Auf der Bühne der Architektur
aus grundsätzlich weniger Material ein erhebliches Mehr an Infrastruktur und Gebäudemasse entstehen soll. Das ist eine der Herausforderungen, der sich die wachsende Menschheit stellen muss.
Beton und Wärme Diskussionen zur Ressourceneffizienz oder zu Lebenszyklusbetrachtungen für die Gebäudekonstruktion gibt es viele. Konkretes Handeln, auch bei kleinen Projekten, hilft hier weiter und vermag die gesamte Debatte zu beflügeln. Ein Beispiel hierfür ist ein kleines Wohnhaus des Architekten Patrick Gartmann in Chur (Abb. A 6). Das in monolithischer Bauweise aus Beton errichtete Gebäude hat für die Weiterentwicklung des energieeffizienten Bauens weit mehr bewirkt als manches Symposium – und das vor allem durch seine Konstruktion und den Einsatz eines neuartigen Betons. Je nach statischen Anforderungen und erforderlichen Dämmwerten wurden hier die Wände und Decken entweder in Normal- oder in Konstruktionsdämmbeton ausgeführt, wobei die Stärke der Außenbauteile zwischen 45 und 65 cm variiert. Von zentraler Bedeutung bei der Umsetzung des Konzepts war ein sogenannter Dämmbeton, den der Architekt in Zusammenarbeit mit zwei Firmen entwickelt hatte. Dabei wurde der Zuschlag Kies durch Blähton ersetzt und Sand durch Blähglas. Die Blähglaskügelchen sind, ebenso wie Blähton, wärmedämmend und leicht. Zudem sorgt ihre Kugelform für gute Fließeigenschaften und soll unerwünschte chemische Reaktionen im Beton verhindern. Mit dieser Lösung konnte Patrick Gartmann nicht nur seine Vision eines reduzierten, auf Raumfolge und Ausblick konzipierten Wohnhauses verwirklichen. Er hat auch eine Reihe von Forschungen und Experimentalbauten zum monolithischen und zugleich wärmedämmenden Bauen in Gang gesetzt. So sind in den vergangenen Jahren weitere experimentierfreudige Bauten entstanden, unter anderem ein Wohnhaus mit Infraleichtbeton von Clemens Bonnen und Amanda Schlaich in Berlin (Abb. A 7). Der besondere Beton wurde am Institut für Massivbau der Technischen Universität Berlin entwickelt. Er zeichnet sich durch geringe Wärmeleitfähigkeit und gleichzeitig für Leichtbeton relativ hohe Druckfestigkeiten aus. Neben Blähtonkügelchen als Zuschlagstoff spielt auch ein Luftporenbildner eine Rolle, sodass der Beton bei einer Rohdichte von unter 800 kg/m3 eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,181 W/mK erreicht. Der Einsatz von konventioneller Stahlbewehrung hätte hier mindernd auf den Wärmedämmwert gewirkt, sodass lediglich eine Rissbewehrung aus Glasfaserstäben zum Einsatz kam, die die durch den Infraleichtbeton erreichte Wärmedämmung innerhalb der monolithisch vor Ort hergestellten Bauteile nicht beeinträchtigt.
Beton und Wärme (oder Kühle) finden heute bei vielen Projekten auch ohne Experimente zusammen. Als Massivbaustoff ist es Beton – wie jedem anderen Gestein – eigen, dass er Wärme relativ lange speichern kann. Inzwischen gibt es zahlreiche Büro- und Wohngebäude, in denen Betonkernaktivierung zum Einsatz kommt. Auch hier werden die angebotenen Systeme und Lösungen permanent optimiert, flexibilisiert und modernisiert. Beton als Speichermedium ist inzwischen Baustandard. Dennoch sind weiterhin Innovationen gefragt. Über die Klimatisierung von Räumen hinaus bietet Beton das Potenzial, als Speicher bzw. Zwischenspeicher von Wärmeenergie zu dienen. Auch auf diesem Gebiet wird weiter geforscht, etwa am Stuttgarter Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. In einer Pilotanlage wurde hier Beton als Speichermedium eingesetzt. Die Energiespeicherung gilt als Schlüsselfaktor, um beispielsweise erneuerbare Energien künftig effizienter nutzen zu können. Beton bringt hier, neben seinen Fähigkeiten als thermischer Speicher zu dienen, vor allem seine hohe Wirtschaftlichkeit ins Spiel. Damit sind Betonspeicher kostengünstig und wirtschaftlich – wenn auch zunächst erst im Rahmen von Pilotanlagen. Der Sprung in die gebaute Architektur steht hier noch an. Kreative Architekten und experimentierfreudige Bauherren sind gefragt – Erfinder. Debatten entwickeln sich dann von ganz allein.
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Ultrahochfester Beton Mit der Verbindung von Eisen und Beton hat Monier zwar eine ideale Kombination herausragender Eigenschaften zweier Baustoffe erfunden: die hohe Druckfestigkeit des Betons ergibt im Zusammenspiel mit der hohen Zugfestigkeit von Eisen bzw. Stahl eine nahezu perfekte Ergänzung. Der Beton als solcher wird damit aber mit zumindest zwei der den Metallen immanenten Problemen konfrontiert: Korrosion und eine vergleichsweise hohe Temperaturempfindlichkeit etwa im Brandfall. Um den Stahl im Beton vor diesen Widrigkeiten der Physik zu schützen, beträgt die Mindestüberdeckung, d. h. der Abstand zwischen der Betonoberfläche und dem innen liegenden Stahl, zumeist 3 cm. Die Dicke dieser Schutzschicht entspricht dem Gesamtmaß der Materialstärke von Wand, Decke und Boden eines Weinberghauses bei Wörrstadt in der Nähe von Kaiserslautern (Abb. A 8). Die im Werk vorgefertigten Betonbauteile aus ultrahochfestem Beton (Ultra High Performance Concrete – UHPC) sind über eingearbeitete Nuten und Schlitze an den Kanten gefügt. Alle Elemente des Weinberghauses wurden vor Ort mit einem feuchtebeständigen mineralischen Mörtel auf UHPCBasis mit Quarzmehl verbunden. Die extrem reduzierte Materialstärke der Betonfertigteile war durch den Einsatz von hochfestem, selbstverdichtendem Feinkornbeton (Größtkorn 2 mm)
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