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"Stabilität und Routine sind wichtig"
from Diakonie Ausgabe 04
by Diakoniewerk
„Stabilität und Routine sind wichtig“
Menschen, die an Demenz erkranken verändern sich und sind vermehrt auf die Unterstützung anderer angewiesen. Johannes Strasser hat als Regionalleiter der Seniorenarbeit Innviertel viel Erfahrung in der Begegnung mit Menschen mit Demenz.
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Sigrid Walch
Wie lassen sich erste Symptome einer Demenzerkrankung erkennen?
Oft beginnt die Erkrankung mit Symptomen wie leichter Vergesslichkeit, Schwierigkeiten mit der Orientierung oder Problemen mit der Sprache. Dazu können Verhaltensveränderungen wie Aggressivität und Unruhe kommen. Die Betroffenen erleben und spüren diese Veränderungen selbstverständlich auch, daher kämpfen sie meist auch mit Ängsten und Stimmungsschwankungen. Trotz dieser Veränderungen gibt es für Menschen mit Demenz eine hohe Lebensqualität.

Johannes Strasser ist Regionalleiter der Seniorenarbeit Innviertel
Welche Herausforderungen stellt Demenz in der Pflege dar?
Meist ist es notwendig fast rund um die Uhr ein Auge auf die Menschen zu haben und sie bei ganz alltäglichen Dingen zu unterstützen. Besteht eine Wandertendenz und Orientierungslosigkeit ist es noch viel wichtiger da zu sein. Die PersonenbetreuerInnen, die im Rahmen der 24-StundenBetreuung engagiert werden, sind oftmals nicht ausreichend geschult, um den Betroffenen richtig zu begegnen. Daher kann es auch schnell zur Überforderung kommen, was wiederum zu einem häufigen Wechsel der Betreuungspersonen führt. Stabilität und Routine sind jedoch – gerade für Menschen mit Demenz – sehr wichtig. Pflegende Angehörige ziehen sich dann oft zurück, gehen nicht mehr raus und nur ganz kurz einkaufen, meiden Kontakt zu Bekannten. Dies führt zu sozialer Ausgrenzung, beide Seiten leiden darunter.
Wie ist das Thema generell in der Gesellschaft verankert?
Das Thema Demenz wird in der Gesellschaft immer noch tabuisiert, wer spricht schon gerne darüber, dass man nicht mehr alles kann und weiß – in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren. Aber auch Menschen mit Demenz haben Stärken und Fähigkeiten. Genau hier muss angesetzt werden und versucht werden, diese zu fördern und so lange wie möglich zu erhalten.
Wie kann dies gelingen?
Erinnerungsarbeit kann einen wesentlichen Anteil leisten. Eine festgelegte Tagesstruktur mit Elementen der Förderung, die sich wiederum an der Biografie orientieren hilft den Betroffenen gut, durch den Alltag zu kommen. Es braucht Anlaufstellen, die kompetente Beratungen durchführen. Routine und Stabilität sehr wichtig. Durch diese Form von Beschäftigung können herausfordernde Verhaltensweisen reduziert und eine hohe Lebensqualität sichergestellt werden. Diverse Angebote unterschiedlicher Träger bieten solche Gruppenaktivitäten an. Diese eignen sich einerseits als Ideenbringer für zu Hause, andererseits aber auch als Verschnaufpause für pflegende Angehörige. Es kann jedoch oft schwer sein sich im Angebotsdschungel zurechtzufinden. Es braucht eine zentrale Stelle, die hier kompetente Unterstützung anbietet. Denn es ist mühsam von einer Stelle zur anderen zu laufen. Gerade pflegenden Angehörigen fehlt hierzu die Kraft.
Wie kann man Angehörigen unter die Arme greifen?
Es ist wesentlich, ausreichend Informationen über die Erkrankung, Symptome und zum Verlauf der Erkrankung zu erhalten. Scheinbar einfache Tipps können im Alltag eine große Hilfe sein. Daher ist es wichtig, dass pflegende Angehörige im Umgang mit Menschen mit Demenz geschult sind. Wie begegne ich ihnen, wie reagiere ich in bestimmten Situationen richtig. Genau das bieten die „Leben mit Demenz|Impulse“ des Diakoniewerkes. Hier erhalten pflegende Angehörige praxisnahe, kompakte Informationen zur Kommunikation, Beschäftigung, Ernährung und Bewegung für Menschen mit Demenz. Der Austausch mit anderen Betroffenen zeigt, dass man mit den Herausforderungen nicht alleine ist und andere Personen ähnliche Erfahrungen machen. Der Austausch kann auch Entlastung bringen. Daher ist es umso wichtiger, sich nicht zu verstecken.
Wie würde die ideale Betreuung von Menschen mit Demenz Ihrer Meinung nach aussehen?
In erster Linie braucht es Anlaufstellen, die kompetente Beratungen durchführen und weitere Angebote vermitteln. Neben den mobilen Diensten braucht es stundenweise Betreuung, Nachtbetreuung, Tagesbetreuungseinrichtungen und Gruppenangebote. Die „Demenz-Kompetenz“ muss sowohl bei pflegenden Angehörigen, der Gesellschaft insgesamt, aber vor allem auch bei den Ärzten, Ärztinnen gestärkt werden. Unser aller Blick muss davon weggehen, was jemand nicht mehr kann oder wie jemand nicht mehr ist, zu dem was er oder sie heute ist und gut kann. Für ein gutes Leben mit Demenz.