Atlas Moderner Stahlbau

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Stahl in der Sanierung

Die großen Wandstärken der Gussstützen lassen außerdem vermuten, dass die Standfestigkeit bei lediglich oberflächlich oder lokal korrodierten Stützen nicht gefährdet ist. Historische Beschichtungen Rostschutz spielte zu Beginn der Anwendung von Eisen im Bauwesen eine untergeordnete Rolle, da die Bauteile im Gegensatz zu Verkehrsbauwerken nicht der Witterung ausgesetzt waren. Stahl im Hochbau wurde daher im 19. Jahrhundert meist gar nicht oder nur mit eher einfachen Behandlungen geschützt: • Teeranstrich: Beschichtungen mit Steinkohleteer waren nicht mit Ölfarben überstreichbar, fanden also nur bei nicht sichtbaren Bauteilen Verwendung. • Brünieren: Einreiben mit einem Teil Brüniersalz und drei Teilen Olivenöl • Schwarzbrennen: Einreiben mit Leinöl und anschließendes Erwärmen Spätestens seit den 1920er-Jahren war ein zwei- bis dreilagiger Schutzanstrich der gebräuchlichste Korrosionsschutz bei Schmiedeund Flussstahl. Den Rostschutz bildeten dann entweder Eisenoxid im Eisenglimmer oder Bleioxid in der Bleimennige. Als Bindemittel diente anfangs meist Leinölfirnis, später auch Kunstharz. Das Entfernen der bleihaltigen, auch Bleiweiß genannten, Beschichtungen ist nicht zu empfehlen, da das hierfür nötige Sandstrahlen giftiges Blei freisetzt, das im gebundenen Zustand keine Gefahr darstellt und daher noch als unkritisch gilt. Aus diesem Grund werden gut haftende Beschichtungen meist durch weitere Anstriche ergänzt. Dabei sind die Verarbeitungsrichtlinien der Neubeschichtung unbedingt auf die Verträglichkeit mit den damals üblichen bleihaltigen Ölfarben zu untersuchen. Unverträglichkeit kann zu dauerhafter Klebrigkeit der Oberfläche oder zum Ablösen der Altbeschichtung führen. Steinkohleteerbeschichtungen sind auch im abgebundenen Zustand gefährlich, denn sie können bei Kontakt mit Wasser möglicherweise krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) freisetzen. Solche Beschichtungen müssen in jedem Fall entfernt werden. Sind Stahlbauten bereits sehr stark korrodiert, ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Tragfähigkeit zumindest eingeschränkt, oft jedoch gar nicht mehr gegeben. Da das einzusetzende Material im konstruktiven Stahlbau schon immer nach Gewicht kalkuliert wurde, ist jedes Bauteil meist rechnerisch ausgelastet, also in den Dimensionen so weit wie möglich minimiert. Eine Schwächung durch großflächige und fortgeschrittene Korrosion bedeutet daher, dass die Konstruktion insgesamt oder in Teilen nicht sanierbar ist und ausgetauscht werden muss. Im Fall des Ersatzes einzelner Tragglieder ist zu prüfen, ob die Stahlsorten sich untereinander verschweißen lassen. Ausgeschlossen ist dies in jedem Fall bei Konstruktionen aus Puddel- oder Bessemerstahl, die auch im

Sanierungsfall genietet werden müssen. Die Schweißbarkeit anderer Stahlsorten ist insbesondere bei Konstruktionen der Vorkriegszeit im Zweifel durch Probenentnahme und Laboruntersuchung zu klären.

Sanierungen mit Stahl Der Baustoff Stahl ist aus vielen Gründen ideal für Sanierungs- und Umbauaufgaben geeignet: • Stahlprofile sind verhältnismäßig leicht. Sie können daher im Inneren von Gebäuden von Hand oder mit leichten Hebewerkzeugen eingebracht und verbaut werden. • Stahlbauteile lassen sich biegesteif verbinden. Sie erlauben also die Trennung in handliche Einzelteile und späteres, kraftschlüssiges Zusammenfügen am Einbauort. Auch Rahmenecken, beispielsweise als Konsolträger, sind im Umbau nur in Stahl realisierbar. • Stahlbau ist Trockenbau und verändert den Feuchtigkeitshaushalt des Bestands nicht. • Geschraubte Stahlverbindungen lassen sich wieder demontieren. Gerade in denkmalgeschützten Gebäuden spielt die Rückbaufähigkeit von Einbauten eine wesentliche Rolle. Stahl ist hierfür ideal geeignet, auch weil er sich hervorragend weiterverwenden (Direktrecycling) oder wiederverwerten (Recycling) lässt. Diesen Vorteilen stehen nur wenige Nachteile gegenüber. Stahlbauteile müssen vor Brand geschützt werden, als sichtbare Träger scheiden sie daher häufig aus. Sie sind zudem hoch wärmeleitend und dementsprechend für Durchdringungen der Außenhaut, z. B. für Auskragungen, nicht geeignet.

C 3.9 1922 in Deutschland festgelegte Berechnungswerte C 3.10 erste Ausgabe der DIN 1612 von 1925 (neue Bezeichnungen, neue Kennwerte) C 3.11 Vergleich zwischen anzunehmenden Verkehrslasten um 1890 und 2006 C 3.12 neue Galerie als Ergänzung, eingeschoben in historische Stahlkonstruktion (Farbton Kölner Grün), Büro einer Agentur, Köln (D) 2006, 4000architekten C 3.13 neu ergänzter Träger für Galerie und zugehörige Treppe, Büro einer Agentur C 3.14 Einzelbüro mit historischer Stütze, Büro einer Agentur

C 3.12

Statische Veränderungen im Massivbau

Aus dem Umbau von Massivbauten sind Stahlbauteile heute nicht mehr wegzudenken. Abfangungen tragender Wände und nachträgliche Verstärkungen und Sanierungen von Holzbalkendecken oder Dachstühlen sind oftmals nur durch Stahlbauteile möglich, verfügen diese doch über eine hohe Tragfähigkeit und lassen sich auch im Inneren von Gebäuden relativ leicht transportieren. Im Gegensatz zu Stahlbeton bringen sie keine Feuchtigkeit in das Gebäude und sind – wichtig im Sinne des Denkmalschutzes – wieder demontierbar.

C 3.13

Neue Durchbrüche im Mauerwerk Um Ausbrucharbeiten an tragenden Bauteilen durchführen zu können, müssen zuerst die vorhandenen Lasten abgefangen werden. Bei mehr als 100 cm breiten Wanddurchbrüchen sind zwei Lasten von Interesse: die Deckenlasten und das Gewicht des Mauerwerks oberhalb der geplanten Öffnung. Bei Durchbrüchen unterhalb dieses Maßes ist durch die natürliche Bogenwirkung des Mauerwerks während des Ausbruchs meist eine ausreichende Tragfähigkeit gegeben, sodass auf Abfangungen verC 3.14

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