Programm: Deutscher Filmpreis 2014

Page 1

2014


DEUTSCHER FILMPREIS 9. MAI 2014 IM TEMPODROM BERLIN


GRUSSWORT

„I

Foto: © Christof Rieken

2

ch bin die fesche Lola, der Liebling der Saison!“ – so sang Marlene Dietrich 1930 in Josef von Sternbergs Film DER BLAUE ENGEL dem zweiten deutschen Tonfilm überhaupt. Auch die LOLA des Deutschen Filmpreises, des höchstdotierten deutschen Kulturpreises, ist jedes Jahr aufs Neue der „Liebling der Saison“, und ich freue mich, diese Auszeichnung an herausragende Filmproduktionen und hervorragende Einzelleistungen zu verleihen. Filme aus Deutschland sind, bei aller Vielfalt, unverwechselbar und einzigartig. Das findet auch das Publikum: Mit 33,6 Millionen Besuchern gab es ein deutliches ZuschauerPlus von über neun Millionen im Vergleich zum Vorjahr – jede vierte Kinokarte wurde für einen deutschen Film gekauft. Die goldene LOLA ist das Symbol für das Fest, mit dem wir den deutschen Film feiern und hochleben lassen. Ich freue mich auf dieses Fest, auf außerordentliche Werke, die uns inspirieren und faszinieren – und immer wieder tief berühren. Allen Beteiligten, die die Verleihung des Deutschen Filmpreises in organisatorischer Hinsicht erst möglich machen, danke ich sehr.

Mein besonderer Dank geht an die Deutsche Filmakademie und an ihre Präsidentin Iris Berben. Ich wünsche allen Gästen, Nominierten und / Preisträgern eine unterhaltsame, spannende Preisverleihung: Lassen wir uns von der „feschen LOLA“ umgarnen und in den Bann ziehen!

— PROF. MONIKA GRÜTTERS MdB Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin


GRUSSWORT DER PRÄSIDENTIN

A

ls wir uns im Sommer 2005 in der Berliner Philharmonie trafen, um zum ersten Mal den Deutschen Filmpreis zu feiern, dessen Preisträger von uns selbst gewählt worden waren, herrschte eine angenehme, entspannte und durchaus auch euphorische Partystimmung. Es gab viel Grund zur Freude: Das herrliche Wetter, die großartige und für den Anlass außergewöhnliche Location (übrigens eine Idee von Michael Ballhaus, der natürlich weiß, wie Orte wirken) – und nicht zuletzt die Tatsache, dass die Deutsche Filmakademie nicht einmal zwei Jahre nach ihrer Gründung in der Lage und der Verfassung war, eine solche Veranstaltung inklusive des aufwändigen Wahlverfahrens aus eigener Kraft zu stemmen. Ein Verdienst der Gründungsspitze mit Senta Berger, Günter Rohrbach, Stefan Arndt und Christiane Teichgräber. Und der ersten Künstlerischen Leiter Nico Hofmann und Thomas Peter Friedl. In erster Linie aber war der Abend eine Party für den deutschen Film, für sein neues Selbstbewusstsein, verbunden mit der neu gewonnenen Fähigkeit zum konstruktiven und selbstkritischen Diskurs. Der hoch geschätzte und viel zu früh verstorbene Autor Michael Althen bilanzierte den

Abend in der F.A.Z. treffend: „Der deutsche Film hat endlich zu sich selbst gefunden.“ Heute feiern wir die mittlerweile zehnte LOLA-Verleihung durch die Deutsche Filmakademie. Und es stimmt immer noch und immer wieder: Der deutsche Film ist sich seiner selbst bewusst wie schon sehr lange nicht mehr. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die öffentliche Kritik am Filmpreis und an der Deutschen Filmakademie in diesen zehn Jahren konstant geblieben ist, auch wenn sie inhaltlich variieren musste. Und dabei immer wieder eine Herausforderung bot. Vor allem aber hat es damit zu tun, dass die Kreativen des Kinos auf dem Weg zum Filmpreis und über die vielfältigen, manchmal anstrengenden, aber stets inspirierenden Aktivitäten und Aktionen der Deutschen Filmakademie ständig neue Angebote erhielten, sich ihrer künstlerischen und gesellschaftlichen Identität zu vergewissern. Foto: © Mathias Bothor Der Deutsche Filmpreis 2014 zeigt, dass der deutsche Film sehr lebendig ist. Das darf ich auch für die Deutsche Filmakademie gelten lassen, in deren Auswahl sich diese Lebendigkeit nun schon — im zehnten Jahr spiegelt. IRIS BERBEN Es wird ein schöner Abend. Präsidentin der Deutschen Filmakademie 3


DER MANN IN WEISS

I

– Senta Berger über Helmut Dietl

ch erinnere mich an einige flüchtige Begegnungen mit Helmut Dietl in den 70er Jahren in München: Das war Münchens beste Zeit und die Stadt war voller Paradiesvögel. Helmut Dietl war einer der schillerndsten von ihnen. Wir verkehrten in den selben Kreisen. Helmut arbeitete an den Münchner Kammerspielen, erst als Regieassistent und wenig später als Regisseur. Wenn wir uns trafen, im Vorbeigehen mehr oder weniger, musterten wir uns gegenseitig ein wenig spöttisch, wie mir schien, und das machte mich sehr neugierig auf diesen Herrn Dietl. Es muss im Sommer 1984 gewesen sein, als er mich anrief und mich um ein Treffen bat, er wolle mir ein Projekt vorstellen und mir eine Rolle darin anbieten. Helmut Dietl hatte damals die Gewohnheit, sich weiß zu kleiden und so kam er auch in dieses dunkle Weinlokal, sehr schön anzusehen, sehr fremdländisch, sehr elegant. Er gab mir zwei Drehbücher, mehr hatten er und Patrick Süskind noch nicht geschrieben, und es gab auch noch keinen Titel für die sechs Fernsehfilme, die entstehen sollten. Ein Gesellschaftsbild sollte es werden. Es war der Beginn der Mediengesellschaft, deren Auswirkungen und Auswüchse besonders

stark in München zu spüren waren. Es war nicht nur Eitelkeit, die die Menschen drängte, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. as Foto in der Zeitung, die Erwähnung des eigenen Namens, das Ausbreiten privater, intimster Momente in den Klatschspalten der Zeitungen und Fernsehsendungen konnte durchaus zum Erfolg der beruflichen Existenz, zum Schritt auf der Karriereleiter beitragen. Die Gesellschaft bekam Ellenbogen bei diesem Kampf um einen Platz unter öffentlicher Sonne. Mehr scheinen als sein. Den Porsche auf Pump und ein Glas „Kir Royal“ in der Hand. Ich las die beiden Bücher. Es waren die besten Drehbücher, die ich seit langem gelesen hatte. Aber ich zögerte. „Wie soll ich denn diese Rolle spielen, diese ‚Mona‘? Auf Bayrisch?“, fragte ich Helmut am Telefon. „Möglichst“, sagte er. „Aber ich habe schon sehr lange in keiner deutschen Filmproduktion gespielt“, warnte ich. „Eben darum“, sagte er und „Sie werden auch singen, ich weiß ja, dass Sie das können. Aber Sie sind halt feig.“ Wir blieben lange beim „Sie“. Das war eigentlich schön. Das war auch ein Spiel. Vielleicht ein Flirt. Am Drehort flirrte es sowieso Foto: © Jürgen Olczyk

4


jeden Tag. Es war eine aufregende Atmosphäre, anstrengend und inspirierend. Ja, er konnte auch rücksichtslos sein, der Herr Dietl. Seiner Produktion gegenüber, die seine eigene war, seinen Mitarbeitern gegenüber und vor allem rücksichtslos zu sich selbst. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Arbeit mit ihm war für mich eine Freude. Eine einzige Ermutigung. Ich habe viel in der Arbeit mit ihm gelernt und für meine weitere künstlerische Arbeit mitgenommen. Ich bin ihm dankbar und auch für unsere vertraute, wenn auch vorsichtige Freundschaft, die uns seit dieser Zeit verbindet. Natürlich hatte Helmut Dietls Zugriff auf dieses Thema, auf „Kir Royal“, Biss und eine Schärfe, die für die damalige Zeit ungewöhnlich und auch verstörend war. Helmuts Erzählweise verlangt ein genaues Timing. Eine Leichtigkeit, die nicht immer mit Schnelligkeit ausgedrückt werden kann, aber oft auch damit zu tun hat. Die Tendenz vieler Schauspieler damals war, ein zu langsames Timing zu haben. Ein falscher Atmer vor der Pointe, eine kleine, aber bedeutungsvolle Pause, sozusagen eine Ankündigung der Pointe, zerstört sie.

Das schmerzt nicht nur den Regisseur Helmut Dietl, sondern auch den Autor Dietl. Sprache ist ganz wichtig für ihn. Texte, Dialoge sollen so gesprochen werden, wie er sie beim Schreiben gehört hat. Er kann aber auch schreiben! Für mich ganz in der Tradition eines Ödon von Horvath, dessen Schattierungen der Sprache, das bewußte Einsetzen verschiedener Dialekte, die Herkunft, Schicksal, ja eben die Biographien seiner Figuren erkennen läßt. Helmut Dietl verlangt von den Schauspielern Genauigkeit und ist dankbar, wenn er sie bekommt und ungeduldig wenn nicht. Man sagt oft, Helmut Dietl sei ein „Schauspielerregisseur“. Das stimmt sicher, sicher auch. Mir käme diese Beschreibung wie eine unnötige Reduzierung vor. Sein Stil, wenn es so etwas überhaupt gibt und nicht nur eine Erfindung der Kritiker ist, die aus dem Zeitgeist ihrer Generation „Stil“ jeweils neu formulieren, ist durch Schärfe und Eleganz geprägt. Wer sich die Eröffnungssequenz von „Rossini“ ansieht, weiß, was damit gemeint ist. Und wer Helmuts Filme kennt, sieht auch, dass er meisterlich die unterschiedlichsten Geschichten erzählt, die sich in Stil-Schubladen nur schwierig einordnen lassen.

In seinen Sittengemälden ist zwar immer Ironie zu spüren, auch eine gewisse Süffisanz, immer aber auch seine Liebe zu den Figuren, die er erfindet, eine Zärtlichkeit, Mitleid für die Menschen, die er beschreibt. Es sind die Menschen, um die es Helmut Dietl geht. In dem Maße, in dem sich die Zeit und ihre Gesellschaft verändert hat, haben sich auch die Filme von Helmut Dietl verändert. Er ist ein Beobachter, ein Chronist. Seine Bilder werden schärfer, die Figuren bekommen dunkle Konturen. Ob Helmut Dietl deshalb ein Satiriker genannt werden kann, weiß ich nicht. Für mich ist er ein Moralist. Skepsis und eine gewisse Schwermut mögen zu den Grundzügen seines Charakters gehören. Im Komischen sieht er das Tragische und im Tragischen entdeckt er das Komische. Das macht alle seine Komödien, seine Filme aus. Das ist eine große Kunst. Seine große Kunst. Helmut Dietl ist ein unvergleichlicher Regisseur und Geschichtenerzähler. Helmut Dietl gibt uns heute die Ehre. Wir wollen ihn feiern. 5


ARENA DES DEUTSCHEN FILMS Ein Produzent und ein Regisseur sind verantwortlich für die künstlerische Gestaltung beim Deutschen Filmpreis 2014. Eine Konstellation, die uns bekannt vorkommt. Sven Burgemeister: Wir beide haben viele Verleihungen angesehen und bringen unterschiedliche Erfahrungen ein: Fiktionale Filmund Fernsehproduktionen unterschiedlichster Genres. Tobi hat konkrete Show-Erfahrung. Tobi als Regisseur, ich als Produzent – das macht hoffentlich Sinn. Letztlich spielen die beiden Berufsbilder aber keine große Rolle in der inhaltlichen Arbeit, die natürlich als enges Teamwork funktioniert. Darüber hinaus hat jeder so seine Kontakte und Ideen. Das versuchen wir zu kombinieren – aber ohne die leidenschaftliche, inhaltliche Unterstützung der Geschäftsführung und den Rückhalt des Vorstandes der Deutschen Filmakademie ist das alles nicht der Rede wert. Foto: © Florian Liedel

Tobi Baumann: Wir sind seit unserer gemeinin Gespräch mit den künstlerischen Leitern des Deutschen Filmpreises 2014, Sven Burge- samen Arbeit an dem Film VOLLIDIOT meister und Tobi Baumann, über den Ort, den Moderator und das Selbstverständnis der befreundet und viel in Kontakt. Da wir beide den deutschen Film lieben, wollen wir nun LOLA im zehnten Jahr der Filmakademie.

E 6


auch unseren Beitrag leisten, ihn weiter nach vorne zu bringen. Wir tun dies aber nicht als Produzent oder Regisseur. Hier sind wir ein kreatives Team. Und wir sind beide überzeugt von der Idee der Deutschen Filmakademie, zu deren Beitritt mich übrigens Sven seiner Zeit ermuntert hat. Es geht für uns beim Deutschen Filmpreis darum, die Leidenschaft für das Filmemachen, die Solidarität unter den Mitgliedern und den Respekt vor allen Leistungen sichtbar und erlebbar zu machen. Deshalb sollen die Filme und ihre Macher wieder ganz in den Vordergrund dieses Abends rücken und das Medium Film mit der entsprechenden Liebe präsentiert und gefeiert werden. Der Deutsche Filmpreis ist anders als andere Preisverleihungen. Er soll eine eigene Handschrift tragen. Ich glaube, dazu trägt auch eine solche Konstellation bei. Die LOLA ist umgezogen ins Tempodrom. Die Verleihung wird dadurch ein neues Gesicht bekommen. Gibt es auch neue Köpfe bei der Arbeit hinter den Kulissen bzw. an und in den Kulissen? Bühnenbildner? Autoren? Musiker?

Burgemeister: Wir sind begeistert von der neuen Location. Wir haben sie weit im Vorfeld der Gala schon besichtigt und Veranstaltungen besucht, die das Tempodrom in der Zwischenzeit gefüllt haben. Das hat uns sehr motiviert für die Aufgabe.

Das Tempodrom ist ideal für die Idee dieser Veranstaltung…

Das Tempodrom ist ideal und steht für die Idee dieser Veranstaltung: eine Arena für den deutschen Film und die Verleihung der höchsten Auszeichnung für die Filmschaffenden. Im Jahr 2004, bevor die Filmakademie die Preisträger zu wählen begann, hat die Verleihung dort zuletzt stattgefunden. So feiern wir am 9. Mai auch ein kleines Jubiläum. Es ist der zehnte Filmpreis mit der Filmakademie.

Burgemeister: Wir als Filmakademie müssen uns jedes Jahr aufs Neue damit konfrontieren, dass der Deutsche Filmpreis noch eine Stärkung in der Wahrnehmung und eine klare Positionierung benötigt – gerade im Umfeld anderer Preisverleihungen und Galas, die jährlich stattfinden. Unsere Aufgabe ist es, im vorgegebenen, nicht gerade üppig ausgestatteten Rahmen, das herauszuarbeiten, was den Filmpreis so unverwechselbar macht: Wir haben die besten und bekanntesten Stars und die kulturellen und kommerziellen Highlights eines gesamten Filmjahres im Programm! Darauf sollten und müssen wir uns konzentrieren. Es gibt aber auch wichtige Elemente und vor allem Personen, die geblieben sind. Allen voran das Team um unsere Produzentin Claudia Loewe von der DFA Produktion GmbH und die langjährige, genauso unentbehrliche Producerin Marion Gaedicke. Sie halten uns allen den Rücken frei. Ich habe mir gewünscht, dass so eine gute Teamarbeit mit allen Beteiligten in der DFA und der Produktion möglich ist, selbstverständlich ist das aber nicht. Es sind wirklich alle im Büro mit Seele und Freude bei der Sache und engagiert. 7


Baumann: Natürlich bedeutet der Wechsel von der Theaterbühne des Friedrichstadt-Palastes in das Zelt des Tempodroms eine Veränderung des Erlebnisses für den Zuschauer im Saal wie auch vor dem Bildschirm. Daraus ergab sich zu unserer Freude die Chance, zusammen mit dem Designer Dirk Behrendt eine neue Bühne für den Filmpreis entwickeln zu dürfen. Er hat – nach unserer Überzeugung – den gewünschten Stil ideal getroffen. Elegant und vielseitig wollen wir den Filmpreis in diesem Bühnenbild zentral und mitten unter den Filmschaffenden präsentieren. Eine weitere, sehr erfreuliche Neuerung: Zum ersten Mal wird die Verleihung vom Filmorchester Babelsberg begleitet. Diese Zusammenarbeit mit der Deutschen Filmakademie ist quasi überfällig und wird einen feierlichen, emotionalen und anspruchsvollen Rahmen für die Verleihung schaffen. Das ist großes Kino. Für 38 Orchestermitglieder und den Dirigenten muss auf der Bühne Platz geschaffen werden. Dazu müssen die musikalischen, live gespielten Passagen arrangiert und in den Showablauf integriert werden. Als kreativer Link zwischen uns und dem Orchester wie auch als Partner für die musikali8

sche Gestaltung der Show sind wir deshalb sehr glücklich, Ali N. Askin gewonnen zu haben. Er ist …eine Show von Mitglied der Akademie, selber Filmpreisträger, Filmemachern für die ein vielseitiger Musiker. Filmemacher… Das Herz der Show bilden natürlich talentierte Autoren, die mit uns den Ton und den Unterhaltungswert der Show bestimmen. Hier konnten wir mit Roland Slawik und Chris Geletneky zwei der Besten ihres Fachs gewinnen. einfach immer wie eine sehr professionelle Einzelne Texte werden auch von erwiesenen Kön- Familienveranstaltung. Wir möchten beim Filmpreis die Brücke nern wie Ralf Husmann und Heinrich Hadding schlagen zwischen den intellektuellen Seiten geschrieben. des deutschen Films und den kommerziellen. Ihr seid beide Mitglieder der Filmakademie. Und wir wollen eine Show von Filmemachern Der von Euch gewünschte und gewonnene für die Filmemacher, die nebenbei auch noch Gastgeber des Abends, Jan Josef Liefers, ist das den Zuschauer glänzend unterhält. auch. Zufall oder ein Statement? Burgemeister: Ja, hier sind große Stars und Baumann: Von vornherein war unser Wunsch, großartige Könner unserer Branche vereint. Das die Filmfamilie wieder mehr spüren zu lassen, kann nach meiner Einschätzung keine andere dass sie eine Gemeinschaft ist. Und aus dieser Veranstaltung dieser Art im Fernsehen von sich Gemeinschaft sollte auch unser Gastgeber sagen! Wir müssen nicht um jeden Preis Anleihen von Personalities oder krampfhaft behaupteter kommen. Die Präsentation der Oscars© z. B. ver- Prominenz in diesen Abend einladen. Wir schaffen mittelt uns immer genau diesen Solidaritätsge- das ohne Anstrengung und nur aus unserem Kreis. danken auch durch den Host. Das Ganze wirkt Das ist die Verleihung eines Preises, der höchst


angesehen und höchst dotiert ist. Darum geht es uns allen. Und ganz sicher nicht darum, ob wir die interessantesten und angesagtesten Showacts zwischen den Preislaudationes an Land ziehen können. Diesen Wettbewerb müssen wir nicht antreten. Das passt auch nicht wirklich zu uns.

berrolle fühlt sich Jan Josef Liefers als Filmschaffender der Akademie wohl.

Burgemeister: Wir fanden außerdem, dass es wieder an der Zeit war, den Abend von einem Mann alleine hosten zu lassen. Der Letzte, der das durfte, war der wunderbare Michael Bully Was war euer Ausschlag gebendes Argument für Herbig. Das ist schon sieben Jahre her. Jan Josef Jan Josef Liefers und wie seht ihr seine Rolle am Liefers ist wie Bully und wenige andere, ein großer deutscher Filmstar. Er steht leidenschaftlich Abend der Preisverleihung? für den deutschen Film ein – im Kino wie im FernBaumann: Nachdem klar war, dass wir mit Jan sehen. Er deckt Mainstream und Arthouse gleiJosef Liefers einen Schauspieler ins Zentrum chermaßen erfolgreich ab. Er ist enorm vielseitig dieser Show stellen, galt es, diese Rolle zu defi- und immer intensiv. Als Schauspieler, Regisseur nieren. Diese Forderung kam auch zu Recht von und Musiker integriert Liefers mehrere künstleJan Josefs Seite. Für uns war sehr wichtig: Wir rische Strömungen in seiner Arbeit. Und in der suchen einen Host, keinen Moderator. Der Host Akademie vereint er höchste Akzeptanz auf seine ist ein Gastgeber und damit von vielen Pflichten Person. Jan Josef hat alle Qualitäten eines pereines Moderators entbunden. Er muss nicht regel- fekten Gastgebers für diesen Abend. mäßig erscheinen. Er ist schlagfertig, macht sich geschickt rar – und bleibt so immer gerne gesehen. In unserem Fall ist es ein Schauspieler, der Wir suchen einen Host, ein Schauspieler bleiben soll. Wir wollen keinen Schauspieler auf der Bühne als Host engagieren keinen Moderator. und ihn dann dazu zwingen, einen Moderator zu spielen. Das ergibt keinen Sinn. In dieser GastgeFoto: © Florian Liedel

9


DAS VOLLE PROGRAMM PREISGEKRÖNTES


DIE VORAUSWAHL 2014 – DAS WAHLVERFAHREN 1. Die Vorauswahl Es gibt insgesamt drei Vorauswahlkommissionen: Eine alle Sektionen repräsentierende Vorauswahlkommission Spielfilm, die aus 18 Personen (inklusive zwei Mitglieder des Bundestages) besteht. Eine siebenköpfige Kommission Dokumentarfilm mit drei Vertretern aus der Sektion Dokumentarfilm, zwei Vertretern aus anderen Sektionen, einem MdB und einem branchenerfahrenen Kommissionsmitglied, das nicht aus der Filmakademie kommt, sowie eine Kommission Kinderfilm mit acht Mitgliedern (Vertretern aus allen Sektionen und einem MdB). Die aus allen Kommissionen vorausgewählten Filme werden ebenfalls für die Einzelleistungen berücksichtigt. Die Vorauswahlkommission Kinderfilm hat auch in diesem Jahr alle Filme zusammen mit Kindern unterschiedlicher Altersgruppen angeschaut. Die Vorauswahlkommissionen können aus den Einreichungen höchstens eine Anzahl von Filmen auswählen, die 40 Prozent der Anmeldungen entspricht. Die Mitglieder der Spielfilmkommission haben außerdem die Möglichkeit, jeweils einen Kandidaten für jeweils das Gewerk, das sie in der Kommission vertreten, nachzubenennen.

Spielfilm Für Produzenten nicht vorausgewählter Filme enthalten die Richtlinien das Angebot einer Dreitagesfrist, ihre Filme für die Wild Card anzumelden. Diese Filme werden mit den vorausgewählten Filmen an die Mitglieder verschickt – und können von diesen freiwillig und in allen Kategorien in die Abstimmung einbezogen werden. Wichtig ist, dass alle Kommissionen die Filme gemeinsam im Kino anschauen. Darüber hinaus wird jedes Kommissionsmitglied mit DVDs der angemeldeten Filme versorgt, so dass jedem persönlich genügend Zeit bleibt, alle Filme angemessen zu sichten. 2. Die Nominierungen Im nächsten Schritt wählen nun sämtliche Mitglieder der Deutschen Filmakademie in geheimer Wahl die Nominierungen. Dabei wird in Sektionen abgestimmt. Beispiel: Regie durch die Mitglieder der Sektion Regie usw. 3. Wahl der Preisträger In der dritten Stufe des Wahlverfahrens stimmt die Gesamtheit der Mitglieder in allen und für alle Kategorien ab.

v.l.n.r. hintere Reihe: Gert Wilden Jr., Nina Grosse, Jekaterina Oertel, Monika Jacobs, Tom Spieß mittlere Reihe: Thomas Wöbke, Josef Sanktjohanser, Wolfgang Schukrafft,

Ulla Kösterke, Thomas Plenert, Detlef Michel vordere Reihe: Jule Ronstedt, Marie Gruber, Ralf Huettner, Gernot Gricksch, Olivia Retzer

Foto: © Florian Liedel

11


Dokumentarfilm

v.l.n.r. hintere Reihe: Barbara Hennings, Jörg Bundschuh, Annekatrin Hendel, Ulla Brennecke vordere Reihe: Irene von Alberti, Kathrin Lemme, Angelika KrügerLeißner, Jana Marsik Foto: © Florian Liedel

12

Kinderfilm

v.l.n.r. Michaela Hinnenthal, Christian Steyer, Hagen Bogdanski, Christoph Müller, Adriana Altaras, Lucia Faust nicht auf dem Foto: Veit Helmer, Johannes Selle Foto: © Florian Liedel

Ehrenpreis Der Ehrenpreis wird von einer zehnköpfigen Jury bestimmt. Die Mitglieder der Deutschen Filmakademie haben zuvor die Möglichkeit, Vorschläge einzureichen.

ohne Abbildung: Iris Berben Domink Graf Eva Hubert Michael Kranz Christoph Ott Hans Helmut Prinzler Josef Reidinger Helge Sasse Ruth Toma Joachim von Vietinghoff


Bernd Eichinger Preis Beim Deutschen Filmpreis 2012 wurde erstmals der BERND EICHINGER PREIS verliehen. Der Bernd Eichinger Preis zeichnet Einzelpersonen aus, die durch künstlerische Leidenschaft, Gemeinschaftssinn, Originalität und Durchsetzungsvermögen einen maßgeblichen Beitrag zur Kinokultur leisten. Eine sieben- bis neunköpfige Jury trifft ihre Entscheidung über die Vergabe des Bernd Eichinger Preises nach gemeinsamer und vertraulicher Erörterung. Das Ergebnis wird bis zur Verleihung des Deutschen Filmpreises geheim gehalten und erst am Tag der Verleihung im Rahmen der feierlichen Gala bekanntgegeben.

Jury Bernd Eichinger Preis: Martin Moszkowicz Katja Eichinger Bettina Reitz

Publikumspreis In den Richtlinien für die Wahl zum Deutschen Filmpreis ist ein Publikumspreis ausdrücklich als Option vorgesehen. Im Jahr 2013 hat sich die Deutsche Filmakademie entschlossen, einen solchen wieder zu vergeben und über einen Medienpartner ermitteln zu lassen. Auf ihrer letzten Mitgliederversammlung änderte die Filmakademie die Definition des Preises. Sie definierte diese LOLA als Zeichen des Dankes der Branche an die kreative Leistung des Jahres, die die meisten Menschen bewegt hat, ins Kino zu gehen. Darum heißt sie nun „Preis für den besucherstärksten Film“. Er wird vom Regisseur entgegengenommen und geht in diesem Jahr an Bora Dagtekin für FACK JU GÖHTE.

Nina Eichinger Moritz Bleibtreu Oskar Roehler Christiane Paul

Foto: © Mathias Bothor

13



NOMINIERUNGEN 2014 Programmfüllende Spielfilme DIE ANDERE HEIMAT FACK JU GÖHTE DAS FINSTERE TAL FINSTERWORLD LOVE STEAKS ZWEI LEBEN

Christian Reitz – Edgar Reitz Filmproduktions GmbH – Regie: Edgar Reitz Lena Schömann, Christian Becker – Rat Pack Filmproduktion GmbH, Constantin Filmproduktion GmbH – Regie: Bora Dagtekin Helmut Grasser, Stefan Arndt – Allegro Film, X Filme Creative Pool – Regie: Andreas Prochaska Tobias Walker, Philipp Worm – Walker+Worm Film – Regie: Frauke Finsterwalder Ines Schiller, Golo Schultz – Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ – Regie: Jakob Lass Dieter Zeppenfeld, Rudi Teichmann, Axel Helgeland – Zinnober Film GmbH, B&T Film GmbH, Helgeland Film AS – Regie: Georg Maas

Programmfüllende Dokumentarfilme ALPHABET BELTRACCHI – DIE KUNST DER FÄLSCHUNG MASTER OF THE UNIVERSE

Peter Rommel, Mathias Forberg, Viktoria Salcher – Rommel Film, Prisma Film – Regie: Erwin Wagenhofer Arne Birkenstock, Helmut G. Weber, Thomas Springer – Fruitmarket Kultur und Medien GmbH, Tradewind Pictures GmbH – Regie: Arne Birkenstock Marc Bauder, Markus Glaser, Wolfgang Widerhofer – bauderfilm, NGF Geyrhalterfilm – Regie: Marc Bauder

Programmfüllende Kinderfilme BIBI & TINA OSTWIND SPUTNIK

Christoph Daniel, Marc Schmidheiny, Detlev Buck, Sonja Schmitt – DCM Pictures GmbH, Boje Buck Produktion GmbH – Regie: Detlev Buck Ewa Karlström, Andreas Ulmke-Smeaton – SamFilm GmbH – Regie: Katja von Garnier Marcel Lenz, Guido Schwab, Dorothe Beinemeier, Leontine Petit, Joost de Vries – ostlicht filmproduktion GmbH, Hamster Film GmbH – Regie: Markus Dietrich 15


Beste darstellerische Leistung – weibliche Nebenrolle

Bestes Drehbuch Bora Dagtekin Frauke Finsterwalder, Christian Kracht Edgar Reitz, Gert Heidenreich

FINSTERWORLD

Jella Haase Sandra Hüller Katja Riemann

DIE ANDERE HEIMAT

Beste darstellerische Leistung – männliche Nebenrolle

FACK JU GÖHTE

Beste Regie Katrin Gebbe Andreas Prochaska Edgar Reitz

TORE TANZT DAS FINSTERE TAL DIE ANDERE HEIMAT

Beste darstellerische Leistung – weibliche Hauptrolle Carla Juri Juliane Köhler Jördis Triebel

16

FEUCHTGEBIETE ZWEI LEBEN WESTEN

Michael Maertens Tobias Moretti Kida Khodr Ramadan

FINSTERWORLD DAS FINSTERE TAL UMMAH – UNTER FREUNDEN

Beste Kamera / Bildgestaltung Michael Bertl Hagen Bogdanski Daniel Gottschalk Thomas W. Kiennast Gernot Roll

Beste darstellerische Leistung – männliche Hauptrolle

Bester Schnitt

Sascha Alexander Geršak Dieter Hallervorden Hanno Koffler

Anne Fabini Hansjörg Weißbrich Andreas Wodraschke

5 JAHRE LEBEN SEIN LETZTES RENNEN FREIER FALL

FACK JU GÖHTE FINSTERWORLD FACK JU GÖHTE

MR. MORGAN’S LAST LOVE DER MEDICUS LAUF JUNGE LAUF DAS FINSTERE TAL DIE ANDERE HEIMAT

HOUSTON ZWEI LEBEN FEUCHTGEBIETE


Beste Filmmusik

Bestes Szenenbild Claus Rudolf Amler Toni Gerg, Hucky Hornberger Udo Kramer Matthias Müsse

DAS FINSTERE TAL DIE ANDERE HEIMAT DER MEDICUS LAUF JUNGE LAUF

DIE ANDERE HEIMAT DAS FINSTERE TAL DER MEDICUS

Bestes Maskenbild Helene Lang, Roman Braunhofer Kitty Kratschke, Juliane Hübner Heike Merker

OSTWIND TORE TANZT FINSTERWORLD DAS FINSTERE TAL

Beste Tongestaltung

Bestes Kostümbild Esther Amuser Natascha Curtius-Noss Thomas Oláh

Annette Focks Johannes Lehniger, Peter Folk Michaela Melián Matthias Weber

DAS FINSTERE TAL

Michael Kranz, Stefan Busch, Roland Winke Guido Zettier, Max Thomas Meindl, Benjamin Rosenkind Dietmar Zuson, Christof Ebhardt, Tschangis Chahrokh

3096 TAGE DER MEDICUS DAS FINSTERE TAL

LAUF JUNGE LAUF DER MEDICUS

17


3096 TAGE „Können Sie sich irgendwie ausweisen?“ Stille. „Mein Name ist Natascha Kampusch. Ich bin vor acht Jahren entführt worden.“ Es ist der 23. August 2006, der 3096. Tag ihrer Entführung. Natascha Kampusch ist als zehnjähriges Mädchen von Wolfgang Priklopil in seinen weißen Lieferwagen gezerrt und in ein Kellerverlies in einem Wiener Vorort eingesperrt worden. Es ist leider eine wahre Geschichte, die durch das große Medieninteresse nach Kampuschs Befreiung den meisten Menschen bekannt ist. Regisseurin Sherry Hormann hat diese Geschichte, die der vor drei Jahren verstorbene Produzent Bernd Eichinger noch in mehreren Drehbuchfassungen bearbeitet hatte, verfilmt. Sie erzählt in ihrem Film 3096 TAGE von dem Verbrechen an Natascha Kampusch, nicht im Stil eines Thrillers, eher eines Psychodramas, in dem 18

die Beziehung zwischen Täter und Opfer im Mittelpunkt steht. Ihr Mann Michael Ballhaus hat hier nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder bei einem deutschen Projekt die Kamera geführt und durfte sich der Herausforderung stellen, einen dunklen Keller ohne Tageslichteinfall zu kontrastieren mit dem grellen Licht der wenigen Augenblicke, in denen Natascha Kampusch „nach oben“ durfte. Ähnlich wie Michael Ballhaus eindringliche und unaufgeregte Bildkompositionen geschaffen hat und dabei ganz bewusst nicht auf Grusel setzte, vermitteln das Ton-Trio Michael Kranz, Stefan Busch und Roland Winke (Beste Tongestaltung) dem Zuschauer eine Ahnung der Ängste und des Eingeschlossenseins von Kampusch. Gegensätze wie Licht und Dunkel sowie beängstigende Stille und laute Geräusche bringen dem Zuschauer Natascha Kampuschs Lage physisch nahe. Als ihr Entführer den Keller verlässt, nimmt Kampusch anhand der vielen verschiedenen Geräusche zum ersten Mal wahr, wie sehr sie von der Welt abgeschlossen ist. Ein Schloss fällt ein, eine Tür wird verriegelt, eine weitere wird zugezogen, Bretter werden über ein Loch am Boden gelegt, ein Schrank wird darüber geschoben. Sie

ist wirklich in einem Verlies. Am Anfang ist das Zimmer leer, über ihr an der Decke hängt eine Lampe, deren Glühbirne summt. Sie hört einen tropfenden Wasserhahn und das Klappern eines in die Wand eingelassenen Ventilators. Sie klopft immer wieder mit ihren Fäusten gegen die verschlossene Tür und wartet, dass sie die Schritte des Entführers hört, der sich dann durch einen Schacht nach unten bewegt und knarrend ihre Tür öffnet. Leider kommt er nicht, um sie herauszulassen, er bringt ihr eine Matratze, manchmal etwas zu essen und zu trinken, irgendwann baut er eine Sprechanlage ein. Priklopil will absolute Kontrolle über das Mädchen und fordert von ihr Gehorsam, immer wieder Gehorsam. Als Priklopil entscheidet, mit Natascha ein gemeinsames Schlafzimmer einzurichten, nimmt er sie zum ersten Mal mit aus dem Haus und fährt mit ihr in einen Baumarkt. Seit Jahren sieht Natascha wieder andere Menschen, ist aufgeregt und gleichzeitig völlig überfordert: Sie hört Vogelgezwitscher, lautes Hundegebell, vorbeifahrende Autos, Kindergeschrei. Im Bauhaus wird gesägt, geschliffen, sie hört die Kassengeräusche und Marktdurchsagen, aber findet keinen Mut und keine Gelegenheit,


jemanden anzusprechen und auf sich aufmerksam zu machen. Sherry Hormann inszeniert die Geschichte so, dass, trotz schrecklichster Umstände, aus dem kleinen Mädchen eine erwachsene, selbstbewusste Frau wird, der am 3096. Tag ihrer Gefangenschaft die Flucht gelingt. Die Welt um sich herum hat sie, gefesselt an einen einzigen Ort, hauptsächlich akustisch erfahren. Diese Erfahrungen macht das Sounddesign des Films auf faszinierende Weise nachvollziehbar. STEFAN BUSCH Beste Tongestaltung

MICHAEL KRANZ Beste Tongestaltung

ROLAND WINKE Beste Tongestaltung

Schlafes Bruder (1995), Der Untergang (2004), Keinohrhasen (2007), Der Baader Meinhof Komplex (2008)

Das Geisterhaus (1993), Mortal Transfert (2000), Das Parfum (2007), Der Baader Meinhof Komplex (2008)

Der Untergang (2004), Sophie Scholl (2005), Das Parfum (2006), Der Baader Meinhof Komplex (2008)

Foto: © Jürgen Olczyk

19


5 JAHRE LEBEN „Fünf Jahre meines Lebens“ nannte der Deutschtürke Murat Kurnaz seine 2007 erschienene (und zusammen mit Helmut Kuhn verfasste) Autobiografie, die eine unglaubliche Geschichte erzählte. Zwei Monate nach den Anschlägen auf US-amerikanische Bürger und Gebäude am 11. September 2001 wurde Kurnaz auf einer Pilgerreise nach Pakistan verhaftet und den US-Streitkräften in Afghanistan ausgeliefert. Danach verbrachte Kurnaz fast fünf Jahre in amerikanischer Gefangenschaft – hauptsächlich im Lager Guantanamo auf Kuba. Sein Buch und der darauf basierende Spielfilm 5 JAHRE LEBEN von Stefan Schaller erzählen von Verdächtigungen, Verhören, Demütigungen und Folterungen, denen Kurnaz permanent ausgesetzt war. Regisseur Stefan Schaller, der zusammen mit David Finck das Drehbuch schrieb, hat sich

entschieden, die Geschichte nicht reißerisch Kinodebüt TORE TANZT den „Preis der deutoder dokumentarisch zu erzählen, sondern schen Filmkritik“. als spannendes und aufschlussreiches Duell zwischen dem Gefangenen Murat Kurnaz und seinem Gegenspieler Gail Holford, dem amerikanischen Offizier, der ihn verhört. Das lässt natürlich den Darstellern einen ganz besonderen Spielraum im wahrsten Sinne des Wortes. Für die Rolle des Verhörers fand Schaller den britischen Action- und Serien-Star Ben Folds, der seine Rolle als eiskalter Engel anlegt. Murat Kurnaz besetzte er mit dem seit zehn Jahren vor allem an deutschsprachigen Theatern (hauptsächlich Schauspielhaus Zürich) bewunderten Schauspieler Sascha Alexander SASCHA ALEXANDER Geršak (Beste darstellerische Leistung - männGERSAK liche Hauptrolle). Geršak gibt dem geschundeBeste männliche nen Kurnaz eine faszinierende charakterliche Hauptrolle Bandbreite, die sowohl seine Verzweiflung als auch seine Entschlossenheit, dieses Schicksal Im Angesicht des zu meistern, glaubwürdig erscheinen lässt. Verbrechens (2010, TV), Geršak, der übrigens auch durch seine 5 Jahre Leben (2013), Auftritte in Dominik Grafs legendärer TV-Serie Tore tanzt (2013), „Im Angesicht des Verbrechens“ bekannt wurde, Das Ende der Geduld erhielt für diesen Film ebenso wie seine Leis(2013, TV) tung in Katrin Gebbes international beachtetem Foto: © Nik Konietzny

20


82%$.%51!32)%)"$ 533)"$",42"2)%1)"$#)+$#)!1+'9)"$/234:%)2+)+;

!"#$#%&'()"$*)+,"#)%+$#)"$-,"$!"+$.)/0%#)%1)"$/234)"$#2)$#5!4)"67 <+=$>+'":%,

9):8$3%$?@;-+

>=C$>/=4)&D,$0),-$0/6+

9+%:;-4+#"+-+

!"#"$%&'$("&)

0)%12$3%&4+2$5)%1 A5B;)#+*+,-+&

./%,-/&

EFF$>+'"+&#/)='G4+1@='+=-+$9"5H+$"&,4+,)H-$IJ$>)5$&/H"&"+=-K

0/6+$7-+)8,

medienboard Berlin-Brandenburg GmbH


DIE ANDERE HEIMAT Es war eine Kulturrevolution, als es vor genau dreißig Jahren dem Münchner Filmemacher Edgar Reitz (Beste Regie) mit einer so noch nicht dagewesenen Fernsehserie – die zuvor auf großen Filmfestivals Furore machte – gelang, einen Begriff zu rehabilitieren, der in unserem Lande einen scheinbar nicht mehr gut zu machenden Schaden erlitten hatte: „Heimat“ fühlte sich nach elf unvergesslichen Episoden, von denen jede ein Film war, in Deutschland wieder echt an und lebensnotwendig als Ursprung persönlicher Identität. Edgar Reitz, der schon als Mitverfasser des Oberhausener Manifests (1962) und Regisseur von Filmen wie MAHLZEITEN (1967) und DIE STUNDE NULL (1977) eine wesentliche Rolle im Neuen Deutschen Film gespielt hat, definierte nun das Kino neu – und auch ein altes Genre, den Heimatfilm. Zwei weitere Mehrteiler folgten in den

1990er Jahren und zu Beginn des Jahrtausends. Das nunmehr vierte Werk über eine Hunsrücker Familie und einen Hunsrücker Ort entstand als reiner Kinofilm und erzählt von der Zeit vor den anderen Geschichten. Ein klassisches, in Hollywood mittlerweile übliches Prequel. Ebenfalls noch nie dagewesen im deutschen Film. Wie schon im großen ersten Teil der „Heimat“-Trilogie arbeitete Edgar Reitz (Bestes Drehbuch) beim Projekt DIE ANDERE HEIMAT mit einem Autor zusammen. Gert Heidenreich (Bestes Drehbuch), Theaterautor, Lyriker, Romancier und begnadeter Hörbuch-Interpret, bezeichnet den Film als „poetisches Epos“, an dem er auch gerne mitgearbeitet hat, weil er das gesprochene Wort dem geschriebenen vorziehe. „Ich schreibe laut“, ist sein Credo. Und so kann für das gemeinsame Drehbuch mit Edgar Reitz durchaus gelten, was Reitz schon für seine Zusammenarbeit mit Peter Steinbach beim ersten Teil in Anspruch nahm: „Wer den Film gesehen hat, wird das Drehbuch mit den vom Film her bekannten Gesichtern, Gesten und Orten bevölkern. (...) Wer den Film nicht kennt, wird dagegen eine Erzählung kennenlernen, die (die Zeit) mit literarischen Bildern und Figuren durchmisst.“

Der Film, an dessen Entstehung auch der Gründungspräsident der Deutschen Filmakademie Günter Rohrbach einen starken persönlichen Anteil hatte (er präsentiert nun den Film im Vorspann), entstand als Produktion von Christian Reitz, Edgar Reitz Filmproduktions GmbH (Bester Spielfilm). Christian Reitz, 1960 als Sohn von Edgar Reitz geboren, arbeitete bereits viele Jahre als Regisseur und Kameramann. Beispielsweise beim zweiten und dritten Teil der „Heimat“-Trilogie seines Vaters, der ihn als Elfjährigen auch einmal als Kinderdarsteller besetzte. Er arbeitete darüber hinaus mit Gabriela Zerhau, Steffi CHRISTIAN REITZ Bester Spielfilm Heimat Fragmente (2006), Die andere Heimat (2013)

Foto: © Christian Lüdeke

22


Kammermeier, Jo Baier und Bodo Fürneisen, bevor er vor etwa zehn Jahren in die Produktionsfirma seines Vaters einstieg und mit diesem Großprojekt sein Produzentendebüt hinlegte. Christian Reitz wurde im Januar 2014 dafür mit dem Bayerischen Filmpreis geehrt. Für die unvergesslichen, eindringlichen und poetischen Bilder dieses Schwarz-Weiß-Films mit hinreißenden farblichen Akzenten ist wieder Gernot Roll (Beste Kamera / Bildgestaltung) zuständig. Der gebürtige Dresdner, der seine Ausbildung in den Fünfzigern bei der DEFA in Babelsberg absolvierte und seit Anfang der Sech-

ziger zum Kamera-Stamm der Münchner Bavaria gehörte, überzeugte bereits beim ersten Teil der „Heimat“-Trilogie mit seiner starken kinematografischen Vision (die ihm übrigens 1991 für KLEINE HAIE von Sönke Wortmann einen Deutschen Filmpreis einbrachte). Roll, der u.a. auch mit Helmut Dietl und Bernd Eichinger bei deren Regie-Arbeiten zusammen arbeitete, hat in den letzten Jahren immer wieder auch als Auftragsregisseur reüssiert (MÄNNERSACHE, 2009). DIE ANDERE HEIMAT erzählt aus der Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts, als mit Beginn der industriellen Revolution die deutsche Landbe-

GERT HEIDENREICH Bestes Drehbuch

EDGAR REITZ Beste Regie, Bestes Drehbuch

Die andere Heimat (2013)

Foto: © Isolde Ohlbaum

Die Reise nach Wien (1973), Stunde Null (1977), Heimat - Trilogie (1984 - 2004, TV), Die andere Heimat (2013)

völkerung dramatisch verarmte und in Scharen in die sogenannte Neue Welt auswanderte – also nach Südamerika (namentlich Brasilien) und in die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Film ist eine faszinierende Zeitreise, die jenseits des großen erzählerischen Bogens, der fantastischen Bilder und des authentisch und berührend agierenden Darsteller-Ensembles von der spürbaren Echtheit des Ambientes lebt. Die Filmarchitekten Toni Gerg und Hucky Hornberger (Bestes Szenenbild) schufen an originalen Schauplätzen im Hunsrück (der sich natürlich völlig anders darstellt) das fiktive Dorf Schabbach in all GERNOT ROLL Beste Kamera Heimat (1984-1993,TV), Welcome in Vienna (1985, TV), Mit meinen heißen Tränen (1986, TV), Die Manns - Ein Jahrhundertroman (2001, TV)

Foto: © Edgar Reitz Filmproduktion

23


seiner Armut, Enge, Rustikalität und ambivalenten Schönheit. Hucky Hornberger, der an international entstandenen und beachteten Großprojekten wie DAS PARFÜM oder DIE DREI MUSKETIERE mitwirkte, verlor seinen Mitstreiter Toni Gerg während der Dreharbeiten. Gerg, der sich mit Projekten wie LUTHER (R: Eric Till) und DIE GESCHICHTE VOM BRANDER KASPER (R: Josef Vilsmaier) einen Namen gemacht hatte, verstarb im April 2012 völlig unerwartet. Auch die Kostümbildnerin Esther Amuser (Bestes Kostümbild) kam mit auf die Reise in die Vergangenheit einer deutschen Provinz. Für

24

ihre Kostüme wurden systematisch Stoffe und Kleidungsstücke aus Privatbeständen in der Gegend gesammelt, um den Look der Leute aus ferner Zeit nicht nur sicht-, sondern auch fühlbar zu machen.

TONI GERG † Bestes Szenenbild

HUCKY HORNBERGER Bestes Szenenbild

ESTHER AMUSER Bestes Kostümbild

Luther (2003), Die Geschichte vom Brandner Kaspar (2008), Wer ist Hanna? (2011), Die andere Heimat (2013)

Die andere Heimat (2013)

Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen (2009), Die andere Heimat (2013)



FACK JU GÖHTE Ein Gespenst geht um im deutschen Kino. Es trägt den merkwürdigen Namen Zeki Müller, steckt in dem allseits und zurecht bewunderten Körper des Schauspielers Elyas M´Barek, einem einstigen Mädchenschwarm (TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER), der ein Kinostar wurde, den nun alle Generationen und Geschlechter verehren, weil er sich als dieses Gespenst Bewunderung und Respekt verschafft hat, indem er den Schülern im Film aufs Maul und in die Seele geschaut und den Lehrern im Kinosaal die Augen und Ohren geöffnet hat. Christian Becker und Lena Schömann (Bester Spielfilm) wollten mit FACK JU GÖHTE an den Erfolg ihrer ersten Kinoproduktion mit Regisseur und Autor Bora Dagtekin (Bestes Drehbuch) anknüpfen. Sie hatten 2012 mit TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER gemeinsam den best26

besuchten deutschen Film des Jahres geschaffen, eine leichtfüßige Teenager-Komödie vor exotischer Kulisse und nach einem bekannten Fernsehformat. Aber FACK JU GÖHTE hatte von Anfang an eine andere Anmutung als der Vorgänger, der schließlich keiner war. FACK JU GÖHTE schürte schon als Projekt unterschiedliche Erwartungen. Keiner erwartete ernsthaft den definitiven künstlerischen Kommentar zur virulenten Bildungsmisere in Deutschland. Aber auch die Erinnerung an die erfolgreichen Pauker-Filme der späten sechziger Jahre (DIE LÜMMEL VON DER LETZTEN BANK – 7 Teile zwischen 1967 und 1972) war nicht die einzige Assoziation. Dass die Geschichte vom Bankräuber, der zum Aushilfslehrer mit pädagogischem Naturtalent wurde, am Ende durchaus viel mit beidem zu tun hatte, ist dem intelligenten, unangestrengten, aber sehr präzisen Zusammenspiel zwischen Dagtekin und seinen Produzenten zu verdanken. FACK JU GÖHTE ist ein Film, der niemals sein Publikum aus den Augen verliert, sich dabei aber dennoch einem Thema verpflichtet fühlt. Er nimmt sich als Projekt bei allem Spaß (und um diesen Spaß zu erhalten) sehr ernst.

Das hat sich vor allem in der Besetzung niedergeschlagen. Schon die Tatsache, dass Elyas M´Barek, dessen Besetzung nicht nur außer Frage stand, weil Dagtekin gerne und gut mit ihm arbeitet, sondern weil er Zeki Müller ist, diesmal mit Karoline Herfurth eine Schauspielerin gegenüberstand, die sich in den letzten Jahren in die erste Riege der Charakterdarstellerinnen des deutschen Films gearbeitet hat, gibt einen neuen Ton vor. Und dass genau diese Karoline Herfurth dann ihre ganze Erfahrung im seriösen Fach zusammenbringt, um eine große Komödie hinzulegen, ist bezeichnend für den ganzen Film. Einen Film, der sich auch noch den Spaß erlaubt, den großen Star der erwähnten LÜMMEL-Filme, Uschi Glas, eine gut genutzte Chance in der hohen Kunst der Selbstironie zu geben. Eine ganz besondere Bühne baut Bora Dagtekin allerdings zwei Schauspielerinnen, die sich mit ihren sogenannten Nebenrollen einen sicheren Platz in der Hall of Fame des jüngsten deutschen Films sichern werden. Jella Haase (Beste darstellerische Leistung – weibliche Nebenrolle), die durchaus Komödienerfahrung hat, aber mit Dramen wie LOLLIPOP MONSTER (R: Ziska Riemann, 2011) oder DIE


KRIEGERIN (R: David Wnendt, 2011) auch schon dahin gegangen ist, wo es richtig wehtut, macht aus dem Durchschnitts-Teenie Chantal eine Ikone. Sie schaut blöd aus der Wäsche, stellt dämliche Fragen und verbirgt hinter ihrer viel zu auffällig und geschmacklos geschminkten Gesichts-Fassade eine emotionale Intelligenz, die durch die Begegnung mit einem Lehrer, der sie versteht, auch wenn er so tut, als interessiere sie ihn nicht, gefordert und eingesetzt wird. Jella Haase weiß in jeder ihrer Szenen, wie man diese Wanderung zwischen den Welten einer Figur spielt. Aber man sieht die Anstrengung nicht.

Und Katja Riemann (Beste darstellerische Leistung – weibliche Nebenrolle) ist wieder einmal eine Klasse für sich. Die Vollblutschauspielerin, die ihre ersten Erfolge in den Beziehungskomödien der Neunziger feierte, große Dramen mit Margarethe von Trotta drehte, einen Deutschen Filmpreis für die Darstellung der robusten und erotischen Ehefrau eines weichgespülten grünen Politikers (Herbert Knaup) in Oskar Roehlers AGNES UND SEINE BRÜDER erhielt und in dem Film DIE RELATIVITÄTSTHEORIE DER LIEBE (R: Otto Alexander Jahreiss) das Kunststück fertigbrachte, Mutter und Tochter gleichzeitig und

CHRISTIAN BECKER Bester Spielfilm

LENA SCHÖMANN Bester Spielfilm

Bang Boom Bang (1999), Hui Buh, das Schlossgespenst (2006), Die Welle (2008), Wickie auf großer Fahrt (2011)

Vorstadtkrokodile 1-3 (2009-2011), Türkisch für Anfänger, (2012), Fack Ju Göhte (2013)

Foto: © Robert Haas

überzeugend zu spielen, gibt der Schulleiterin Gudrun Gerster einen Charakter, in dem sich nicht nur die komischen und ernsten Elemente des Films wunderbar treffen, sie setzt inhaltliche, schauspielerische Akzente, die diesen Film prägen. Wie wichtig ihr dabei der inhaltliche Aspekt war, bekannte sie in einem Interview mit Torsten Lorenz zum Filmstart: Gudrun Gerster „steht für eine schöne Balance zwischen Kopf und Herz. Sie kann sich gut gegen eine Meute von Kindern durchsetzen, nutzt ihre Autorität aber in erster Linie dafür, dass es den Schülern gut geht. Dafür überschreitet sie auch mal Grenzen“. BORA DAGTEKIN Bestes Drehbuch Wo ist Fred? (2006), Doctor´s Diary (20082011, TV), Türkisch für Anfänger (2012), Fack Ju Göhte (2013)

Foto: © Mathias Bothor

27


Erfunden hat all diese unvergesslichen Figuren, zu denen ja auch noch der vermeintliche Klassendepp Danger (Max von der Groeben) und Zekis beste Freundin Charlie (Jana Pallaske) gehören, der Autor Bora Dagtekin, der seit TÜRKISCH FÜR ANFÄNGER auch sein eigener Regisseur (und Co-Produzent) ist. Bora Dagtekin hat das Drehbuch-Schreiben zwar an der Filmakademie in Ludwigsburg studiert, aber gelernt hat er es nicht zuletzt im Leben, welches, wie er, die besten Dialoge schreibt. In den Erfolgsserien „Doctor´s Diary“ und eben „Türkisch für Anfänger“ konnte er das kontinuierlich praktizieren. In FACK JU GÖHTE perfektionierte er es, wie Moritz von Uslar in einer Sprachkritik des Films in der „Zeit“ nachweist: „Vielleicht weiß zurzeit kein zweiter deutscher Autor neben Bora Dagtekin so genau, wie auf deutschen Schulhöfen, in U-Bahnen und auf Tankstellen gesprochen wird. Es ist ein grobes, derbes, plastisches, wunderbar falsches Deutsch, das aber auf Anhieb einleuchtet und richtig klingt: Kiezdeutsch, cooles Deutsch, Locker-Deutsch, Asi-Deutsch, Multikulti-Deutsch, Balkan-Deutsch, kreolisches Deutsch. Es ist, genau genommen, natürlich

noch besser: Der Autor Bora Dagtekin weiß, wie man für einen Kinofilm ein Deutsch erfindet, das ihm sein Publikum, die Überzwölfjährigen, als wahrhaftig und authentisch abnimmt und über das studierte Bildungsbürger amüsiert staunen können.“

Foto: © Stefan Klüter

28

JELLA HAASE Beste weibliche Nebenrolle

KATJA RIEMANN Beste weibliche Nebenrolle

Kriegerin (2011), Lollipop Monster (2011), Tatort - Puppenspielerin (2013, TV), Fack ju Göhte (2013)

Bandits (1997), Rosenstrasse (2003), Ein fliehendes Pferd (2007), Das Wochenende (2012)

Foto: © Mirjam Knickriem


FEUCHTGEBIETE Nach dem großen Erfolg ihres ersten Romans „Feuchtgebiete“ wusste Charlotte Roche schon sehr genau, wem sie die Verfilmungsrechte dieses Buches vermachen wollte. Produzent Peter Rommel sagte in einem Interview: „Charlotte Roche hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte, aber ich war mir nicht sicher, ob man aus diesem inneren Monolog einen Film machen kann. Viele große Produzenten haben ihr viel Geld geboten, aber sie hat mir den Stoff im Vertrauen auf eine adäquate Verfilmung quasi geschenkt.“ Als Rommel zugesagt hatte und mit David Wnendt (KRIEGERIN, 2012) ein Regisseur für kraftvolle, unkonventionelle Inszenierungen gefunden war, musste nur noch eine überzeugende Hauptdarstellerin gefunden werden. Mit der im Tessin geborenen Carla Juri (Beste darstellerische Leistung – weibliche Hauptrolle) fiel beim Casting eine Schauspielerin auf, die

markant, rätselhaft und mit ihrem irritierend hübschen Lockenkopf ideal zu den Vorstellungen von der quirligen, nur nach ihren eigenen Regeln spielenden Helen Memel passte. Die 28-jährige verwandelte sich erstaunlich überzeugend in ein 18-jähriges Mädchen, das frech, direkt, stolz und verletzlich zugleich sein konnte. Juri ist natürlich mehrsprachig aufgewachsen, aber ihr leicht schwyzerdütscher Akzent verleiht ihrer Darstellung eine kleine, reizvolle Distanz, die Helen auf angenehme Art anders erscheinen lässt. Oft verschwimmen Realität und Fiktion in Helens Kopf. Die Bilder sind überzeichnet, sehr bunt, abwechselnd folgen Erin-

Foto: © Cüneyt Kaya

nerungen auf Visionen. Schnittmeister Andreas Wodraschke (Bester Schnitt) hat dem Film großes Tempo gegeben, ohne ihn atem- oder gar kopflos werden zu lassen. Wodraschke hat an der KHM in Köln studiert und dort seine Zusammenarbeit mit Hans Weingartner begründet. Nach KRIEGERIN hat Wodraschke nun zum zweiten Mal kongenial einen Film für David Wnendt geschnitten.

CARLA JURI Beste weibliche Hauptrolle

ANDREAS WODRASCHKE Bester Schnitt

180° - Wenn deine Welt plötzlich Kopf steht (2010), Eine wen iig, dr Dällebach Kari (2012), Feuchtgebiete (2013), Finsterworld (2013)

Die fetten Jahre sind vorbei (2004), Kriegerin (2011), Das Mädchen Wadjda (2012), Die Erfindung der Liebe (2013) Foto: © Tim Lehmacher

29


DAS FINSTERE TAL Für den aus Österreich stammenden Regisseur Andreas Prochaska (Beste Regie) hat sich ein Traum erfüllt: „Ich liebe Genrefilme, weil man damit subkutan andere Inhalte übermitteln kann. In diesem Fall hat das viel mit Macht und Autoritätsgläubigkeit zu tun“, erklärt er in einem Interview mit dem TIP Magazin sein konkretes Interesse am Western, den ihm die Buchvorlage von Thomas Willmann auf dem Silbertablett servierte. Und die unübersehbaren Vorbilder stammen von Regisseuren aus dem südlichen Nachbarland Österreichs und wurden von den großen Sergios gemacht: Leone und natürlich auch Corbucci, dessen größtes Werk mit dem so programmatischen wie poetischen Titel IL GRANDE SILENZIO ebenfalls in einer schneebedeckten Landschaft spielt. Der deutsche Titel war LEICHEN

PFLASTERN SEINEN WEG und beschreibt nur reichlich grob, worum es auch in DAS FINSTERE TAL geht. Der Fotograf Greider (der im Roman ein Maler ist) kommt aus dem fernen Amerika in ein Tiroler Bergnest zur unwirtlichsten Zeit des Jahres. Er will scheinbar den Ort und seine Bewohner porträtieren. Er macht schnell Bekanntschaft mit den Söhnen des Brenner-Bauern, die das Dorf – das dem Bauern sowohl einen gewissen Wohlstand als auch einige illegitim gezeugte Bewohner verdankt – terrorisieren. Und sie machen auf rätselhafte und sehr nachhaltige Weise Bekanntschaft mit ihm. Der britische Schauspieler Sam Reilly spielt diesen wortkargen Fremden mit der überzeugenden Mischung aus Alain Delon und Clint Eastwood. Sein Gegenspieler ist der klügste der Brenner-Söhne, Hans, den Tobias Moretti (Beste darstellerische Leistung – männliche Nebenrolle) so spielt, wie er es besonders gut kann: rustikal und sophisticated zugleich. Sein Hans Brenner ist mehr als ein brutaler Bauern-Bub, der sich auf die Macht des Clans zurückzieht. Er hat eine eigene Autorität – wie der frucht- und vor allem furchtbare Vater

(Hans Michael Rehberg). Moretti, der von der Musik und dem Theater kommt und eine auffällige Fernsehkarriere gemacht hat, glänzte in den letzten Jahren durch außergewöhnliche Kinorollen – wie zum Beispiel die Darstellung des ruhmsüchtigen Schauspielers Ferdinand Marian in Oskar Roehlers JUD SÜSS - FILM OHNE GEWISSEN (2010). Die große Stille ist übrigens bei diesem Film auch das Thema der Sound-Abteilung. Dietmar Zuson, Christoph Ebhart und Tschangis Chahrokh (Beste Tongestaltung) bewegten sich konsequent an Orten, die nur ihre eigenen STEFAN ARNDT Bester Spielfilm Lola rennt (1998), Good bye Lenin (2003), Das weiße Band (2009), Cloud Atlas (2012)

Foto: © Christine Halina Schramm

30


Töne hergeben – und an denen es keine akustischen Ablenkungen gibt. Dass natürliche Töne nicht automatisch und ausschließlich schön und versöhnlich sind, ist die erste Botschaft ihrer Arbeit. Der Klang des Holzes ist vorherrschend und noch angenehm, wenn ein Holzlöffel aus einem Holzteller Suppe löffelt. Wenn ein Baumstamm zur effektiven Mordwaffe wird, hört sich das schon anders an. Und auch die außergewöhnliche Musik des Komponisten Matthias Weber (Beste Filmmusik), dessen internationale Karriere auch US-Serien wie „Baywatch“ oder „Die

Foto: © Petro Domenigg

Sopranos“ und Filme wie das österreichische Drama MEIN BESTER FEIND beinhaltet, trägt dazu bei, die den Film beherrschende bedrohliche Atmosphäre zu verstärken. Die Musik ist impressionistisch – und das erzählt den Horror sozusagen von anderer, unerwarteter Seite. Claus Rudolf Amler (Bestes Szenenbild), Natascha Curtius-Noss (Bestes Kostümbild) und die Make-Up-Artists Roman Braunhofer und Irene Lang (Bestes Maskenbild) sind diesem eher minimalistischen Ansatz des atmosphärischen Erzählens durchaus gefolgt. Die karge Architektur des verfluchten Ortes in

HELMUT GRASSER Bester Spielfilm

ANDREAS PROCHASKA Beste Regie

Hundstage (2001), We Feed The World Essen global (2005), In 3 Tagen bist du tot (2006), More than Honey (2012)

Die 3 Posträuber (1998), In 3 Tagen bist du tot (2006), In 3 Tagen bist du tot 2 (2008), Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott (2010) Foto: © Petro Domenigg

Tirol von außen verschafft dem Szenenbildner, dessen Arbeit zuletzt in Matthias Glasners GNADE zu bewundern war, die Möglichkeit, in den Innenräumen kleine, aber starke Akzente zu setzen. Auch die Kostüme von Natascha Curtius-Noss (SOPHIE SCHOLL, VINCENT WILL MEER) sind schlicht, aber sie schaffen es, die Verbindung zwischen Heimatfilm und Western zu erzählen. Das Maskenbild muss naturgemäß ein bisschen im Dreck wühlen und von der Arbeit der Jahre, der Plagen und der Sünden im TOBIAS MORETTI Beste männliche Nebenrolle Speer und Er (2005,TV), Jud Süß - Film ohne Gewissen (2010), Mobbing (2012, TV), Hirngespinster (2014)

Foto: © Niels Starnick/BamS

31


THOMAS W. KIENNAST Beste Kamera

CLAUS RUDOLF AMLER Bestes Szenenbild

NATASCHA CURTIUS-NOSS Bestes Kostümbild

Der tote Taucher im Wald (1999), In drei Tagen bist du Tot 2 (2008), Gnade (2011), Das finstere Tal (2014)

Napola - Elite für den Führer (2004), Sophie Scholl - Die letzten Tage (2005), Schwere Jungs (2006), Vincent will Meer (2010)

ROMAN BRAUNHOFER Bestes Maskenbild

HELENE LANG Bestes Maskenbild

MATTHIAS WEBER Beste Musik

In 3 Tagen bist du Tot 2 (2008), Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott (2010), Blutgletscher (2013), Ich seh, ich seh (2014)

Fallen (2006), Balkan Traffic - Übermorgen nirgendwo (2008), Das finstere Tal (2014), Good Morning Kabul (2014)

Henker (2005), In 3 Tagen Bist Du Tot 1&2 (2006/2008), Mein Bester Feind (2011), Shouting Secrets (2011)

3faltig (2010), Hexe Lilli - Die Reise nach Mandolan (2011), Gespensterjäger - Auf eisiger Spur (2014), Das finstere Tal (2014)

Foto (unten): © Petro Domenigg

32

Foto (unten): © Vera Weber


Gesicht berichten. Das tun Roman Braunhofer (der regelmäßig mit Erwin Keusch und zuletzt auch öfter mit Andreas Prochaska gearbeitet hat) und Helene Lang (die auch schon beim „Wunder von Kärnten“ zum Prochaska-Team gehörte) mit Präzision. Den Gesichtern des exotischen Couples Paula Beer und Sam Reilly verleihen sie auffällig andere Akzente. Das alles und die malerische, gefährliche, geheimnisvolle Landschaft der Tiroler Berge benutzt der österreichische Kinematograf Thomas W. Kiennast (Beste Kamera / Bildgestaltung) für seine unvergesslichen Bilder. Im TSCHANGIS CHAHROKH Beste Tongestaltung Nirgendwo in Afrika (2001), Nordwand (2008), Krabat (2008), Das finstere Tal (2014)

Foto: © Florian Liedel

Film bezeichnet der alte Brenner die Fotografie als „Spiegel mit Gedächtnis“. Bei Kiennast kommt zum Gedächtnis noch die Vision hinzu. Eine Vision von diesem Film hatten auch der österreichische Produzent Helmut Grasser, Allegro Film (Bester Film) und sein Berliner Kollege Stefan Arndt, X Filme Creative Pool (Bester Film). Grasser, der vor allem mit international erfolgreichen Dokumentarfilmen wie WE FEED THE WORLD (R: Erwin Wagenhofer, 2005) reüssierte, hatte mit Prochaska bereits den erfolgreichsten österreichischen Spielfilm des Jahres 2006 (IN 3 TAGEN BIST DU TOT)

produziert. Stefan Arndt, dessen Kooperation mit anderen österreichischen Partnern (Michael Haneke, Veit Heiduschka) schon starke Spuren im Weltkino hinterlassen hat, war mit Grasser davon überzeugt, dass eben dieses, einen aufregenden Western aus Tirol, gut gebrauchen kann.

CHRISTOF EBHARDT Beste Tongestaltung

DIETMAR ZUSON Beste Tongestaltung

Das Experiment (2001), Underworld (2003), Kirschblüten – Hanami (2008), Exit Marrakech (2013)

Falco - Verdammt wir leben noch (2008), Tag und Nacht (2010), Die Lebenden (2012), Blutgletscher (2013)

Foto: © Jasmin Morgan

33



FINSTERWORLD Ein Film zwischen Fiderallala und Simsalabimbambasaladusaladim. Ein Film aus Deutschland. Und ein Film über Deutschland. Über falsch verstandenes Kino, falsches Geschichtsbewusstsein, über Fußpflege und Furries. Ein Film, der seit seiner Erstaufführung für Diskussionen sorgte und Interpretationen, Kopfschütteln und heftig zustimmendes Kopfnicken. Eigentlich sprechen doch die Geschichten, die sich der gerne für Diskussionen sorgende Schriftsteller Christian Kracht (Bestes Drehbuch) und seine Ehefrau Frauke Finsterwalder (Bestes Drehbuch) für diesen Film ausgedacht und aufgefunden haben, für sich. Die Einsamkeit eines reisenden Fußpflegers, der irgendwann Gefühle für seine ungewöhnlichste Klientin entdeckt, ist ebenso plausibel wie die sich

tot laufenden pseudo-intelligenten Dialoge eines Upper-Class-Pärchens mit Upgrade-Störungen oder die Verständigungsprobleme zwischen einem politisch wie pädagogisch ambitionierten Lehrer und seinen empathiebefreiten Internatszöglingen beim obligatorischen Besuch einer KZ-Gedenkstätte. Finsterwalder und Kracht haben ein Panoptikum von Befindlichkeiten, Marotten, Gewohnheiten und Missverständnissen aufgebaut, in dem deutsche Realität wie mit einem Kaleidoskop gleichzeitig zerlegt als auch sichtbar gemacht wird. Dabei war der auch für die Inszenierung der Geschichten verantwortlichen Frauke Finsterwalder nicht von Anfang an klar, ob und wie das funktionieren würde: „Ich wollte nach zwei Dokumentarfilmen einen Spielfilm machen und war auf der Suche nach einem Autoren, mit dem ich schreiben könnte. Christian Kracht meinte, er wäre doch der Richtige, derjenige, der verstehen würde, ich solle doch ihn nehmen. Und ich dachte, warum eigentlich nicht. Dann habe ich mich gefreut, aber auch Angst vor der Enge der Zusammenarbeit gehabt; ich habe ihn also gezwungen zu einem Anwalt

zu gehen und wir haben einen Vertrag gemacht, in dem stand, dass er sich nach dem Schreiben des Drehbuchs aus dem Film heraushalten müsste. Ich dachte, dass wir uns sehr streiten würden, aber genau das Gegenteil war der Fall.“ Die Geschichte, die nur episodisch erzählt werden konnte und doch so lose Verbindungen herstellt wie das nun einmal im Kino möglich ist, wird von einem ganzen Dutzend verschiedenartigster Protagonisten und Persönlichkeiten bevölkert, von denen es zwei dem Publikum besonders angetan zu haben schienen. Da ist Franziska Feldenhoven (der Name TOBIAS WALKER Bester Spielfilm Alias (2009), Picco (2010), Finsterworld (2013), Wir waren Könige (2014)

35


ist doch kein Zufall), eine junge Dokumentarfilmerin auf der Suche nach dem wesentlichen Stoff für ihre Filme und ihr Leben. (Den hat – nebenbei – ihr Mann, ein Polizist und Tierfell-Fetischist schon gefunden). Filmpreis-Trägerin Sandra Hüller (Beste darstellerische Leistung – weibliche Nebenrolle) spielt diese Frau zwischen Frustration, Anspruch und einer ordentlichen Portion Selbstmitleid als hinreißendes Nervenbündel mit falschem persönlichen und sozialen Timing und zugleich als liebevolle Parodie auf eine ganze Generation von Filmemacherinnen und Filmemachern, die

sich gerne einmal zu oft um die eigene Achse drehen. Hier beweist Finsterwalder en passant Spaß an der Selbstironie. Und da ist Claude Petersdorf, der Handlungsreisende in Sachen Fußpflege, dessen déformation professionelle seltsame kulinarische Blüten treibt und dessen Beziehung zu seiner exzentrischsten Klientin (Margit Carstensen) romantisch eskaliert. Der Theater-Star Michael Maertens (Beste darstellerische Leistung – männliche Nebenrolle), der vom Thalia in Hamburg bis zur Burg in Wien auf allen deutschsprachigen Bühnen zu Hause ist, zeigt hier nicht nur eine

PHILIPP WORM Bester Spielfilm

FRAUKE FINSTERWALDER Bestes Drehbuch

Picco (2010), Schnee (2012), Finsterworld (2013), Wir waren Könige (2014)

Foto: © Simon Gehrke

36

außergewöhnliche Leinwandpräsenz, er bereitet dem Publikum Freude an einem Spiel, das die Tragödie eines lächerlichen Mannes mit Würde und Witz gleichzeitig erzählt.„Claude Petersdorf ist ein einsamer, sensibler, liebenswürdiger, skurriler, trauriger, obsessiver, manischer, reizender Mensch. Ich persönlich finde die Figur sehr sympathisch in ihrer Skurrilität, ihrer Einsamkeit, ihrer Liebessehnsucht, in ihrem ganzen Verhalten – und das trotz der im Film auftauchenden Obsession, die ja keine verbrecherische Obsession ist“, erklärt der Schauspieler seine Sicht auf den Protagonisten. CHRISTIAN KRACHT Bestes Drehbuch Finsterworld (2013)

Finsterworld (2013)

Foto: © CK


Besonders auffällig in diesem Film ist die Musikspur in ihrer ganzen Unauffälligkeit, die vor allem eine Unaufdringlichkeit ist. Der eigenwillig und anspruchsvoll instrumentierte Soundtrack wird sparsam eingesetzt, meist als berührende Begleitung atmosphärischer Momente, manchmal überraschend als akustische Brücke zwischen den Episoden. Verantwortlich ist die international agierende Musikerin und Künstlerin Michaela Melián (Beste Filmmusik), die aus der Punkszene kommt, mit speziellen Projekten zwischen Musik und Literatur Aufmerksamkeit erregte und hier ihr Filmmusik-Debüt gibt.

Tobias Walker und Philipp Worm, Walker+Worm Film (Bester Spielfilm) haben bereits 2010 mit Frauke Finsterwalder gearbeitet. Es entstand der Dokumentarfilm DIE GROSSE PYRAMIDE. Im selben Jahr hatten die Absolventen der HFF München ihren Durchbruch mit dem Spielfilm PICCO (R: Philipp Koch), der auf dem Festival von Cannes präsentiert und in Deutschland mehrfach prämiert wurde.

SANDRA HÜLLER Beste weibliche Nebenrolle

MICHAEL MAERTENS Beste männliche Nebenrolle

Requiem (2006), Der Architekt (2008), Brownian Movement (2010), Über uns das All (2011)

Tiger, Löwe, Panther (1989), Die Vermessung der Welt (2012), Finsterworld (2013)

MICHAELA MELIÁN Beste Musik Finsterworld (2013)

Foto: © Stefan Klüter

Foto: © Steffi Henn

Foto: © Thomas Meinecke

37


FREIER FALL Erstes Filmbild: das Gesicht von Hanno Koffler (Beste darstellerische Leistung – männliche Hauptrolle), halbnah, in der Rolle des Polizisten Marc Borgmann. Er rennt auf uns zu, sieht angestrengt aus, geschürzte Lippen vom konzentrierten Laufen. Letztes Filmbild: Marc Borgmann löst sich beim Joggen aus der Gruppe seiner Kollegen, wir sehen das Gesicht von Hanno Koffler, halbnah, geschürzte Lippen. Zwischen den beiden Bildern: „freier Fall“. Die Geschichte, die Regisseur Stephan Lacant in seinem Debutfilm FREIER FALL erzählt, bietet dem Talent des 34-jährigen Hanno Koffler alle Möglichkeiten. Er spielt einen Polizisten, dessen Freundin Bettina (Katharina Schüttler) schwanger ist und mit der er gerade in ein Eigenheim neben seinen Eltern eingezogen ist. Alles verläuft in geordneten

Bahnen, vorstädtisch, bis er bei einer Fortbildung den schwulen Kollegen Kay (Max Riemelt) kennenlernt und sich nach und nach in ihn verliebt. Von nun an ist Marc zwischen seinem alten Leben und den leidenschaftlichen Auszeiten mit Kay hin- und hergerissen. Er zieht sich zurück, verstrickt sich in Lügen, schweigt lieber. Nur sein Gesicht und die Augen sprechen. Dann wieder glaubt Marc seinen Weg zu kennen und rastet aus, wenn er auf Kay trifft: „Ich bin nicht schwul, kapier‘ das endlich, das mit dir war ein Ausrutscher, also lass mich in Ruhe.“ Dass Koffler seinen Spielpartner Max Riemelt schon lange kennt und dass sie seit dem Dreh zu AUSLANDSEINSATZ (R: Till Endemann) in Marokko vor zwei Jahren auch befreundet sind, ist ein wahrer Glücksfall für die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Hanno Koffler (dessen Karriere in Marco Kreuzpainters GANZ UND GAR begann) alias Marc Borgmann ist überzeugend in beiden Leben, die er spielt. Man sieht ihm gern dabei zu, wenn er sich mit dem Daumen versonnen oder auch verschmitzt über die Oberlippe streicht; wenn er tanzt und wenn er raucht; wie er schaut, wenn er verlegen ist; beim Sex mit Frau oder Mann; wie herzlich und laut

er lacht – und wie er handgreiflich wird, wenn er ausflippt. Klaus Maria Brandauer, sein Mentor während der Ausbildung am Max Reinhardt Seminar in Wien, beschreibt Koffler treffend als eine „einzigartige, höchst leidenschaftliche, anarchistische Persönlichkeit“.

HANNO KOFFLER Beste männliche Hauptrolle Anatomie 2 (2003), Sommersturm (2004), Nacht vor Augen (2008, TV), Freier Fall (2013)

Foto: © Stefan Klüter

38


UNTERSTÜTZT PROFESSIONELLE MAKE-UP ARTISTS, DIE IN FILM, TV, THEATER, MUSIK, EDITORIAL UND ANDEREN KREATIVEN BEREICHEN ARBEITEN. MsAsC PRO STORE ROSENTHALERSTRASSE 36, 10178 BERLIN / MsAsC STORE LP 12 MALL OF BERLIN, LEIPZIGER STRASSE 131, 10117 BERLIN MsAsC IM KARSTADT STEGLITZ SCHLOSSSTRASSE 7-10, 12163 BERLIN-STEGLITZ / MsAsC IM KADEWE, TAUENTZIENSTRASSE 21 - 24, 10789 BERLIN MsAsC IM KARSTADT KUDAMM, KURFÜRSTENDAMM 231, 10719 BERLIN / MsAsC IM KAUFHOF, ALEXANDERPLATZ 9, 10178 BERLIN MsAsC IM DOUGLAS, UNTER DEN LINDEN ECKE FRIEDRICHSTRASSE, 16, 10117 BERLIN / MsAsC IM DOUGLAS, TAUENTZIENSTRASSE 16, 10789 BERLIN WWW.MACCOSMETICS.DE ARTISTRELATIONS @MACCOSMETICS.COM


Wir wünschen allen Gästen einen wunderschönen Abend!

www.joicogermany.de

TURN HEADS.


HOUSTON Der einzige Moment, der geradezu nostalgisch noch an die Wirklichkeit erinnert, ist die Bestellung eines Piccolos nach Abschluss des Deals zwischen dem Headhunter Clemens Trunschka und seinen Auftraggebern. Danach wird Trunschka auf der absurden und vergeblichen Suche nach einem amerikanischen Spitzenmanager in Houston zum einsamsten Menschen der Welt und braucht regelmäßig härtere Getränke. Bastian Günther erzählt in seinem zweiten langen Spielfilm eine erschreckende und exemplarische Geschichte aus der globalisierten und anonymisierten Finanzwelt als bildgewaltige Parabel auf eine entmenschlichte Gesellschaft, die man als solche begreift, weil Ulrich Tukur als Trunschka als menschliche Tragödie zu erleben ist. Neben der Kamera und seinem Darsteller war die Editorin des Films, Anne Fabini

(Bester Schnitt), eine wichtige Verbündete des Regisseurs. Sie hat erkannt, dass die sorgfältig ausgearbeitete Bildebene eindrücklich von der Leere und Glätte eines Systems erzählt, das dem Menschen keinen Halt bietet. Kamerablitzer schleichen sich darum zwischen einzelne Szenen und unterstreichen Trunschkas nicht nur alkoholbedingten Filmriss. In delirierenden Montagen befreit sich die filmische Erzählung vom puristischen Realismus und lässt hoffen, dass auch Trunschka die Befreiung aus dem amerikanischen Albtraum gelingen möge. Es war die erste Zusammenarbeit zwischen Bastian Günther und Anne Fabini, die als Schnittassistentin bei Tom Tykwer begann, die ersten Spielfilme von Hannes Stöhr geschnitten hat und auch im Dokumentarfilm beachtlich reüssiert (MORE THAN HONEY). Sie ist begeistert von der ungewöhnlichen Form des Films: „Die Auflösung mit den sehr langen Einstellungen war für mich ungewohnt. Ich habe sie als riskant empfunden, weil diese Arbeitsweise die Eingriffsmöglichkeit des Schnitts zur Korrektur, z.B. des Rhythmus einer Szene sehr einschränkt. Tatsächlich standen wir nach dem ersten Roh-

schnitt vor dem Problem, dass wir circa eine Stunde rauskürzen mussten. Viele schöne Bilder haben wir in die Überblendungssequenzen einbauen können. Auf der Basis eines starken Drehbuchs und einer klugen Inszenierung waren wir im Schnitt frei, eine kompakte Erzählung mit einer verspielten Bildebene verschmelzen zu lassen.“

ANNE FABINI Bester Schnitt Berlin is in Germany (2001), Berlin Calling (2008), More Than Honey (2012), Return to Homs (2013)

Foto: © Florian Liedel

41


LAUF JUNGE LAUF Polen, Winter 1942/43. Der Wind pfeift. Ein etwa neunjähriger Junge liegt zusammengerollt im Schnee an einer Baumwurzel (Matthias Müsse : Bestes Szenenbild). Die Kamera (Daniel Gottschalk: Beste Kamera / Bildgestaltung) ist nah. Man sieht seine kalten Wangen (Kitty Kratschke, Juliane Hübner: Bestes Maskenbild), man sieht wie er friert, die Mütze ist weit ins Gesicht gezogen. Die Kamera zieht auf und entfernt sich langsam von dem Jungen. Schnitt. Eine Totale über ein weites, schneebedecktes Feld, am Horizont ist der Wald zu sehen. In großer Entfernung kommt der Junge links ins Bild, geht wie ferngesteuert über den Acker, ein kleiner Punkt im Weltall, gefühlte ewige Zeit. Basierend auf einer wahren Geschichte erzählen Regisseur Pepe Danquart und seine hinter ihm stehende Produktionsfirma bittersuess 42

von einem Jungen und dessen Überlebensinstinkt während des Zweiten Weltkrieges. Es ist die Geschichte von Yoram Fridman, die Pepe Danquart nach dem gleichnamigen Romanbestseller von Uri Orlev verfilmte. Dem Drehbuchautor Heinrich Hadding ist eine Adaption des Romans gelungen, die sich auf die wesentlichen Handlungsstränge aus der Originalgeschichte konzentriert und diesen, an den Kräften zehrenden, Kampf des Jungen konsequent aus den Augen des Kindes wiedergibt. Pepe Danquart und sein Team haben für die Rolle des Jungen Srulik/Jurek die 2001 in Warschau geborenen Zwillingsbrüder Andrzej und Kamil Tkacz gefunden, die hervorragend abwechselnd in den harten Dreh eingebunden werden konnten. Im Zusammenspiel von Szenenbild, Kostüm und Maske erstanden die historischen Höfe und Wälder in Polen während des Zweiten Weltkrieges vor der Kamera wieder. Filmarchitekt Matthias Müsse fand seine Kulissen z.B. in den Bauernhäusern des fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, die Waldszenen sind größtenteils im nordhessischen Reinhardswald gedreht und die Ghetto-Szenen in einem älteren Stadtviertel von Breslau. Den morbiden

Charme der ehemaligen Lungenheilanstalt in Beelitz-Heilstätten konnten sie nutzen und ein gruseliges Krankenhaus entstehen lassen. Die Kamera bleibt während des gesamten Films meist sehr nah an dem Jungen dran, bewegt sich mit ihm bei seiner schutz- und nahrungssuchenden Mission und wechselt dann wieder in eine Totale oder Draufsicht, um das Alleinsein des Jungen und den aussichtslosen Kampf gegen den Krieg spürbar zu machen. Dem Kameramann Daniel Gottschalk gelingt es so, eine Verbindung zwischen dem Zuschauer und dem Schicksal des Jungen herzustellen, ohne DANIEL GOTTSCHALK Beste Kamera Sommersturm (2004), Trade (2007), Krabat (2008), Die vierte Macht (2012)


die Distanz zu verlieren, die nötig ist, um sich von der individuellen Geschichte zu lösen und die Härte des Krieges als Ganzes wahrzunehmen. Das ist Gottschalks Kunst und in all seinen Filmen (u.a. TRADE, R: Marco Kreuzpaintner; DIE VIERTE MACHT, R: Dennis Gansel) auszumachen: Die Bilder sind subjektiv, wenn es um Gefühl und Spannung geht, und sie sind weit, wenn man den Überblick behalten soll. Wie sich so eine Verfolgungs-, Flucht- und Kriegsgeschichte in den Körper einschreibt, ist vor allem auch eine Herausforderung an die Maskenbildnerinnen des Films Kitty Kratschke

und Juliane Hübner gewesen. Wochen und Wunde mit dem Taschenmesser aus und sagt Monate in der Kälte im Wald zu überleben, dann zu Jurek: „Am wichtigsten ist danach deshinterlässt seine Spuren: dreckverschmiertes infektieren“ und öffnet den Hosenschlitz. Gesicht, Rotz läuft aus der Nase, zottlige Haare, Wangen, Ohren, Lippen und Nase sind rot und aufgesprungen. Am Ende seines alles aufzehrenden Überlebenskampfes verliert der Junge auch noch den rechten Arm und hat fortan nur noch einen rechten Stumpf. Als Srulik/Jurek eine Weile mit ein paar anderen Kindern durch die Wälder streift, zeigt ihm ein kleiner Junge wie er eine aufgeschürfte Kniewunde behandeln muss. Er kratzt die

MATTHIAS MÜSSE Bestes Szenenbild

JULIANE HÜBNER Bestes Maskenbild

KITTY KRATSCHKE Bestes Maskenbild

Napola - Elite für den Führer (2004), Hui Buh (2006), Wickie und die starken Männer (2009), Jerry Cotton (2010)

Das kleine Gespenst (2013), Lauf Junge Lauf (2013), Da muss Mann durch (2014), Rico, Oskar und die Tieferschatten (2014)

NVA (2005), Nordwand (2008), Rubbeldiekatz (2011), Who am I (2014)

Foto: © Lena Grass

43


LOVE STEAKS Im ersten Filmbild, noch vor den Titeln, sieht man einen kleinen Felsen als Schattenbild gegen die im Meer versinkende Sonne. Langsam bewegt sich der Schatten-Felsen, verändert seinen Umriss und man erkennt eine menschliche Gestalt. Der junge Mann öffnet seine Hose und pisst gen Meer. Ein unkonventioneller Anfang für einen unkonventionellen Film. Ein Film, der das Kino nicht neu erfindet, aber in den Figuren und Szenen nach Momenten sucht, die nur das Kino bietet. Regiestudent Jakob Lass (FRONTALWATTE) drehte seinen neuen Film LOVE STEAKS zusammen mit den Produktionsstudenten Ines Schiller und Golo Schultz (Bester Spielfilm) von der Hochschule für Film- und Fernsehen „Konrad Wolf“ ohne Sender- und Förderbeteiligung – mit viel Kreativität und einer in jedem Bild spürbaren besonderen Energie. Es ist eine kleine, 44

nicht sehr romantische, aber spannende Liebesgeschichte zwischen zwei Hotelangestellten: dem vernünftigen Clemens und der alles auskostenden Lara. Eine Geschichte, die durch die anarchistische, leicht irritierend geschnittene Erzählung und durch die Spielfreude der beiden Hauptdarsteller Franz Rogowski und Lana Cooper besonders wird. Das Filmteam drehte inmitten des laufenden Betriebs eines Kurhotels in Ahrenshoop an der Ostsee und konfrontierte die beiden Hauptdarsteller in einem überschaubaren dramaturgischen Skelett mit den alltäglichen Verrichtungen der Hotel-Mitarbeiter. Lass

verzichtete auf geschriebenen Dialog und gab sich und den Darstellern so die Freiheit, die Erzählung in ein dokumentarisches Umfeld einzufügen. Das macht die Frische und Originalität des Films aus. „Es geht uns um eine Öffnung für vielfältige und narrative Mittel und nicht um eine Beschneidung der filmischen Möglichkeiten“, kommentiert Ines Schiller ihren Ansatz.

INES SCHILLER Bester Spielfilm

GOLO SCHULTZ Bester Spielfilm

Love Steaks (2013)

Love Steaks (2013)


DER MEDICUS „Von Knochenbrüchen über verfaulte Zähne, die nutzlose Stumpen sind, bis hin zu Pusteln am Arsch und schwarzer Galle in den Lungen, egal mit welchem Leid der Teufel uns arme Christen heimsucht, ich, und nur ich, habe das Heilmittel“, so wirbt der Bader auf dem mittelalterlichen Jahrmarkt für seine Heilkunst. „Bei Vergesslichkeit tragt die getrocknete Zunge eines Wiedehopfs um euren Hals. Und hier ein besonderer Trank, ich sammelte die Kräuter bei Vollmond. Hiermit bekommt euer Weib keine Bälger mehr, weder von euch noch vom Nachbarn.“ Im 11. Jahrhundert ist England arm und düster. Die meisten Menschen arbeiten in Minen oder auf den Feldern, die wenigsten haben genug zu essen. Eine medizinische Versorgung gibt es nur durch umherfahrende

Wanderheiler oder Bader, die, mit oft derben Werkzeugen und mysteriösen Wundermitteln, die nötige Hilfe leisten. Robert Cole und seine beiden Geschwister wachsen hier bei ihrer Mutter auf. Als die Mutter eines Nachts mit starken Bauchschmerzen aufwacht und Rob sie schützend und tröstend berührt, hat er eine schreckliche Vision: Sie stirbt. Es ist, als würde für einen Moment die Zeit stehen bleiben, er fühlt, dass der Tod kommt. Diese Gabe wird ihn sein ganzes Leben begleiten. Von nun an möchte er den Menschen helfen, er möchte wissen, welche Krankheit seiner Mutter das Leben nahm und wie man bei schrecklichen Qualen helfen kann. DER MEDICUS (R: Philipp Stölzl), nach der Romanvorlage von Noah Gordon, erzählt die Geschichte von Rob Cole (Tom Payne), der aus dem mittelalterlichen England ins ferne persische Isfahan reist, um bei dem berühmten Arzt und Gelehrten Ibn Sina (Ben Kingsley) Medizin zu studieren. Regisseur Philipp Stölzl hat eine Vorliebe für historische Filme (NORDWAND, 2008; GOETHE, 2010) und ist ein Meister der Kombination von historischen Motiven mit großer Kinounterhaltung. Er sagt von sich, dass er

sehr gern Kostümfilme anschaue, in denen eine gesamte Welt neu oder wieder erschaffen wird. Schließlich hat er Szenen- und Bühnenbildner an den Münchner Kammerspielen gelernt. In DER MEDICUS lässt er mit Hilfe seines kreativen Teams das Mittelalter in atmosphärisch bestechenden Bildern wieder auferstehen. Ben Kingsley sagt über Regisseur Philipp Stölzl: „Ich habe das Gefühl, dass er eine überlebensgroße Leinwandrealität erschaffen will. Er ist nicht an Naturalismus interessiert, sondern er strebt nach etwas Größerem: Er macht Kino. Er sucht Bilder und haucht ihnen Bewegung ein: HAGEN BOGDANSKI Beste Kamera Die Unberührbare (2000), Das Leben der Anderen (2006), Hilde (2009), Hotel Lux (2011)

45


Moving Pictures, im besten Sinne.“ Kameramann Hagen Bogdanski (Beste Kamera / Bildgestaltung) arbeitete zum ersten Mal mit Philipp Stölzl zusammen und lieferte wie gewohnt (DIE UNBERÜHRBARE, R: Oskar Roehler; DAS LEBEN DER ANDEREN, R: Florian Henckel von Donnersmarck; HILDE, R: Kai Wessel) große Kinobilder. Die Aufnahmen wurden im hochauflösenden HD-Format gedreht, was umso mehr eine absolute Detailgenauigkeit bei Szenenbild (Udo Kramer, Bestes Szenenbild), Kostüm (Thomas Oláh, Bestes Kostümbild) und Maske (Heike Merker, Bestes Maskenbild) erforderte.

Es wurde sehr viel Wert darauf gelegt, möglichst viele historische Bauelemente zu verwenden, um sie dann mit nachempfundenen Oberflächen perfekt zu kombinieren. Es sollte eine Phantasiewelt erschaffen werden, die gleichzeitig märchenhaft und historisch genau ist. Gedreht wurde in den Hallen der MMC Studios in Köln, in Sachsen-Anhalt, in Thüringen und in Marokko. Deutsche Landschaften wie der Harz verwandelten sich in eine englische Feld- und Küstenlandschaft. Die orientalische Welt wurde in vor Ort gebauten Filmkulissen und an Originalschauplätzen in der Sahara

UDO KRAMER Bestes Szenenbild

THOMAS OLÁH Bestes Kostümbild

HEIKE MERKER Bestes Maskenbild

Knallhart (2006), Nordwand (2008), Huhn mit Pflaumen (2011), The Voices (2014)

Transsiberian (2008), Jud Süss (2010), Die Vermessung der Welt (2012), Eliza Graves ( 2014)

John Rabe (2009) , Goethe! (2010), Anonymus (2011), Cloud Atlas (2012)

Foto: © Jeff Mangione

46

gedreht. Viele Aufnahmen entstanden in Marokko. Und in der Postproduktion fertigte die Spezialeffektfirma Pixomodo die persische Stadt Isfahan und andere visuelle Elemente. Um den Zuschauer in diese aufregende Welt des Mittelalters zu versetzen, musste jeder Schauspieler, jeder Komparse natürlich entsprechend eingekleidet und maskiert werden. Das bedeutete, dass neben den hunderten Gewändern, die entworfen und genäht werden mussten, eine komplette MEDICUS-Garderobe für die wichtigsten Rollen und Parts entstand, sodass man immer auf einen Fundus zurück-


greifen konnte. Vor allem die vielen chirurgischen Eingriffe, die im Film vorgenommen werden, waren eine große Herausforderung für das Maskenbild von Heike Merker. Weil es keine lebendige Erinnerung an den Klang des Mittelalters gibt, waren auch die Tongestalter Guido Zettier, Max Thomas Meindl und Benjamin Rosenkind (Beste Tongestaltung) gefordert, ein eigenes, ein künstliches und doch glaubhaftes Sound-System zu erschaffen. Alle anderen, ebenfalls nominierten gestalterischen Elemente dieses Films liefern dazu reichlich Inspiration. MAX THOMAS MEINDL Beste Tongestaltung

BENJAMIN ROSENKIND Beste Tongestaltung

Effi Briest (2009), Tom Sawyer (2011), Zwischen Welten (2014), Tod den Hippies, es lebe der Punk (2014)

Der Baader Meinhof Komplex (2008), Hotel Lux (2011), Am Ende eines viel zu kurzen Tages (2011), Iron Sky (2012)

GUIDO ZETTIER Beste Tongestaltung Nordwand (2008), Die Fremde (2010), Die geliebten Schwestern (2014), Zwischen Welten (2014)

Foto: © Thomas H. Loewe

47


MR. MORGANS LAST LOVE Ein Amerikaner in Paris – gespielt von einem der größten Stars des britischen Kinos. Michael Caine ist Matthew Morgan, ein emeritierter Professor der Princeton Universität, der seinen Lebensabend mit seiner geliebten Frau Joan in einem großzügigen Apartement im Pariser Künstlerviertel Saint Germain verbringen wollte. Nachdem Joan tot ist, begreift Matt, wie einsam und verloren er in dieser Stadt ist, die er als seine Heimat bezeichnet, obwohl er nicht mal in der Lage ist, ein Sandwich auf Französisch zu bestellen. Die Begegnung mit der jungen Tanzlehrerin Pauline (Clemence Poésy), die in jeder Beziehung das Gegenteil von ihm ist, holt ihn aus dieser Verlorenheit – und schafft und löst neue Probleme zugleich. Die deutsche Regisseurin Sandra Nettelbeck, die zuletzt mit dem radikalen Depres-

sions-Drama HELEN internationale Aufmerksamkeit erregte und mit ihrem großartig und überraschend erzählten Familienfilm BELLA MARTHA (2001) – mit Martina Gedeck – einem größeren Publikum bekannt wurde, hat diese Geschichte dem Roman „Die letzte Liebe des Monsieur Armand“ der Autorin und Schauspielerin Francoise Dorner entliehen. Sie erzählt die Geschichte von Matthew Morgan und Pauline, die später auch zur Geschichte von Pauline und Matts Sohn Miles wird, als romantisches und durchaus intimes Drama – und kann sich dabei, wie immer, auf den Blick des Kameramanns Michael Bertl (Beste Kamera / Bildgestaltung) verlassen. Seit ihrem Langfilmdebüt UNBESTÄNDIG UND KÜHL (1995) dreht Nettelbeck mit dem gebürtigen Bayern Michael Bertl, der neben seiner sehr aktiven Tätigkeit als Kameramann (DIE DÜNNEN MÄDCHEN, WINTERTOCHTER) als Studienleiter für Kinematografie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin arbeitet. Bertls Bilder von Morgans Verlorenheit und den nahen Begegnungen zwischen den wenigen Protagonisten des Films sind impressionistisch und konkret zugleich. Bertl kann Gefühle sicht-

bar machen, weil sich seine Instrumente (wie Linse und Licht) für die Figuren vor der Kamera persönlich interessieren. „Als Mittler befindet sich die Kamera im Dialog von Spiel und Regie, sie wirkt mit, atmet mit“, ist sein theoretisches Credo, das er praktisch umzusetzen vermag.

MICHAEL BERTL Beste Kamera Con Amore Fabia (1993, TV), Bella Martha (2001), Helen (2009), Wintertochter (2011)

Foto: © Valeria J. Bertl

48


SEIN LETZTES RENNEN Im Seniorenheim Kastanien-Männchen zu bauen, ist nun wirklich keine Option für den Olympia-Veteranen Paul Averhoff, dem Dieter Hallervorden (Beste darstellerische Leistung - männliche Hauptrolle) in Kilian Redhoffs Tragikomödie SEIN LETZTES RENNEN noch mal Beine macht. Paul Averhoff war in den fünfziger Jahren ein Star auf der längsten Langlaufstrecke und hat 1956, als die Sommerspiele zwischen November und Dezember in Australien (Melbourne) stattfanden, die Goldmedaille gewonnen. Deshalb kann er bei seiner aktuellen Anmeldung im hohen Alter die Frage, ob er die Strecke schon mal unter 2 Stunden 40 geschafft habe, souverän mit Ja beantworten. Paul hört auf sein immer noch fittes Herz und nicht auf die Heimleiterin, als er sich vornimmt, am Berlin Marathon teilzunehmen und ihn in Würde zu

Ende zu laufen. Notfalls auch als Sieger. „Sonst brauche ich ja nicht anzutreten.“ Für die Berliner Kabarett-, Theater-, TVund Kinolegende war dieser Film eine ganz besondere Herausforderung. Und das sicher nicht nur, weil er wirklich viel gelaufen ist. Vor den Dreharbeiten (zur Vorbereitung) noch mehr als während derselben. Hallervorden, vielen Zuschauern vor allem als Fernsehkomödiant zunächst bei den Öffentlich-Rechtlichen („Nonstop Nonsens“), dann auch im Privatfernsehen („Spottschau“) ein Begriff, hat in den letzten Jahren vor allem als Theaterintendant reüssiert. 2008 übernahm er das private Schlosspark Theater in Berlin Steglitz und hat in kurzer Zeit „ein gutes Sprechtheater mit namhaften Künstlern“ (so sein Plan) daraus gemacht. Dass Hallervorden, der im Kino der achtziger als Didi Komödienerfolge (DIDI DER DOPPELGÄNGER, R: Reinhard Schwabenitzky) feierte, auch anders konnte und kann, ist nicht erst in SEIN LETZTES RENNEN unübersehbar. Bereits in Tom Toelles und Wolfgang Menges TV-Klassiker „Das Millionenspiel“ verschaffte Hallervorden als Killer Köhler dem Zuschauer eine Gänsehaut. Damals hatte man Angst.

Heute lässt er echte Empathie entstehen. Man leidet, lacht und weint mit diesem Mann, der würdig altert, anstatt alberne Seniorenspielchen spielen zu müssen.

DIETER HALLERVORDEN Beste männliche Hauptrolle Didi und die Rache der Enterbten (1985), Der Experte (1988), Alles Lüge (1992), Das Mädchen und der Tod (2012) Foto: © DERDEHMEL

49


TORE TANZT Tores Taufe ganz zu Beginn des Films besteht aus Bildern des Neuen Testamentes. Auch wenn das Personal dieser Szene, deren Musik klingt, als höre man sie – wie ein Täufling eben – unter Wasser, eher aussieht wie Fans beim Rock am Ring. Die Jesus Freaks sind gepierct, tragen löchrige T-Shirts und tanzen Pogo. Tore steigt also zu Beginn des Films in einen Fluss. Dort hat der berühmteste Baptist der christlichen Religionsgeschichte, Johannes der Täufer, die Menschen auch getauft. Das Wasser als Element der Erlösung, das ist nicht nur ein christliches Bild, es ist auch ein filmisches. Am Ende des Films liegt Tore wieder im Wasser. Das Wasser steht. Und eine Erlösung sieht anders aus. Tores – nicht ganz unfreiwilliges – Martyrium hat ein Ende. Es ist das berühmte Ende mit Schrecken. Aber diesem ging ein Schrecken ohne Ende voraus. Tore, dessen ganze Physis in ihrer Unschuld und 50

in ihrem Leid das Bild dieses Films prägt, wird gespielt von dem jungen Theaterschauspieler Julius Feldmeier, den der Regisseur Matthias Glasner für die Kamera entdeckte. Glasner beriet die Autorin und Regisseurin Katrin Gebbe (Beste Regie) übrigens beim Drehbuch. TORE TANZT ist das Langfilmdebüt der Hamburger Filmemacherin Katrin Gebbe, die an der niederländischen Acedemy of Visual Arts and Design und der School of the Museum of the Fine Arts in Boston studiert hat, bevor sie an die Hamburg Media School ging und dort mit ihrem Abschlussfilm SORES & SIRIN reüssierte – unter anderem in Saarbrücken und bei den FIRST STEPS Awards. Er basiert auf einer wahren Geschichte, die die Regisseurin in der Zeitung fand, und erzählt von der Konfrontation eines jungen, labilen, freundlichen, orientierungslosen, aber gottesfürchtigen Mannes mit Benno, dem tyrannischen Oberhaupt einer Patchworkfamilie (beängstigend gut gespielt von 5-JAHRE-LEBEN-Hauptdarsteller Sascha Alexander Geršak). Benno, dessen Sadismus auch schon seine Familie infiziert hat, sieht in Tore gleich ein willkommenes, aber so noch nie dagewesenes Opfer. Tore ist von Benno fasziniert, weil er wohl hofft, das Böse in ihm überwinden zu können.

Eine schaurige Beziehung, die Katrin Gebbe mit beachtenswerter Konsequenz inszeniert. Dabei ist sie in keiner Sekunde des Films spekulativ oder polemisch. Weil sie so sicher ist in der Wahl ihrer visuellen Mittel, weil sie weiß, was man zeigen und spielen kann, ohne die Geschichte, die Figuren und die Zuschauer zu verraten bzw. zu betrügen, ist dieser Film unvergesslich. Kontrovers ist er übrigens auch. Er war – eine bemerkenswerte Tatsache – der einzige deutsche Film im offiziellen Programm der Filmfestspiele von Cannes 2013. Er lief in der Reihe „Un Certain Regard“ und löste heftige Reaktionen aus. Buhrufe, Applaus, Verrisse und Lobeshymnen im deutschen Feuilleton. Aber: „Mir gefällt der Gedanke, den verwöhnten Zuschauer aus dem Hochland der medialen Verköstigung ins Tal dieser tragischen Ereignisse zu ziehen und zu wissen, dass nachher ein Stachel zurückbleibt. Jedenfalls ist es offenbar schon mutig, wenn man gewisse Dinge nicht beschönigt, kein befriedigendes Ende erzählt oder mit Erzählkonventionen bricht. Eigentlich ist alles mutig, was Zuschauer vergraulen könnte, aber im Endeffekt auch dafür sorgt, dass ein Film sich von der Masse abhebt. Wir haben Entscheidungen nicht danach getrof-


fen, ob wir durch bestimmte Szenen die Altersbeschränkung erhöhen oder die Zuschauerzahlen minimieren. Wir haben riskiert, umstritten zu sein“, so das selbstbewusste Credo der Regisseurin, die gleich noch ein weiteres Risiko einging: Katrin Gebbe hat sich nämlich auch für eine rare Form der Musikdramaturgie entschieden. Mit dem Soundtrack des Jenaer Komponisten- und Musikerduos Peter Folk und Johannes Lehniger (Beste Filmmusik) ist kein symphonischer Konzertabend zu bestreiten. Die Musiker, die seit einigen Jahren (2009) unter dem Namen TROPIC auch als Band produzieren und auftreten, haben

wenige, aber wichtige Möglichkeiten erhalten, vorsichtige, aber starke musikalische Akzente zu setzen. Und die Möglichkeiten sind selten da, wo sie erwartet werden. Besonders.

KATRIN GEBBE Beste Regie

PETER FOLK Beste Musik

JOHANNES LEHNIGER Beste Musik

Tore tanzt (2013)

Tore tanzt (2013)

Tore tanzt (2013)

Foto: © Berit von Enoch

Foto: © Matthias Horn

51


• • • • • • •

4 O S E C O N D S C AT E R I N G

WESTHAFEN EVENT & CONVENTION CENTER

Langjährige Erfahrung im exklusiven Catering Hauseigene Spitzenköche, individuelle Konzepte Frische und hochwertige Produkte Moderne, konzeptgetreue Speisenpräsentation Professioneller und zuvorkommender Service Projektkoordination, die alle Wünsche erfüllt Hervorragende Referenzen

• • • • • • •

WWW.4OSECONDS.DE

Event & Convention Center mit neuester Technik Eigener Bootsanleger Bis zu 1.500 Personen gleichzeitig 12 Multifunktionale Räume (35 - 720 m² pro Raum) Konferenzbereich im 1. OG Workshopräume im EG 12,40m hohe Decken

40seconds · Roof GmbH & Co. KG · Potsdamer Str. 58 · D–10785 Berlin · 030–89 06 42 0 · info@40seconds.de

• • • • • •

Unmittelbare Lage zur Messe Berlin und City West Anbindung an die BAB 100 Tageslicht mit Raumabdunkelung Ideal für Tages- und Abendveranstaltung Fläche mit Fahrzeug befahrbar Eigene Cateringproduktionsküche


UMMAH – UNTER FREUNDEN Abbas (Kida Khodr Ramadan: Beste darstellerische Leistung – männliche Nebenrolle) hat einen Handyladen in Berlin-Neukölln, in dem er auch andere gebrauchte technische Geräte, Fernseher, Radios etc., verkauft. Als Daniel (Frederick Lau) in seinen Laden kommt, um einen neuen Fernseher zu kaufen, für den er 150 Euro" ausgeben würde, empfiehlt ihm Abbas einen alten Röhrenfernseher, den er für 50 Euro haben kann. Daniel versteht das Angebot nicht, bis Abbas ihm lachend erklärt: „150-Euro-Fernseher gibt es nicht in dieser Umgebung hier. Es gibt nur 50-Euro-Fernseher oder 500-Euro-Fernseher, mehr gibt es nicht. Wer dir was anderes gesagt hat, hat dich angelogen.“ Daniel hat fünf Jahre als verdeckter Ermittler beim Verfassungsschutz gearbeitet und musste jetzt für drei Monate untertauchen. Keiner kennt ihn in seiner neuen Heimat Neukölln,

Die taz ließ er unlängst wissen, dass ihn und ganz offensichtlich kennt er auch nicht die Gesetze der Gegend. Abbas schafft es jedenfalls, Filmpreise nur bedingt interessieren. „Wenn dir ihm den Fernseher zu verkaufen, voller Herzlich- aber jemand auf der Straße für den Film dankt: keit und Freude beim Deal – so wie er alles bei Das ist wie Orgasmus.“ der Arbeit und im Leben angeht. In seinem Debütfilm UMMAH – UNTER FREUNDEN schickt Regisseur und Drehbuchautor Cüneyt Kaya den Verfassungsschutzmitarbeiter Daniel in eine ihm unbekannte Welt, in die islamische Community in Berlin. „Ich habe Anfang 2012 das Buch geschrieben und es dann Kida, einem meiner zwei Hauptdarsteller, geschickt, denn ich habe die Rolle von Daniels arabischem Freund (Abbas) extra für ihn geschrieben. Er hat es gelesen und mir zugesagt.“ Kida Khodr KIDA KHODR Ramadan, Jahrgang 1976, ist mit Mitte zwanzig RAMADAN zum Schauspiel gekommen. Regisseur Neco Celik Beste männliche hatte ihn in einem Jugendtreff in Kreuzberg für Nebenrolle seinen Film ALLTAG (2002) entdeckt. Sein erster großer Film war 2004 KEBAB CONNECTION (R: Kebab Connection Anno Saul), danach war er jedes Jahr mindestens (2004), einmal in einem deutschen Kinofilm zu sehen, Knallhart (2006), 2006 z.B. in KNALLHART von Detlev Buck. Sein Underdogs (2007), schauspielerisches Spektrum beinhaltet, wie in Ummah - Unter dem literarischen Klassiker, die Charaktere von Freunden (2013) Dr. Jekyll und Mr. Hyde in einer Person. Foto: © Nadja Klier

53


WESTEN Eine Unpolitische, die in den Westen will? Das glaubte ihr zuvor die Stasi nicht. Jetzt glauben es CIA und BND nicht. Jördis Triebel (Beste darstellerische Leistung – weibliche Hauptrolle) spielt in Christian Schwochows Drama WESTEN diese Frau (Nelly), die beharrlich darauf besteht, aus ganz privaten Gründen ausgereist zu sein. Vor drei Jahren hat sich ihr russischer Freund und Vater ihres Kindes zu einer Dienstfahrt nach Moskau verabschiedet und ist dort bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Einen Abschied, ein Begräbnis gab es nie. Die Stasi hegt Zweifel an dem Unfalltod in der Sowjetunion und spekuliert über ein verdecktes Spionageleben. Nelly hat genug. Wegen ihres Ausreiseantrags hat sie ihren Job als Chemikerin in der Akademie der Wissenschaften verloren und arbeitet nun seit zwei Jahren auf dem Friedhof.

Sie will raus aus der DDR, frei sein, um endlich wieder als Wissenschaftlerin arbeiten zu können. Glaubt sie noch an eine letzte Demütigung durch die DDR, als sie sich am Grenzübergang für eine Untersuchung nackt machen muss, erlebt sie das Gleiche wieder, als sie im Notaufnahmelager Marienfelde angekommen ist und ihre Lagertauglichkeit geprüft wird. Jördis Triebel spielt die sich wandelnde Nelly anfangs euphorisch, mit viel Wärme und Humor ihrem Sohn gegenüber, aber auch als Reaktion auf die Dreistigkeiten des neuen Systems. Je länger sie im Lager ist, desto mehr schwindet ihre Fröhlichkeit und weicht einer Unsicherheit, der sie mit Entschlossenheit entgegensteuert. Sie will sich nicht vereinnahmen lassen, von nichts und niemandem. Ihre Würde verbietet es ihr. All das sieht man in Nellys Blick, an ihrem Gang über den Lagerhof, an der Art, ihren Sohn beschützend an die Hand zu nehmen und daran, wie sie Nähe und Distanz zu anderen Menschen immer wieder neu ausbalanciert. Ihren Durchbruch feierte Jördis Triebel 2006 gleich mit ihrer ersten großen Hauptrolle in Sven Taddickens Film EMMAS GLÜCK, mit der sie schon einmal für den Deutschen Filmpreis

nominiert war. Damals verteidigte sie als zärtliche Schweinezüchterin Emma ihren bankrotten Bauernhof mit der Flinte, jetzt findet sie als Nelly mit einer ähnlichen Mischung aus Verletzlichkeit und Stärke den Weg für ein neues Leben.

JÖRDIS TRIEBEL Beste weibliche Hauptrolle Emmas Glück (2006), Die Päpstin (2009), Ein guter Sommer (2011, TV), Meine Schwestern (2013)

Foto: © Mathias Bothor

54


ZWEI LEBEN Die Geschichte ist nicht leicht wiederzugeben. ZWEI LEBEN erzählt von einer Frau, die mit ihrer Familie ein scheinbar perfektes Leben in einem norwegischen Küstenort führt. Doch mit der politischen Neuordnung Europas 1989 holt sie ihre Vergangenheit ein: Als Tochter einer Norwegerin und eines deutschen Soldaten wurde sie als Kind von den Nazis in ein Kinderheim nach Sachsen verschleppt und wuchs dort auf. Als Mittzwanzigerin floh sie aus der DDR nach Norwegen, zu ihrer leiblichen Mutter Åse (Liv Ullmann). Diese Geschichte stimmt so, und sie stimmt auch wieder nicht. Hier vermischen sich zwei Leben, das Leben der ostdeutschen Spionin Katrine Evensen Myrdal (Juliane Köhler, Beste darstellerische Leistung – weibliche Hauptrolle), die irgendwann das Leben der Norwegerin Katrine Evensen (Klara Manzel) über-

nommen hat, um der Stasi Informationen aus dem Westen liefern zu können. Regisseur und Autor Georg Maas verknüpft in seinem Film das labyrinthische Zeitgeschichtsdrama einer Frau mit der Frage nach Wahrheit und Lüge, Schuld und Unschuld. Dass sich die Geschichte dem Zuschauer einleuchtend nach und nach zusammensetzt, liegt vor allem auch an dem gekonnten Schnitt von Hansjörg Weißbrich (Bester Schnitt). In verfremdet grobkörnigen Rückblenden fächert sich Katrines Vorgeschichte langsam auf und das Lügengerüst zerfällt. Juliane Köhler

gelingt es, ihre geheimnisvolle Figur in ihrer Widersprüchlichkeit zu zeigen, sie ist die Antiheldin. Ihre beherrschte Mimik wechselt zu einem panischen Blick, als sich ihr lang gehütetes Geheimnis lichtet. Und als sie sich am Ende der Mutter öffnet, vermag Köhler in kleinen Gesten den tiefen Schmerz ihrer Figur auszudrücken. Dass sie die Rolle der Katrine übernehmen muss, stand für Georg Maas, der schon bei seinem letzten Film NEUFUNDLAND in einer kleinen Rolle mit ihr gedreht hatte, von Anfang an fest. Nachdem sie die erste Drehbuchfassung gelesen hatte, war sie so

AXEL HELGELAND Bester Spielfilm

RUDI TEICHMANN Bester Spielfilm

Pan (1995), Mendel (1997), I am Dina (2002), Appelsinpiken (2009)

Der Ball (1999), Science Fiction (2002), Max manus (2008), Taxi (2014)

55


begeistert, dass sie sich in der Finanzierungsphase sehr für das Zustandekommen des Films eingesetzt hat. ZWEI LEBEN ist eine deutsch-norwegische Gemeinschaftsproduktion von Zinnober Film in Aachen (Dieter Zeppenfeld, Bester Spielfilm), B&T Film GmbH in Hamburg und Berlin (Rudi Teichmann, Bester Spielfilm) und der norwegischen Helgeland Film (Axel Helgeland, Bester Spielfilm). Produzent Dieter Zeppenfeld hatte bei einem Empfang der Filmund Medienstiftung NRW die Autorin Hannelore Hippe wiedergetroffen, die er viele Jahre

nicht gesehen hatte. Sie erzählte ihm von ihrem neuen, noch unveröffentlichten Roman, dessen deutsch-norwegische Geschichte einen Bogen von der Nazizeit über die DDR bis in die Gegenwart spannt. Das war ein Stoff fürs Kino und der Startschuss für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Regisseur Georg Maas.

DIETER ZEPPENFELD Bester Spielfilm NeuFundLand (2003), Familie Sonnemann (2004), Zwei Leben (2012), Taxi (2014)

Foto: © Ruth Kappus

56

JULIANE KÖHLER Beste weibliche Hauptrolle

HANSJÖRG WEIßBRICH Bester Schnitt

Aimée und Jaguar (1999), Nirgendwo in Afrika (2001), Mein erstes Wunder (2002), Mondkalb (2007)

Requiem (2006), John Rabe (2009), Sturm (2009), Nachtzug nach Lissabon (2013)

Foto: © Marco Nagel


PROUD TO HAVE SERVICED

WIR DRÜCKEN DEN NOMINIERTEN DIE DAUMEN. www.arri.com/ams


ALPHABET Ein Film, der sich mit einem der wichtigsten und drängendsten Probleme unserer Zeit beschäftigt – nämlich der Bildung bzw. ihrer virulenten Misere –, kann weder mit einer These beginnen, noch mit einer enden. Regisseur Erwin Angst oder Liebe Wagenhofer begibt sich mit seinem Film auf eine globale Exkursion durch die Systeme und Theorien der menschlichen Edukation. Er trifft unterschiedlichste Protagonisten vom Bildungsexperten über Bildungsbürokraten bis zu Bildungsopfern. Zu letzteren gehören sicherlich die Teilnehmer der „Mathematik Olympiaden“ in China – beängstigende Zahlen-Wettkämpfe, bei denen Schüler zu Leistungssportlern des Hirns werden. Dass Bildung anders aussehen muss, betont natürlich der Pädagogik-Guru Sir Ken Robinson aus Liverpool, für den die Fähigkeit zu unangepasstem Denken zur Voraussetzung Nach

WE FEED THE WORLD und

LET! S MAKE MONEY

Der neue Film von

artwork: esterer und horn foto: thomas röher, www.H2OFoto.de

ERWIN WAGENHOFER

58

Kamera und Regie ERWIN WAGENHOFER Assistenz SABINE KRIECHBAUM Ton LISA GANSER, NILS KIRCHHOFF, TONG ZHANG Sounddesign DANIEL WEIS Tonmischung ANSGAR FRERICH Musik ANDRÉ STERN Montage MICHAEL HUDECEK, MONIKA SCHINDLER, ERWIN WAGENHOFER Buch SABINE KRIECHBAUM, ERWIN WAGENHOFER Produktionsleitung PETER JANECEK, KATHLEEN REINICKE, CLAUS FALKENBERG Produzenten MATHIAS FORBERG, VIKTORIA SALCHER, PETER ROMMEL www.alphabet-! lm.com

eines menschlichen Bildungssystems gehört. Für Robinson ist die Bildung auf dem richtigen Weg, wenn sie – wie übrigens bei Kindern im Vorschulalter üblich – mehr als eine Antwort auf eine Frage zulässt. Schwer kompatibel mit einem Rennen im Rechnen. Auch eher auf seiner Seite der jüdische Exilant Arno Stern, der direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Frankreich mit Kindern pädagogisch zu arbeiten begann, indem er sie malen ließ. Daraus ist sein spielerisch-pädagogisches Konzept des „Malortes“ entstanden, das er selbst als völlig neues, universell funktionierendes sozusagen kognitives Alphabet ausgemacht hat. Irgendwo dazwischen liegt der beflissene deutsche Statistiker Andreas Schleicher, der in der ganzen Welt als „Mister Pisa“ geachtet und gefürchtet ist. Er hat dieses nicht unumstrittene Programm zur Messung des Bildungsstandes international koordiniert. Dabei kann er liberale oder noch offener denkende Pädagogen und Wissenschaftler nicht auf seine Seite bekommen. Auch nicht den deutschen Hirnforscher Gerald Hüther, der wenig davon hält, Menschen zu ihrem Glück zur Bildung zu zwingen. Regisseur Erwin Wagenhofer wurde nach

einigen Kurzfilmen in den letzten Jahren vor allem mit aufklärerischen Dokumentarfilmen bekannt, von denen WE FEED THE WORLD (2005) über die Zustände in der Ernährungsindustrie und LET`S MAKE MONEY (2008) über den Zustand des internationalen Finanzwesens die wichtigsten sind. Mit ALPHABET will Wagenhofer nach eigenem Bekunden der Frage nachgehen, wie es grundsätzlich zu den in diesen Filmen beschrieben „Verwerfungen und Fehlentwicklungen“ kommen konnte. Und dafür hat er dann doch eine These: „Es liegt daran, wie wir auf dieses Leben vorbereitet werden, wie wir erzogen, sozialisiert und letztlich gebildet werden – mit anderen Worten, welches Alphabet wir übergestülpt bekommen, mit dem ausgerüstet wir dann auf und in die Welt losgehen.“ Nachdem Wagenhofer die beiden Vorläufer von ALPHABET (und auch die Liebesgeschichte BLACK BROWN WHITE mit Fritz Karl) mit dem renommierten österreichischen Produzenten Helmut Grasser und dessen Allegro Film zusammen gemacht hatte, fand die Produktion von ALPHABET in neuer produzentischer Konstellation statt. Matthias Forberg und Viktoria Salcher, Prisma Film (Bester Dokumentarfilm)


auf österreichischer und der von Berlin aus agierende Peter Rommel, Rommel Film (Bester Dokumentarfilm) auf deutscher Seite stemmten die aufwändigen Vorbereitungs-, Finanzierungsund Dreharbeiten zu einem erneut globalen Projekt. Forberg ist seit 2003 Geschäftsführer der Prisma Film, die unter anderem auch Spielfilme wie von Götz Spielmann (REVANCHE, 2008) produziert hat. Seit 2008 ist die Filmkauffrau und Produktionsleiterin Viktoria Salcher ebenfalls Produzentin bei der Prisma. Der mehrfache Filmpreis-Träger Peter Rommel hat das Projekt in enger Zusammenar-

Foto: © Christiano Tekirdali

beit mit seinen österreichischen Kollegen auf deutscher Seite entwickelt und vorangetrieben. Rommel, der 2012 als Produzent von Andreas Dresens HALT AUF FREIER STRECKE eine Spielfilm-LOLA gewann und im letzten Jahr mit der Bestseller-Verfilmung FEUCHTGEBIETE (R: David Wnendt) einen großen künstlerischen und kommerziellen Erfolg landen konnte, war bereits mit dem deutsch-österreichischen Dokumentarfilm BACK TO AFRICA von Othmar Schmiderer bilateral unterwegs.

MATHIAS FORBERG Bester Dokumentarfilm

PETER ROMMEL Bester Dokumentarfilm

VIKTORIA SALCHER Bester Dokumentarfilm

Revanche (2008), Am Ende des Tages (2011), Grenzgänger (2012), Alphabet (2013)

Angels of the Universe (2000), Halbe Treppe (2002), Sie haben Knut (2003), Halt auf freier Strecke (2011)

Am Ende des Tages (2011), Grenzgänger (2012), Alphabet (2013), Blick in den Abgrund (2013)

Foto: © Peter Hartwig

Foto: © Ruth Ehrmann

59


BELTRACCHI – DIE KUNST DER FÄLSCHUNG „Ich wage zu behaupten, dass es leichter ist, ein Bild für eine halbe Million zu verkaufen als für 10.000. Warum? Na, da glaubt einfach keiner mehr, dass es nicht echt ist.“ Wolfgang Beltracchi spricht gern von seinen Gemälden und seiner Fälscher-Kunst. Er lacht schelmisch, wenn er seine Lebensgeschichte erzählt. Regisseur und Produzent Arne Birkenstock, Fruitmarket Kultur und Medien Produktion (Bester Dokumentarfilm) war auf Beltracchi aufmerksam geworden, weil sein Vater in dem Prozess gegen den Fälscher und seine Frau Helene der Strafverteidiger war. Arne Birkenstock erkannte ihn als eine spannende Kinofigur, recherchierte und bemühte sich sowohl bei den Beltracchis als auch bei den Geschädigten um das Vertrauen, diesen Film machen zu dürfen. Mit den beiden Kölner Produzenten Helmut G. Weber und Thomas Springer, Tradewind Pictures (Bester 60

Dokumentarfilm), mit denen Arne Birkenstock seit seinem ersten Kino-Dokumentarfilm 12 TANGOS – ADIOS BUENOS AIRES (2005) zusammenarbeitet, entwickelte er das Projekt und begann nach Prozessende im Herbst 2011 zu drehen. Beltracchi ist in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Malen zum Alltag gehörte. Sein Vater war Kirchenrestaurator, und Beltracchi half ihm gelegentlich aus. Er interessierte sich sehr für Kunst, Gemälde, zog über die Flohmärkte, erstand alte Bilder und verkaufte sie teurer weiter. Mit falschen Bildern Geld zu verdienen, begann er, als ihm die Flohmarkthändler beim Weiterverkauf von Bildern mit einer Winterlandschaft erklärten, dass Bilder grundsätzlich wertvoller würden, wenn auch Menschen darauf zu sehen seien. Also malte Beltracchi Schlittschuhläufer ins Winterbild – und verdiente prompt mehr. Er übte sich in der Anpassung des Stils, fand die Bilder trotzdem oft nicht gut und malte in der Konsequenz die Bilder irgendwann einfach neu. Das war der Anfang seiner Fälscher-Karriere. Schritt für Schritt. Schnell hatte er auch die verschiedenen Künstler-Signaturen erlernt und lieferte neue Bilder aus den vermeintlichen Lücken im Lebenswerk großer Maler. Alle waren glücklich: Beltracchi selbst, weil es ihm

Spaß machte und er obendrein eine Menge Geld damit verdiente, der Kunst-Experte freute sich über eine neue Entdeckung, und Galeristen oder Kunstsammler jubelten, dass endlich wieder ein neues Gemälde auf dem Markt war. Dass alles so einfach gehen würde, niemand hätte das vorher geglaubt. Niklas Maak, Kunstkritiker und Redakteur der FAZ, schüttelt den Kopf über so viel Gutgläubigkeit im Kunstbetrieb: „Wie er es geschafft hat, ohne großes Team, sämtliche vermeintliche Zentralen der Kompetenz und Macht in der internationalen Kunstszene auszuschalten, eine nach der anderen – wie ein schlechter Cowboyfilm. Einer kommt und mäht einen Sheriff nach dem anderen weg. Das ist ja selten so gesehen worden – wie in dem Fall Beltracchi.“ BELTRACCHI – DIE KUNST DER FÄLSCHUNG sieht manchmal aus wie ein kleiner Fälscher-Kurs. Gearbeitet wird mit einem 50-EuroBild vom Flohmarkt. Beltracchi beizt die Farbe von der Leinwand ab und bemalt diese neu. Später trocknet er das fertige Bild, bügelt es, stopft den vorher gesammelten, alten Dreck wieder hinter den Rahmen und testet zum Schluss den Geruch. „Bilder riechen ja nach den Räumen, in denen sie gehangen haben. Früher habe ich mir mal einge-


bildet, ich rieche, ob ein Bild aus Belgien oder aus Deutschland kommt“, erklärt Beltracchi – nicht unbescheiden – seine Vorgehensweise. Dass viele, Experten und Liebhaber, durch Beltracchi und seine Fälscher-Werkstatt stark geschädigt wurden, ist im Strafprozess verhandelt und verurteilt worden. Dass das Kino solche Typen wie Beltracchi liebt, ist eine andere Geschichte und liegt in der Natur der Sache. Arne Birkenstock und sein Team wussten, dass das Kino, die große Kunst der Illusion, der ideale Ort für diese Geschichte ist. Wenn Helene Beltracchi sich für ein Beweisfoto zu einem Gemälde als ihre eigene Großmutter ver-

kleidet, dann wirkt das so unbekümmert wie der Umgang des frühen Kintopp mit Realität und Fake – und erinnert uns einmal mehr daran, dass Wahrheit hinter jedem Bild verschwindet.

ARNE BIRKENSTOCK Bester Dokumentarfilm

THOMAS SPRINGER Bester Dokumentarfilm

HELMUT G. WEBER Bester Dokumentarfilm

12 Tangos - Adios Buenos Aires (2005), Chandani und ihr Elefant (2010), Sound of Heimat (2012), Die Moskauer Prozesse (2014)

Freundinnen und andere Monster (1998), Mein Bruder ist ein Hund (2004), Chandani und ihr Elefant (2010), Pettersson & Findus (2014)

Mein Bruder ist ein Hund (2004), Das Orangenmädchen (2009), Chandani und ihr Elefant (2010), Pettersson & Findus (2014)

61


MASTER OF THE UNIVERSE „Wir leben in einem kapitalistischen System. Wenn ich also meine Welt verstehen möchte, muss ich mich auch mit der Wirtschaftswelt beschäftigen. Ich wollte herausfinden, wer sich eigentlich hinter dem ominösen Begriff die ‚Märkte‘ verbirgt. Das sind Menschen. Und Menschen funktionieren nach gewissen Mechanismen. Diese haben mich interessiert.“ Regisseur und Produzent Marc Bauder, bauderfilm (Bester Dokumentarfilm) lässt in seinem neuen Film MASTER OF THE UNIVERSE einen der Master, den ehemaligen Investmentbanker Rainer Voss, zu Wort kommen, dessen Erfahrungen und Interpretationen einen tiefen Blick in den Abgrund des entfesselten Finanzkapitalismus ermöglichen. Für Bauder war es ein purer Glücksfall, Rainer Voss gefunden zu haben. Als er für sein Spielfilmprojekt RAZZIA recherchiert hat, ist er auf einen 62

Abgeordneten im Bundestag gestoßen, der sich bei speziellen Kapitalmarktfragen Rat von einem hochrangigen Investmentbanker einholte – das war der richtige Mann. Für einen Testdreh suchte Bauder dann mit seinem Kameramann Börres Weiffenbach einen idealen Ort und fand ihn in einem der vielen komplett leerstehenden Bankgebäude. Das 15. Stockwerk mit Blick auf die Frankfurter Finanzwelt war der passende Reflexionsraum für Rainer Voss als Prototyp des erfolgreichen Investmentbankers. Schnell waren Esther Schapira und der Hessische Rundfunk von der Tragweite dieses Unternehmens überzeugt und unterstützten das Projekt sofort. Produziert hat Marc Bauder den Film zusammen mit der österreichischen Produktionsfirma NGF Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, die 1994 von Nikolaus Geyrhalter in Wien gegründet wurde und seit 2003 mit den Teilhabern Markus Glaser (Bester Dokumentarfilm), Michael Kitzelberger und Wolfgang Widerhofer (Bester Dokumentarfilm) Dokumentar- und Spielfilme fürs Kino sowie Arbeiten mit hohem qualitativen Anspruch fürs Fernsehen herstellt. Marc Bauder kennt und schätzt die Produktionen von NGF schon länger und war an einer Zusammenarbeit sehr interessiert. Umgedreht war Bauder den österreichischen Filminte-

ressierten schon 2004 bei der ersten Ausgabe des nunmehr jährlich in Linz stattfindenden Filmfestivals Crossing Europe mit seinem Dokumentarfilm GROW OR GO aufgefallen. Marc Bauder hat ursprünglich Betriebswirtschaftslehre studiert und kennt sich mit finanzpolitischen Themen sehr gut aus. Für ihn war immer klar, dass er die Geschichte über die nebulösen Praktiken, die mit dem Zusammenbruch der New Yorker Investmentbank Lehman Brothers zur internationalen Krise führten, nur von innen heraus und mithilfe der realen Akteure erzählen könne. Dass er 2008, zur Zeit der Lehman-Pleite, Vater wurde, war für ihn großer Ansporn, diesen Film zu machen: „Mir wurde klar, dass es vor allem die Generation meines Sohnes sein wird, die die vollen Konsequenzen der heutigen Krise zu spüren bekommt.“ Regisseur Marc Bauder entwickelt und dreht sowohl Dokumentar- als auch Spielfilme, produziert aber nur seine Dokumentarfilme auch selbst. Im Laufe der Arbeit sucht er sich dann Sender und Co-Produktionspartner, die ihn unterstützen. Wenn dann alles schon in den richtigen Bahnen ist und man anfangen kann zu drehen, holt sich Bauder noch einen ausführenden Produzenten mit an Bord, bei MASTER


OF THE UNIVERSE war das Gunther Hanfgarn. Marc Bauder erzählte, dass er beim Dreh zu MASTER OF THE UNIVERSE das erste Mal viel Geld für eine Location bezahlt hat, Protagonisten von Dokumentarfilmen bekommen bei ihm generell kein Geld. Er findet, dass beide, Regisseur und Protagonist, eine Abmachung miteinander eingehen, gemeinsam ein gewisses Risiko zu tragen. Deshalb fließt kein Geld für Gespräche und Informationen. Wenn aber ein leerstehendes Bankgebäude zum zweiten Protagonisten im Film wird, muss auch Geld fließen. Am Anfang sollten es 1000 Euro pro Tag sein. Im Nachhinein bemerkt

Bauder scherzhaft: „Mit dem Protagonisten konnte man ja auch nicht verhandeln, der war hart wie Stein.“ Am Ende hat es aber doch noch Spielraum gegeben und sie haben für die 15 Drehtage letztlich 7000 Euro bezahlt. Im Finanzkapitalismus wird selbst aus Ruinen bares Geld.

MARC BAUDER Bester Dokumentarfilm

MARKUS GLASER Bester Dokumentarfilm

Grow or go (2003), Jeder schweigt von etwas anderem (2006), Das System (2011), Master of the Universe (2013)

Unser Täglich Brot (2005), Mein halbes Leben (2008), Donauspital (2012), Population Boom (2013)

WOLFGANG WIDERHOFER Bester Dokumentarfilm Unser täglich Brot (2005), Der Räuber (2010), Michael (2011), Abendland (2011)

63


BIBI & TINA Mit Pferden kennt sich Regisseur Detlev Buck mittlerweile recht gut aus. Besonders, wenn sie echt enge Freundschaften mit den jungen Protagonistinnen und Protagonisten seiner Kinderfilme geschlossen haben. In Bucks frühen Tragikomödien aus dem Norden der Republik hatten es ihm eher die Vierbeiner angetan, die Milch und Fleisch spendeten und mal als Hauptfiguren wie in SCHWARZBUNT MÄRCHEN (1988) und mal als Opfer wie in KARNIGGELS (1991) auftrampeln durften. Mit der LOLA-gekrönten Verfilmung des erfolgreichen Romans HÄNDE WEG VON MISSISSIPPI, der fraglos zum inoffiziellen Kanon des deutschen Kinderfilms gehört, bewies er sein emotionales Verständnis, die besondere Beziehung zwischen Kindern und Tieren filmisch überzeugend umzusetzen. Für seinen zweiten Kinderfilm griff er zwar nicht direkt auf ein konkretes Kinderbuch,

aber auf eine bekannte Figurenkonstellation zurück: Die Freundschaft zwischen der sprunghaften Nachwuchshexe Bibi Blocksberg und ihrer irdischen Freundin Tina Martin – bekannt aus der Hörspielserie „Bibi & Tina“, bei der einige Folgen auf einem Reiterhof spielen. Zusammen mit Christoph Daniel und Marc Schmidheiny von DCM Pictures (Bester Kinderfilm) haben sich Detlev Buck und Sonja Schmitt von der Boje Buck Produktion GmbH (Bester Kinderfilm) daran gemacht, aus diesen beliebten akustischen Vorlagen eine optisch wirkungsvolle und für etwas ältere Kinder attraktive Geschichte zwischen einer Fantasiewelt und der emotionalen Realität entstehen zu lassen. Das Drehbuch schrieb die erfahrene Fernseh-Autorin Bettina Börgerding („Liebe, Babys und Familienglück“, „Sexstreik“, „Die Rosenheim-Cops“), für das Casting der jungen Darstellerinnen und Darsteller (Lina Larissa Strahl, Lisa-Maria Koroll und Louis Held) war die Berliner Spezialistin Jacqueline Rietz verantwortlich, die auch die Besetzung für TOM SAWYER, HANNI UND NANNI oder TEUFELSKICKER besorgt hatte. DCM Pictures vereinigt die Initialen der Vornamen seiner Gründer Dario Suter, Christoph

Daniel und Marc Schmidheiny zu einem neuen Markenzeichen in der deutschen Filmbranche. Die drei Geschäftsfreunde (im doppelten Wortsinn) stammen aus der Schweiz und begannen 2008 mit der Produktion des Irak-Kriegs-Drama WAFFENSTILLSTAND (R: Lancelot von Naso) ihr filmisches Engagement mit der Gründung einer Produktionsfirma in Berlin. Es folgten die internationalen Koproduktionen KON-TIKI (R: Joachim Ronning, Espen Sandberg) und QUARTETT, das Regiedebüt von Dustin Hoffman. Mittlerweile betreiben sie auch einen international aufgestellten Filmverleih, für den maßgeblich Dartio Suter zuständig DETLEV BUCK Bester Kinderfilm Sonnenallee (1999), Knallhart (2006), Same same but different (2009), Die Vermessung der Welt (2012)

Foto: © DCM/Monic Johanna Schmidheiny

64


ist, der bei BIBI & TINA als Koproduzent fungierte. Der Verleih brachte diesen Film auch in die Kinos. Detlev Buck und Sonja Schmitt sind schon seit vielen Jahren ein eingespieltes Team. Sonja Schmitt arbeitet bereits seit 1992 mit Detlev Buck zusammen. Damals war sie Produktionsassistentin in der von Buck und Claus Boje gegründeten Firma Boje Buck. Danach war sie bei fast allen Produktionen der Firma als Herstellungsleiterin aktiv. Bei Leander Haußmanns ROBERT ZIMMERMANN WUNDERT SICH ÜBER DIE LIEBE (2008), JONAS von Robert Wilde (2011) und nun BIBI & TINA ist sie Produzentin. Nach dem Publikumserfolg

dieses Films bereitet das Team nun einen zweiten Teil vor. Bei Filmen mit Protagonistinnen und Protagonisten in diesem Alter muss so etwas immer schneller gehen.

CHRISTOPH DANIEL Bester Kinderfilm

MARC SCHMIDHEINY Bester Kinderfilm

SONJA SCHMITT Bester Kinderfilm

Waffenstillstand (2009), Kon-Tiki (2011), Quartett (2012), A long way down (2013)

Waffenstillstand (2009), Kon-Tiki (2011), Quartett (2012), A long way down (2013)

Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe (2008), Jonas – stell‘ dir vor es ist Schule (2011), Bibi & Tina (2014)

Foto: © DCM/Monic Johanna Schmidheiny

Foto: © DCM/Monic Johanna Schmidheiny

Foto: © DCM/Monic Johanna Schmidheiny

65


OSTWIND „Er trägt seinen Namen nicht umsonst – der Ostwind. Das ist ein unberechenbarer Wind: Mal bringt er Sonne, lässt alles blühen, dann wieder Kälte und Sturm, der die Felder verwüstet.“ Als Mika (Hanna Binke) für die Ferien von ihren Eltern (Nina Kronjäger und Jürgen Vogel) auf das Gut Kaltenbach, das Pferdegestüt ihrer strengen Großmutter (Cornelia Froboess), geschickt wird, um dort ohne alltägliche Ablenkungen für das neue Schuljahr lernen zu können, trifft sie in der dunkelsten Box des Pferdestalls auf den rebellischen Hengst mit dem programmatischen Namen. Er ist eingesperrt und allein, sie empfindet sofort Empathie. Weil sie wegen ihrer schlechten Noten nicht mit der Schulfreundin ins Feriencamp fahren durfte, fühlt sie sich von den Eltern verraten – und als Außenseiterin. Was soll sie hier auf dem Pferdehof? Sie kann ja nicht mal reiten. Und die vielen Schul66

bücher, die sie mitschleppen musste, interessieren sie am allerwenigsten. Die einzigen Momente, in denen sie sich wohlfühlt, sind im Stall, wenn sie bei Ostwind ist. Der Hengst gilt als gefährlich, lässt niemanden an sich heran. Die Großmutter, der Stalljunge, alle meiden das Pferd. Nur Mika findet einen magischen Draht zu ihm: Sie spricht mit ihm, sie reinigt ihn, manchmal schläft sie auch bei ihm in der Box. Als sie heimlich belauscht, dass ihre Oma und der Tierarzt (Detlev Buck) schon einen Abdecker für das Pferd bestellt haben, beschließt sie Ostwind zu retten. Die Produzenten Ewa Karlström und Andreas Ulmke-Smeaton von SamFilm (Bester Kinderfilm) hatten schon lange mit dem Gedanken gespielt, einen richtigen Pferdefilm zu machen. „Es gibt eine riesige Pferdefangemeinde, gerade bei den jungen Mädchen. Und einen Film, der auf die Bedürfnisse dieser Gemeinde zugeschnitten ist, gab es einfach nicht in Deutschland, wenn man einmal von Detlev Bucks HÄNDE WEG VON MISSISSIPPI absieht, der sehr schön, aber auch kein typischer Pferdefilm ist. Wir fanden also, dass es Zeit war für ein richtiges Pferdeabenteuer für die ganze Familie“, beschreibt Ewa Karlström ihre Intention. Sie erzählten den beiden Drehbuchautoren Lea Schmidbauer und

Kristina Magdalena Henn, mit denen sie bereits bei GROUPIES BLEIBEN NICHT ZUM FRÜHSTÜCK (2010, R: Marc Rothemund) zusammengearbeitet hatten von ihrem Vorhaben und bekamen bald eine Drehbuchfassung, in der schon alle wichtigen Figuren und Handlungsstränge von OSTWIND angelegt waren. Als sich Regisseurin Katja von Garnier, die selbst zwei Pferde hat und seit ihrer Kindheit gern reitet, für das Projekt interessierte, war es bald ihr Film. Ewa Karlström und Katja von Garnier sind schon sehr lange befreundet, sie haben Ende der 80er Jahre zusammen an der HFF München studiert und gründeten 1990 auch ihre erste Produktionsfirma miteinander – die Vela-X Filmproduktion. Katja von Garniers knapp einstündiger Abschlussfilm ABGESCHMINKT! war ihre erste gemeinsame Produktion, mit der sie über eine Million Zuschauer ins Kino lockten. Geschichten zu entwickeln und Filme zu produzieren, die ihren Zuschauer ernst nehmen und ihm etwas bieten wollen, ist das Credo von SamFilm, die auch die Publikumserfolge DIE WILDEN KERLE (2003, R: Joachim Masannek) und FÜNF FREUNDE (2012, R: Mike Marzuk) produziert haben. Karlström und Ulmke-Smeaton haben SamFilm 1996 in München gegründet und


konnten ihren ersten großen Kinoerfolg 1998 mit der Beziehungskomödie DAS MERKWÜRDIGE VERHALTEN GESCHLECHTSREIFER GROßSTÄDTER ZUR PAARUNGSZEIT (R: Marc Rothemund) feiern. Mit Annette Focks (Beste Filmmusik), die die Instrumentalmusik zu OSTWIND komponiert, arrangiert, orchestriert und produziert hat, haben SamFilm und Katja von Garnier zum ersten Mal zusammen gearbeitet. Die gebürtige Münchnerin schreibt seit 15 Jahren Filmmusiken, sie hat u.a. die Kompositionen zu VIER MINUTEN (R: Chris Kraus), EIN FLIEHENDES PFERD (R: Rainer Kaufmann), KRABAT (R: Marco Kreuzpaintner), POLL

(R: Chris Kraus), JOHN RABE (R: Florian Gallenberger) und DREIVIERTELMOND (R: Christian Zübert) gemacht und ist nun zum dritten Mal für den Deutschen Filmpreis nominiert.

EWA KARLSTRÖM Bester Kinderfilm

ANDREAS ULMKE-SMEATON Bester Kinderfilm

Abgeschminkt! (1993), Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur Paarungszeit (1998), Die wilden Kerle 1-5 (2003-2008), Groupies bleiben nicht zum Frühstück (2010) Foto: © SamFilm GmbH

Das merkwürdige Verhalten […] (1998), Die wilden Kerle 1-5 (2003-2008), Es ist ein Elch entsprungen (2005), Fünf Freunde 1-3 (2012-2014)

ANNETTE FOCKS Beste Musik Vier Minuten (2006), Poll (2010), Nachtzug nach Lissabon (2013), Silent Heart / Stille Hjerte (DK) (2014)

Foto: © SamFilm GmbH

67


SPUTNIK So hätte es natürlich auch sein können. Statt einer friedlichen Revolution auf den Straßen von Leipzig und Berlin hat eine kleine Erfindung von Kindern in der fiktiven Kleinstadt Malkow dafür gesorgt, dass die Mauer im November 1989 durchlässig wurde. „Beam me up, Kiddie!“ statt „Wir sind das Volk!“. Für einen originellen Kinderfilm mit historischer Dimension ist diese Idee nicht nur frappierend und vorstellbar, sie ist Wirklichkeit. Der Berliner Drehbuchautor und Regisseur Markus Dietrich, Absolvent der Bauhaus Universität Weimar und Schüler des legendären unlängst verstorbenen DEFA-Regisseurs Günter Reisch, hat sie sich ausgedacht und mit beachtlicher Besetzung für das Kino umgesetzt. Sein Film SPUTNIK erzählt vom fieberhaften Versuch dreier fantasiebegabter Kinder, eine Maschine zu erfinden, mit der sie ihren geliebten Onkel 68

Mike (Jacob Matschenz) wieder aus dem Westen zurückholen wollen. Dummerweise, aber ohne dass die Kinder es wissen, wollen ihre Eltern (Yvonne Catterfeld und Maxim Mehmet) genau dorthin. Beide Vorhaben werden durch die Präsenz des strammen VoPo Mauder (Devid Striesow) nicht einfacher. Und am Ende, nämlich am 9. November, kommt dann sowieso alles anders. Die Produzenten Marcel Lenz und Guido Schwab, ostlicht filmproduktion GmbH und ihre Kollegen Dorothe Beinemeier, Leontine Petit und Joost de Vries, Hamster Film GmbH (Bester Kinderfilm) hatten erkannt, dass es auch fünfundDOROTHE BEINEMEIER Bester Kinderfilm KussKuss – Dein Glück gehört mir (2005), Sputnik (2013), Boy 7 (2014)

zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer noch keinen Kinderfilm gegeben hatte, der den November zum Thema hatte. Dabei war ihnen klar, dass sie mit dieser Herangehensweise gleich die ganze Familie bei der Rezeption des Films in die Pflicht nehmen würden. „Dieser Film wird bei Kindern viele Fragen aufwerfen und Lust darauf machen, sich mit diesem Teil der deutsch-deutschen und europäischen Geschichte auseinander zu setzen. Die Notwendigkeit einer ‚Nachbesprechung‘ mit Eltern und Großeltern ist nicht nur erwünscht, sondern beabsichtigt!“, betonen sie auf der offiziellen Homepage zum Film. MARCEL LENZ Bester Kinderfilm Meer is nich (2007), White White World (2009), Für Elise (2012), Sputnik (2013)


Die beiden gemeinsam agierenden Produktionsfirmen haben übrigens jenseits des Projektes durchaus unterschiedliche Ausrichtungen. Während sich die in Leipzig ansässige Hamster Film auf Filme aus dem Bereich des Family Entertainment spezialisiert hat, stellt sich die Firma ostlicht mit Hauptsitz in Weimar etwas breiter auf. Sie produzierten beispielsweise im letzten Jahr das Arthouse-Drama FÜR ELISE (R: Wolfgang Dinslage) und engagierten sich auch in internationalen Koproduktionen dieses Segments. LEONTINE PETIT Bester Kinderfilm

GUIDO SCHWAB Bester Kinderfilm

JOOST DE VRIES Bester Kinderfilm

A Christmoose Story / Midden in De Winternacht (NL) (2013), Taking Chances / Patatje Oorlog (NL) (2011), Eep! / Iep! (NL) (2010), Frogs & Toads / Kikkerdril (NL) (2009)

Meer is nich (2007), White White World (2009), Für Elise (2012), Sputnik (2013)

A Christmoose Story / Midden in De Winternacht (NL) (2013), Taking Chances / Patatje Oorlog (NL) (2011), Eep! / Iep! (NL) (2010), Frogs & Toads / Kikkerdril (NL) (2009)

Foto: © Falco Hassink

69


Gastgeber aus Leidenschaft

EVENT ORGANISATIO N | G ÄSTEM ANAGEMENT | PUBLIC RELATIONS | HOSTESSEN

www.hardenberg-concept.de 70


71


FÖRDERMITGLIEDER & FREUNDE ARRI Arnold & Richter Cine

e27.berlin

Paramount Pictures Germany GmbH

Technik GmbH & Co Betriebs KG Estée Lauder CineStar-Gruppe CMS Cinema

Companies GmbH

PKF Fasselt Schlage Partnerschaft

Management Service GmbH & Co. KG FPS Fritze Wicke Seelig

Saxonia Media Filmproduktion GmbH

Concorde Filmverleih GmbH Highlight Communications AG

Senator Film Produktion GmbH

Constantin Film AG HKR Hollmann Knappe Reimert DCM Film Distribution GmbH

SIXT AG Just Publicity GmbH DFG Deutsche FilmversicherungsGemein-

Mast-Jägermeister SE

SKW Schwarz Rechtsanwälte

schaft maz & movie GmbH

72

Dolby Europe

Sony Pictures

Licensing Limited

Releasing GmbH


Studio Hamburg GmbH

Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH

STUDIOCANAL GmbH

Warner Bros. Entertainment GmbH

Telepool GmbH München Watchever

Twentieth Century Fox X Verleih AG

Universal Pictures International Germany GmbH

Universum Film GmbH

upperleveltravel

Upper Level Travel

Immer mehr Personen und Firmen, die zur Entstehung, Vermarktung und Präsentation eines deutschen Films beitragen, fühlen sich der Filmakademie sehr verbunden. Sie sind Fördermitglieder und unterstützen die gemeinsame Arbeit auch materiell. In einem kleineren finanziellen Rahmen, aber mit ebenso viel Engagement, sorgt auch

der größere Kreis der Freunde der Deutschen Filmakademie dafür, dass die Akademie lebens- und handlungsfähig bleibt. Denn aus den Mitgliedsbeiträgen allein könnte die Filmakademie nicht so aktiv sein wie sie ist. Durch die jährlichen Zuwendungen der Fördermitglieder und der Freunde kann die Akademie lebendig arbeiten, also Personal bezahlen, Projekte initiieren, Veranstaltungen organisieren, ihre Außenwirkung verstärken. Freunde und Förderer werden in das aktive Leben der Filmakademie mit einbezogen. Sie können viele Veranstaltungen besuchen, erhalten den Akademie-Newsletter „Extrablatt“, können die nominierten Filme kostenlos im Kino sehen und nehmen immer wieder gerne an Treffen der Filmakademie-Mitglieder teil. Sie sind auch dabei, wenn die Akademie gemeinsam mit dem BKM einmal im Jahr den DEUTSCHEN FILMPREIS verleiht. Freunde und Fördermitglieder tun das, was ihre Namen sagen: Sie fördern die Arbeit der Deutschen Filmakademie und erweisen damit dem deutschen Film und seinen Kreativen einen großen Freundschaftsdienst. 73


Nicole Ackermann, Geschäftsführerin | Wally Ahrweiler, Agentin | Sarah Alles, Schauspielerin | Katrin Anders, Agentin | Sigrid Andersson, Schauspielcoach | Christian Angermayer, Unternehmer | Elke Apelt, Agentin | Gabriela Bacher, Produzentin | Silke Bacher, Agentin | Simone Bachofner, Publicist | Rolf Bähr, ehem. FFA Vorstand | Anke Balzer, Agentin für Schauspieler | Frank Barner, Steuerberater, Rechtsanwalt | Julia Bartelt, PR-Agentin | Regine Baschny, PR Beraterin | Iris Baumüller, Casting Director | Joachim Behnke, Wahlforscher | Caroline Beil, Schauspielerin | Marein Beissel von Gymnich, Geschäftsführerin | Astride Bergauer, Agentin | Frank Betzelt, Filmcoach | Evi Bischof, Agentin | Gero von Boehm, Regisseur, Filmproduzent | Rüdiger Böss, SVP Group Programming Acquisitions | Mathias Bothor, Fotograf | Oliver Boy, Produzent | Elke Brand, Medienagentin | Karin Brandner, Agentin | Nicole Braun, Schauspielagentin | Frank Brauner, Rechtsanwalt | Alice Brauner, Produzentin | Wolfgang Brehm, Filmanwalt | Bettina Breitling, Leitung Lizenzen, Filmrechte | Wolf Dietrich Brücker, Redakteur | Christoph Caesar, PR-Agent | Bernd Capitain, Schauspieler | Christina Capitain, Schauspielerin | Xavier Chotard, Marketingberater | Daniel Tobias Czeckay, Rechtsanwalt | Cathy de Haan, Dramaturgin, Dozentin | Winfried Demuss, Herstellungs- und Produktionsleiter | Gitta Deutz, PR-Agentin für Film und Fernsehen | Inga Dietrich, Schauspielagentin | Ulf Dobberstein, Rechtsanwalt | Jochen Doell, Agent | Marion Döring, Geschäftsführerin | Alexander van Dülmen, CEO | Michael Düwel, Geschäftsführer | Thomas Eckelkamp, Film-/TV-Produzent | Katharina Elias, TV-Redakteurin | Matthias Elwardt, Gesellschafter | Lilly-Draga Engel, Regisseurin | Andreas Erfurth, Agent | Andrea Etz, Agentin | Jürgen Fabritius Lutz Fassbender, CEO | Cordula Fassbender, Wissenschaftlerin | Dirk Fehrecke, Agent für Film, TV und Theater | Claudia Fehrenbach Fitz, Schauspielagentin | Annic-Barbara Fenske, Schauspielerin | Milena Fessmann, Musicsupervisor | Alex Fiebig, PR & Promotions Manager | Cordula Fink, Agentin | Pamela Fischer, Agentin | Philipp Fleischmann, Trailer-Produzent, Regisseur | Susanne Franke, Geschäftsführerin Theaterkunst GmbH Berlin | Egon F. Freiheit, Drehbuchautor/TV-Consultant | Mattias Frik, Agent | Stefan Gärtner, Leiter Koproduktion und Kofinanzierung | Nicola Galliner, Festivalleiterin | Christina Gattys, Agentin | Georg Georgi, Schauspielagent | Reinhard Gerharz, Rechtsanwalt | Max Gertsch, Schauspieler | Norbert Ghafouri, Schauspieler | Maren Gilzer, Schauspielerin | Ralph Oliver Graef, Rechtsanwalt | Nico Grein, Producer | Gerhard Groß, Filmtheaterbetreiber | Heinke Hager, Agentin für Filmrechte | Winfried Hammacher, Produzent | Britta Hansen, Produzent | Birgit Hass, Geschäftsführerin | Harro von Have, Rechtsanwalt | Christa Hedderich, Künstlerische Leiterin Kostüm Theaterkunst GmbH Berlin | Hemma Heine, Agentin | Franziska Heller, Verkaufsleiterin | Alexandra Helmig, Produzentin | Marlis Heppeler, Agentin | Katharina Hiersemenzel, Rechtsanwältin | Madgar Hische, Regieassistentin | Max Höhn, Hair & Make Up Artist | Alexandra Hölzer, Rechtsanwältin | Bernhard Hoestermann, Agent für Schauspieler | Gerti Hofmann, Gastronomin | Alexander von Hohenthal, TV-Produzent | Mechthild Holter, Inhaber/Geschäftsführerin Players | Eva Hubert, Geschäftsführerin | Sissi Hüetlin, Filmemacherin | Britta Imdahl, Schauspielagentin | Marielouise Janssen-Jurreit, Filmautorin | Nicole Joens, Autorin | Anja Joos, Agentin | Bianca Junker, Presseagentin | Christine Kabisch, Regisseurin | Julia Kainz, PR-Beraterin | Siegfried Kamml, Produzent | Till Kaposty-Bliss, Werbegrafiker | Anja Karmanski, Schauspielerin | Ringo Kaufhold, Schauspielagent | Uschi Keil, Agentin | Rainer Keller, Lobbyist, Strategisches Management | Nicole Kellerhals, Dramaturgin | Dagmar Kempf, Mitarbeiterin MdB | Doris Kick, Schauspielagentin | Senta Dorothea Kirschner, Schauspielerin | Miriam Klein, Filmproduzentin | Georg Kloster, Yorck Gruppe | Thomas Kluge, Fotograf | Henning Kober, Schauspieler | Michael Konstabel, Archivrechercheur | Heide Kortwich, Maskenbildnerin | Bernd Krause, Producer | Detlev Krüger, Sprecher der GF Martin-Braun-Gruppe | Hildburg Krüger, 74


Fachbereichsleiterin Kunst & Kultur | Angelika Krüger-Leißner, MdB a.D. | Kathrin Kruschke, Schauspielagentin | Karin Kruse, Manager/Agent | Dagmar Kusche, Filmproduzentin | Adrian Kutter, Diplom-Kaufmann | Hilde Läufle, PR-Agentin | Sandra Lampugnani, Agentin | Renate Landkammer, Agentin | George Lenz, Schauspieler | Thomas Letocha, Autor | Gabriele Leuter, Leitung Kostüm Kostümfundus Babelsberg GmbH | Tobias Licht, Schauspieler | Silvana Liebich, Agentin für Schauspieler | Amélie Linder, PR-Berater | Yutah Lorenz, Schauspielerin und Artistin | Stefan Lütje, Rechtsanwalt | Lars Meier, Künstlermanager | Franz Meiller, Filmproduzent | Henner Merle, Rechtsanwalt | Delia Merten, Schauspieler-Agentin | Susanne Mertins, Geschäftsführerin | Günther Mertins, Kinobetreiber | Philipp von Mettenheim, Rechtsanwalt | André Meyer, Geschäftsführer bei Bagainpark GmbH | Kristin Meyer, Schauspieler | Carsten Meyer-Grohbrügge, Regisseur | Caroline Millahn, Agentin | Benedict Mirow, Regisseur, Produzent | Marketa Modra, Agentin | Stefan von Moers, Rechtsanwalt | Stefan Müller, Geschäftsführer | Petra Maria Müller | Jutta Müller, Produzentin | Katrin Näher, Agentin | Azizeh Nami, PR-Agentin | Sigrid Narjes, Agentin | Till Neumann, Rechtsanwalt | Jelka Niebling, Agentin | Michaela Niemeyer | Christoph Ott, Verleiher | Volker Otte, Rechtsanwalt für Filmförderungsrecht | Erik Paulsen, Dialogautor & Synchronregisseur | Katharina Pauly, Agentin | Andreas Pense, Rechtsanwalt | Michal Pokorny, Produzent | Margit Preiss, PR-Agentin | Julia Preisser, Grafik Designerin | Peter Preisser, Filmrechte Einkäufer | Hans Helmut Prinzler, Filmhistoriker | Inga Pudenz, Manager/Agentur | Wiebke Reed, Agentin | Monika Reichel, Geschäftsleitung | Josef Reidinger | Kate Reitzenstein, Agentin | Mario Rempp, Filmtheaterbetreiber | Mariette Rissenbeek, PR Managerin | Renate Roginas, Geschäftsführerin der Villa Kult OHG | Renate Rose, European Film Promotion | Stefan Rüll, Rechtsanwalt | Anette Sack, Schauspieler-Agentin | Klaus Schaefer, FilmFernsehFonds Bayern | Friedhelm Schatz, Filmpark Babelsberg | Thorsten Schaumann, Filmkaufmann | Harald Schernthaner, Head of Digital Filmworks | Christian Schertz, Rechtsanwalt | Thomas Scheuble, Bankkaufmann (Prokurist) | Antje Schlag, Agentin für Schauspiel, Regie, Filmkomponisten | Heribert Schlinker, Filmkaufmann | Michael Schmid-Ospach | Marie-Luise Schmidt, Agentin | Steffen Schmidt-Hug, Rechtsanwalt | Sonja Schmitt, Verleihchefin | Lutz Schmökel, Agent | Marc Schötteldreier, Casting Director | Frank Schubert, Schauspieler | Oliver Schündler, Geschäftsführer | Gabriela Schultze, Vertriebsleiterin CinePostproduktion | Peter Schulze, PR-Manager | Maria Schwarz, Agentin | Petra Schwuchow, PR-Agentin | Sibylle Seidel-Gieth, Agentin | Christian Senger, Schauspieler | Rita Serra-Roll, Produzentin | Stefanie van Hees, Moderatorin | Manuel Siebenmannm Regisseur, Autor und Produzent | Sebastian Sieglerschmidt, Geschäftsführer | Brigitte Simons, Schauspielcoach & Schauspielerin | Ulla Skoglund, (Schauspieler)agentin | Gisela Spiering, Agentin | Inka Stelljes, Agentin für Schauspieler | Volker Störzel, Agent Theater, Film und Fernsehen | Christiane Stützle, Rechtsanwältin für Film- und Medienrecht | Conny Suhr, PR-Agentin | Judith Sutter, Schauspielagentin | Gisela Tatsch-Daust, Schauspielagentin | Johannes Thielmann, Produzent, Regisseur, Autor | Achim Thielmann, Bankkaufmann | Michael Töteberg, Agent | Sonya Tuchmann, Schauspielerin | Michaela von Unger, Filmproduzentin | Margret Völker, Schauspielerin | Magnus Vortmeyer, Marketingleiter Tobis Film | Matthias Voß, Geschäftsführer Kostümfundus Babelsberg GmbH | Christiane von Wahlert, Geschäftsführerin SPIO | Christiane Waldbauer, Schauspieleragentin | Anja Walter-Ris, Coach | Katrin Wans, Agentin | Steffen Weihe, Agent | Anne Wels, Agentin | Simone Wernet, Lektorin & Dramaturgin | Martin Wieandt, Geschäftsführer bei LimeLight PR | Albert Wiederspiel, Filmfestleiter | Rafaela Wilde, Rechtsanwältin | Harald Will, Agent für Film Fernsehen & Theater | Max-Elmar Wischmeyer, Agent | Sylvia Wolf, Medienberater | Beate Wolgast, Agentin | Ute Zahn, Geschäftsführerin | Sebastian Zembol, Produzent, Geschäftsführer 75



10 JAHRE DEUTSCHER FILMPREIS Ein Rückblick auf die erste FilmpreisDekade mit der Deutschen Filmakademie — von Günter Rohrbach

S

chon gleich zu Anfang drohte uns der Filmpreis um die Ohren zu fliegen. Dabei war er doch das Kernstück dieser Akademie, das leidenschaftlich verfochtene und heftig umstrittene Motiv ihrer Gründung. Auch wir wollten endlich einen Filmpreis, wie ihn andere große Filmnationen längst hatten, einen Preis, den nicht eine kleine, mehr oder weniger anonyme Jury vergibt, sondern die große Zahl der arrivierten Filmschaffenden im Lande. Auch wir wollten unseren Oscar.

Helmut Dietl, Ulrich Felsberg und Bernd Eichinger, die Gründerväter der Filmakademie, mit Reinhard Hauff (2.v.r.), dem ersten Ehrenpreisträger der Akademie 2005 in der Philharmonie 2006

Foto: © Florian Liedel

2005 Neue Heimat 2006: Die Messe Berlin am Funkturm mit großem Rotem Teppich

Foto: © Florian Liedel

77


Aber so einfach ging das nicht, war doch der Deutsche Filmpreis auch ein wichtiges Förderinstrument, mit staatlichen Geldern, deren Verlust die Branche hart getroffen hätte. Aber wie verwandelt man einen Staatspreis mit seinen lebenswichtigen Segnungen in einen Akademiepreis, der die für seinen Status unerVier Filmpreise für Fatih Akin und sein Drama AUF DER ANDEREN SEITE im Jahr 2008 2007

lässliche Autonomie, also die volle Freiheit der Entscheidung umfasst? Es war der gordische Knoten, den der damalige Staatsminister für Kultur, Julian Nida-Rümelin, bereit war zu zerschlagen. Es gab nur eine Bedingung: Die Akademie musste garantieren, dass alle Filme eines Jahrgangs Berücksichtigung finden. Nach der erfolgreichen Moderatorenzeit: Bully Herbig ist auch ein charmanter Laudator 2009

Foto: © Florian Liedel

2008

Monica Bleibtreu als gefeierte LOLAGewinnerin

Foto: © Michael Tinnefeld

78

Foto: © babiradpicture


2009

Foto: © Florian Liedel

Warm Up mit dem Präsidentenpaar: Senta Berger und Günter Rohrbach begrüßen das Publikum

Foto: © Florian Liedel

Der passt so gut zu meinem Kleid: Filmpreis-Siegerin Sophie Rois 2009

Damit lag der Zankapfel im Feld. Die Geburtsstunde der Akademie war auch die Geburtsstunde der Vorauswahl. Schon gab es wieder Jurys, die wir doch eigentlich nicht wollten, und in diesen Jurys alle ebenso liebenswerten wie enervierenden Widerborstigkeiten, für die dieses merkwürdige Metier so typisch ist. Sollte es, ja darf es eine Rolle spielen, dass ein Film besonders erfolgreich war beim Publikum? Darf umgekehrt ein Film benachteiligt werden, den im Kino nahezu niemand sehen wollte? Was sind unsere Kriterien, was ist ein guter Film, was ein preiswürdiger? Darf die Vorauswahl so tun, als treffe sie bereits Entscheidungen, die doch dem Plenum vorbehalten sein sollten? Eigentlich soll sie doch bloß die Spreu vom Weizen trennen, doch was, bitte, ist da Spreu? In der Vorauswahljury für die Kategorie Bester Film gab es damals, im ersten Jahr, eine heftige Auseinandersetzung um den Film DER UNTERGANG. Es war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass der Film ein Welterfolg war, er hatte eine Oscarnominierung, in den wichtigen Filmländern nicht nur hohe Zuschauerzahlen, sondern auch gute Kritiken. Gleichzeitig erregte er 79


Ein Ständchen für die Regie: Alexander Fehling, Florian David Fitz und August Diehl beim ersten Filmpreis im Friedrichstadt-Palast 2010

Merkel in der Mitte: Beim großen Abend für Michael Haneke, Stefan Arndt und dem Ehrenpreisträger Bernd Eichinger war auch die Kanzlerin dabei

heftige ideologische Aversionen, und in der Vorauswahljury schien sich eine Mehrheit für seinen Ausschluss zu bilden. Am Ende siegte dann die Vernunft und die Einsicht, dass man den Mitgliedern die Entscheidung über diesen Film nicht vorenthalten dürfe. Ähnliche Probleme hatte es bei den Schauspielern gegeben. Gerade gegründet, stand die Akademie bereits am Abgrund. Der Sturz konnte vermieden werden, aber es war knapp. Dennoch ist die Vorauswahl über all die Jahre Dynamit geblieben. Die Folge waren immer wieder Austritte, öffentlicher Streit, zahlreiche Renovierungen des Verfahrens. Inzwischen scheint sich die Lage beruhigt zu haben, freilich auf Kosten der Mitglieder, deren Auswahlkiste, die keine Kiste mehr ist, von Jahr zu Jahr voller wird. Wann wird es darüber einen Aufschrei geben?

2010

Kann man sagen, dass sich jetzt, nach zehn Jahren, der Preis etabliert hat? Ist das überhaupt wünschenswert? Kein Streit mehr, nicht einmal mehr mit jenen Journalisten, die immer noch nicht akzeptieren wollen, dass diese Foto: © Florian Liedel

80

Foto: © Michael Tinnefeld


2012

Foto: © Florian Liedel

Proben für den Staatsminister: Akademie-Präsidentin Iris Berben mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann und TV-Regisseur Utz Weber bei der Probe 2012

Foto: © Florian Liedel

Der amerikanische Freund: Roland Emmerich vergibt 2012 die LOLA für den Besten Dokumentarfilm Akademie auch über staatliche Mittel verfügen darf, wohlgemerkt in voller Freiheit. Oder ist paradoxer Weise gerade diese Freiheit für manche das Problem? Das böse Wort von der Selbstbedienung ist da schnell zur Hand. Doch wer bedient sich da, wenn 1500 Mitglieder, die ja nicht nur Kollegen, sondern sehr viel mehr

Foto: © Florian Liedel

Bester Hauptdarsteller: Kein Halten für Milan Peschel beim Preis für HALT AUF FREIER STRECKE (2012) auch Konkurrenten sind, entscheiden? Und auch das wird in der öffentlichen Diskussion häufig vergessen, dass man nämlich, um abzustimmen, Mitglied sein muss, um den Preis zu bekommen aber keineswegs. Niemand fragt danach. Die Wahrheit ist, zahlreiche Preisträger waren keine Mitglieder der Akademie, und 81


nicht wenige von ihnen sind es bis heute nicht. Der Deutsche Filmpreis wird von den beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten übertragen, nicht live wie beim Oscar, aber nur wenig später zu einer noch akzeptablen Sendezeit. Die Quote ist nicht gut, oder sagen wir, für die Ansprüche der Sender nicht gut genug. Man könnte das verbessern, wenn man darauf

verzichten würde, den sogenannten Nebenkategorien einen angemessenen Raum zu geben. Dies haben wir bisher verweigert, und daran sollten wir festhalten. Beim Deutschen Fernsehpreis hat man die entsprechenden Leistungen der Quote geopfert. Den Deutschen Fernsehpreis wird es nicht mehr geben. Zu recht.

Der große Gwisdek-Moment: Beste Dankesrede für die Beste Nebenrolle 2013

Locker bleiben: Friederike Kempter (2.v.l.) und Tom Schilling (M.) vor der Verleihung 2013

Foto: © Florian Liedel

2013 Warten auf das Publikum: Blick ins Auditorium des FriedrichstadtPalastes 2012

Foto: © Florian Liedel

82

Foto: © Florian Liedel


WIR DANKEN Der Präsidentin Iris Berben – sowie Thomas den beteiligten Produzenten für ihre HilfsKufus, Dorothee Schön, Sven Burgemeister und bereitschaft bei der Beschaffung und Bereitstelallen weiteren Vorständen für ihr unermüdli- lung des Filmmaterials, ches Engagement, den Akademiemitgliedern für ihren Einsatz den Künstlerischen Leitern Tobi Baumann und in der Deutschen Filmakademie und für den Sven Burgemeister für ihre nicht nachlassende Deutschen Film, Freude daran, ein spannendes Filmjahr in der Berlinale und German Films für ihre Untereiner einzigen Abendgala spiegeln zu wollen. stützung bei LOLA@Berlinale, Jan Josef Liefers für den Mut und den Spaß, sich als Gastgeber vor die versammelte der Filmakademieband A.K.A. & The Demics (Ali N. Askin, Helmut Zerlett, Christoph Zirngibl, Branche zu stellen, Beckmann und Jochen Schmidt-Hambrock) für den Paten für ihr persönliches Engagement für ihre großartige musikalische Unterstützung auf die nominierten Kollegen, der Bühne der Filmpreisverleihung,

der ASTOR FILM LOUNGE, insbesondere HansJoachim Flebbe, den Verleihern, Institutionen und beteiligten Filmschaffenden, die aktiv AUF DEM WEG ZUR LOLA dabei waren und damit die LOLA VISIONEN und das LOLA FESTIVAL geprägt haben, unserem Team für die beständige Motivation, Leidenschaft und die nicht enden wollende Einsatzbereitschaft und Kirsten Niehuus, Elmar Giglinger, Peter Dinges, Frank Völkert, Christine Berg und dem Präsidium der FFA für ihre wirklich großartige Unterstützung.

83


DAS TEAM VERANSTALTER/AUFTRAGGEBER Der DEUTSCHE FILMPREIS ist eine Veranstaltung der Deutschen Filmakademie in Zusammenarbeit mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, produziert von der DFA Produktion GmbH. Deutsche Filmakademie e.V. Präsidentin: Iris Berben Vorstandsvorsitzender: Thomas Kufus Geschäftsführung: Alfred Holighaus, Anne Leppin Team: Jule Bartram, Kathi Gormasz, Katja Hevemeyer, Karina Pasternak, Stephan Pless Teamassistenz: Gesine Ploen BKM/Filmreferat K35 Sandra Wemmel, Verena Kaufmann Pressereferat BKM Hagen Philipp Wolf MODERATION Jan Josef Liefers KÜNSTLERISCHE LEITUNG Tobi Baumann, Sven Burgemeister 84

PRODUZENTIN Claudia Loewe PRODUCERIN Marion Gaedicke PRODUKTIONSLEITUNG MBTV Produktions GMBH Carsten F. Lehmann PRODUKTIONSKOORDINATION Verena Herfurth, Dodo Hufschmidt KOORDINATION REISEN Caroline Riggert, Janina Schafft

AUTOREN Roland Slawik, Chris Hadding, Ralf Husmann

Geletneky,

Heinrich

ZUSPIELER THE SCREENERS, Arnd von Rabenau, Sascha Crone ON AIR DESIGN Stefan Stöckle BÜHNEN- UND MEDIENDESIGN Mediastyles GmbH, Dirk Behrendt

LICHTSETZENDER KAMERAMANN Jerry Appelt Lichtdesign AUFNAHMELEITUNG Julia Haupt, Katharina Knieling, Chris Gruber, BILDMISCHERIN Martin Hoffmann, Stella Thieß Dagmar Zeunert KOORDINATION ZUSPIELER TITELMUSIK Mareike Manecke Loy Wesselburg, Bernhard Eichner REGIE EINSPIELUNG TITELMUSIK Utz Weber Berliner Philharmoniker u.d.L.v. Sir Simon Rattle


MUSIKALISCHE BEGLEITUNG GALA Deutsches Filmorchester Babelsberg Dirigent: Tobias Kremer A.K.A. & The Demics Ali N. Askin, Michael Beckmann, Schmidt-Hambrock, Helmut Zerlett, Christoph Zirngibl MUSIKALISCHE KOORDINATION Ali N. Askin ARRANGEUR Tilo M. Heinrich SPRECHER Michael Lott PRODUKTIONSASSISTENZ Josephine Bauer, Lisa Marie Wischer REGIEASSISTENZ Stefanie Herrmannsdörfer REDAKTION Annett Liebisch

Jochen

KOSTÜMBILD Manja Beneke

DRUCKERZEUGNISSE/INTERNET e27 Berlin, www.e27.com

MAKE UP UND HAARE Franziska Dominick MAC, Joico / Max Höhn

NOTAR Hellmut Sieglerschmidt

DEKOBAU Drei D Medien Service GmbH Oliver Eitner VIDEO- UND LICHTTECHNIK Cape Cross Studio- und Filmlichtgesellschaft mbH Thomas Brügge GÄSTEMANAGEMENT Doris Edwards, Reiki von Carlowitz Entertainmentcom GmbH, Marc Winter HOSTESSEN/HOSTESSENBETREUUNG Hardenberg Concept GmbH

SENDEPARTNER Das Erste, rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg Programmbereichsleitung Neue Zeiten: Heiner Heller Abteilungsleitung Unterhaltung: Katrin Mandel Herstellungsleitung: Torsten Klein Produktionsleitung: Jörgen Radach LOCATION Tempodrom Marko Schilp, Steve Thiede, Mike Gross LOLA PARTY FUTURECOM Michael Ecker, Brita Frankenstein

AUF DEM WEG ZUR LOLA PR Deutsche Filmakademie e.V. JUST PUBLICITY GmbH Regine Baschny, Elena Heywood, Gerold Marks, Projektkoordination: Gisela Liesenfeld (DFA Produktion GmbH) Doreen Zimmermann 85


WIR DANKEN ALLEN PARTNERN UND SPONSOREN DES DEUTSCHEN FILMPREISES 2014

86


Cucina del Sole Munich

87


Setzt Maßstäbe in technischer Planung und Realisierung Film • TV • Show • Event • Sport

Produktionsservice

Framework

Kamera Grip

Postproduktionsservice

Planung • Licht • Rigging

Bühnentechnik • Branding

Kräne • Remote Heads • Dollys

Bild • Ton

Cape Cross Studio- und Filmlichtgesellschaft mbH • Schanzenstr. 1 • D-51063 Köln • +49 221 671159-0 • info@capecross.de • www.capecross.de



Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.