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"Ich bin ja ein Mutmacher!"

„Ich bin ja ein Mutmacher!“

Christoph Zulehner zählt zu den hochkarätigen Referenten des Martinstift-Symposions, welches am 11. Oktober im Brucknerhaus Linz stattfindet. Eine wichtige Aussage, gerade in der Arbeit mit Menschen, ist für ihn: „Leg Hand an, tu es!“

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Karin Windpessl

Das Martinstift-Symposion beschäftigt sich mit der Frage, wie das Besondere in der Pflege und Begleitung trotz harter Rahmenbedingungen gelingen kann, wie kommt Leichtigkeit in die Arbeit?

Ich bin davon überzeugt, dass Leichtigkeit und harte Arbeit kein Widerspruch sind. Ich würde mir Menschen ohne Leichtigkeit und Humor in diesem Beruf auch gar nicht wünschen. Es braucht eine Distanz zu sich selber. Eine Distanz zur eigenen Arbeit, um den notwendigen Abstand zu halten. Die Schlimmsten sind ja die, die sich selber zu ernst nehmen.

Sie sind fast 40 Jahre im Gesundheitsbereich tätig. Begonnen haben Sie mit dem Krankenpflegediplom, über viele Zwischenetappen bis hin zum Stv. Pflegedirektor, Unternehmer, Speaker. Was war für Sie der Antrieb, stets den nächsten Schritt zu machen?

Es war immer mein Wunsch, Neues zu entdecken. Ich bin mit 17 Jahren in die Krankenpflegeschule eingestiegen und habe dann 10 Jahre im OP gearbeitet. Bei mir war es immer die Neugierde, etwas

Ohne Humor ist die Arbeit gar nicht bewältigbar

Neues zu entdecken. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass ich immer Förderer hatte. Das ist meine Generalbotschaft an die Branche: Wir Älteren haben die Aufgabe, zu fördern und wir haben die Aufgabe diesen Beruf als erstrebenswerten Beruf darzustellen, bei aller Anstrengung. Ich halte Pflege für eine der interessantesten Dienstleistungsfelder, die es überhaupt gibt.

Trotzdem wird der Beruf immer seltener gewählt. Woran liegt das?

Meine generelle Botschaft, auf die ich auch beim Symposion zu sprechen kommen möchte, ist die große Herausforderung der Spezialisierung und Sub-Spezialisierung. Das Wissen im Gesundheitswesen wächst enorm. Es verdoppelt sich in Teilbereichen sogar jährlich und jeder, der glaubt, die Zukunft gehört den Allroundern ist zweimal am falschen Dampfer. Zum einen, weil es nicht zu bewältigen ist. Wissenswachstum kann nur mit Spezialisierung bewältigt werden. Und zum anderen, weil durch Allroundertum Menschen überfordert und frustriert werden. Und wenn wir uns anschauen, wie viele unterschiedliche Berufsgruppen in den letzten Jahren entstanden sind in der Gesundheitsbranche, dann sind diese alle aus der Notwendigkeit der Fokussierung und Spezialisierung entstanden.

Also Spezialisierung als Zukunftstrend – Sie nennen es Ko-Kompetenz?

Mein Credo ist: Spezialisierung in der Fachlichkeit und Allroundertum im Netzwerk. Wir werden Netzwerkfähigkeiten entwickeln müssen. Und ich glaube, dass der alte Begriff Arbeitsteiligkeit zu kurz greift. Ich glaube wir müssen ko-kompetente Systeme schaffen. Die Menschen sollten fachlich sicher sein und damit auch Freude haben am Beruf. Die Einzelne, der Einzelne kann bestimmte Herausforderungen nicht mehr alleine bewältigen, weil sie/er andere kompetente Partner im System braucht.

Digitalisierung ist im Pflegebereich ein großes Thema. Wie können Technik und Mensch zusammenspielen?

Wir werden künstliche Intelligenz brauchen, wir werden darauf angewiesen sein, weil künstliche Intelligenz eines kann: große Datenmengen in unglaublich hoher Geschwindigkeit, strukturiert und intelligent aufzubereiten und zu sortieren. Datenbanken werden wichtig sein und was ist denn Pflege und Medizin anderes als das intelligente Verarbeiten von Daten und Wissen also KnowHow? Aber ich denke auch, dass es Handlungen geben wird, die immer vom Menschen zu erbringen sein werden. Dort, wo es um Kreativität, um Vertrauen, um Zuwendung, um Verhandlung, um Gesprächsführung geht.

Was ist wichtig im Pflegeberuf, aber auch in anderen Sparten, um gut durch diese sich verändernde Welt zu gehen?

Know-How und Erfahrung. Idealerweise eine reflektierte Erfahrung. Dann braucht es Fertigkeiten und Fähigkeiten. 70 Prozent an Verbesserung erlangen wir durch Anwendung. Je kürzer die Arbeitszeiten der Menschen werden, desto weniger Gelegenheiten haben sie diese zu sammeln. Hier schließt sich der Kreis wieder zur Spezialisierung. Dann müssen eben die Fachbereiche kleiner werden. Und der letzte Aspekt ist das Bauchgefühl, der moderne Begriff dafür ist Intuition.

„Fake it till you make it“ ist eine zentrale Aussage Ihrer letzten beiden Bücher. Was meinen Sie damit?

Versuche es, tu es, gib’ manchmal vor es zu können, auch wenn du es noch nicht erreicht hast. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Weil es um die innere Haltung geht. „Fake it, until you make it“, ist schon lange bekannt. Schon 200 Jahre vor Trump. Die schönere Formulierung stammt aus dem Französischen „Corriger la fortune“, dem Schicksal einen Schubs geben. Ich arbeite gerne mit folgendem Beispiel. Was denken Sie ist die bessere Einstellung? Wenn ich sage „ich bin Bergsteiger ab dem ersten Gipfelsieg“ oder „ich bin Bergsteiger ab dem ersten Schritt“? Ich bin davon überzeugt: Bergsteiger ist man ab dem ersten Schritt. Weil das mit mir etwas macht, mit der Verantwortung, die ich habe.

Kann man davon etwas ableiten für den Sozialbereich. Ist es ein sich trauen, auch wenn man sich nicht sicher ist?

Unbedingt. Die Konfrontation mit der Situation – jetzt mach, leg Hand an, tu – das halte ich für ganz wichtig. Darum halte ich duale Ausbildungen für äußerst sinnvoll.

Worauf darf man sich bei Ihrem Vortrag im Rahmen des Martinstift-Symposions freuen?

Man darf sich darauf freuen, dass ich andere Betrachtungsweisen einbringe. Das schönste Feedback ist für mich, wenn jemand sagt: „So habe ich das noch gar nicht gesehen“. Eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen also. Einen anderen Blickwinkel eröffnen, anders auf die Dinge schauen: Ich bin ja ein Mutmacher!

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