Duhwelt 3-2013

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Netz bleiben (im Fachjargon: „MustRun-Problem“) werde sich unter einem wirksamen Klimaschutzregime schnell relativieren. Ein funktionierender CO2Zertifikatehandel, etwa durch verschärfte EU-Klimaziele, würde flexible Gaskraftwerke in Deutschland wie in den Niederlanden wirtschaftlicher machen. Quentin: „Dazu müsste sich aber die Bundesregierung mit den Kohlekraftwerksbetreibern anlegen. Davon ist sie weit entfernt. Schwarz-gelb, in Teilen aber auch die SPD propagieren ganz im Gegenteil den Neubau so genannter effizienter Kohlekraftwerke und sogar den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue.“

DUH fordert Gegensteuern n Energiepolitik

Energiewende ohne Klimaschutz? Dieses Jahr produzieren voraussichtlich sechs große Kohleblöcke Strom nur fürs Ausland – und belasten die nationale Klimabilanz.

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eutschland nutze das Ausland „systematisch als Abladeplatz für überschüssigen Ökostrom“ und zu viel deutscher Ökostrom treibe flexible Gaskraftwerke in den Niederlanden in den Ruin. So oder ähnlich berichteten viele Medien, als das Statistische Bundesamt im April einen historischen Höchstwert beim Stromexport aus Deutschland für das Jahr 2012 auswies. Die Interpretation entpuppt sich nach einer Detailanalyse der DUH als klassischer Kurzschluss: Nicht immer mehr Strom aus Sonne, Wind und Wasser wird ins Ausland verschoben, sondern Strom aus Kohlekraftwerken. Der kann wegen des Niedergangs des europäischen Emissionshandelssystems konkurrenzlos billig angeboten werden. Der DUH-Untersuchung zufolge wird sich die Entwicklung im laufenden Jahr 2013 noch massiv verschärfen. Lag der Exportsaldo 2012 schon bei zuvor nie erreichten 23 Terawattstunden (TWh), so wird er 2013 wohl die 30 TWh-Marke deutlich übertreffen. Das entspricht der Jahresproduktion von sechs großen Kohleblöcken.

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Doch noch spannender ist ein Blick auf die einzelnen Energieträger im ersten Halbjahr 2013: Bei fast unverändertem inländischem Netto-Stromverbrauch ging die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien 2013 gegenüber dem Vorjahr aufgrund des geringeren Windangebots leicht zurück. Beim Erdgas gab es einen dramatischen Einbruch, Strom aus Atomkraft blieb fast gleich. Nur die Stromerzeugung aus Stein- und Braunkohle stieg gegenüber 2012 drastisch an.

Kohle im Dauerbetrieb Jürgen Quentin, der Leiter der AntiKohle-Kampagne der DUH, nennt die Entwicklung fatal: „Als Folge der gegenwärtigen Kohlepolitik werden sowohl in Deutschland als auch – über den Export – in unseren Nachbarländern flexible und klimaschonende Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt. Genau diese Gaskraftwerke brauchen wir aber dringend für die nächste Stufe der Energiewende. Unflexible, klimaschädliche Kohleblöcke laufen nun teilweise im Dauerbetrieb.“ Auch das Argument, Kohlekraftwerke müssten zur Versorgungssicherheit am

Nach Überzeugung der DUH muss die nächste Bundesregierung, für eine Renaissance des EU-Emissionshandels kämpfen. Wenn dies nicht gelingt, muss sie anfangen, zusätzliche nationale Klimaschutzinstrumente auf den Weg zu bringen: Rechtlich zulässig wäre es zum Beispiel, ein Bundesklimaschutzgesetz zu schaffen, und zwar mit verbindlichen CO2-Zielen für jeden Sektor, aus denen sich spezifische CO2-Grenzwerte und/ oder anspruchsvolle elektrische Mindestwirkungsgrade für Kraftwerke ableiten ließen. „Andernfalls rücken die nationalen Klimaschutzziele in immer weitere Ferne“, ist Quentin überzeugt. (gr) n

An der Strombörse handelt man mit dem Produkt Strom. Einen Sitz hat sie in Düsseldorf.


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