Atlas Moderner Stahlbau

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Bauteile aus kaltgeformtem Stahl Philip A. Reed, J. Michael Davies

B 4.1

Im Stahlleichtbau kommen Stahlbauelemente mit relativ geringen Wandstärken zum Einsatz, die durch Kaltverformung hergestellt werden (siehe Kaltumformung, S. 73). Stahlblech in Form von Coils oder gespaltenen Coils bildet die Grundlage zur Fertigung kaltgeformter, dünnwandiger Bauteile (Abb. B 4.6 und Abb. B 3.21, S. 74). Diese lassen sich generell in flächige Profilbleche und axiale Tragwerksprofile klassifizieren.

Eigenschaften kaltgefomter Profile Tragwerksprofile werden gewöhnlich aus verzinktem Bandstahl hergestellt, Profiltafeln hingegen – sei es für die Gebäudehülle oder als Bestandteil des Tragwerks – aus verzinktem und zusätzlich organisch beschichtetem Bandstahl verschiedener Dicke. Bei der Fertigung dieser kaltgeformten oder kaltgewalzten Profile muss besonders darauf geachtet werden, dass die Beschichtung des Bandstahls nicht beschädigt wird. Entsprechend den ästhetischen und funktionalen Anforderungen sowie in Abhängigkeit des geforderten Finish und der Aggressivität der Umgebung kann aus der Vielzahl verfügbarer Beschichtungen die gewünschte gewählt werden (siehe Bandbeschichtungen – Korrosionsschutz vor der Verarbeitung, S. 74ff.) Herstellung

B 4.1

Stahlleichtbauskelett, Wohnhaus in Saint-Jean-deVédas (F) 2009, Frederic Jauvion B 4.2 fertiges Gebäude in Stahlleichtbauweise mit Holzverkleidung und Putz, Wohnhaus in SaintJean-de-Védas B 4.3 idealisierte Darstellung von lokalem Beulen und dem Prinzip der effektiven Breite eines seitlich gehaltenen druckbeanspruchten Blechs L Länge der Knickwelle σreal reale Spannung beff effektive Breite σeff äquivalente Ersatzspannung B 4.4 einfache kaltgeformte Z- und C-Profile B 4.5 a, b stark versteiftes Deckenprofil B 4.6 verzinkter Bandstahl

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Das hier beschriebene Kaltverformen bezieht sich im Wesentlichen auf das Bearbeiten von flachem Stahlblech zu einer gewünschten Endform unter Einsatz kontinuierlicher Anlagensysteme, die das Stahlband durch eine Serie von verschiedenen Formwerkzeugen führen. Jeder Durchlauf der aufeinanderfolgenden Rollformwerkzeuge bewirkt eine schrittweise Verformung des Stahlblechs bis zum Erreichen der finalen Form. Dieser Prozess ist im Allgemeinen als Rollformen bekannt. Andere mechanische Formgebungsverfahren wie Pressen, Stanzen, Prägen, Ziehen oder Kanten können ebenfalls zur Herstellung eines gewünschten Profils verwendet werden. Jedoch ist deren Anwendung für gewöhnlich auf kleine, maßgeschneiderte Produktionsserien beschränkt und eher selten

in der Massenherstellung von Tragwerksprofilen und Profilblechen zu finden. Konstruktive Eigenschaften

Kaltgeformte Profilbleche können eine Dicke von 0,63 mm bis zu üblicherweise 1,50 mm aufweisen, kaltgeformte Tragwerksprofile von ca. 1,00 mm bis maximal 4,00 mm. Die üblichen Streckgrenzen liegen mit fy = 280 N/mm2 bis fy = 350 N/mm2 für Profilbleche und fy = 280 N/mm2 bis fy = 390 N/mm2 für Tragwerksprofile normalerweise in einem vergleichbaren Rahmen wie bei warmgewalzten Profilen. Für besondere Anwendungen sind auch einige extrem hochfeste Stahlgüten erhältlich. Allerdings sind dann wegen begrenzter Möglichkeiten im Prozess der Kaltverformung nur reduzierte Blechdicken einsetzbar. Beulen und Knicken

Aufgrund der geringen Materialstärken sind kaltgeformte Elemente wesentlich anfälliger für alle Arten des Knickens oder Beulens als entsprechende warmgewalzte Profile. Dieser Umstand ist insbesondere während des Planungsprozesses und bei der Bemessung von großer Bedeutung. Mehr oder weniger spezifisch für solche Profile ist das lokale Beulen flacher Querschnittsbereiche der Elemente, die durch eine Reihe von Knickwellen gekennzeichnet ist (Abb. B 4.3, siehe Örtliche Stabilität, S. 107f.). Lokales Beulen kann schon bei relativ geringen Beanspruchungen auftreten. Für eine wirtschaftliche Bemessung ist es daher im Allgemeinen notwendig, eine Auslegung für den überkritischen Zustand (»gebeult«) zu wählen. Dies führt zu den Konzepten der »wirksamen Breite« und des »wirksamen Querschnitts«, bei denen die überkritischen Querschnittsbereiche nicht mehr zur Lastabtragung angesetzt werden und die verbleibende, reduzierte Breite mit einer gleichmäßig verteilten, effektiven Spannung beaufschlagt wird. Bei der Wahl von Profilen mit einem großen Verhältnis von Breite zu Blechdicke kann es daher unter großen Verkehrslasten zu lokalen Beuleffekten kommen, die Planer in der Gesamtbeurteilung entsprechend berücksichtigen sollten. Das Einwalzen von Zwischenaussteifungen in Form einer Sicke oder eines Versatzes unter-


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