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Mit pragmatischen Überlegungen die richtige Konstruktion finden – ein Gespräch mit Hermann Kaufmann
1 Hermann Kaufmann 2 –5 LifeCycle Tower (LCT), Dornbirn, 2012 4 Schema Montage Fassadentafeln auf Decken elementen, ohne Maßstab
Finding the Appropriate Form of Con struction with a Pragmatic Approach – an Interview with Hermann Kaufmann
1 Hermann Kaufmann 2– 5 LifeCycle Tower (LCT), Dornbirn, 2012 4 Diagram of assembly of facade panels on floor elements (not to scale)
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Der Vorarlberger Architekt Hermann Kaufmann, Professor für Entwerfen und Holzbau an der TU München, gehört international zu den Pionieren des modernen Holzbaus. Er war maßgeblich an der Entwicklung des LCT (LifeCycle Tower)-Systems beteiligt, das 2012 zur Errichtung des achtgeschossigen Bürogebäudes LCT One in Dornbirn führte, dem höchsten Holzgebäude Österreichs. Ziel des Hybridsystems ist es, den nachhaltigen Holzbau mit einem maximalen Vorfertigungsgrad, einer kurzen Bauzeit sowie hoher Qualität und Ausführungssicherheit auch in den dicht bebauten Innenstädten zu ermöglichen. Die Ressourceneffizienz steht dabei im Vordergrund – Holz macht zwar den Großteil des Bausystems aus, wird aber nur dort eingesetzt, wo es auch sinnvoll ist. DETAIL sprach mit Hermann Kaufmann über die Vorteile hybrider Konstruktion, die Weiterentwicklung des LCT One-Systems sowie dessen Einsatz bei den Illwerken in Montafon und dem Firmengebäude für Wagnertec in Nüziders.
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DETAIL: Herr Kaufmann, was verstehen Sie unter hybridem Bauen? Hermann Kaufmann: Hybrides Bauen hat es in der Architekturgeschichte schon immer gegeben. Ein schönes Beispiel sind die Fachwerkhäuser, deren tragende, schnell zu errichtenden Bauteile aus Holz und deren Wände, nicht zuletzt aus bauphysikalischen Gründen, aus Lehm oder Mauerwerk bestehen. Die Auffassung, dass das gesamte Gebäude möglichst aus einem einzigen Baustoff konstruiert werden sollte, entspricht der Vorstellung der Moderne. Die in früheren Zeiten oft anzutreffende Materialeinheit resultierte meist aus dem Mangel an zur Verfügung stehenden Baustoffen. So besteht beispielsweise das Bregenzerwälderhaus hauptsächlich aus Holz und nur der Sockel aus Stein, da dieser sehr schwer zu bekommen war. Im Zusammenhang mit unseren historischen Städten spricht man heute gern von der »steinernen Stadt«, doch auch hier sind die Deckenkonstruktionen aus Holz. Diese historischen Beispiele ha-
ben uns angeregt, darüber nachzudenken, ob alles ausschließlich aus Holz sein muss, wenn man für den Holzbau einsteht. Die Geschichte sagt uns, dass das nicht unbedingt notwendig ist. Es geht vielmehr darum, mit möglichst pragmatischen Überlegungen die richtigen Konstruktionen zu finden. Ist aus solchen Überlegungen heraus auch die Idee für das LCT-System mit seinen HolzBeton-Verbunddecken entstanden? Ja, das Konzept entstand aus der Notwendigkeit heraus, was eine Konstruktion – in diesen Fall für ein Bürogebäude – leisten muss. Welche Spannweiten müssen überbrückt, welche bauphysikalischen Anforderungen erfüllt werden? Wenn es um Schwingungsfreiheit bei großen Spannweiten geht, ist der Holzbeton-Verbund eine sinnvolle Lösung. Gleichzeitig ist das zusätzliche Gewicht ein wichtiger Ansatz für den Schallschutz. Dass die Betonelemente mit ihrem hohen Gewicht nicht nur auf der Holzdecke aufliegen, sondern auch mit tragen sollten, führte schlussendlich zu dem Holz-HybridDeckenelement, das die Stärken des Holzes und die des Betons optimal kombiniert. Vielleicht müsste man an dieser Stelle noch den Begriff »Hybride Bauweise« genauer definieren. Denn es gibt zum einem den Ansatz, verschiedene Baustoffe innerhalb einer Konstruktion zu kombinieren, wenn wir beispielsweise große Spannweiten mit Stahlunterzügen bewerkstelligen und Holzdecken darauf legen. Und anderseits gibt es die Möglichkeit innerhalb eines Bauelements, einer Deckenkonstruktion beispielsweise, bei der Beton und Holz einen Verbund eingehen, ähnlich wie bei der Stahl-Betonverbundbauweise. An der Entwickung der Hybriddecke waren verschiedene Institutionen beteiligt – Baufirma, Tragwerksplaner, Architekt. Wer hat den Anlass gegeben? Die Entwicklung der Hybriddecken erfolgte gemeinsam mit den Ingenieurbüros Arup und Merz Kley Partner sowie der Firma Cree by Rhomberg Bau. Den Prototypen für das Deckenelement haben die Holzbaufirma