Licht und Schatten – Entwurf einer Kirche Christina Augustesen
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Einen Entwurf am Tageslicht auszurichten bedeutet, ihn gleichzeitig mit der Lebendigkeit der Schatten zu verbinden. Schatten können ein starkes, bisher aber noch zu wenig beachtetes Entwurfselement sein. Je nach Lichteinfall können sich Schatten bewegen, intensivieren oder im Auge des Betrachters unterschiedliche Farbwirkungen hervorrufen. Während das meist statische Kunstlicht eher einer Momentaufnahme gleicht, sind die sich ständig verändernden Lichtstimmungen lebendig. Was ist ein Schatten? Ein Schatten ist, so heißt eine Metapher, »ein Loch im Licht, etwas Absentes«. Das Licht scheint abwesend, aber der Schatten beweist die Existenz des Lichts durch seine Negierung. In der Umgebung der Schatten hat das Licht nur eine Richtung. Der Schatten erzählt von der Erscheinung der Objekte, die ihn werfen. Das führt zu aktiven Momenten der Wahrnehmung, obwohl der Schatten passiv ist. Das Objekt erzeugt den Schatten, und bewegt sich das Objekt, verändert sich der Schatten, nicht umgekehrt. Schatten sind immer zweidimensional, sie treffen auf Flächen auf, die durchaus räumlich angeordnet sein können. Ist auf einer Waagerechten der Platz für den Schattenwurf nicht ausreichend, überträgt sich der Schatten auf dahinter platzierte geneigte oder senkrechte Flächen. Der Schatten hat also keine vorab bestimmte Richtung und keine vordefinierte Gestalt, er kann sich »anschmiegen«. Wenn der Schatten auf verschieden positionierte, beispielsweise waagerechte oder senkrechte Oberflächen fällt, entsteht in der Wahrnehmung ein jeweils eigener Raumeindruck. Licht und Dunkelheit erzeugen unterschiedliche Raumwirkungen. Räume, die durch bewegliche Schatten leben, sind differenzierter wahrnehmbar als Räume mit fixiertem Licht. 52
Die Erscheinung des Schattens ist flüchtig und ändert sich schnell. Der Schatten folgt dem Lichtgeschehen und intensiviert sich parallel mit dessen Ausdrucksfähigkeit. Ein direkter Sonnenstrahl zeichnet eine scharf umrissene Silhouette, das diffuse Licht des bedeckten Himmels erlaubt fast keine Schattenbildung. Wenn das Tageslicht verschwindet, geht auch der Schatten und der beleuchtete Raum behält nunmehr seine Konturen bei. Der Schattenraum resultiert aus dem Sonnenlicht, das durch die Fenster mit ihren Sprossen, über die Möbel, die Farben und Oberflächen in die Räume fällt. Die Schatten ändern sich je nach dem Stand des Sonnenlichtes, folgen seinen Sequenzen. Dazu treten die bewegten Schatten der Besucher. Ihre Schatten überlagern die Schatten der Objekte im Raum und könnnen mit ihnen zu einem Abbild verschmelzen. Einige Schattenwürfe kann man vorausberechnen. Andere Schatten ändern ihre Form aber sehr schnell und sie bleiben für das Auge fortwährend rätselhaft und damit faszinierend. Das Rätselhafte der Schatten und die Qualitäten des Tageslichtes waren die Inspirationsquelle für den Entwurf der Kirche im dänischen Trekroner.
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1– 4 Lichstudien am 3D-Computermodell waren während des Gestaltungsprozesses ein wichtiges Instrument zur Untersuchung verschiedener Entwurfsvarianten. 5 Querschnitt Richtung Altar 6 Querschnitt Richtung Orgel 7 Grundriss 8 Längsschnitt 4