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Deutsche Interessen formulieren
DEUTSCHE INTERESSEN FORMULIEREN
Die richtige und von den historischen und internationalen Umständen gebotene Fundierung der (west)deutschen Außenpolitik in der europäischen Einigung und der NATO hatte jedoch auch eine Schattenseite: ein aus der Erinnerung an den Amoklauf des Nationalismus unter den Nazis stammendes Zögern, über eigene Interessen nachzudenken und sie zu artikulieren. Ich machte es zur Hidden Agenda der DGAP, diese, wo möglich, dafür einzusetzen, die Reflexion und öffentliche Diskussion der Interessen und Rolle (West)Deutschlands sowie seiner wachsenden außenpolitischen Verantwortung zu fördern.
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Diese Frage spielte eine große Rolle, als ich mit den Direktoren der drei führenden westlichen außenpolitischen Institute – Council on Foreign Relations, Royal Institute of International Affairs und institut français des relations internationales (Winston Lord, David Watt und Thierry de Montbrial) – kooperierte, um den schon erwähnten Bericht über die Lage des Westens und die sich daraus ergebenden Folgerungen für die Außen- und Sicherheitspolitik anzufertigen. Dieser Bericht reflektierte nicht nur die Sorge der Europäer,
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dass der neu gewählte Präsident Reagan die Ost-WestEntspannungspolitik beenden würde, sondern auch die Erkenntnis, dass die Europäer größere Anstrengungen in der Sicherheitspolitik leisten müssten. Deshalb lag den Empfehlungen des Berichts, der 1981 unter dem Titel „Die Sicherheit des Westens. Neue Dimensionen und Aufgaben“ (auch auf Englisch und Französisch) erschien, eine Art Deal zugrunde: Fortsetzung der Entspannungspolitik bei gleichzeitiger Stärkung des europäischen Beitrags zur westlichen Sicherheitspolitik. Letztere enthielt auch die Idee, dass Schlüsselstaaten (principal nations) – und zwar die USA, Großbritannien, Frankreich, die Bundesrepublik und Japan – besondere Verantwortung und Verpflichtungen übernehmen sollten.
Dass im Bericht die Bundesrepublik ausdrücklich als einer der Schlüsselstaaten aufgeführt wurde, löste in Deutschland eine enorme Diskussion aus mit Artikeln in allen Zeitungen – beispielsweise mit einem ganzseitigen Nachdruck in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (26.2.1981) – einschließlich einer Erklärung des Außenministers. Keine Publikation der DGAP hat jemals ein so großes Echo und eine so große weltweite Auflage erlebt. In China und der Sowjetunion wurde