Demo S-3 2013

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Wirtschaftsförderung

DEMO-S-3 | 2013

Die Selbstläufer Einst gab es im Landkreis Verden die größten Militärstandorte im Nordwesten Deutschlands. Mittlerweile blickt man auf eine gelungene Flächenkonversion zurück

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nfangs standen sie ratlos da. Was sollte man bloß mit den riesigen Arealen anfangen, die bislang von Bundeswehr und britischer Armee in Beschlag genommen wurden? Typische Fragen, die sich die Verantwortlichen im Landkreis und der Stadt Verden stellten, als sie sich mit dem Thema Konversion konfrontiert sahen. Anlässe dazu gab es genug, als die Militärs in den frühen 1990er Jahren nach und nach ihre Kasernen räumten. Nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation hatten somit erst die Logistiker alle Hände voll tun. Sie hinterließen wie überall im gerade wiedervereinigten Deutschland riesige Flächen, für die es galt, neue Nutzungen zu finden – so auch in Verden. Dann war es an der Politik, die neue Situation zu gestalten. Selbermachen als Schlüssel zum Erfolg

Während man sich anderswo allerdings oft schwer tat, machte man in der Kreisstadt an der Aller einen guten Job. Vor allem für die Kaserne der britischen Garnison an der Lindhooper Straße gab es rasch eine vielschichtige Perspektive. Und so findet sich dort heute nicht nur die Kreisverwaltung: Eine Grundschule, eine Deckstation für Rinder, Ställe, die Kreisvolkshochschule und eine Außenstelle der Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG) sind ebenfalls auf dem Areal untergebracht. Alles in allem fand dergestalt auf 21 Hektar Fläche gelungene Konversion statt. Der Schlüssel für den Erfolg des Projekts sei es gewesen, dass die Ex-Kaserne nicht an einen privaten Investor verkauft wurde, sondern die NLG ihre Hand da-

Unglaubliche Dynamik bei der Nachnutzung

Allein in den Umbau von der Kaserne zur Kreisverwaltung flossen 25 Millionen Euro. Dafür hatten sich die Planer für vier der einstmals fünf Unterkunftsgebäude Verbindungen erdacht. Auch ein moderner, mit allen notwendigen Medien ausgestatteter Kreistagssaal entstand. Später kam der Umbau des fünften Blocks als neuer Standort der Kreisvolkshochschule hinzu. Und die überaus zahlreichen Parkplätze werden überdies nicht nur für die Kreisverwaltung genutzt, sondern natürlich auch von den benachbarten Institutionen sowie den Gewerbetreibenden. Ein Bild aus den frühen Tagen der neuen Kreisverwaltung Ende der 1990er Jahre: Aus der ehemaligen britischen Kaserne wurde eine moderne Verwaltung. Foto: Landkreis Verden

rauf hatte. Dieser Überzeugung sind Peter Bohlmann, Landrat des Kreises Verden, und Lutz Brockmann, Bürgermeister der Allerstadt, beide SPD. Private Investoren seien bei Konversionsprojekten eher fehl am Platze, findet Bohlmann. Die Stunde der Verwaltung hat geschlagen

An der Lindhooper Straße ging es denn auch schnell ans Eingemachte. Im Jahr 1993, schon kurze Zeit nachdem die Briten die Auflösung ihres Garnisonsstandortes bekanntgegeben hatten, ließ die zuständige Stadt Verden städtebauliche Konzepte erarbeiten. Unter allen Interessenten war die Kreisverwaltung am schnellsten: Der damalige Oberkreisdirektor Werner Jahn sah die Chance, seine über mehrere Standorte verteilte Verwaltung zusammenzu-

fassen. Hinzu kam, dass auch der benachbarte Reiterverband und die Rinderzüchter Platz brauchten. Und noch ein Glücksfall begleitete die Bemühungen um die Nachnutzung der Fläche dort: Die 3 000 Briten, die in ihre Heimat zurückgingen, machten Platz für Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion – Wohnraum, der dringend benötigt wurde. Der nächste Schritt war die Unterzeichnung einer Rahmenvereinbahrung. Sie ersetzte den Bebauungsplan, dessen Verabschiedung sich wohl noch mehrere Jahre hingezogen hätte. Diesen Zeitverlust wollte und konnte sich keiner leisten. Inhalt dieser Rahmenvereinbarung war unter anderem, dass die NLG die Erschließung übernahm. Gleichzeitig wurden mehrere städtebauliche Verträge unter Dach und Fach gebracht, sodass noch im Jahr 1996 die Bagger anrücken konnten.

„Für viele Gebäude hat man eine Nachnutzung gefunden“, freut sich Verdens Bürgermeister Brockmann. Ausschlaggebend dafür sei jedoch nicht nur das schnelle Handeln der Stadt gewesen. Auch die citynahe und verkehrsgünstige Lage mit Direktanbindung zur Autobahn, die Flächenbedarfe und die allgemeine wirtschaftliche Stärke der Kommune hätten ihr Übriges dazu beigetragen. Brockmann zieht folgende Bilanz: „Vor allem der Umzug der Kreisverwaltung hat eine unglaubliche Dynamik ausgelöst.“ Entstanden ist auf dem einstigen militärischen Gelände auch ein Kompetenz-Cluster für nachhaltiges Bauen. Dort wird unter anderem das höchste Strohballenhaus Europas gebaut. Dies geschieht am Zentrum für nachhaltiges Bauen, das sich ebenfalls auf dem Kasernengelände befindet. Es liegt gleich neben einem kleinen Gewerbegebiet. Ulf Buschmann


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