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Kernenergie, Nichtverbreitung und Nuklearstrategie

Amt, denn im Buch war die These vertreten, dass Italien für die schärfsten Umweltnormen in der EG eintritt, zum Teil deshalb, weil es im eigenen Land wegen des bürokratischen Vollzugsdefizits die Normen nicht umsetzen könne (eine in der EG und später EU immer wieder bei verschiedenen Ländern anzutreffende Politik). Festzuhalten bleibt auch, dass die DGAP in Deutschland die Umweltproblematik als seriöses Thema in die Disziplin der Internationalen Beziehungen einführte.

KERNENERGIE, NICHTVERBREITUNG UND NUKLEARSTRATEGIE

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Als ich mein Amt als Direktor antrat, waren die friedlichen und militärischen Aspekte der Kernenergie heiß umstrittene Themen der deutschen Innenpolitik. Der Ausbau der Kernenergie stieß auf zunehmenden Widerstand und war eng verbunden mit dem gleichzeitigen Aufstieg der Partei der Grünen. Kernwaffen und die Frage der nuklearen Teilhabe seitens der Bundesrepublik waren seit Anbeginn umstrittene Fragen, und der 1968 geschlossene Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen stieß auf heftigen Widerstand in Teilen des konservativen Spektrums, während die sozial-liberale Koalition den Vertrag und den Beitritt der Bundes-

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republik befürwortete. Dennoch war fundiertes Wissen über die politischen Zusammenhänge und technischen Grundlagen auf eine winzige Elite beschränkt.

Es bestand deshalb ein offenkundiger Bedarf an einer regelmäßigen Erörterung dieser Themen, die die verschiedenen Bereiche von friedlicher zu militärischer Nutzung miteinander verband und die entsprechenden Vertreter einbezog. In der DGAP hatte sich die Studiengruppe Sicherheit unter den Vorsitzenden Fritz Erler und danach Helmut Schmidt immer wieder mit Fragen der Nuklearstrategie und der Nichtverbreitung beschäftigt – durchweg auf der Grundlage von Diskussionspapieren, die Uwe Nerlich mit großer Kompetenz ausgearbeitet hatte. Nunmehr aber sollten die Thematik und der Teilnehmerkreis erweitert werden. So entstand auf meine Anregung hin die Arbeitsgruppe „Kernenergie und internationale Politik“, bei deren Finanzierung und Aufstellung ich mithalf und deren Beginn noch von Karl Carstens geleitet wurde. Ihre Mitglieder waren Vertreter der Kernenergiewirtschaft, mehrerer Bundesministerien, der Sicherheitstechnik, der Politik- und Wirtschaftswissenschaft, der Völkerrechtswissenschaft, des Parlaments, internationaler Organisationen und der Publizistik.

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Das Ergebnis dieser ersten umfassenden Behandlung dieser Thematik in der Bundesrepublik wurde 1975 in dem von Beate Lindemann und mir herausgegebenen Band „Kernenergie und internationale Politik“ publiziert. Die Gruppe setzte danach ihre Arbeit fort und wurde zu einer ständigen Einrichtung, an deren Durchführung (und Finanzierung) sich später auch die Kernforschungsanlage Jülich beteiligte, und die nach dem Umzug nach Berlin von Erwin Häckel kompetent weiter betreut wurde.

Da dies die einzige Stelle war, wo ein regelmäßiger Meinungsaustausch zu diesen Fragen stattfand, versteht es sich, dass in ihr die aktuelle Politik begleitend erörtert wurde, so zum Beispiel die Kontroversen über die nukleare Exportpolitik während der Carter-Administration (vor allem im Hinblick auf Argentinien und Brasilien). Da ich die Protagonisten der neuen Nichtverbreitungspolitik Carters (durchweg die Autoren des „Mitre Report“) teils persönlich kannte, konnte ich Bundeskanzler Schmidt über die sich abzeichnende Politik beraten, deren wichtigster Beamter in der Administration kurioserweise mein enger Freund Joseph Nye war.

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Die Arbeit der DGAP-Gruppe trug dazu bei, dass das Thema der Nichtverbreitung Eingang in die deutsche Politikwissenschaft fand. Joachim Krause, der von der Stiftung Wissenschaft und Politik kommend von 1993 bis 2001 das Amt des Stellvertretenden Forschungsdirektors ausübte, trug mit seinen eigenen Arbeiten zu Nichtverbreitung, Rüstungskontrolle und Sicherheit wesentlich zum Ausbau dieses Bereichs in der DGAP und zu ihrer Außenwirkung bei.

Wie bereits erwähnt, beschäftigte ich mich intensiv wissenschaftlich und publizistisch mit Fragen der Nuklearstrategie, wofür die Arbeitsgruppe eine Art Basis hergab. Dazu gehörten die oben dargestellte internationale Auseinandersetzung mit amerikanischen Experten über den Nicht-Erstgebrauch von Kernwaffen und das Eintreten für die nukleare Abschreckung – aber auch die Kritik an der antinuklearen Bewegung und der entsprechenden Kräfte in der SPD, so in einem ganzseitigen Artikel gegen Egon Bahr in der ZEIT („Anti-nuklear im nationalen Gewand“, 1984) sowie meine Arbeit für Helmut Schmidt, insbesondere zum Nachrüstungsbeschluss, bis hin zu seiner Niederlage auf dem Kölner Parteitag der SPD. Ich blieb ihm bis an sein Lebensende persönlich verbunden.

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