wuahlt und grabt mit Füaß und Händ, die Mutter hätts bald nimmer kennt. „Büabl, Büabl, wia schaugscht aus, bischt du mei Büabl oder a Maus?” ’s Büabl lacht. „Se Muatter, schleck, da isch von der ganzn Welt der böschte Dreck.”

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Der weite Weg „Bischt a Müadsack, Büabl. Schaug, wia langsam waxt dös Rüabl da im Ackerl in der Sunnen. So muascht ebn ’n Poppele a die Zeit vergunnen. Es hat an’ weitn Weg und muaß über hoache Zäun, es kimmt nit überall durch und a nit überall ein. Oft hat’s koa Liachtl in der Nacht, muaß wartn, bis die Sunn aufwacht; und am End muaß ’s durch die ganze Weitn über an’ Regnbogn reitn oder mit die Muggn fliagn! Jo Büabl, miar richtn holt derweil die Wiagn und vielleicht schreit’s gar schun bald ums Haus. Aber nacher lass’ miar ’s nimmer aus!” 09


‘S ERSTE

ZAHNDL


Der Hiasl hat a Zahndl kriagt, kemmts alle schaugn glei! Jetz spreizt er ’s Mäulele grad auf und lachn tuat er frei! Schneaweiß luagt ’s außer, stark und gsund, a Wunder ischs wohl gar, so über Nacht a Zahndl kriagn, a Wunder, ganz gwiß wahr. Und wia sie alle schaugn und schrein, sagt der Ähnl still danebn: „I hatt’ wohl oa Zahndl stiahn, aber - ’s löschte ischs holt ebn.”


’s Lullele Wenn ’s Bäuchl weah tuat und ’s Müasl nit guat und ’s Bärli nit brav, die Äuglen voll Schlaf, ’s Nasele beißt und ’s Zahndele reißt, die Wasserlen rinnen von außn und innen, und koa Mensch versteaht wia ’s oan geaht! - So winzig kloanund ganz alloan einigstellt in dö schiache Welt! Was war’ dös für a Lebn, wenns koan Lulli tat gebn! 12


Im Bettstattl Fidi widi geigele, es hockt in an’ Steigele ebbas Kloans drein. Dös kratzt wia a Katzl, singt olm ’s gleiche Gsatzl und woaß nit aus und ein. Es hoaßt nit Kit, nit Keathl, hat a weißes Pfeatl und zwoa Zahndlen, obn und unt. A Tschöpfl und a Gfriesl luagt außer, hinter Sprißl, so kegl-kuglrund. Fingerlen und Zeachlen und a Hand voll Fleachlen, heidl-didI-dum. Zwischn rearn und lachn Tränelen ausbachn, ’s ganze Auf und Um. Fidi-widi-geigele, es hockt in an’ Steigele ebbas Kloans drein. Dös soll mit Haut und Flaxn recht gsund weiterwachsn, so nudl-wudl-fein. 13


Wenn’s Zeit isch

’s Büabl wil außer vom Wagn, tuat mit Händ und Füaß schlagn, wil nit liegn, nimmer hockn, es will auf die Sockn, will auf die oagnen Füaß stiahn und ho-ruck, - damit giahn! So wia ’s Grasl im Gartn, dös will a nimmer wartn und die Bam kriagn ihr Müah mit Blattlen und Blüah. Ob dumm oder gscheit, sie wiss’n alle ihr Zeit.


’s erste Schrittl Hellauf, jetz muatig eini ins Lebn! Im Pfeatl steaht ’s da und die Wiagn danebn, dös Heia-popeia mit flachsblonde Haar, es steaht kerzngrad und isch heut a Jahr. Es lacht und es juzt und steaht fest und keck und traut sich, ei wirklich, es traut sich vom Fleck! Oa Schrittl alloan und ganz ohne z’hebn. Jetz hellauf, und muatig eini ins Lebn! -


Schutzengele „Schutzengele mein, laß mi bei dir sein, daß koa Ganggerl kimmt, mei guldas Traml nimmt, daß koans mei Bettl o’luckt, daß mi koa Fürzl druckt, daß mi koa Zahndl plagt und koa Wau-wau vertragt. Schutzengele geah nit vür und hock di her zu mir.” 16



Der Daumenlutscher Er lacht die Welt aus und es bringt ’n nix draus. Er hat olls bei der Hand so kimmts nia durchanond.

Drum hat er leicht lachn, mit seine zwoa Sachn. Und weil ’s ’n so freut, fragt er nit nach die Leut. 18


’Hannele „Himmldati, schaug den Stern, grad den oan, den mecht i gern! I heb ’n Schurz auf, wirf ’n her, grad den oan, i brauch nit mehr. Bin jo ’s Hannele, hearscht denn nit Himmldati, wia i bitt?” Himmldati hat nix gheart, Hannele, es trutzt und reart um den Stern, grad um den oan. Hannele, bischt nit alloan.

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Der Luller Er hat olm no an’ Luller der Kupferschmied-Klaus, isch ganze vier Jahr alt und a niads lacht ‘n aus. Heut hat iahm die Mutter den Luller versteckt, und jetz steaht er voarn Niklaus, a bißl verschreckt, macht aber deswegn decht koa Mettn und tuat schian„Vater Unser” und „Schutzengl” betn.

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Der Heilige isch zfriedn und sagt so nebnbei, daß a Luller a Schand für an’ groaßn Buam sei. „So und jetz derfsch dir no wünschn grad was du gern hattscht”. „Mei Lullele, wenn d’ mir holt suachn tatscht.”


Der Winter „Mutter, warum isch der Schnea so weiß und warum hat dös Bachl Fenster aus Eis?” „Mei Kind, mei Kind, du fragst so viel, geah weiter amol und hebs Mäulele still.”

„Jetz gib mir schian ’s Handl und laß di brav führn, sunscht tua i mei gwundrigs Büabl verliarn.” „Muatter, wer hat mi bei die Oahrn ietz griss’n, Muatter, wer hat mir ni die Nasn gar biss’n?” „Der Winter isch ’s gwesn, der Winter, kimm gschwind, sunscht macht er a Eiszapfl aus mein Kind.”

„Muatter, wer hat dö schian Pölsterlen gmacht und wer hat dö langen Eiszapfn bracht?”

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Die Rodl Der Fritzl hat an’ Schnea derschmöckt, obn her von die Gipfl, da isch er gach um die Rodl gangen und holt sie außer aus an’ Schlüpfl. ’s isch schun a Weil her und dö zwoa könnens völlig nit derwartn, bis dö weißn Flockn fliagn über Felder, Haus und Gartn. Die Rodl steaht brav hinter der Tür im Hausgang auf der Paß und ’s Büabl, jo es kimmt iahm vür auf dös isch a Verlaß, wenn er die Mutter fragt, derweil sie lestin ihre heilign Testamenter: „Steaht gar koa Schnea drein, 23 da in dö Kalender?”


Da’ Wöituntagong (Unterinntaler Mundart) Da’ Boschtei-Moschtei, gonz a Gscheida, ’n Wöituntagong prophezeit a’. „Ös weascht ’s es scho’ söchn, morgn um dia Zeit, obs ligg oda steht, es is nix meah wia heit!” Auf dos si Büabei aufigschlichn a’ da’ Komma, ’s Heaschz bricht eahm schiaga va lauta Jomma. Hod sein Krumbschnobi ausloss’n, sei’ Liabst’s auf da’ Wöit und denkt, wia ea si’ as Fensta stöit: „Morgn um dia Zeit, morgn si da’ Krumbschnobi jo scho weit!”


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D’ Schuach (Unterinntaler Mundart) A Paarl noichi Schuach hod ea, da kloa’ Hias, wa’nd kricht gwen fü’ d’Füaß, ea oba is mit Händ eichigschloffn und borfuaß durch die Lackn gloffn. „A d’Händ”, hod ea gmoat, „bleibn d’Schuach gschoat”.

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’s Poppele Ringa-ringa-reia ’s Poppele tuat heia, hat a Loch im Kopf, bum-bum, Kinder tanzn umadum. Hoppi-hoppi-reiter, Kinder springen weiter, Poppele bleibt liegn im Gras, weard vom Regn pritschlnaß.

Hu, die Nacht so schaurig und ’s Kathele so traurig. Hat ’s Poppele vergess’n, der Wulli-wau weards fress’n.

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’s Wegkreuz (Unterinntaler Mundart) Schmied’s Nannei, gschaftig, flingg und kloa, laft durch d’ Wiesn bis zan Roa. Am Kopf zwoa Zöpfei, schö flaxblond und a Büschei a da’ Hond. Dos Büschei bringt’s n’ Himmidaddi, der am Wegkreuz, küh’ und schatti’ zwischn oidi Lindn hängt und Wiesn, Woid und Acker segnt. Wia sie ‘s Büschei hod aufgsteckt, hod’s d’ Handei schö’ zun Betn greckt. Zeast schaug’s ‘n Herrgott u’, tuat zaudan, auf oamoi fong’s u’ plaudan. »Du liaba Himmidatti, du orma, mei, tuast krod du mia daborma! Host koa Pfoatei u’ und koa Hos und boi’s regnt, weast jo gonz noß. Und blüatn tuast auf Füaß und Händ, goi, wei’ dia d’Leit hom Nägl ei’krennt.” latz denkt’s a Wei’, gach tuat’s an’ Ruck. „Woaßt wos”, schreit’s, „ gib eah’s zrugg!” 28


’s Mariedl So woach und so lind, wia a Wiesl so gschwind, a gwundrigs Gschau, so liab und so blau, die Wanglen wia Äpfl, a eignsinnigs Köpfl zun Schmeichln und Bockn voll seidige Lockn. Obndrauf a Maschele, a winzigs Plappertaschele, schneaweiße Zahndlen und patschierige Handlen. Holt a Wigele-Wogele dös ganze Gogele. Zun Buss’n und zun Maln, so wia sie vom Himml ins Neschtl isch gfalln. 29


DER POPPNWAGN


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Die Liesl, die Traudl, der Kasperl, der Bär, ’s Jüngste bringt sie auf’n Arm daher, die oan liegn einpfercht im Poppnwagn. So hat sie grad z’schiabn und z’tragn dei Nanni,die kloani mit ihre vier Jahr, Müatterl und Kinderschar. ’n Bär, mit seiner derrissenen Hos’, den packt sie und wirft ’n außi ins Gras. Der Kasperl kriagt Schläg, warum woaß man nit, scheint’s isch sie auf alle Kinder heut zrütt.


’s Joggele „Joggele, geah her jetz gschwind!” ’s drittemal schreit die Nann dem Kind, dös heut gar nit folgn will. „Joggele!” Jetz macht er decht zwoa Schrittlen der Muatter entgegn, bleibt wieder stiahn, tuat überlegn und im Sand die Zeachlen spreizn. „Willscht du mi haun - oder schneuzn?”


’s Nasei (Unterinntaler Mundart) ’s Midei hod a Nasei, a potschierigs, a kloas, oba Schneiztüachi zan putzn hod ’s Midei hoit koas. „Midei”, sag i, „braugst a Tüachi, i gib dia ’s meini, schaug do.” Drauf locht ’s Midei, „i brauch koa Tüachi, woast, i schlecks oafoch o.”


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’s Fackl ’s dreizehnte isch a lötzes gwesn, hat nit recht gsoffn, nit recht gfress’n, hat a nit raffn und spieln mögn und isch olm liaber in’ Stroah drein glegn. Der Bauer sagt: „Dös Fackl muaß weck!” Die MariedI aber deckt’s zua mit an’ Poppnfleck, fuatterts aus an’ Lullerflaschl, bind’t iahm um an’ Hals a Maschl, tragt’s in die Sunnen olleweil wieder und legt’s behuatsam dort im Grasl nieder. 35


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