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Gotlands dramatische Vergangenheit

DINGE, DIE FÜR DICH INTERESSANT SEIN KÖNNTEN

Gotlands dramatische Vergangenheit

Wann kamen eigentlich zum ersten Mal Menschen nach Gotland und warum finden wir hier so viele Silberschätze? Wie kommt es, dass Saffranpfannkuchen hier so beliebt ist? Wie lange dauerte in früheren Zeiten eine Reise über die Ostsee? Gemeinsam mit Lars Kruthof, dem programmverantwortlichen Pädagogen von Gotlands Museum, gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

Als vor fast 10000 Jahren die Eiszeit zu Ende ging, begannen die Menschen, sich nach Norden zu bewegen. Auch nach Gotland, wovon Skelettfunde und Wohnstätten zeugen. „Während der Steinzeit waren die Menschen überwiegend Sammler, Robbenjäger und Fischer, doch nach und nach wurden der Handel und der Austausch von Waren immer wichtiger. Gotlands Lage inmitten der Ostsee begünstigte die Entwicklung zu einem zentralen Handelsplatz, wo man Proviant fassen oder Waren tauschen konnte. Das Reisen war damals also schon wichtig“, erklärt Lars Kruthof.

Sehr reiche Reisende

Alle Schiffssetzungen, Steinhaufen und Grabfelder auf Gotland deuten auf eine facettenreiche Gesellschaft in der Bronze- und Eisenzeit hin. Später, während der Wikingerzeit und des Mittelalters, gehörte Gotland zu den reichsten Gegenden Europas. Gotländische Handelsbauern begaben sich auf lange Handelsreisen zwischen Ost- und Westeuropa und brachten Silber- und Goldschätze mit nach Hause. Heute noch werden beeindruckende Schätze aus der Wikingerzeit und dem Mittelalter entdeckt. „Falls man eine alte Münze oder einen Schatz findet,

sollte man alles liegen lassen und Länsstyrelsen informieren“, ermahnt Kruthof.

Übergang zwischen Wikingerzeit und Mittelalter

„Es ist schwer, eine klare Grenze zwischen Wikingerzeit und Mittelalter zu ziehen. Heute verwenden wir dafür ein Erklärungsmodell. Zwar kann man sagen, dass die Ausbreitung des Christentums von zentraler Bedeutung war, doch die Menschen, die damals lebten, wussten ja nicht, dass sie einer bestimmten Epoche angehörten. Was das Kulturelle angeht, so traten Dinge wie typischer Wikingerschmuck noch bis ins 12. Jahrhundert auf. In der Wikingerzeit wurden Blockhäuser gebaut und im Mittelalter Steinhäuser, etwas vereinfacht gesagt.“

Hansestädte und rege Hafenaktivitäten

Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts befand sich dort, wo heute der Almedalspark liegt, ein intensiv genutzter Hafen. Entlang der Küste von Gotland gab es mehrere große Häfen, die damals wie heute wichtige Drehkreuze darstellten.

Im Mittelalter war Visby eine bedeutende Hansestadt. Die Hanse war eine Art Handelsverband zwischen großen Städten, die von Mitte des 12. Jahrhunderts bis Mitte des 17. Jahrhunderts im Nord- und Ostseeraum einen florierenden

„Guten ist nur ein altes Wort für Gotländer.“

Handel betrieben. Im 14. Jahrhundert hatte die Hanse ihre Blütezeit. „Visby mit seiner strategischen Lage war eine große Stadt von mittelalterlichen Ausmaßen. Hier lebten aber nicht nur Deutsche und Gotländer aus Visby, sondern auch Russen aus Novgorod, Leute aus dem baltischen Raum und viele andere. Visby war einfach eine multikulturelle Stadt, in der Handel und Warenaustausch florierten“, erklärt Lars

Kruthof.

Gibt es in Visby unterirdische Gänge? „Nein, das kann ich dementieren.“

Warum wurde die Ringmauer gebaut? „Vermutlich wurde sie zuerst als Zoll- und Besteuerungsmauer für die Gotländer außerhalb Visbys gebaut, damit der Handel in der Stadt kontrolliert werden konnte. Später baute man die Mauer zu einer Art Verteidigungsmauer aus.“

Wie kommt es, dass man hier Saffranpfannkuchen isst? „Das ist ein Paradebeispiel dafür, dass Gotland offen ist für Einflüsse. Unsere wichtigste Nachspeise enthält ein Gewürz,

das von weither importiert wurde. Ansonsten gleicht sie vielen anderen Nachspeisen aus dem Mittelalter, puddingartigen Speisen, die mit etwas Exklusivem gewürzt wurden.“

Warum findet man auf der Insel so viele Silberschätze? „Der Handel brachte hohe Einnahmen, leider auch der Sklavenhandel im Osten. Das Silber wurde hierher gebracht und vergraben, vor allem in der Wikingerzeit. Wahrscheinlich waren die Motive religiöser und kultureller Art.“

Lebte früher das Volk der Guten hier auf dem Land und in Visby? „Nein, Guten ist nur ein altes Wort für Gotländer.“

Warum gibt es auf Gotland so viele Kirchen? „Die Gesetze wurden vom Christentum vorgegeben. Die Kirche war der selbstverständliche Mittelpunkt des Kirchensprengels. Da Gotland im Mittelalter extrem reich war, wurden viele stattliche Kirchen gebaut. Paradoxerweise wurde Gotland im späteren Mittelalter extrem arm, so dass man nicht die erforderlichen Mittel hatte, um die Kirchen abzureißen oder umzubauen, wie das andernorts geschah. Man ließ die Kirchen also stehen. Viel später wurde ein Teil davon renoviert. Andere verfielen zu Ruinen, die wir heute

als schön empfinden.“

Wann wurde Gotland schwedisch? „Irgendwann in der späten Wikingerzeit bzw. im frühen Mittelalter wurden Verhandlungen über die Zugehörigkeit zum Reich der Svear geführt. Der dänische König Valdemar fiel 1361 auf der Insel ein und Gotland gehörte dann fast

ununterbrochen bis 1645 zu Dänemark. Dann, im Rahmen des Friedens von Brösebro, wurden wir schwedisch. Zwar waren Anfang des 19. Jahrhunderts einige Monate lang die Russen hier und nahmen die Insel für sich in Anspruch, doch sie verschwanden schnell wieder. Das Nationalgefühl kam ziemlich spät. Vielleicht findet man auch heute immer

noch den größten Stolz auf Ebene der Kirchensprengel, so dass man sich in erster Linie zum Beispiel als Einwohner von Lärbro, dann als Gotländer und erst an dritter Stelle als Schwede empfindet.“

Was ist das Schloss von Visborg? „Vermutlich wurde es vom Deutschen Orden erbaut, der sich von 1398 bis 1407 hier aufhielt. Man begann mit dem Bau einer Verteidigungsanlage, verkaufte Gotland dann aber an Erik von Pommern. Er baute das Schloss weiter aus und später diente es den dänischen Lehnsherren zwischen ihren Plünderungszügen als Wohnsitz. Heute befindet sich ein

kleines Modell von Visborg an dem ursprünglichen Standort in Visby, oberhalb des jetzigen Hafens.“

Unternahmen die Menschen im Mittelalter Vergnügungsreisen von und nach Gotland? „Wahrscheinlich unternahmen die Menschen im Mittelalter sehr wenige Vergnügungsreisen. Handelsreisen waren dagegen nicht ungewöhnlich. Die besser Betuchten konnten Studienreisen unternehmen. Wer ein Verbrechen begangen hatte oder irgendetwas anderes getan hatte, was nicht rechtens war, konnte sich zur Buße auf eine Pilgerreise begeben.“

Wenn Sie mehr über die spannende Geschichte Gotlands erfahren möchten, sollten Sie das kulturhistorische Gotlands Museum Fornsalen in Visby besuchen oder dort eine Führung buchen.

„Saffranpfannkuchen ist ein Paradebeispiel dafür, dass Gotland offen ist für Einflüsse.“